Türkischer Protest gegen Schweizer Minarettverbot
Die türkische Regierung avanciert zum Wortführer gegen das Minarettverbot in der Schweiz. Religiöse Minderheiten hätten in seinem Land mehr Rechte als in Europa, behauptet Premier Erdogan – die tatsächliche Lage ist anders. Christen kämpfen im Alltag mit vielen Problemen.
Doch gerade die Lage der Christen in der Türkei muss differenziert betrachtet werden: 100.000 bis 120.000 Christen leben nach inoffiziellen Schätzungen heute noch in der Türkei, das ist weniger als ein halbes Prozent der Bevölkerung. Die übergroße Mehrheit von ihnen wohnt in Istanbul. Die Stadt ist Sitz des ökumenischen Patriarchen, dem Oberhaupt der christlichen Weltorthodoxie – obwohl es kaum noch 2000 Griechen in Istanbul gibt. Auf etwa 60.000 wird dagegen die Zahl der Armenier geschätzt, auch sie haben ein Patriarchat in der Stadt. Daneben existieren vor allem assyrische beziehungsweise syrisch-orthodoxe sowie kleinere katholische und protestantische Gemeinden.
Während die Griechen, Armenier und Juden nach dem »Vertrag von Lausanne« von 1923 zu den drei staatlich anerkannten Minderheiten gehören und ihre eigenen Schulen und Kirchen unterhalten dürfen, haben es die assyrischen, katholischen und protestantischen Türken bedeutend schwerer. Im Südosten des Landes kämpfen die syrisch-orthodoxen Christen um die Rechtssicherheit ihres wichtigsten Klosters Mor Gabriel: Keine 3000 von ihnen leben heute noch in der Grenzregion zu Syrien, bis zu einer halben Million sollen es noch zu Anfang des letzten Jahrhunderts gewesen sein.
Hier der Artikel von Daniel Steinvorth aus Istanbul: www.spiegel.de. Ich empfehle außerdem den Beitrag »Wo sind die türkischen Christen?«, der zeigt, dass vor knapp 100 Jahren der Anteil der Christen an der Gesamtbevölkerung in der Türkei noch bei 30 Prozent lag.