Heinrich Bedford-Strohm

Manfred Stolpes unermüdlicher Einsatz

Als ich Heinrich Bedford-Strohms Stellungnahme zum Tod von Manfred Stolpe las, hat es mir fast die Sprache verschlagen. Mit keinem Wort hat der EKD-Ratsvorsitzende den zwielichtigen Machwillen Stolpes erwähnt. Stattdessen ist zu lesen:

Mit großer Dankbarkeit erinnere ich an Manfred Stolpes unermüdlichen Einsatz für die evangelische Kirche in der DDR sowie als Partner und Brückenbauer zwischen der evangelischen Kirche in Ost und West“, erklärte Bedford-Strohm. „In seiner Verantwortung als Funktionsträger einer christlichen Kirche in der DDR ist Stolpe immer wieder auch in zwiespältige Situationen geführt worden, die ihn auch als Christ herausgefordert haben. Wir haben in Manfred Stolpe einen Menschen kennengelernt, der mit schwierigen Entscheidungen gewissenhaft umgegangen ist. Seine Verdienste um die deutsche Einheit und sein Eintreten für die Aussöhnung zwischen Ost- und Westdeutschland bleiben unvergessen. Die Bedeutung des Zuhörens in Zeiten, in denen einfache Antworten Konjunktur haben, hat er mit großem Nachdruck immer wieder betont.“

Was werden wohl diejenigen denken, die in der ehemaligen DDR unter Stolpe gelitten haben, weil er als IM Sekretär ein fleißiger Zuträger des Ministeriums für Staatssicherheit gewesen ist? Bedford-Strohm solidarisiert sich mit einem Täter, nicht mit den vielen Opfern. Der sächsische Kirchenrat Prof. Karl-Hermann Kandler soll einmal gesagt haben: „Keiner hat so wie Stolpe dazu beigetragen, Ex-Stasileute und SED-Genossen nach 1990 hoffähig zu machen!“ Einzelheiten über Stolpes Strategien können hier nachgelesen werden. Einen Fall möchte ich direkt zitieren:

In einem Schreiben Stolpes an das Mitglied des Politbüros der SED Joachim Herrmann, vom 29.06.1987,  kommentierte er die Liebknecht- Luxemburg-Demo vom 17.01.1988.  Hier bezeichnete er Bohley, Klier, Krawczyk als: „radikalen Kräfte, die man nicht so schnell ausreisen lassen dürfe, damit kein Beispiel gesetzt werde“ Im Zusammenhang mit Ausreisewilligen und Anhängern der Friedensbewegung erklärt Stolpe, er befürwortete: „hartes staatliches Reagieren“. Stolpe bezeichnete protestierende Ausreisewillige als: „am Rande des Terrorismus stehend“. Er erklärte: „die Notwendigkeit einer staatlichen Abschreckungsmethode gegenüber Ausreisewilligen“

Dankbar bin ich für den Kommentar von Peter Hahne, der Stolpe als Korrespondent und Mitglied des EKD-Rates kannte. In „Manfred Stolpe hatte viele Gesichter“ schreibt er:

Klar, dass Stolpe in seiner Position zur DDR-Zeit auch mit der Stasi reden musste. Aber er hätte – wie es die Kirche vorschrieb – seine Vorgesetzten informieren müssen. Stattdessen hat er erst 1992 zugegeben, mehr als 20 (!) Jahre lang über 1.000 Mal größtenteils konspirativ mit der Stasi verhandelt zu haben. Dabei informierte er den Geheimdienst, der Christen bespitzeln ließ und manche buchstäblich ans Messer lieferte, sogar über Personalangelegenheiten. Jeder Pfarrer hatte schon bei viel weniger Kontakten ein Disziplinarverfahren am Halse – Stolpe nicht. Noch viel bedenklicher: Er nahm vom SED-Regime wertvolle Geschenke an und erhielt 1978 als „IM Sekretär“ auf allerhöchsten Befehl sogar die Verdienstmedaille der DDR. Bundesminister Jürgen Warnke (CSU), mit dem zusammen ich damals im Rat der EKD saß, forderte deshalb zu Recht, Stolpe sollte sein Amt als Ministerpräsident ruhen lassen. Dem schloss sich sogar die linke Hamburger Bischön Maria Jepsen an.

