Juni 2007

Ist der Glaube an einen Schöpfer eine Gefahr für die Demokratie?

Das Komitee für Kultur, Wissenschaft und Bildung des Europarats stuft in seinem Dokument 11297 vom 8. Juni 2007 unter dem Titel »Die Gefahren des Kreationismus im Bildungswesen« (»The dangers of creationism in education«, voller Text in englischer und französischer Sprache auf der Homepage des Europarats abrufbar, Adresse siehe unten) den Kreationismus als Bedrohung für Demokratie und Menschenrechte ein. Die Erklärung äußert ihre Bedenken gegenüber dem Schöpfungsglauben in 105 Punkten.

In der Zusammenfassung am Beginn des Dokuments heißt es:

Die Evolutionstheorie wird von religiösen Fundamentalisten angegriffen, die dazu aufrufen, in den europäischen Schulen kreationistische Theorien neben oder sogar statt der Evolutionstheorie zu lehren. Vom wissenschaftlichen Standpunkt kann es absolut keinen Zweifel daran geben, dass die Evolutionstheorie eine zentrale Theorie für unser Verständnis des Universums und des Lebens auf der Erde ist.

Der Kreationismus in allen Formen, wie etwa »Intelligent Design« beruht nicht auf Fakten, verwendet keine wissenschaftliche Beweisführung und die Inhalte sind für den Unterricht in naturwissenschaftlichen Fächern in geradezu bemitleidenswerter Weise ungenügend.

Die Versammlung ruft die Bildungsbehörden der Mitgliedsstaaten auf, wissenschaftliche Kenntnisse und die Vermittlung der Evolutionstheorie zu fördern und allen Versuchen, den Kreationismus als wissenschaftliche Disziplin zu lehren, entschieden entgegenzutreten.

In dem mehr als 10 Seiten umfassenden Resolutionsentwurf heißt es unter anderem weiter:

Die parlamentarische Versammlung ist besorgt über die möglichen negativen Auswirkungen der Verbreitung kreationistischer Theorien innerhalb unserer Bildungssysteme und über die Konsequenzen für unsere Demokratien. Wenn wir unachtsam sind, könnte der Kreationismus zur Bedrohung für die Menschenrechte werden, die ein zentrales Anliegen des Europarats sind.

Es wird beklagt, dass der angeblich aus der Leugnung der Evolution der Arten durch natürliche Selektion geborene Kreationismus – bisher ein fast ausschließlich auf Nordamerika beschränktes Phänomen – seinen Weg vermehrt nach Europa findet. Dem Kreationismus wird jede Legitimität als wissenschaftliche Disziplin abgesprochen. Ein Vorwurf lautet:

Kreationisten stellen den wissenschaftlichen Charakter bestimmter Erkenntnisse in Frage und behaupten, dass die Evolutionstheorie nur eine Interpretation unter anderen ist. Sie beschuldigen die Wissenschaftler, nicht genug Beweise für die wissenschaftliche Gültigkeit der Evolutionstheorie zu erbringen. Hingegen verteidigen sie ihre eigenen Behauptungen als wissenschaftlich. All das hält einer objektiven Analyse nicht stand.

Die Intelligent Design Theorie wird wörtlich als »gefährlich« bezeichnet. Weitere Vorwürfe lauten:

Die Evolution ist nicht nur eine Angelegenheit der Entwicklung des Menschen und von Populationen. Ihre Leugnung könnte ernsthafte Auswirkungen auf die Entwicklung unserer Gesellschaften haben. Fortschritte in der medizinischen Forschung mit dem Ziel der effektiven Bekämpfung von Infektionskrankheiten wie AIDS sind unmöglich, wenn jedes Prinzip der Evolution geleugnet wird …

Der Krieg gegen die Evolutionstheorie und ihre Vertreter hat seinen Ursprung oft in Formen des religiösen Extremismus in enger Verbindung mit politischen Bewegungen der extremen Rechten. Die kreationistischen Bewegungen haben reale politische Macht. Tatsache ist, und das wurde bereits mehrmals aufgedeckt, dass die Vertreter des strikten Kreationismus darauf aus sind, die Demokratie durch die Theokratie zu ersetzen …

