Vor 125 Jahren wurde der Ausnahmeforscher Rudolf Bultmann geboren. Er hielt den Geister- und Wunderkosmos der Bibel für unvereinbar mit modernen Erkenntnissen der Naturwissenschaften. Inzwischen hat der Fortschritt der Wissenschaften das Weltbild des Theologieprofessors als zu einseitig hinter sich gelassen. Werner Thiede, außerplanmäßiger Professor für Systematische Theologie an der Universität Erlangen-Nürnberg, hat für den Rheinischen Merkur einen Artikel über den Marburger Neutestamentler geschrieben.
Er ist selber so etwas wie ein Mythos geworden: der große Entmythologisierer Rudolf Bultmann (1884–1976). Die zahlreichen Anstöße, durch die der protestantische Neutestamentler sein Fach bereichert und auch verändert hat, sind inzwischen fortgeschrieben oder widerrufen, aber allesamt überboten durch die Wirkungsgeschichte seines viel diskutierten Programms der »Entmythologisierung« des Neuen Testaments. Diese seine Sache geht weiter.
Der eigentliche Sinn des Mythos bestehe nicht darin, ein objektives Weltbild zu liefern, erklärte Bultmann 1941 in seiner Schrift »Neues Testament und Mythologie«. Vielmehr habe sich im Mythos das jeweilige Selbstverständnis der Menschen in ihrer Welt ausgesprochen. Deshalb wolle der Mythos nicht kosmologisch, sondern anthropologisch – besser: existenzial – interpretiert werden. Es ging Bultmann also keineswegs um ein Ent-Mythologisieren im Sinne einer Beseitigung alles Mythischen schlechthin, sondern um dessen Uminterpretation in existenzielle Verstehenskategorien.
Der Artikel, der zum Weiterdenken anstößt, kann hier gelesen und (unten rechts) als PDF-Datei herunter geladen werden: www.merkur.de.
„All dies zu berücksichtigen heißt verstehen, warum Bultmann und sein Programm der Entmythologisierung mittlerweile seinerseits der Entmythologisierung bedürfen: Es ist philosophisch, theologisch und im Verständnis von Naturwissenschaft zu einseitig festgelegt.“ Danke für den Hinweis auf diesen interessanten Artikel. Ich bedauere immer mehr, dass ich auf einem meiner Ausflüge in die Theologische Fakultät während meiner Zeit in Erlangen nie die Gelegenheit genutzt habe, W. Thiede mal im Hörsaal zu hören. Auf jeden Fall bietet er sehr gute Ansätze, seine eigene Forderung einzulösen, nämlich R. Bultmann und sein Programm selbst einer Entmythologisierungskur zu Unterziehen. Nochmals danke für den Hinweis! Ich habe diesen Artikel mit großem Gewinn gelesen. Und fernab von Bultmann und dessen Entmythologisierung; über diesen Satz muss ich echt noch eine Weile Nachdenken: „Und so hält Wolfhart Pannenberg mit Recht gegen Bultmann fest, dass „die Erwartung einer Auferstehung der Toten von den Voraussetzungen heutigen Denkens her keineswegs als sinnlos erscheinen muss, sondern vielmehr als philosophisch sachgemäßer Ausdruck der menschlichen Bestimmung zu… Weiterlesen »
Lieber Andreas,
dieser Satz steckt voller Hegel, meine ich jedenfalls. Während Bultmann meinte, das Kerygma zur Geltung zu bringen, indem er es von der Geschichte löst, holt Pannenberg die Offenbarung in die Geschichte zurück. Offenbarung als Geschichte ist ein wirksames Gegenprogramm zu Bultmann, überzeugt mich aber nicht.
Liebe Grüße, Ron
@Andreas: Nachtrag: Mir fällt gerade ein, dass mein Dogmatiklehrer mir vor 20 Jahren schon gesagt hat, dass das Weltbild von B. entmythologisierungsbedürftig sei. Er, also der Dozent, ist auch Naturwissenschaftler.
[…] the man who demythologized almost everything, but forgot to demythologize God himself: Happy 125th Birthday, […]