Reich Gottes

Melanchthon: Deine Herrschaft soll kommen

Philipp Melanchthon schreibt in seinen Loci praecipui theologici (Bd. 2, Leipzig: Ev. Verlagsanstalt, 2020, S. 129) zum „Dein Reich komme“ im „Vaterunser“:

Von der Wirkung der ersten Bitte wird hauptsächlich gesagt: Durch die Verbreitung der Stimme des Evangeliums sollst du auch uns durch deinen Heiligen Geist leiten, mach, dass wir auf dein Wort vertrauen, lass in uns deine Herrschaft beginnen, damit wir Erben deines Reiches werden und du die Herrschaft des Teufels vernichtest, der im Menschengeschlecht fürchterlich wütet und reihum die Menschen antreibt zur epikureischen Verachtung Gottes oder zur Verehrung der Götzenbilder, zu verruchten Morden, Ausschweifungen, Lügen und anderen Tollheiten. Vor diesen Übeln schütze uns, ewiger Vater unseres Herrn Jesus Christus, und leite uns durch deinen Heiligen Geist, wie du gesagt hast: „Ich werde von meinem Geist ausgießen.“

Vaughan Roberts: Im Reich Gottes dienen

Das Wochenende mit Vaughan Roberts in München war eine große Ermutigung. Stefan Beyer hat freundlicherweise die Vorträge von Freitagabend und Samstag zusammengefasst. Vielen Dank!

Im Reich Gottes dienen

Vaughan Roberts, Pastor der St Ebbe’s Church Oxford (UK) und Leiter der Predigerschule ‚Proclamation Trust‘, besuchte am 12. und 13. Dezember die Landeshauptstadt München, um in der FeG München-Mitte über das Thema „Gottes Plan – Kein Zufall: Die Bibel im Zusammenhang erklärt“ und am Martin Bucer Seminar München über das Thema „Warum der vollzeitliche Dienst auch heute wichtig ist“, zu sprechen.