Die Vermittlung aller die Evolution betreffenden Phänomene als fundamentale wissenschaftliche Theorie ist daher entscheidend für die Zukunft unserer Gesellschaften und Demokratien. Aus diesem Grund muss die Evolution eine zentrale Position im Lehrplan und insbesondere bei den naturwissenschaftlichen Fächern einnehmen. Evolution ist allgegenwärtig, von der medizinischen Verordnung exzessiver Mengen von Antibiotika, was zu einem Auftreten resistenter Bakterien führt, bis zur Verwendung exzessiver Mengen an Pestiziden in der Landwirtschaft, was zu Mutationen von Insekten führt, gegen die Pestizide nicht mehr wirken.

Der Schöpfungslehre wird ein Platz ausschließlich im Religionsunterricht zugebilligt. Die Panikmache vor der Überzeugung von einem intelligenten Schöpfer gipfelt in der Aussage in Punkt 17 des Dokuments:

Wenn wir nicht Acht geben, werden die zentralen Werte des Europarats von kreationistischen Fundamentalisten einer direkten Bedrohung ausgesetzt. Es ist Teil der Rolle der Parlamentarier des Rates, zu reagieren, bevor es zu spät ist.

In vollkommen dogmatischer Weise heißt es in Punkt 51:

Es kann daher nicht akzeptabel sein, alternative Theorien als Wissenschaft zu lehren.

– – –

Quelle: Website des Europarates
(Die Übersetzung des Auszugs stammt von Josef Jäger)

Richard Rorty ist tot – ein Paradigmenwechsel?

Der amerikanische Philosoph und Kulturwissenschaftler Richard Rorty ist im Alter von 75 Jahren gestorben. Wie die Stanford-Universität auf ihrer Internetseite mitteilte, erlag der emeritierte Professor am 8. Juni im kalifornischen Palo Alto einem Bauchspeicheldrüsenkrebsleiden.

Rorty galt als einer der einflussreichsten zeitgenössischen Denker. Am 4. Oktober 1931 in New York geboren, wurde Rorty besonders als Vertreter des neuen amerikanischen Pragmatismus und des Postmodernismus bekannt. Er wandte sich vehement gegen einen Wahrheitsanspruch der Philosophie oder Religion und hat selbst – konsequenterweise – nie Philosophie gelehrt. Gern polemisierte er gegen die politische Rechte in Amerika und gegen die Evangelikalen.

In den letzten Jahren seines Lebens äußerte sich Rorty besorgt über die fatalen Folgen des postmodernen Relativismus. So stellt er fest, das die Relativierung aller Werte eben auch die Überzeugungen der Linken aushöhlt und zur Verdrossenheit führt. Die »Politikverachtung der postmodernen Denker arbeite den Konservativen auf fatale Weise in die Hände« und kapituliere vor den zerstörerischen Folgen der Globalisierung (vgl. Thomas Assheuer, »Der Schnee von gestern«, Die Zeit, Nr. 34, 1998).

Nach dem Verschwinden der Pariser Dreieinigkeit (Foucault, Lyotard und Deridda) ist mit Rorty einer der letzten großen Denker der Postmoderne verstorben. Steht uns ein Paradigmenwechsel bevor?

Christen in UK befürchten Diktatur einer „neuen Moral“

Am 21. März 2007 wurden die Regelungen zum Thema sexuelle Orientierung (Regelungen betreffend sexuelle Orientierung – Equality Act, Sexual Orientation Regulations) vom Oberhaus des britischen Parlaments gebilligt. Das haben Bonner Nachrichten in einer Meldung vom 25. Mai mitgeteilt. Die meisten Religionsgemeinschaften bedauern diese Entscheidung und sehen sie als den Anfang einer Reihe repressiver, ideologisch motivierter Gesetze, die letztlich die Gewissens- und Glaubensfreiheit einschränken und den Menschen praktisch eine »neue Moral« aufdrängen.

Die britische Regierung widersetzte sich allen Versuchen, relevante Ausnahmebestimmungen im Sinne der persönlichen Gewissensfreiheit in das Gesetz aufzunehmen.

