Theologiegeschichte

Was sind die Langzeitwirkungen der ›Emerging Church‹?

51bHT7uCVLL._SL160_.jpgTrevin Wax blickt beim Gespräch mit seinem Freund Robbie Sagers auf einige Jahre ›Emerging Church‹ zurück. Auf die Frage, was der langfristige Einfluss der Bewegung, die allmählich von der Bildfläche verschwindet, auf den Evangelikalismus sein wird, antwortet Sagers:

That’s a very good question, and I think that only time will tell what – if any – lasting impact the emerging church movement will have on evangelicalism.
Part of that uncertainty is due to the somewhat shifting nature of evangelicalism itself; after all, what is an evangelical? (A question for another day, perhaps!)
Regardless, these last months certainly do seem to have indicated the demise of the emerging church movement, at least in terms of comparing it to the furor surrounding the movement in recent years. After all, fewer books are being published by self-identified emerging church adherents, less conferences planned, Emergent Village has been disbanded, and some of the movement’s key leaders are now deeply entrenched not primarily in the church per se but rather in national politics–or, at least in one case, running for political office themselves.
I can tell you what I hope the long-range impact of evangelicalism will be. My hope is that conservative evangelicals, after having endured from some segments of the emerging church movement a challenge to doctrinal orthodoxy and orthopraxy, will avoid the temptation to a more-doctrinal-than-thou mentality that can be destructive to the soul. False teaching should be pointed out, yes, and corrected when possible. And there certainly is a place, biblically speaking, for sharp language in pointing out wolves among sheep. But such words should be spoken not with triumphalism, but rather with sobriety, in love.
Instead, I hope that evangelicals will discern humbly, through the lens of the Scriptures, those weak spots that led to some emerging church adherents’ exploitations of certain aspects of evangelicalism in the first place.

Klingt gut. Das vollständige Interview gibt es hier: trevinwax.com.

Das Buch:

für das Robbie Sagers einen Beitrag geschrieben hat, kann hier bestellt werden:

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Die desaströse Theologie des Charles Finney

Finney.jpgJerry Falwell bezeichnete ihn als »einen seiner Helden und als Helden vieler Evangelikaler, einschließlich Billy Graham«. Keith Green und einige Leiter von »Jugend mit einer Mission« haben ihn verehrt. Für mache Evangelisten ist er nach wie vor ein großes Vorbild. Sein Einfluss auf die Evangelikale Bewegung reicht weit über den angelsächischen Raum hinaus.

Michael Horton erklärt uns die desaströse Theologie von Charles Finney (1792–1876):

The first thing we must note about the atonement, Finney says, is that Christ could not have died for anyone else’s sins than his own. His obedience to the law and his perfect righteousness were sufficient to save him, but could not legally be accepted on behalf of others. That Finney’s whole theology is driven by a passion for moral improvement is seen on this very point: »If he [Christ] had obeyed the Law as our substitute, then why should our own return to personal obedience be insisted upon as a sine qua non of our salvation?« (p. 206). In other words, why would God insist that we save ourselves by our own obedience if Christ’s work was sufficient? The reader should recall the words of St. Paul in this regard, »I do not nullify the grace of God; for if justification comes through the law, then Christ died for nothing.« It would seem that Finney’s reply is one of agreement. The difference is, he has no difficulty believing both of those premises.

Finney, der glaubte, sogar Macht über Gott zu haben, bekannte übrigens in seinen späteren Jahren: »Die Bekehrten meiner Erweckung sind eine Schande für das Christentum«.

Hier der vollständige Artikel »The Legacy of Charles Finney«: www.modernreformation.org.

Warum Brian McLaren am Ramadan teilnimmt

Brian McLaren, Vaterfigur der Emerging Church-Bewegung, wird in diesem Jahr zusammen mit einigen anderen Christen am Ramadan teilnehmen. Er zitiert auf seiner Internetseite dazu aus einer gemeinsamen Erklärung:

Our main purpose for participating will be our own spiritual growth, health, learning, and maturity, but we also hope that our experience will inspire others to pray and work for peace and the common good, together with people of other faith traditions. May God bless all people, and teach us to love God and love one another, and so fulfill our calling as human beings.

Ich weiß nicht, ob gläubige Muslime das wirklich so gut finden. Der Ramadan ist eine Vorschrift für (geistig reife) Muslime, denen in Sure 2,183 befohlen wird: »Ihr, die ihr glaubt, euch ist das Fasten vorgeschrieben wie es denen vorgeschrieben war, die vor euch waren, damit ihr vielleicht gottesfürchtig werdet.«

Das Fest des Fastenbrechens ist damit eines der beiden islamischen Hauptfeste (Idul-Fitr und Idul-Adha) und hat für unsere muslimischen Freunde ungefähr die gleiche Bedeutung wie Weihnachten für Christen. Das Fasten im Ramadan ist eine unmittelbare Angelegenheit zwischen dem Einzelnen und seinem Schöpfer, also ein Gottesdienst. Die Seele des Fastenden wird nach muslimischem Glauben dabei gereinigt und geläutert und seine Beziehung zu Gott und seinen Mitmenschen gefestigt. Sehr wichtig ist bei diesem Fest, dass ein Gläubiger nicht heuchelt, also irgend etwas vorspielt.

Während Muslime sehr wohl den Respekt vor den heiligen Festen anderer Religionen kennen, feiern sie selbst keine religiösen Feste anderer Religionen. Die aktive Teilnahme an solch einem Fest kann für sie nur Heuchelei oder Apostasie bedeuten. So wie sie nicht darüber begeistert sind, wenn ein Muslime an christlichen Festen teilnimmt, wird es sie nicht beeindrucken, wenn ein Christ den Anweisungen der Sunna zu folgen versucht. Sie vermissen die Authentizität. Ich auch.

Der Mythos kehrt zurück

Vor 125 Jahren wurde der Ausnahmeforscher Rudolf Bultmann geboren. Er hielt den Geister- und Wunderkosmos der Bibel für unvereinbar mit modernen Erkenntnissen der Naturwissenschaften. Inzwischen hat der Fortschritt der Wissenschaften das Weltbild des Theologieprofessors als zu einseitig hinter sich gelassen. Werner Thiede, außerplanmäßiger Professor für Systematische Theologie an der Universität Erlangen-Nürnberg, hat für den Rheinischen Merkur einen Artikel über den Marburger Neutestamentler geschrieben.

Er ist selber so etwas wie ein Mythos geworden: der große Entmythologisierer Rudolf Bultmann (1884–1976). Die zahlreichen Anstöße, durch die der protestantische Neutestamentler sein Fach bereichert und auch verändert hat, sind inzwischen fortgeschrieben oder widerrufen, aber allesamt überboten durch die Wirkungsgeschichte seines viel diskutierten Programms der »Entmythologisierung« des Neuen Testaments. Diese seine Sache geht weiter.

Der eigentliche Sinn des Mythos bestehe nicht darin, ein objektives Weltbild zu liefern, erklärte Bultmann 1941 in seiner Schrift »Neues Testament und Mythologie«. Vielmehr habe sich im Mythos das jeweilige Selbstverständnis der Menschen in ihrer Welt ausgesprochen. Deshalb wolle der Mythos nicht kosmologisch, sondern anthropologisch – besser: existenzial – interpretiert werden. Es ging Bultmann also keineswegs um ein Ent-Mythologisieren im Sinne einer Beseitigung alles Mythischen schlechthin, sondern um dessen Uminterpretation in existenzielle Verstehenskategorien.

Der Artikel, der zum Weiterdenken anstößt, kann hier gelesen und (unten rechts) als PDF-Datei herunter geladen werden: www.merkur.de.

H.J. Iwand und der Zeitgeist

Bundesarchiv_Bild_194-1282-30A,_Wuppertal,_Evangelische_Gesellschaft,_Jahrestagung.jpgIn diesen Urlaubstagen gönnte ich mir endlich wieder einmal ein Buch, dass ich nicht lesen muss, sondern lesen will. So habe ich einige Stunden mit der hochspannenden Lektüre Befreiende Erkenntnis von Gerard C. den Hertog verbracht. Die Dissertation ist der Theologie des deutschen Lutheraners Hans Joachim Iwands (1899–1960) gewidmet, der sich besonders in den 30er Jahren eingehend mit dem Verhältnis von Geschichte und Offenbarung beschäftigte.

Während er noch 1931 offen lies, ob die Geschichte Offenbarungscharakter besitzt, öffnete ihm die Machtergreifung durch die Nationalsozialisten die Augen für das Deformierungspotential einer Theologie, die der Geschichte oder einer Kultur normative Offenbarungsqualität zuschreibt. Eine neuprotestantische Kirche, die das Denken der Zeit als Willen Gottes vernimmt und eine Synthese von Christentum und Kultur anstrebt, kann seiner Meinung nach den ideologischen Mächten in dieser Welt nichts mehr entgegensetzen. Wo Zeitgeist und Verkündigung an einem Strang ziehen, da geht es mit Sicherheit schief, rief er seinen Studenten 1937, inzwischen zur Bekennenden Kirche gehörend, in einem Predigerseminar zu. Und bei Oeynhäuser Theologenkonvent 1935 formulierte er äußerst scharf:

Hirsch [Anm: Emanuel Hirsch gehörte zu den Wortführern der Deutschen Christen] und andere meinen, mit dem Jahre 1933 sei eine neue christliche Epoche angebrochen. Also haben diese Herren niemals von Luther zu Jesus Christus hingefunden. Wenn wir in Jesus Christus die Ruhe unseres Herzens haben, dann hat derjenige, der im Jahre 1933 eine neue Offenbarung erlebt hat, bewiesen, daß er noch niemals an Gott geglaubt hat. Alle, die glauben, da sei die neue Zeit angebrochen, beweisen damit, daß sie Gott nicht kennen.

Eine Kirche, die zulässt, dass das Evangelium zugedeckt wird, ist eine sprach- und tatenlose Kirche. Achten wird darauf, dass die Botschaft vom Kreuz uns und die Welt aufwühlt!

Zum Foto: Hans Joachim Iwand (2. von links) auf der Jahrestagung der Ev. Gesellschaft in Wuppertag 1956. Rechts Karl Barth.

Die Radikalisierung der »Wort+Geist«-Bewegung

Die »Wort+Geist«-Bewegung des »Völkerapostels« Helmut Bauer ist eine neue Phase eingetreten. »Es wird zu einer Selektion kommen, zu einer Aussonderung. Wer nicht mit uns ist, ist gegen uns«, hört man.

Was ich auf der Internetseite der Bewegung über die Entwicklungen und die dazugehörige Kritik so gelesen habe, lässt Tragisches vermuten (siehe z.B. hier und hier).

Die EZW schreibt in der Ausgabe 5/09 der Zeitschrift für Religions- und Weltanschauungsfragen zu den aktuellen Entwicklungen (mit den dazugehörigen Quellenbelegen):

Im Zusammenhang mit dieser Entwicklung stehen auch Innovationen und Umbrüche in der Lehre der Bewegung. So predigte der Berliner Gemeindeleiter Andres Irmisch Anfang des Jahres: »Ich habe hier bis vor ein paar Wochen was anderes gepredigt. In den meisten Büchern steht’s auch anders drin. Aber Gott gibt Offenbarungen; dass es weiter geht. Dass das Bild, das wir erkennen dürfen, immer vollkommener wird.« In Bezug auf die Bibel bedeutet dies eine enorme Abschwächung ihrer Autorität: »Manche Dinge, die wir bereits jetzt predigen und die kommen werden, wirst du in keinem Buch finden, nicht mal in der Heiligen Schrift. Weil es ja weiter geht … Begrenze Gott nicht mit diesem Buch.«

Ein weiteres Beispiel für die Entwicklung sind verschärfte Einstellungen zur Liebe. Die göttliche Liebe spielte bei »Wort+Geist« schon immer eine sehr große Rolle. Es herrscht die Vorstellung, dass jeder durch den Geist die göttliche Liebe in sich trägt und Liebesenergien von einem zum anderen fließen können. Dies geschieht durch intensiven Blickkontakt und innige Umarmungen, bei denen die Geister »verschmelzen«. Damit sich die Liebe Bahn brechen kann, müssen Hindernisse aus dem Weg geräumt werden, zu denen im Zuge der neuesten Entwicklungen auch die Ehe gezählt wird. Sie habe ausgedient und sei das größte Bollwerk gegen das Durchbrechen der göttlichen Liebe.

Die Verehrung Helmut Bauers hat durch seine Einsetzung als Völkerapostel ihren bisher höchsten Stand erreicht. Er hat eine Art Mittlerposition zwischen Gott und den Menschen eingenommen. Die Gläubigen sind ganz auf ihn ausgerichtet, und er scheint stellvertretend die Beziehung zu Gott zu führen. Das gipfelt in Aussagen wie diesen: »Ich bin ausgerichtet auf den Apostel. Ich glaub auch nicht Gott, ich glaub ihm. Amen!«

Hier gibt es übrigens die Gelegenheit, eine Sonntagspredigt aus Roehrnbach zu hören. Ich kann nur hoffen, dass sich im Rahmen der anstehenden »Selektion« (was für ein furchtbares Wort!) möglichst viele absondern. Raus!

Was ist eigentlich ein ›Evangelikaler‹?

In den letzten Monaten sind Begriffe wie ›evangelikal‹, ›Evangelikalismus‹ oder ›Evangelikale‹ zu polemischen Kampfbegriffen mutiert. Aber was ist eigentlich der ›Evangelikalismus‹?

Don A. Carson hat versucht, in einem Vortrag eine Antwort zu geben und geht dabei auf verschiedene Interpretationsansätze ein: mp3.sa-media.com.

Die Tonqualität ist leider nicht besonders gut. Weiter Vorträge von D.A. Carson gibt es übrigens hier: pjtibayan.wordpress.com.

Zur Semantik des Begriffs ›evangelikal‹

Francis Beckwith skizziert im Buch über seine Konversion zum Katholizismus die Reichweite des Begriffs ›evangelikal‹:

Put in terms of specific traditions, if the term ›Evangelical‹ is broad enough to include high-church Anglicans, low-church anti-creedal Baptists, Presbyterians, Methodists, the Evangelical Free Church, Arminians, Calvinists, Disciples of Christ, Pentecostals, Seventh-Day Adventist, open theists, atemporal theists, social Trinitarians, substantial Trinitarians, nominalists, realists, eternal security supporters and opponents, temporal theists, dispensationalists, theonnmists, church-state separationists, church-state accomodationists, cessationists, non-cessationists, kenotic theorists, covenant theologians, paedo-Baptists, Anabaptists, and Dooyeweerdians, then there should be room for an Evangelical Catholic.

Hier ein Blogbeitrag dazu von Trevin Wax: trevinwax.com.

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