J.I. Packer

Mark Dever im Gespräch mit J.I. Packer

Im Jahr 1999 sprach Mark Dever in der Hill Baptist Church, in Washington D. C. (USA), mit dem kürzlich verstorbenen Theologen J.I. Packer. Das etwa einstündige Gespräch wurde aufgezeichnet und kann hier nachgehört werden, freilich nur englischer Sprache.

Es ist wirklich ein hilfreiches Gespräch und enthält zudem sehr lustige Momente. Besonders gefallen hat mir der Kurzbericht über einen kleinen „Zusammenstoß“, den er vor vielen Jahren mit Martyn Lloyd-Jones auf einer gemeinsam organisierten Puritaner-Konferenz hatte. Informativ allerdings auch der Teil, in dem kontrovers über die Initiative Evangelicals and Catholics Together (ECT) gesprochen wurde.

Die Kinder Gottes

Der Herold Verlag hat Evangelium21 freundlicherweise ein Kapitel des Klassikers Gott erkennen von J.I. Packer zur Verfügung gestellt. Im Kapitel „Die Kinder Gottes“ geht Packer besonders auf das Thema „Adoption“ ein, das in vielen Dogmatiken nur am Rande behandelt wird und auch in den Predigten selten vorkommt. Darin sagt Packer: 

Im Römerbrief, wo wir Paulus‘ umfassendste Interpretation des Evangeliums finden – nach Luthers Aussage, „das rechte Hauptstück des Neuen Testaments und das allerlauterste Evangelium“ –, wird als erstes die Rechtfertigung durch das Kreuz Christi ausgeführt (Kapitel 1–5) und allem anderen zugrunde gelegt. Überall spricht Paulus von der Gerechtigkeit, der Vergebung der Sünden und der Rechtfertigung als der ersten und unmittelbaren Folge des Todes Jesu für uns (Röm 3,22–26; 2 Kor 5,18–21; Gal 3,13–14; Eph 1,7; u.a.). Und wie die Rechtfertigung der primäre Segen ist, so ist sie auch der fundamentale Segen, weil sie bei allem anderen, was unsere Erlösung betrifft, vorausgesetzt wird und alles auf ihr beruht – auch die Adoption oder Gotteskindschaft.

Aber das bedeutet nicht, dass die Rechtfertigung der größte Segen des Evangeliums ist. Die Adoption ist weit größer, aufgrund der tieferen Gemeinschaft mit Gott, die sie beinhaltet. Manche Lehrbücher über die christliche Dogmatik – zum Beispiel die von Berkhof – behandeln die Adoption lediglich als Teil der Rechtfertigung, aber das wird ihr nicht gerecht. Wir müssen die beiden Konzepte unterscheiden, und die Adoption als das erhabenere betrachten. Die Rechtfertigung ist eine forensische Vorstellung, die auf dem Gesetz basiert und Gott als Richter sieht. In der Rechtfertigung erklärt Gott den bußfertigen Gläubigen für gerecht. D.h., dass er nie mehr den Tod ertragen muss, den er aufgrund seiner Sünden verdient hat, weil Jesus Christus, unser Stellvertreter und Opfer, an unserer Stelle den Tod am Kreuz erlitten hat.

Das Geschenk von Freispruch und Friede, das uns auf Golgatha erworben wurde, ist gewiss schon etwas überaus Kostbares – aber die Rechtfertigung als solche bringt uns nicht die innige und tiefe Gemeinschaft mit Gott, dem Richter. Zumindest theoretisch könnte man die Rechtfertigung auch ohne eine engere Beziehung zu Gott erhalten.

Stellen wir dies nun der Adoption oder Gotteskindschaft gegenüber. Die Adoption ist eine familiäre Vorstellung, die auf der Liebe basiert und Gott als Vater betrachtet. Bei der Adoption nimmt Gott uns in seine Familie und Gemeinschaft auf – Er erklärt uns zu seinen Kindern und Erben. Vertrautheit, Zuneigung und Großzügigkeit sind das Herzstück dieser Beziehung. Von Gott, dem Richter, für gerecht erklärt zu werden, ist eine großartige Sache, aber von Gott, dem Vater, geliebt und umsorgt zu werden, ist etwas viel Großartigeres.

