Heiko Maas

#NETZDG erweist sich als Desaster

Der 30. Juni 2017 war ein denkwürdiger Tag. Zuerst hat der Deutsche Bundestag mit 393 Ja-Stimmen geradezu berauscht die „Ehe für alle“ eingeführt. Und anschließend wurde in Gegenwart von nur 40 bis 60 Politikern das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NETZDG) bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke und Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Grüne und nur einer Gegenstimme aus den Reihen der CDU/CSU-Fraktion verabschiedet.

Maas sagte in der kurz geführten Debatte (alles nachzulesen im Protokoll der Sitzung):

Mit diesem Gesetz beenden wir das verbale Faustrecht im Netz und schützen die Meinungsfreiheit aller, die im Netz unterwegs sind und sich dort auch äußern wollen. Wir stellen sicher, dass jeder seine Meinung äußern kann, ohne deswegen beleidigt und bedroht zu werden. Das ist keine Einschränkung, sondern es ist eine Voraussetzung für die Ausübung der Meinungsfreiheit.

Das Gesetz gegen Hass im Netz erweist sich bereits nach wenigen Tagen als Desaster. Die sozialen Netzwerke werden nicht befriedet, sondern wirken zunehmend toxisch. DIE WELT hat eine kurze Zwischenbilanz veröffentlicht:

Und selten gab es wohl ein Gesetz, bei dem sich bereits nach einer knappen Woche konstatieren lässt, dass es nicht das tut, was es tun soll. Beziehungsweise: Es tut viel zu viel. Oder noch präziser: Es verleitet die Netzwerke dazu, viel zu viele Beiträge aus ihren Netzwerken zu löschen, die zwar möglicherweise schwer zu ertragen, aber vom Grundsatz der Meinungsfreiheit gedeckt sind.

Selbst in Fällen, die juristisch zweifelhaft sind, wird – wie im Vorfeld prognostiziert – lieber ein Kommentar gelöscht, um sich als profitorientiertes Unternehmen nicht angreifbar zu machen. Denn eine Geldstrafe für das Löschen von zu vielen Postings gibt es natürlich nicht. Zumal die Betreiber der Netzwerke auf ihren Plattformen im rechtlichen Rahmen letztlich schalten und walten können, wie sie wollen.

Hier: www.welt.de.

Zensur in der BRD

Die CDU-SPD Koalition hat an dem Tag, als die „Ehe für alle“ durchgewinkt wurde, auch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) von Heiko Maas verabschiedet. Volker Kauder stellte sich hinter das Vorhaben und sagte dazu im Sommer der WELT:

In der Tat geht Facebook beim Löschen nach seinen eigenen Regeln vor. Das können sie ja auch. Sie müssen aber eben auch sicherstellen, dass rechtswidrige Inhalte ebenso entfernt werden, wenn sich ein Betroffener beschwert. Dass die Plattformen das tun müssen, steht seit Langem im Gesetz. Jeder, der sich im Medienrecht auskennt, weiß, dass es da Grauzonen gibt, ob eine Aussage rechtswidrig ist oder nicht.

Es geht aber in dem Gesetz auch gar nicht darum, ob eine Löschung nun zu Recht oder zu Unrecht nicht vorgenommen wurde. Ziel des Gesetzes ist es, dass die sozialen Medien überhaupt erst einmal ein ordentliches Beschwerdemanagement aufbauen. Jeder, der sich beschwert, soll in einem vertretbaren Zeitraum eine Antwort bekommen. Versuchen Sie dies doch heute einmal …

Inzwischen beschweren sich mehr und mehr Leute darüber, dass z.B. bei Facebook Beiträge gelöscht werden oder das Konto vorübergehend gesperrt wird, weil sie etwas mitteilen, was dem Mainstream widerspricht. Neueste Opfer sind Hedwig Freifrau von Beverfoerde und die Demo-Für-Alle. Facebook hat dort durchgegriffen. Begründung:

Wir entfernen Beiträge, die Personen basierend auf Rasse, Ethnizität, nationaler Herkunft, Religionszugehörigkeit, sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität oder Behinderung angreifen.

Hier mehr: charismatismus.wordpress.com.