IMG 7419 2Der Vortrag „Gottes Plan – Kein Zufall: Die Bibel im Zusammenhang erklärt“, der auf einem gleichnamigen Buch beruht, bot einen eindrücklichen Überblick über den Heilsplan Gottes und wie die Bibel das Thema des Reiches Gottes von der Schöpfung bis zur Erfüllung in der neuen Schöpfung entfaltet. Das Grundmuster dieses Reiches ist Gottes Volk an Gottes Ort unter Gottes Herrschaft mit Gottes Segen. Die Bibel sei ein Buch mit einem Thema, das sich in eine Periode der Verheißung (Altes Testament) und Erfüllung (Neues Testament) gliedere. Zunächst habe das Reich Gottes mit Adam und Eva in einem ungetrübten Zustand der Gemeinschaft mit Gott begonnen. Gott und Mensch, Mann und Frau sowie Mensch und Schöpfung haben in einer perfekten Beziehung zusammengelebt. Der Sündenfall habe diesen paradiesischen Zustand jedoch zerstört, indem er Gott und die Menschen voneinander entfremdete. Dadurch wurde auch die Beziehung zwischen Mann und Frau sowie Mensch und Schöpfung beeinträchtigt. Das Ausmaß der Sünde, die durch Adam in die Welt gekommen war, zeige sich in den folgenden Geschichten des 1. Buch Mose: Kain tötet Abel (Kapitel 4), der Tod breitet sich auf alle aus (Kapitel 5), die Sintflut vernichtet alle Menschen außer Noah, kann aber die Sünde im Menschen nicht ausrotten (Kapitel 6), und die Rebellion gegen Gott gipfelt im Turmbau zu Babel (Kapitel 11), wo der Mensch endgültig Gottes Herrschaft von sich abstoßen will. Das Reich Gottes, das in der Schöpfung noch so gut begonnen hatte, sei hier nun vollends untergegangen. Gott, in seiner unverdienten Gnade und nach seinem ewigen Plan (Epheser 1,3-10), beginnt jedoch mit einer neuen Verheißung des Reiches Gottes an Abraham (1. Mose 12,1-3). Er verheißt ihm ein Volk, an einem Ort, unter Gottes Herrschaft und mit Gottes Segen. Paulus deutet diese Verheißung auf Christus (Galater 3,16). Dieses verheißene Reich Gottes wird in den folgenden Büchern des Alten Testaments nun partiell verwirklicht. Es entsteht ein Volk Gottes, die Nachkommen Abrahams, die Gott aus Ägypten befreit und in das verheißene Land führt. An seinem Ort sollen sie unter seiner Herrschaft leben und er verheißt ihnen seinen Segen, wenn sie ihm gehorsam bleiben. Das Buch der Richter beschreibt aber einen fortwährenden Zyklus des Ungehorsams von Seiten der Israeliten. Weil sie nicht unter der Herrschaft Gottes leben wollen, läßt er sie unter die Herrschaft anderer Völker kommen. Er sendet ihnen immer wieder Richter, die sie aus ihrer Notlage befreien, aber es entsteht nie eine dauerhafte Erfüllung des Reiches Gottes. Dafür wächst bei den Israeliten die Hoffnung, daß ein König nach dem Maßstab der anderen Völker endlich das Volk unter Gottes Segen stellen könnte. Gott schenkt ihnen den König David, einen Mann nach seinem Herzen, doch zugleich verheißt er einen ewigen König, der auf eine einzigartige Weise der Sohn Gottes sein werde (2. Samuel 7,11b-16). Nachdem sich das Volk Gottes auch unter der Herrschaft ihrer Könige von Gott abwendet, entwickeln die Propheten, die der Herr zum Volk Israel sendet, eine Hoffnung auf einen neuen Exodus, einen neuen David, einen neuen Bund, einen neuen Tempel und eine neue Schöpfung. Sie reden prophetisch von einem neuen Reich Gottes, wo endlich das Volk Gottes wieder am Ort Gottes und unter seiner Herrschaft und Segen leben würde. Diese Hoffnung erfüllt sich mit dem Kommen des Retterkönigs Jesus Christus. Das Neue Testament mache deutlich, daß Jesus die Erfüllung der alttestamentlichen Hoffnung ist (Matthäus 13,16-17; 2. Korinther 1,20; Johannes 5:39). Die Evangelien beginnen mit einer direkten Verbindung zum Alten Testament (Matthäus 1,1; Markus 1,1-4; Lukas 1,67-79). Jesus erfüllt die alttestamentlichen Verheißungen über das Reich Gottes. Er war das Volk Gottes (der wahre Sohn Gottes, der wahre Weinstock, der wahre Adam). Er war Gottes Ort (Johannes 1,14) und er war Gottes Herrschaft und Segen (Johannes 8,29). Er starb, damit die Verheißungen auch in anderen Menschen erfüllt werden können (Lukas 24,25-27). Nach seiner Auferstehung wird das gekommene Reich Gottes verkündigt, welches bei seiner Wiederkunft vollendet wird. Das Buch der Offenbarung (Kapitel 21,22) verheißt eine neue Schöpfung, in der zuletzt alle Verheißungen der Bibel über das Reich Gottes erfüllt werden. Endlich wird das Volk Gottes für immer an Gottes Ort unter Gottes Herrschaft leben. Diese Hoffnung kann uns erfüllen und Kraft geben, auch in unserem Leben das Reich Gottes zu verkündigen.