Hier geht es zum Download des gesamten Kapitels: www.evangelium21.net.

Helge Stadelmann: Zum Tod von J.I. Packer

Zum Tod des evangelikalen Theologen und Autors James I. Packer hat Prof. Helge Stadelmann (FTH) für das Nachrichtenmagazin idea einen Nachruf verfasst. Darin schreibt er: „Studienbewerbern an der Freien Theologische Akademie (FTA) Gießen – heute: Freie Theologische Hochschule (FTH) –, die fragten, wie sie sich auf ihr Theologiestudium vorbereiten sollten, wurde über viele Jahre empfohlen, vor Studienbeginn Packers Buch „Gott erkennen“ zu lesen, weil die Ehrfurcht vor Gott Anfang aller Weisheit sei, auch in der Theologie (Sprüche 1,7)“. 

Über Packers Einsatz für die Autorität der Bibel schreibt Stadelmann: 

Zum Lehrer der weltweiten evangelikalen Bewegung aber wurde er durch seine Bücher. Sein erstes Buch (Fundamentalism and the Word of God/Fundamentalismus und das Wort Gottes) verkaufte sich schon im Erscheinungsjahr 1958 mehr als 20.000 Mal und wurde seither bis heute immer wieder aufgelegt. Packer warb darin für ein begründetes Vertrauen in die uneingeschränkte Wahrheit der Bibel als Gottes Wort. Das blieb eines seiner Lebensthemen und er sah mit Sorge die Gefahr der Relativierung biblischer Lehre und Ethik nicht nur in seiner anglikanischen Kirche, sondern auch unter Evangelikalen. Als verbindliche, liebenswürdige Persönlichkeit war Packer das Gegenteil eines „kämpfenden Fundamentalisten“. Aber aus überlegter Überzeugung schloss er sich dem „Rat für biblische Irrtumslosigkeit“ an und wurde 1978 einer der Erstunterzeichner der Chicago-Erklärung für biblische Irrtumslosigkeit. Packers Bibeltreue ist nicht zu verstehen ohne sein Bewusstsein der Heiligkeit Gottes als Anfang jeder Theologie, die ihren Namen verdient. Wie überliefert ist, hat er seinen Studenten immer wieder eingeprägt: „Liebe Freunde, Theologie ist Doxologie!“ Entsprechend trug sein zweites von insgesamt 47 Büchern, das sein international bekanntestes werden sollte, den Titel „Knowing God“ (1973, deutscher Titel: „Gott erkennen“).

Mehr: www.idea.de.

J.I. Packer: Lehre und Leben gehören zusammen

Hanniel hat einen persönlichen und bemerkenswerten Rückblick auf das Leben und Werk von J.I. Packer verfasst, der am 17. Juli nach einem erfüllten Leben heimgegangen ist (siehe hier). Darin heißt es: 

Packers Werk Fundamentalism and the Word of God (1958) – bis heute unübersetzt – legte den Grundstein zu dessen Wirken als bekanntem Theologen. Es handelt sich um eine kontroverse Schrift, die gemäß der Absichtserklärung des Autors einen re-konstruktiven Charakter trägt. Packer begegnet darin dem Vorwurf des Fundamentalismus. Er zeigt, dass der Begriff ebenso unscharf wie emotional aufgeladen gebraucht wird. Das Christentum basiert als Offenbarungsreligion allein auf der Autorität der Bibel. Das zeigt sich z.B. darin, wie das Neue Testament das Alte gebraucht und welche Bedeutung die gesunde Lehre bei den Aposteln spielt. Die Position lässt sich in der Kirchengeschichte immer wieder nachweisen. Die subjektivistische Position entlarvt Packer als Produkt der Moderne. Er weist stattdessen zurück zum Anspruch der Bibel. Unsere Überzeugungen müssen anhand ihrer Aussagen gemessen werden und nicht umgekehrt. Die Selbstverständlichkeit, mit der heute das „Ich“ und die eigenen Erfahrungen zum Maßstab gemacht werden, macht deutlich, wie unveränderlich dringlich das Problem ist. Die Anerkennung der Bibel als externe Autorität ist jedoch nicht mit einem anti-intellektualistischen Verständnis und mit Kulturfeindlichkeit gleichzusetzen, betont Packer auf eloquente Art.