Bedford-Strohm und der Zeitgeist

Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm, Vorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland, predigte am letzten Wochenende zum Männersonntag im Westerwald über den Ersten Thessalonicherbrief. Die RHEINZEITUNG berichtet (Nr. 168, 23. Juni 2018, S. 21):

Der vielleicht wichtigste Satz in den Worten aus dem Thessalonicherbrief sei die Ermahnung zum richtigen Umgang mit den Geistern, auch den Zeitgeistern: „Prüft aber alles und das Gute behaltet.“ Zeitgeister seien nicht in sich etwas Schlechtes. „Sondern nur die Zeitgeister, die von den lebensfreundlichen Orientierungen Gottes wegführen. Etwa die Vergötzung des Geldes. Oder der Kult des Starken, wie er im nationalsozialistischen Menschenbild seinen Ausdruck fand. Oder ein nationalistischer Zeitgeist, der schon in der Vergangenheit so viel Unheil angerichtet hat.“

Es gebe aber auch den Punkt, dass Christen etwas als „Zeitgeist“ zurückgewiesen hätten, was sich am Ende als ihre ureigene biblisch gegründete Sache erwiesen habe. „Die Menschenrechte sind so ein Beispiel. Sie mussten gegen die Kirchen erkämpft werden.“ Bedford-Strohm persönlich glaubt, dass man Ähnliches auch irgendwann in der Zukunft über „den Umgang der Kirchen mit dem Thema Homosexualität sagen wird. Man, wird nicht mehr verstehen, warum wir als Kirchen aufgrund einiger weniger Bibelstellen so lange daran festgehalten haben, dass Homosexualität Sünde sei.“

Es ist schon erstaunlich, wie leichtherzig hier ein Bibeltext dafür benutzt wird, die eigenen Anliegen zu transportieren. Zweifelsohne können Reichtum oder Nationenstolz zum Götzen werden. Aber der Autor des Thessalonicherbriefes hat an andere Dinge gedacht, als das zitierte Schreiben verfasst wurde.

Interessanterweise findet sich die Aufforderung zur Prüfung des Guten ausgerechnet im Kontext von Ermahnungen zum heiligen Leben angesichts des kommenden Gerichtstages („… denn ihr selbst wisst genau, dass der Tag des Herrn kommen wird wie ein Dieb in der Nacht“, 5,2). Der Apostel ermahnt etwa zu fairem Handel unter Glaubensgeschwistern (4,6), (recht antimarxistisch) zur fleißigen Arbeit (4,11), Wachsamkeit und Nüchternheit (5,5), Frieden untereinander (5, 12) oder auch zur Zurechtweisung von Unordentlichen (o. Faulen, 5,14). Und er spricht ausdrücklich die Sexualethik an, die Bedford-Strohm für obsolet erklärt:

Denn das ist der Wille Gottes, eure Heiligung, dass ihr meidet die Unzucht und ein jeder von euch seine eigene Frau zu gewinnen suche in Heiligkeit und Ehrerbietung, nicht in gieriger Lust wie die Heiden, die von Gott nichts wissen … Denn Gott hat uns nicht berufen zur Unreinheit, sondern zur Heiligung. Wer das nun verachtet, der verachtet nicht Menschen, sondern Gott, der seinen Heiligen Geist in euch gibt.

Devolution

Jesus Christus:

Habt ihr nicht gelesen, dass der Schöpfer sie von Anfang an als Mann und Frau geschaffen hat? Und dass er gesagt hat: Darum wird ein Mann Vater und Mutter verlassen und seiner Frau anhangen, und die beiden werden ein Fleisch sein.

Wolfhart Pannenberg:

Denn eine Kirche, die sich dazu drängen ließe, homosexuelle Betätigung nicht mehr als Abweichung von der biblischen Norm zu behandeln und homosexuelle Lebensgemeinschaften als eine Form persönlicher Liebesgemeinschaft neben der Ehe anzuerkennen, eine solche Kirche stünde nicht mehr auf dem Boden der Schrift, sondern im Gegensatz zu deren einmütigem Zeugnis. Eine Kirche, die einen solchen Schritt tut, hätte darum aufgehört, evangelische Kirche in der Nachfolge der lutherischen Reformation zu sein.

Heinrich Bedford-Strohm:

Für mich ergibt sich aus zentralen biblischen Geboten der Impuls zu einer Öffnung der Kirche gegenüber gleichgeschlechtlichen Partnerschaften.

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