Das Onlineportal Evangelisch.de berichtet über eine innerevangelikale Diskussion um das Familienbild. Hartmut Steeb, Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz (DEA), hat eine Musikproduktion des Liedermachers und Pastors Jörg Swoboda auf der Online-Präsenz der Deutschen Evangelischen Allianz empfohlen:
„Sollte Gott gesagt haben?“ Jene skeptische Ur-Frage, die die Welt ins Chaos stürzte, treibt auch heute viele in die Orientierungslosigkeit. Anstatt daran festzuhalten, dass Gottes Wort das qualifizierteste Benutzerhandbuch des Lebens ist, wird Misstrauen gesät. Die Ehe als Gemeinschaft von Mann und Frau, lebenslänglich in liebegetränkter Treue gestaltet, wird hinterfragt und umdefiniert: Warum sollte es nicht auch Mann mit Mann oder Frau mit Frau sein? Stimmt es überhaupt, dass die Menschheit nur aus männlichen oder weiblichen Spezies besteht? Gibt es nicht stattdessen viel mehr Geschlechtertypen? Warum sollten Körperteile entscheidend dafür sein, ob ein Mensch Mann oder Frau ist? Ist das Geschlecht nicht vielmehr anerzogen statt konstitutionell? Brauchen Kinder wirklich Vater und Mutter? Und ist die Ehe überhaupt noch zu retten oder nicht doch besser durch Lebensabschnitts-partnerschaften abzulösen? Kommen Erotik und Sexualität wirklich zur Blüte, wenn sie in die Gefangenschaft der Ehe eingebunden sind? Und warum sollte man Ehen nicht konsequent begraben, wenn die Liebe abkühlt? – Es ist Jörg Swoboda zu danken, dass er diese Fragen nach Liebe, Ehe, Zusammenleben ohne Trauschein, Fortpflanzung, Scheitern und Versöhnung in seiner neuen CD thematisiert.
Der Vorsitzende der DEA, Michael Diener, reagierte mit einer Stellungnahme im sozialen Netzwerk Facebook. Evangelisch.de schreibt:
Der Vorsitzende der Deutschen Evangelischen Allianz, Michael Diener, reagierte darauf mit der Klarstellung, dass es sich bei diesen Worten „um eine persönliche Äußerung des Generalsekretärs“ handele und ausdrücklich nicht um eine Verlautbarung der Evangelischen Allianz, wie der Informationsdienst „idea“ berichtet. Er warf Steeb vor, mit diesem Statement andere Beziehungsformen als die Ehe von Mann und Frau zu diskriminieren. Steeb und auch der Liedermacher sollten sich fragen, wie die Liedtexte auf ungewollt kinderlose Ehepaare oder Singles wirkten, so Diener. Er empfehle „Zurückhaltung dabei, die eigenen Erfahrungen auf die pluralen biblischen Texte zu übertragen.“
Die Stellungnahme wirft allerlei Fragen auf. Lässt man sich auf die Argumentationsfigur von Michael Diener ein, könnten man z.B. fragen, ob es überhaupt noch erlaubt sein könne, davon zu reden, dass jeder Mensch ein Sünder sei. Denn so eine Aussage kann ja ebenfalls von vielen Menschen als diskriminierend aufgefasst werden. Für besonders erklärungsbedürftig halte ich allerdings die von Diener in Facebook gemachte Aussage (das Statement scheint dort inzwischen gelöscht worden zu sein), dass er Steebs Sicht der Ehe „absolut nicht teilt“. Er teilte mit, dass man seiner Meinung nach für die Ehe von Mann und Frau sein könne, ohne andere Beziehungsformen zu diskriminieren.
In einer Pressemitteilung des Geschäftsführenden Vorstand der DEA aus dem Dezember 2015, wurde die Sichtweise, wie sie in der Empfehlung von Hartmut Steeb zum Ausdruck kommt, noch empfohlen. Wörtlich hieß es damals:
Die Deutsche Evangelische Allianz hat sich im größeren Kontext unter dem Titel „Sucht der Stadt Bestes“ im Jahr 2009 so positioniert: „Wir wenden uns ebenso gegen die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und der geschlechtlichen Orientierung… Wir begegnen Vertretern einer anderen geschlechtlichen Orientierung mit Respekt und Würde, sehen allerdings praktizierte Homosexualität – wie andere Formen der außerehelichen Sexualität – grundsätzlich als unvereinbar mit der für den christlichen Glauben maßgebenden biblischen Ethik an. Wir wenden uns außerdem gegen Versuche, gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften der im Grundgesetz herausgehobenen klassischen Ehe gleichzustellen …“
Es ist erstaunlich, dass sich der Vorsitzende der DEA von dieser Position nicht nur absetzt, sondern auch jene kritisiert, die sie vertreten. In der Pressemitteilung der DEA hieß es zudem: Der Artikel in der WELT vom 14. Dezember 2015 greife „eine ganze Reihe zentraler Themen auf. Wir sind unserem Vorsitzenden Dr. Michael Diener dankbar für viele eindeutige Aussagen, etwa zum missionarischen Zeugnis gegenüber jedermann, auch gegenüber Muslimen und Juden.“ Die Nachrichtenagentur IDEA hatte im November 2016 freilich darüber berichtet, dass Michael Diener sich hinter das „Nein“ der EKD-Synode zur Judenmission gestellt habe (vgl. hier).
Fragen über Fragen. Ich kann der DEA nur wünschen, dass diese Dinge schnell geklärt werden.