Erdoganismus in Reinkultur

Heiko Maas fühlt sich „in Berlin als Justiz- und Verbraucherschutzminister mehr als wohl“ und steht voll hinter Martin Schulz, der seiner Meinung nach die richtigen Themen anspricht. Die richtigen Themen, das bedeutet für Schulz wie Maas: mehr Macht dem Staate! Deshalb hat Heiko Maas auch einen Gesetzentwurf vorgelegt, der sich so liest, als stamme er aus dem Roman „1984“ von George Orwell.

Harald Martenstein hat des Ministers Kampf gegen „Hatespeech“ trefflich kommentiert:

In Zukunft sollen Facebook, Twitter, Youtube, WhatsApp et cetera verpflichtet werden, alle „offensichtlich rechtswidrigen Inhalte“ zu löschen, und zwar zum Teil schon innerhalb von 24 Stunden. Ansonsten drohen den Internetfirmen Strafgelder von bis zu 50 Millionen Euro. Aber was, zum Teufel, ist „offensichtlich rechtswidrig“? Gerichte brauchen oft mehrere Instanzen, um es herauszufinden. Nun sollen diese Firmen entscheiden, sie werden zu Hilfssheriffs ernannt. Sie sind Fahnder und Richter in einem. Wenn sie zu milde urteilen, sind sie selber dran, Millionenstrafen.

Ich halte das für einen Angriff auf das Prinzip der Gewaltenteilung, für Erdoganismus in Reinkultur. Renate Künast von den Grünen ist sogar das noch zu wenig Diktatur. Sie will „Diskriminierung“ aus dem Netz löschen lassen, und zwar ausdrücklich auch solche, die „noch nicht strafbar“ ist. Irre, oder? Ein Tweet oder eine Nachricht auf WhatsApp, die nicht strafbar sind, sollen einfach gelöscht werden, nur, weil der Text nach Ansicht von Renate Künast „diskriminierend“ sein könnte. Meinungsfreiheit? Vergesst es. Renate, wann kommt eigentlich die gute alte Briefzensur wieder?

Wenn Freiheit überhaupt etwas bedeutet, dann vor allem das Recht, anderen Leuten das zu sagen, was sie nicht hören wollen. Dieser Satz ist von George Orwell.

Mehr: www.tagesspiegel.de.

Empfohlen sei zusätzlich die Analyse von Markus Reuter. Er schreibt:

Der Gesetzentwurf ist sehr weit gefasst und betrifft deutlich mehr Dienste als die großen marktdominanten und meinungsbildenden sozialen Netzwerke Facebook und Twitter, die in der bisherigen Debatte immer als Grund für das Gesetz herhalten mussten. In der weiten Definition des Gesetzentwurfes sind auch Messenger wie WhatsApp enthalten. Zudem könnten laut Gesetzestext kommerzielle Maildienstleister sowie Datenspeicherdienste wie Dropbox betroffen sein, selbst wenn das Justizministerium sowohl in der Begründung wie auch uns gegenüber sagt, dass diese nicht darunter fielen. Am Ende zählt aber nur der Gesetzestext.

Würde der Entwurf Gesetz werden, macht man die betroffenen Netzwerke ohne vorhergehende richterliche Überprüfung zu Ermittler, Richter und Henker über die Meinungsfreiheit. Nutzer könnten sich nur noch im Nachhinein gerichtlich gegen eine Löschung ihrer Inhalte wehren. Dass sich die Nutzer prinzipiell gegen Löschentscheidungen wehren können ist gut, doch eine zeitliche Verschiebung bis zum Gerichtstermin kann dazu führen, dass ein Inhalt dann nicht mehr relevant ist.

Gleichzeitig würde das Gesetz zu einer Ausweitung automatischer und gefährlicher Zensurmechanismen führen. Diese können die beanstandeten Inhalte auf der kompletten Plattform aufspüren und löschen, sowie ein erneutes Hochladen verhindern. Diese Filter existierten schon gegen Kinderpornografie und neuerdings gegen nicht näher-definierte „Terrorpropaganda“. Nun werden diese Filter mit dem Gesetzentwurf auf weitere Straftatbestände ausgeweitet.

Die Union hält den Gesetzentwurf übrigens nur für „einen ersten, kleinen Schritt in die richtige Richtung“.

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