Download der Pressemeldung: BQ0035.pdf

Aufsatzsammlung zur Neuen Paulusperspektive

Rückblickend erweist sich Krister Stendahl mit der Publikation seines Aufsatzes »The Apostle Paul and the Introspective Conscience of the West« (HThR 56, 1963: 199–215) als derjenige, der die Neue Paulusperspektive (New Perspective on Paul) angestoßen hat. E.P. Sanders, J.D.G. Dunn, H. Räisänen und N.T. Wright haben die neue Paulusinterpretation exegetisch-systematisch entwickelt und etabliert.

In der WUNT-Reihe ist 2005 ein dritter Band erschienen (neben WUNT 140 u. 181), der sich mit der Neuen Paulusperspektive beschäftigt:

  • BACHMANN, MICHAEL; WOYKE, JOHANNES (Hg.): Lutherische und Neue Paulusperspektive (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament, Mohr Siebeck, 2005, ISBN 3161487125, € 99,00.

Hier eine Aufstellung der Beiträge, die in den Sammelband aufgenommmen wurden:

  • Klaus Haacker (Wuppertal)
    Verdienste und Grenzen der »neuen Perspektive« der Paulus-Auslegung
  • Friedrich Wilhelm Horn (Mainz)
    Juden und Heiden: Aspekte der Verhältnis bestimmung in den paulinischen Briefen – Ein Gespräch mit Krister Stendahl
  • Volker Stolle (Oberursel/Taunus)
    Nomos zwischen Tora und Lex: Der paulinische Gesetzesbegriff und seine Interpretation durch Luther in der zweiten Disputation gegen die Antinomer vom 12, Januar 1538
  • Michael Bachmann (Siegen)
    Keil oder Mikroskop?: Zur jüngeren Diskussion um den Ausdruck »›Werke‹ des Gesetzes«
  • Robert L. Brawley (Chicago)
    Meta-Ethics and the Role of Works of Law in Galatians
  • Roland Bergmeier (Weingarten)
    Vom Tun der Tora
  • Peter J. Tomson (Brüssel)
    »Die Täter des Gesetzes werden gerechtfertigt werden« (Röm 2,13): Zu einer adäquaten Perspektive für den Römerbrief
  • Christian Strecker (Neuendettelsau)
    Fides – Pistis – Glaube: Kontexte und Konturen einer Theologie der »Annahme« bei Paulus
  • Romano Penna (Rom)
    The Meaning of paresis in Romans 3 :25c and the Pauline Thought on the Divine Acquittal
  • Hubert Frankemälle (Paderborn)
    Völker-Verheißung (Gen 12-18) und Sinai-Tora im Römerbrief: Das »Dazwischen« (Röm 5,20) als hermeneutischer Parameter für eine lutherische oder nichtlutherische Paulus-Auslegung
  • Simon J. Gathercole (Aberdeen)
    The Petrine and Pauline Sola Fide in Galatians 2
  • Wolfgang Kraus (Saarbrücken)
    Gottes Gerechtigkeit und Gottes Volk: Ökumenisch-ekklesiologische Aspekte der New Perspective on Paul
  • Michael Theobald (Tübingen)
    Paulus und Polykarp an die Philipper: Schlaglichter auf die frühe Rezeption des Basissatzes von der Rechtfertigung
  • James D.G. Dunn (Durham)
    The Dialogue Progresses

Siehe dazu auch den Beitrag über Peter Stuhlmacher.

Wenn Christen als Bedrohung gesehen werden

Die Ermordung von drei evangelischen Christen in der 400.000 Einwohner zählenden Stadt Malatya in der Türkei am Dienstag sorgte weltweit für Entsetzen. Doch die Tat macht erneut deutlich, unter welchen Spannungen die Türkei leidet und mit welchen Kräften und Ideologien sie sich auseinander setzen muss. Von Religionsfreiheit ist das Land noch weit entfernt.

Am 19, April hat die Islamwissenschaftlerin Prof. Dr. Christine Schirrmacher, wissenschaftliche Leiterin des Islaminstituts in Bonn, eine Erklärung zur Religionsfreiheit in der Türkei abgegeben.

Download der Pressemeldung: pmweb2007-27.pdf

Nach oben scrollen
DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner