Jochen Teuffel

Ausmischung?

Der evangelische Pfarrer Jochen Teuffel hat heute in der FAZ den Artikel »Man höre doch mal dem Heiland zu« publiziert. Wieder kann ich Teuffel in vielen Punkten zustimmen, z.B. dort, wo er die Trennung von Kirche und Staat oder die Religionsfreiheit für alle Religionen fordert. Richtig ist zudem sein Verweis darauf, dass zum Christuszeugnis auch das Leiden gehört.

Doch dann lese ich:

Die Provokation des christlichen Glaubens besteht im letzten Wort Jesu am Kreuz: »Es ist vollbracht (tetelestai!« Der stellvertretenden Lebenshingabe des Gottessohnes ist menschlicherseits nichts hinzuzufügen. Was für Christen zu tun bleibt, ist die gottesdienstliche Feier des Pascha-Mysteriums Christi, das missionarische Namenszeugnis sowie der Dienst am fremden Nächsten. Im Übrigen gilt Toleranz, was nichts anderes heißt, als »Zuwiderliches« zu ertragen, weil man es weder abwenden noch ignorieren oder gar für sich akzeptieren kann.

Was Teuffel fordert, ist die »Ausmischung«. Christen, so verstehe ich Teuffel, sollten den Glauben vollständig privatisieren (also außerhalb der persönlichen Bekehrung keinen gesellschaftlichen Anspruch auf Einschluss erheben). Christen feiern Gottesdienst und mischen sich sonst nicht ein, auch dort nicht, wo sich Unrecht ausbreitet oder Freiheit erstickt wird. So hat es Luther nicht gemeint! Auch ich bin gegen die Gleichsetzung von Reich Gottes und Gesellschaft. Die Alternative zur Ideologisierung des Glaubens ist aber nicht die Ausmischung, sondern die friedliche Einmischung. »Die letzte verantwortliche Frage ist nicht, wie ich mich heroisch aus der Affäre ziehe, sondern wie eine kommende Generation weiterleben soll«, hat Bonhoeffer einmal gesagt.

Hier der Artikel von Jochen Teuffel: www.faz.net. Mehr zu der Frage: »Sollen sich Christen in die Gesellschaft einmischen?« hier: diesseits.pdf.

So hat es Luther nicht gemeint

Der evangelische Gottesdienst ist heute nicht mehr auf Christus ausgerichtet, sondern auf eine triviale Idee von Freiheit. Die Verkündigung es Evangeliums ist durch religiöse Freigeisterei verdrängt worden. Pfarrer können von der Kanzel herbab predigen, der Kreuzestod Jesu enthalte keine Heilsbotschaft. Konsequenzen hat das keine. Das Reformationsjubiläum, welches die EKD im Jahr 2017 feiern möchte, kann abgesagt werden.

Jochen Teuffel, Dozent für Systematische Theologie am Lutheran Theological Seminary in Hongkong, hat am 15. Dezember 2010 einen bemerkenswerten Artikel in der FAZ veröffentlicht (Mittwoch, 15. Dezember 2010, Nr. 292, S. 33).

Wird Reformation als Freiheitsereignis verstanden, fühlt sich das spätmoderne Bürgertum trotz aller Kirchendistanz angesprochen. In der Tat hat die Reformation in Deutschland das mittelalterliche Corpus Christianum konfessionell aufgesprengt. Diese sakrale Einheit von Kirche und Gesellschaft verdankte sich einer fragwürdigen kollektiven Christianisierungspraxis. Im frühen Mittelalter wurden Menschen in Gefolgschaft ihrer Stammesfürsten in passiver Weise »bekehrt«. Über mehr als ein Jahrtausend hinweg gab es in Europa keine gesellschaftliche Existenz außerhalb der Kirche. Durch Glaubenszwang, Pflichtbeichte, Sonntagspflicht sowie Kirchenzucht wurde eine öffentliche Regelkonformität in Sachen Christentum erzwungen.

Es war die reformatorische Botschaft von der Rechtfertigung allein aus Glauben, die menschlichen Ordnungen in der Kirche ihre vermeintliche Heilsnotwendigkeit genommen hat. Damit wurde langfristig die gesellschaftliche Ausbildung moderner Freiheitsrechte befördert. Und dennoch steht die »Freiheit eines Christenmenschen«, wie sie von Martin Luther propagiert wurde, weder für bürgerliche Freiheit noch für religiöse Freisinnigkeit. Luther zufolge ist dem durch und durch sündigen Menschen die wirkliche Freiheit nicht angeboren. Er hat auch kein eigenes Recht darauf, vor dem dreieinigen Gott frei zu sein. Wer aus eigenen Stücken sich selbst für frei erklärt, wird in Wirklichkeit vom Teufel geritten. Die wahre Freiheit ist eine im Evangelium zugesagte Freiheit »um Christi Willen«, der immer wieder aufs Neue zu glauben ist. Nur dort, wo Menschen in Wort und Sakrament an das Passah-Mysterium Christi gebunden sind, ereignet sich evangelische Freiheit, die von menschlichen Satzungen und Geboten unabhängig macht. So spricht es ja auch der Apostel Paulus aus: »Sei es Welt, Leben oder Tod, sei es Gegenwärtiges oder Zukünftiges: Alles ist euer, ihr aber gehört Christus.«

Der Artikel endet mit den Worten:

Ecclesia semper reformanda – Kirche ist immer zu reformieren, um dem Evangelium treu zu bleiben. Was ansteht, ist eine umfassende Kirchenreform hin zur Gemeinschaftskirche ohne Kirchensteuern. Andernfalls wird die vermeintliche Volkskirche in einem zivilreligiösen Paganismus aufgehen. Dann wird man auch in Kirchen einen Heidenspaß haben – aber der lässt das eigene Leben am Ende ins Leere laufen.

201012220709.jpgDer vollständige Artikel von Jochen Teuffel kann hier eingesehen werden.

Das Buch:

  • Jochen Teuffel: Mission als Namenszeugnis: Eine Ideologiekritik in Sachen Religion, Tübingen: Mohr Siebeck, 2009, 269 S., 24,00 Euro

gibt es hier:


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