IMG 7418Am Seminartag über die Wichtigkeit des vollzeitigen Dienstes sprach Vaughan Roberts über die Priorität des Wortes Gottes, den Bedarf an vollzeitig dienenden Christen und die Frage, wie man herausfinden kann, ob man selbst zum Vollzeitdienst berufen ist. Obwohl Jesus viele Wunder tat, war er doch zuerst dazu gekommen, das Wort Gottes zu verkündigen (Markus 1,38). Im Gleichnis der vier Böden betont Jesus, daß die Verkündigung des Wortes die Hauptaufgabe seiner Diener sei (Markus 4,1-20). Das Reich Gottes breitet sich aus, wenn das Wort Gottes verkündigt wird. Jesus wollte die Welt erreichen, indem er das Wort Gottes verkündigte. Dennoch bringt nicht jeder Same des Wortes Frucht, denn der Teufel, die Welt, Sorgen, Verfolgung und die sündige Natur des Menschen können das Wachstum behindern. Das Wort Gottes selber habe die Absicht, die gemischte Reaktion der vier Böden hervorzurufen. Es wird Sinn und Bedeutung an manche vermitteln, für andere aber ein Geheimnis bleiben (Markus 4,10-12). Am Ende wird es aber reichen Ertrag in denen bringen, die es hören und mit einem bereitwilligen Herzen aufnehmen. Die Bibel ist dieses Wort Gottes, welches verkündigt werden soll, und sie wird von Jesus bestätigt (Matthäus 5,17-19; 19,4-6) und beansprucht dies auch für sich selber (2. Timotheus 3,16; 2. Petrus 3,15-16). Die Bibel ist auch das aktuelle, zeitgenössische Wort Gottes, denn in ihr hören wir die Stimme Christi (Hebräer 2,12-13) und des Heiligen Geistes (Hebräer 3,7-8). Zunächst seien natürlich alle Christen dazu berufen, das Wort sowohl in der Welt (Matthäus 28,19; 1. Petrus 3,15) als auch in der Gemeinde  zu verkündigen (Kolosser 3,16; Hebräer 10,24-25). Das Neue Testament mache aber schon früh deutlich, daß Gott in der Gemeinde einige Menschen zu vollzeitigen Evangelisten und Hirten-Lehrer beruft (Epheser 4,11-16). Für diese Menschen sei es auch richtig, für den Dienst am Wort und am Gebet freigestellt zu werden (Apostelgeschichte 6,1-7). Sie sollten die vielen guten Dienste in der Gemeinde an andere berufene Menschen übertragen, um sich dem besten Dienst der Wortverkündigung zu widmen. Die Diener am Wort werden sowohl von Gott (Apostelgeschichte 20,28; Epheser 4,11) als auch von der Gemeinde eingesetzt (Apostelgeschichte 14,23; Titus 1,5). Dabei sollten Eigenschaften der Demut und Gottesfurcht (Titus 1,6; 2,6-7), fundierten Kenntnis des Evangeliums (Titus 1,9), Gaben des Lehrens (1. Timotheus 3,2) und Führens (1. Timotheus 3,4-5) sowie Mut und Standhaftigkeit beachtet werden (2.Timotheus 2,3; 1. Timotheus 3,6).

Der Vortrag über den roten Faden des Reiches Gottes in der Bibel und die Vorlesung über die Wichtigkeit des vollzeitlichen Dienstes haben Mut gemacht, sich neu mit dem Schatz, den die Gemeinde in der Bibel hat, zu beschäftigen und ihn treu zu verkündigen. Wenn es richtig ist, was Ron Kubsch gesagt hat, daß nämlich die Wortverkündigung heutzutage in einer Krise steckt, weil nicht mehr klar ist, was das Evangeliums ist, es an guten Ausbildungsmöglichkeiten fehlt sowie an hingegebenen Botschaftern und Fördern, dann hat dieses Wochenende dazu beigetragen, dieser Krise zu begegnen und einen Ausweg zu zeigen. Die Gemeinde Gottes ist aufgerufen, Menschen dabei zu unterstützen, in einem vollzeitlichen, christlichen Dienst den unausforschlichen Reichtum des Christus in der Welt zu verkündigen.

Stefan Beyer

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Hier die Mittschnitte der Vorträge vom Samstag (übersetzt hat freundlicherweise Alex Reindl; an dieser Stelle vielen Dank an alle Österreicher!):

Teil 1: Gleichnis vom Sämann:

 

Teil 2: Fundamente des Dienstes am Wort Gottes:

 

Teil 3: Woher weiß ich, dass ich zum Dienst im Reich Gottes berufen bin?:

 

Teil 4: Fragen & Antworten:

 

A. Kuyper: Das Himmelreich

Abraham Kuyper über das „Reich der Himmel“:

Wir reden vom „Himmelreich“ nicht, weil es himmlische Ideale verwirklicht oder ein himmlisches Ziel hat, sondern weil es jetzt schon tatsächlich im Himmel existiert. Es wird nicht erst aufgerichtet, auch erwarten wir sein Kommen nicht erst in der Zukunft, sondern es ist ein Königreich, das ist, das von Anbeginn war, das ewig bleiben wird. Vom Himmel her kann es allein wieder einbringen in diese Welt, aus der es durch den Sündenfall verschwunden ist.

Bultmann und das Reich Gottes

Der Theologe Rudolf Bultmann ist mit  einer liberalen Theologie aufgewachsen, die die Geschichtlichkeit der Heiligen Schrift und die christliche Nächstenliebe in den Mittelpunkt stellte (vgl. hier). Bei dem großen Albrecht Ritschl (1822–1889) kulminierte dieser Ansatz in dem Anspruch, durch ein sittlich an Jesus Christus orientiertes Leben das Reich Gottes im Hier und Jetzt zu bauen.

Bultmann erkannte, dass diese Theologie vom Menschen und nicht von Gott handelt. In seinem Vortrag „Die liberale Theologie und die jüngste theologische Bewegung“ beschreibt er die Tragik der liberalen Theologie und fordert deren Überwindung (Glauben und Verstehen, Bd. 1, 1961, S. 3):

Wohin führte der Weg der historisch-kritischen Theologie? War er anfangs geleitet von dem Vertrauen, daß die Kritik von der Last der Dogmatik befreit und dahin führt, das echte Jesusbild, auf das der Glaube sich gründen kann, zu erfassen, so ward diese Meinung schnell als Wahn offenbar. Die Geschichtswissenschaft kann überhaupt nicht zu irgendeinem Ergebnis führen, das für den Glauben als Fundament dienen könnte, denn alle ihre Ergebnisse haben nur relative Geltung. Wie verschieden sind die Jesusbilder der liberalen Theologie, wie unsicher das Bild des historischen Jesus: Ist er überhaupt noch für uns erkennbar? Mit einer großen Frage endigt hier die Forschung – und soll sie endigen!

Mit der „jüngsten theologischen Bewegung“ bezeichnet Bultmann die „Wort Gottes-Theologie“, die in den 20-er Jahren maßgeblich von Barth, Thurneysen Gogarten und mit Einschränkungen auch von Brunner vorangetrieben wurde. Zaghaft solidarisierte sich der Marburger Professor mit der neu aufkommenden „Offenbarungstheologie“.

Karl Barth war sehr neugierig und wollte möglichst aus erster Hand hören, was Bultmann über die neue Strömung, die damals großen Widerstand ertragen musste, denkt. Deshalb besuchte er am 6. März 1924 – damals in Göttingen lehrend – zusammen mit zwölf Studenten incognito Marburg. Er lauschte Bultmanns Vortrag und war sehr beeindruckt. Seinem Freund Eduard Thurneysen erklärte er, dass Marburg „wieder zu einem der Punkte auf der mitteleuropäischen Karte geworden“ sei.

Bultmanns Vortrag ist heute noch erhellend. Über die Reich Gottes-Theologie der Ritschlianer sagte er (Glauben und Verstehen, Bd. 1, 1961, S. 15):

Wenn man meint, daß soziale Arbeit als solche, d. h. Arbeit, die sich — ob sozialistisch orientiert oder nicht — um die Schaffung menschenwürdiger sozialer Zustände müht, als solche Reichsgottes arbeit, christliches Tun sei, so kennt man das σκάνδαλον des Wortes Gottes nicht. Und das σκάνδαλον ist um so größer, um so deutlicher, als hier gegenüber solchem Tun, das an sich pflichtmäßig, ehrenwert, bitter notwendig ist, hart gesagt wird: es ist kein christliches Tun. Denn es gibt kein Tun, das sich direkt auf Gott und sein Reich beziehen könnte. Jede Form menschlichen Gemeinschaftslebens, die schlimmste wie die idealste, steht in gleicher Weise unter dem göttlichen Gericht.

Leider konnten uns weder Bultmann noch Barth nachhaltig aus der Krise führen.

Welchen Auftrag hat die Kirche?

The University Reformed Church hat ein wunderschönes „Vorstellungsvideo“ produziert. Mehr noch als die ästhetischen Aufnahmen gefällt mir, was Kevin DeYoung über die Auftrag der Kirche sagt: Es geht darum, gute Saat, also das Wort Gottes, auszustreuen. Jesus spricht (Mk 4,26ff): „Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn einer Samen aufs Land wirft; er schläft und steht auf, Nacht und Tag. Und der Same sprosst und wächst empor, er weiss nicht wie. Von selbst bringt die Erde Frucht, zuerst den Halm, dann die Ähre, dann das volle Korn in der Ähre.“

Glauben wir das noch?

Hier das Video:

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