Mehr: www.evangelium21.net.

J.I. Packer (1926–2020)

James Innell Packer, besser bekannt als J.I. Packer, war einer der berühmtesten und einflussreichsten evangelikalen Leiter der Gegenwart. Er starb am Freitag, den 17. Juli im Alter von 93 Jahren. 

J.I. Packer verteidigte auf intelligente Weise die Autorität der Bibel. Auch in zahlreichen anderen Fragen half er konservativen Christen, ihre Position zu begründen, etwa in der Sexualethik, der Frage der Frauenordination, der Hölle oder dem Sühnewerk von Jesus Christus. 

Ich bin Packer vor vielen Jahren einmal begegnet, als er die Bibelübersetzung ESV vorgestellt hat. Seine große Liebe zum Wort Gottes hat mich sehr beeindruckt. Er legte viel Wert darauf, dass wir die Heilige Schrift gründlich studieren und dabei nicht auf oberflächliche Übersetzungen zurückgreifen, sondern möglichst nah am Grundtext arbeiten.

Leland Ryken hat für CT einen persönlichen Rückblick auf das Leben des großen Puritaner-Kenners verfasst

Benjamin Schmidt, Leiter des Heroldverlags, hat 2019 das Leben von J.I. Packer in einem Vortrag vorgestellt und dabei auch kritische Punkte angesprochen. Ich empfehle den Vortrag an dieser Stelle sehr gern, so wie auch das wunderbare Buch Gott erkennen, das von Benjamin neu übersetzt worden ist. 

J.I. Packer verliert Sehkraft und beendet Dienst

J.I. Packer wird demnächst 90 Jahre alt. Eine Augenkrankheit hindert ihn daran, zu lesen und zu schreiben. Er wird sich deshalb aus der Öffentlichkeit weitgehend zurückziehen.

Unglücklich ist er aber nicht. Er erfreut sich an der Gemeinschaft mit Gott und er freut sich, dass diese Gemeinschaft bald noch intensiver werden wird.

In einem Interview, dass er vor einigen Tagen gegeben hat, sprach er noch einmal über die bedeutsame Stellung der Puritaner in der der Kirchengeschichte:

Going back to the centrality of the church, I suppose the Puritans are instrumental in bringing back our attention to the church.

The Puritans were churchly to their finger tips. They were intensely individuals. They made as much of Christian individuality as any community of believer have ever done, I think. But they were churchly. It was all for the building up the church as the body of Christ and as the goal of all of God’s purposes of grace. I still think we need to learn—learn it for the first time, perhaps.

The great thing, which the Puritans saw as central, is communion with God, which they understood as communion with the Father, the Son, and the Holy Spirit. They weren’t marked by the imbalance that you so often see even among Puritans supporters in these days—I mean people focusing on Christ to the exclusion of the Spirit, or on the Spirit to the exclusion of Christ. The Puritans, I think, were wonderfully balanced. Their published work expresses it and is very maturing. There is the same relation to the goal of godliness as proper coaching and physical training is to producing a player for role that he is called to play.

Hier das vollständige Interview: www.thegospelcoalition.org.

 

J.I. Packer: Das christliche Leben

Hanniel hat zwei Bücher über bzw. von J.I. Packer besprochen. Ein Buch ist schon recht alt, dass andere Buch von Sam Storms ist frisch auf dem Markt und heißt: Packer on the Christian Life: Knowing God in Christ, Walking by the Spirit (Crossway, 2015). Hier:

Das Leseerlebnis

NewImageJ. I. Packer gilt als einer der einflussreichsten Persönlichkeiten des Evangelikalismus der letzten 100 Jahre. Dabei muss man sich keinen „Grandseigneur“ vorstellen, sondern einen „bescheidenen, demütigen christlichen Gentleman“ (so die Beschreibung des Kirchenhistorikers Carl R. Trueman). Packer ist zur der Erscheinung dieses Buches gegen 90 Jahre alt und noch immer aktiv.

Packers Prosa ist so flüssig und klar formuliert, dass Sams Storms zögerte, diese zu umschreiben. Packer kommt in diesem Buch ausführlich zu Wort. Die längeren Zitate bereichern den Text ungemein. Sie stärken zudem das Anliegen des Autors, den Leser zu den Originalen hinzuführen. In meinem Fall ist ihm dies gelungen. Es liegen bereits einige Bände auf meinem Nachttisch.

Die inhaltliche Führung

Der Gedankenfluss des Buches ist angenehm, gerade angesichts der inhaltlichen Breite und Fülle des Materials. Es beginnt mit einer kurzen biografischen Einführung und startet dann mit dem zentralen Gedanken von Packers Werk: Dem stellvertretenden Sühnetod von Jesus Christus. „Christi versöhnendes Opfer ist Grundlage und Quelle von allem anderen, das in der christlichen Erfahrung folgt.“ (24) Was folgt, wird in zehn Teilen à 12 – 15 Seiten entfaltet: Die Rolle der Heiligen Schrift, die Bedeutung von Heiligkeit sowie Inhalte und Mittel der Heiligung, ergänzt mit einem eigenen Kapitel zur Auslegung von Römer 7,14-25. Dann folgen Kapitel über die Rolle des Heiligen Geistes, die Notwendigkeit des Gebets, das Erkennen von Gottes Willen und die Unvermeidbarkeit von Leid. Storms lässt das Buch mit dem Zentralgedanken „Gott erkennen“ und dem Zielkompass, gut zu enden, ausklingen.

Was heraussticht

Durchs Band sticht J. I. Packers Liebe zur Schrift heraus. Es gibt kein christliches Leben ohne die offenbarte Wahrheit des Wortes Gottes (46). Dabei geht es um propositionelle, für den (erleuchteten) Verstand erkennbare Inhalte. Zweitens wiegt sein scharfes Unterscheidungsvermögen, das ihn zielsicher einfache Modelle entwerfen lässt, so z. B. zu den drei Zugängen zur Schrift (Subjektivisten, Traditionalisten und Objektivisten) oder zur Typologisierung der Evangelikalen (Aktivisten, Intellektualisten und Abweichler).

Packer gelingt es ausgewogen zu bleiben. Dies kommt beispielsweise in seiner Einschätzung der charismatischen Bewegung schön zur Geltung. Er scheut sich nicht, auch heisse Eisen mit klaren Worten anzupacken – etwa die umstrittene Auslegung von Römer 7.

Zwei Beispiele: Anwendung von Gottes Wort und Facetten des Gebets

Zwei konkrete Beispiele: Erstens seine fünffache Anwendung von Gottes Wort im christlichen Leben (61). Wenn die darin offenbarten Prinzipien Wahrheit sind, was folgt daraus?

  • Anwendung auf den Verstand: Welche Gedankengänge, –gewohnheiten und -gebäude werden gefördert und welche herausgefordert?
  • Anwendung auf den Willen: Welche konkreten Handlungen und welche Typen von tugendhaftem Verhalten sollen folgen?
  • Anwendung auf die Gefühle („affections“): Was wird gelehrt, was wir lieben, worauf wir hoffen oder darauf bestehen, in denen wir uns freuen sollen?
  • Anwendung auf die Motivation: Was ermutigt uns, der Gerechtigkeit nachzustreben und in ihr auszuharren?
  • Anwendung auf die Selbsterkenntnis und die Selbstprüfung: Wie kommen wir diesen Anforderungen zur Zeit nach? Wo kommen wir zu kurz?

Zweites Beispiel: Packer stellt die verschiedenen Facetten des Gebets wundervoll dar (139ff): Gebet nimmt die Form des Anliegens (petition), der Konversation (durch Gottes offenbarten Willen in der Bibel), der Meditation (als aktive mentale Übung des Nachdenkens über die Schrift, Gott, die Schönheit der Schöpfung und die Wahrheiten der Erlösung), von Lob, Selbstprüfung und Klage an.

Fazit

Mich liess das Buch mit dem Verlangen zurück, in der Heiligung zu wachsen. Am meisten ermutigt wurde ich durch den „erfrischenden und hoffnungsvollen Realismus“ (133). Sein Werk ist ein wirksames Gegenmittel gegen den gesellschaftlichen Imperativ des selbst-zentrierten Lebens. Gott und seine Herrlichkeit haben Vorrang. Und: Theologie und geistliches Leben gehören unbedingt zusammen (29).

An zweiter Stelle hat Storms die Liebe Packers zur Heiligen Schrift herausgehoben. Als Beispiel dafür, wie Packer sein Anliegen treu vertrat, sei als eine Art „Anhang“ das 1958 erschienene Buch „Fundamentalism and the Word of God“ kurz dargestellt.

Zum Hintergrund des Buches

NewImageAls das Buch erschien, war Packer war also 32-jährig. Der Inhalt muss auf dem Hintergrund der Fundamentalismus-Debatte der 50er-Jahre innerhalb Grossbritanniens bedacht werden. „Fundamentalismus“ war noch nicht Sammelbegriff angesichts globaler Herausforderungen wie zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Packer bezog ihn ausschliesslich auf den „evangelikalen“ Teil der Kirche Englands, der damit „etikettiert“ worden war. Er trägt im ersten Kapitel eine Reihe offizieller Definitionen des Begriffs vor. Genau an dieser Stelle beginnt die inhaltliche Auseinandersetzung: Um drehte sich die Kontroverse? Was war der theologische Kern?

Der inhaltliche Kern: Die Frage nach der Autorität

Theologisch liberale Vertreter warfen den Evangelikalen Bibliolatrie (Götzendienst an der Bibel) und Pseudowissenschaftlichkeit vor (99-100; Kindle-Positionen). Diese und andere Vorwürfe verdunkelten jedoch die eigentliche Fragestellung. Es ging um die Frage nach Autorität. Die einen sahen Lehrmeinungen als Facetten und Fragmente der göttlichen Wahrheit an, welche einander ergänzten; die anderen betrachteten es als unabdingbar, sämtliche Ansichten anhand der biblischen Autorität zu beurteilen. Packer stellt sich hinter letztere Gruppe: „Unsere erste Aufgabe muss darin bestehen, menschliche Worte durch das autoritative Wort Gottes zu messen.“ (184-185)

Der Autor sieht eine zweifache Aufgabe, die er in diesem Werk zu erledigen gedachte: Erstens galt es zu klären, was mit dem (unglücklichen) Begriff ‚Fundamentalismus‘ gemeint war, nämlich die Fortsetzung des jahrhundertealten evangelischen (engl. ‚evangelical‘) Glaubens. „Die Kritiker bezeichnen sie als neue Häresie. Wir nennen Gründe, ebendiese als älteste Orthodoxie zu betrachten.“ (231) Zweitens war es unabdingbar, die Frage nach der höchsten Autorität sauber zu klären.

Die vier inhaltlichen Hauptschritte

Nach der Definition des Problems wird die Antwort in vier Schritten skizziert: Schrift – Glaube – Verstand – Liberalismus. Die Schrift muss die Methoden und Voraussetzungen, mit welcher sie studiert wird, bestimmen (920). Der Gott geschenkte Glaube führt zu einem durch den Heiligen Geist erleuchteten Verstand. Dieser vertraut sich den propositionellen Aussagen von Gottes Wort als oberster Instanz an. Von dort aus entfaltet er einen grossen Eifer, mit allen geschenkten Fähigkeiten – gerade auch dem Verstand – das Offenbarte zu erkennen. Er verweigert sich niemals historischem Studium oder genauer Exegese.

Zur Aktualität der Debatte

Der theologische Liberalismus versuchte, das Christentum mit den Leitsätzen des Anti-Supernaturalismus in Einklang zu bringen. In der Folge musste sich der Evangelikalismus den Vorwurf gefallen lassen, zu vielen Bereichen des modernen Lebens sprachlos geworden, ja sich kulturell abgekapselt zu haben.

Weshalb ist das Buch so aktuell? Auch heute lassen Pragmatismus und eine ausgeprägte Denkfeindlichkeit eine ungeschützte Flanke im Evangelikalismus offen. Gleichzeitig hat der Virus des theologischen Liberalismus zahlreiche Gemeinden zu befallen begonnen. (Angehende) Pastoren müssen deshalb bei der Schriftfrage dringend mit einer solch klar formulierten und argumentativ wasserdichten Abhandlung vertraut gemacht werden.

Angesichts des weit verbreiteten ethischen Relativismus, der auch die Evangelikalen erfasst hat („das ist deine Interpretation, ich habe meine“), tut es also Not, uns den Fragen dieses Buches zu stellen. Packer tat dies vor 50 Jahren nicht als erster; er beruft sich ausdrücklich auf B. B. Warfield (1851-1921) und Gresham Machen (1881-1937). Diese Vordenker hatten die Unterschiede zwischen dem Christentum und dem (theologischen) Liberalismus bereits deutlich herausgearbeitet: Es sind zwei unterschiedliche Religionen. Unsere Aufgabe besteht darin, den christlichen Glauben verständlich in unserer Zeit zu verkündigen, niemals aber (spät)modernes Gedankengut christlich zu verpacken (1905)! Um eines vom anderen zu unterscheiden, müssen wir – zur Schrift gehen.

Noch einmal „Gott erkennen“

Für Leseratten gibt es eine gute Nachricht. Das Buch Gott erkennen von J.I. Packer ist vom Herold Verlag in Zusammenarbeit mit dem EBTC neu aufgelegt worden. Ich habe Benjamin Schmidt vom Herold Verlag kurz zu dem Projekt befragt:

Noch einmal „Gott erkennen“

T075TheoBlog: Warum sollte das Buch heute noch gelesen werden?

Weil es zeitlose Wahrheiten über Gottes Wesen vermittelt. Im Vorwort der Ausgabe von 1973 schreibt Packer: „Die Überzeugung, die hinter diesem Buch steht, ist, dass die Unwissenheit über Gott – sowohl die Unwissenheit über sein Handeln wie auch die Unkenntnis über die persönliche Gemeinschaft mit Ihm – eine der Wurzeln für die Schwachheit der heutigen Kirche ist.“ Wir haben den Eindruck, dass diese Unwissenheit auch in evangelikalen Kreisen seither nicht weniger geworden ist. Theologie gilt für viele als trocken, unwichtig oder den Glauben eingrenzend. Packer zeigt, dass genau das Gegenteil der Fall ist.

TheoBlog: Eine neue Übersetzung ist sehr aufwendig.

Warum hat sich der Verlag dennoch dafür entschieden? Da die frühere Übersetzung schwer verständliche Aussagen enthielt und dem heutigen Stil nicht mehr ganz entsprach, haben wir uns dagegen entschieden, die einzelnen Passagen herauszusuchen und zu überarbeiten, und stattdessen den Text völlig neu übersetzt. Wir hoffen, dass uns das gelungen ist. Das Übersetzen selbst war für uns jedenfalls ein großer Segen.

TheoBlog: An welche Leser wendet sich das Buch?

Das Buch richtet sich in erster Linie an Christen, die mehr über Gott erfahren wollen; egal, ob das im persönlichen, gemeindlichen oder im Bibelschul-Studium geschieht. Dennoch fordert Packer immer wieder zum Glauben an Christus heraus und verleiht dem Buch daher auch einen evangelistischen Aspekt. Im Vorwort nennt er den Wunsch, dass „… Gott erkennen auch in seinem neuen Gewand weiterhin dazu beitragen [möge], Menschen zur Bekehrung zu führen und in ihrem Glauben zu stärken.“

TheoBlog: Gibt es ein Kapitel, das jedem Christen sehr zu empfehlen ist?

Das Kapitel über die Gotteskindschaft („Die Kinder Gottes“, Kap. 19) ist sehr zu empfehlen, da es gerade in unserer Zeit ein häufig vernachlässigtes und missverstandenes Thema ist.

Vielen Dank für das Gespräch!

– – –

Freundlicherweise hat der Herold Verlag eine Leseprobe zur Verfügung gestellt. Das im Gespräch erwähnte Kapitel 19 ist auch dabei: Gott erkennen Auszug.pdf.

Das Buch wird auf der E21-Konferenz in Hamburg zu erwerben sein (schon angemeldet?) und kann später über den Buchhandel bezogen werden.

Nach oben scrollen
DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner