Medienkritik

Gesellschaft, Menschenrechte, Missiologie

Der »Frontal 21«-Beitrag »Sterben für Jesus«

Am 4. August wurde im ZDF bei »Frontal 21« ein Beitrag über die angeblich unverantwortliche Missionspraxis der Evangelikalen ausgestrahlt. Der Beitrag kann hier als Video eingesehen werden. Außerdem steht das Manuskript zur Sendung als PDF-Datei für eine Auswertung bereit.

Ein kritischer Kommentar zu »Sterben für Jesus« ist beim Medienmagazin pro zu finden. Der Deutschlandfunk (DLF) hat heute in »Tag für Tag« über den Vorfall und die Beschwerde der Arbeitsgemeinschaft Evangelikaler Missionen (AEM) berichtet. Die Sendung kann auf der Internetseite des DLF als Podcast herunter geladen werden.

Es bleiben für mich viele Fragen:

  • In dem Beitrag werden Christen und islamistischen Terroristen auf eine Stufe gestellt: »Bereit sein, für Gott zu sterben: Das klingt vertraut – bei islamischen Fundamentalisten. Doch auch für radikale Christen scheint das zu gelten.« Das ist wirklich ein Griff in die rhetorische Trickkiste. Islamisten wollen ihre politischen Machtansprüche mit Gewalt durchsetzen und sind dafür bereit, ihr Leben zu opfern. Das ist etwas völlig anderes als eine friedliche und unpolitische Missionspraxis. Steht ein lebensvernichtender Selbstmordattentat auf einer Stufe mit dem lebenserhaltenden Pflegedienst im Krankenhaus?
  • In dem Beitrag wird der Eindruck vermittelt (trotz oder gerade wegen der Einblendung »Kursteilnehmer«), Bibelschüler aus Brake hätten gesagt, sie seien bereit, für die Mission ihr Leben zu geben. Bei den Interviewten handelte es sich allerdings nicht um Bibelschüler, sondern überwiegend um Teenager, die als Gäste die Ausbildungsstätte besucht hatten.
  • Die Redaktion von »Frontal 21« behauptet nachhaltig, es sei völlig normal, eine Veranstaltung der AEM von als Studenten getarnten Journalisten besuchen zu lassen. Das Drehen mit verdeckter Kamera sei in diesem Fall ein »legitimes und legales Mittel«, heißt es. Aber was ist mit dem Schutz des nicht öffentlich gesprochenen Wortes? Im § 201 des Strafgesetzbuches steht: »Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. unbefugt das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf einen Tonträger aufnimmt oder 2. eine so hergestellte Aufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht.« In § 201a können wir lesen: »(1) Wer von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, unbefugt Bildaufnahmen herstellt oder überträgt und dadurch deren höchstpersönlichen Lebensbereich verletzt …«. Sich hier im Sinne einer Pflichtenabwägung auf ein überragendes öffentliches Interesse zu berufen, scheint mir abwegig.
  • Das Hauptargument: Lasse alles, was gefährlich ist, klingt wenig überzeugend. (Wie kann man so etwas denken und beispielsweise gleichzeitig den Widerstand von Mahatma Gandhi gegen das Kastensystem gutheißen?)
  • Der tatsächliche Skandal, dass nämlich in vielen Ländern den Menschen das Recht auf Mission und einen Glaubenswechsel verweigert wird, kommt im Beitrag überhaupt nicht zur Sprache.

Die einseitigen und oft desinformierenden oder diffamierende Berichterstattungen über die Evangelikalen nehmen zu. Als indirekt Mitbetroffener (auch wenn ich kein klassicher Evangelikaler bin) und, wenn man so will, ›Kenner‹ der Szene, kann man über das Ethos der Journalisten nur staunen. Wie schlecht es um die Qualität des Journalismus allgemein bestellt ist, lässt sich leicht erahnen, wenn man davon ausgeht, dass wahrscheinlich in anderen Bereichen genau so ›vorurteilsfrei‹ und sensationslüstern gearbeitet wird.

Übrigens prognostiziere ich, dass es heute Abend gleich weitergeht. Der DLF strahlt um 19:15 Uhr ein Dossier mit dem vielsagenden Titel: »Fossiles Denken als Gottesbeweis – Die Allianz christlicher und muslimischer Kreationisten« aus.

Feuilleton, Gesellschaft, IT

Ego online ergo sum I

Nicht nur die Konjunktur betreffend werden wir Nachrichten-Konsumenten heute mit einem großen Kuddelmuddel konfrontiert. (Aussicht auf Besserung und die totale Krise können einem Surfer gelegentlich zeitgleich auf einem Informations-Portal begegnen und lösen dann irgendwie Ratlosigkeit aus.) Kuddelmuddel lässt sich auch bei den berufenen ›Netzkritikern‹ finden. Peter Neitzsch geht für SPIEGEL-Online der Frage nach, ob Facebook dumm macht und zieht dafür eine neue Studien der Ohio State University heran.

»Es gibt eine signifikante Beziehung zwischen der Verwendung von Facebook und schwachen Noten«, sagt Aryn Karpinski, Autorin der Studie. Vor allem Undergraduates, also jüngere Studenten, zählten zu den Mitgliedern bei Facebook. Doch auch bei Studenten in höheren Semestern macht sich der Effekt bemerkbar: Die Netzwerker unter ihnen haben ebenfalls die schlechteren Noten, fanden Karpinski und ihr Kollege Adam Duberstein von der Ohio Dominican University heraus.

Andrew Keen, der Antichrist des Web 2.0 und Autor von Die Stunde der Stümper, sieht dagegen bessere Zeiten auf uns zukommen und spricht im SPIEGEL-Online-Interview über Talent-Marketing im Web 3.0 und die Vorzüge des Microbloggings.

Seit dem Erscheinen meines Buches hat die Blogosphäre an Bedeutung verloren, während neue Dienste wie Twitter die alte Hierarchie der Experten stützen. Dieses Phänomen könnte man Web 3.0 nennen. Jedenfalls bin ich zuversichtlicher gestimmt als vor zwei Jahren.

Wie auch immer: Wir sollten nicht zulassen, dass die sozialen Netzwerke der digitalen Welt unser Leben lenken oder ›face to face‹-Begegnungen ersetzen.

Gesellschaft

Dürfen wir unseren Augen trauen?

Wir neigen dazu, zu glauben, was auf Fotos präsentiert wird. Aber darf man seinen Augen trauen? Mit manipulierten Bildern wird Wirklichkeit erschaffen und Politik gemacht. Eine Revue der bizarrsten und peinlichsten Fälle hat der Spiegel zusammengestellt.

Hier geht es zur Ausstellung: www.spiegel.de.

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