2016

Die christliche Freiheit

Sinclair Ferguson hat vier hilfreiche Prinzipien zur christlichen Freiheit beschrieben. Das erste Prinzip lautet:

Prinzip 1: Die Freiheit des Christen darf nicht zur Schau gestellt werden. „Behandle deine Überzeugung in diesen Dingen als eine Angelegenheit zwischen dir und Gott“ (Röm 14,22, NGÜ). In Christus sind wir frei von den mosaischen Speisegeboten; Christus hat alle Speisen für rein erklärt (Mk 7,18-19). Wir dürfen sehr wohl Black Pudding essen! Doch man muss seine Freiheit nicht ausüben, um sie zu genießen. Ja, an anderer Stelle befragt Paulus diejenigen, die darauf bestehen, unter allen Umständen ihre Freiheit auszuüben, sehr penetrant: Erbaut das die anderen denn? Befreit euch das wirklich – oder hat es angefangen, euch zu versklaven (Röm 14,19; 1Kor 6,12)? Die ernüchternde Wahrheit ist, dass der Christ, der seine Freiheit ausüben muss, gerade von dem gefangen genommen wird, auf dessen Ausübung er besteht! So sagt Paulus auch: Wenn das Reich für euch aus Essen, Trinken usw. besteht, dann habt ihr den Sinn des Evangeliums und die Freiheit des Geistes verpasst (Röm 14,17).

Mehr bei Evangelium21: www.evangelium21.net.

Die Schwärmintelligenz der Protestanten

Das Sozialwissenschaftliche Institut der EKD hat durch eine Umfrage ermittelt, wofür das Herz der Evangelischen Kirche auf EU-Ebende schlagen soll: sozialer Ausgleich, Gespräch zwischen den Religionen und eine gerechte Verteilung von Flüchtlingen sind die gewünschten Hauptanliegen.

Reinhard Bingener beobachtet für die FAZ die EKD-Synode in Magdeburg, die sich dort dem Kampf für mehr Solidarität in Europa verschreibt. Gestern hat er für die Zeitschrift einen ersten klugen Artikel unter der Überschrift „Schwärmintelligenz der Protestanten“ veröffentlicht. Er berichtet nicht nur darüber, dass ein Antrag zur Abstimmung kommt, in dem über die Kürzung der bisherigen Zuschüsse für IDEA entschieden werden soll (FAZ vom 07.11.2016, Nr. 260 S. 6):

Bisher erhält das evangelikale Medium, das die Verlautbarungen der EKD schon lange kritisch bis äußerst kritisch begleitet, jährlich etwa 130 000 Euro von dieser. Manchen Synodalen sehen mit der Positionierung des Magazins in der Islam-Debatte inzwischen jedoch Grenzen überschritten. Das Medium nehme inzwischen eine Scharnierfunktion zwischen Rechtspopulisten und Evangelikalen ein, kritisieren sie.

Er berichtet auch, wie intensiv auf der Synode darüber diskutiert wird, wie sich die Kirche in Zukunft gegenüber Menschen verhalten soll, die AfD-Positionen vertreten oder gar der Partei angehören. Ausschließen möchte man sie vorerst nicht.

Eine Studie über Ressentiments in drei unterschiedlichen Kirchengemeinden habe überdies ans Licht gebracht, dass es sehr unterschiedliche Vorstellungen von Toleranz in den Gemeinden gebe und es sein könne, dass die Intoleranten mehr zu tragen bereit sind als diejenigen, die sich Toleranz groß auf die Fahnen schreiben:

Dass der Kirche der Blick allein auf Parteibücher nicht reichen dürfte, verdeutlicht auch eine kleine, qualitative Studie über Ressentiments in drei unterschiedlichen Kirchengemeinden. Über die Ergebnisse soll auf der Synode debattiert werden. Denn in der untersuchten Dorfgemeinde sind den Forschern Ressentiments gegenüber Homosexuellen oder dem Islam begegnet. Allerdings attestieren die Untersucher der Dorfgemeinde gleichzeitig ein „überraschend großes Verständnis für abweichende Positionen“. Die Studie bringt dies auf die Formel „tolerante Kultur der Intoleranz“. In der Großstadtgemeinde hingegen waren die Ansichten über Islam und Homosexualität im Kirchenvorstand pro- nonciert weltoffen. Jedoch würden dort abweichende Meinungen ausgegrenzt, stellt die Studie fest. Nach außen stehe diese Gemeinde für Pluralismus, nach innen sei sie jedoch homogen und konfliktlos. Die Autoren sprechen hier von einer „intoleranten Kultur der Toleranz“.

Professx trifft Student*innen

Die FAZ berichtet über die immer rigorosere Durchsetzung des sogenannten Gender-Deutsches an den deutschen Hochschulen. Personen und Gruppen, die sich diesem Trend entgegenstellen, haben es immer schwerer. Dennoch gibt es Widerstand:

Jenovan Krishnan zum Beispiel ist Bundesvorsitzender des Rings Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS), und der 25 Jahre alte Student der Politikwissenschaft aus Frankfurt sagt: „Die Mehrheit der Studenten wünscht sich die gegenderte Sprache nicht.“ Er beklagt, dass Hochschulen überall in Deutschland „den Weg des geringsten Widerstands gehen, indem sie der Forderung einer kleinen Gruppe nachgeben und die gegenderte Sprache für Haus- und Abschlussarbeiten verpflichtend einführen“. Krishnan und seine Mitstreiter empfinden das Gender-Deutsch als kompliziert und weltfremd. Mit mehr Stipendienprogrammen und familienfreundlicheren Hochschulen ließe sich für die Gleichberechtigung von Frauen mehr erreichen.

Professor Ulrich Kutschera aus Kassel formuliert seine Kritik am Gender-Deutsch drastischer. Die „Geschlechter-Ideologie“, wie er sie nennt, sei nicht akzeptabel. In seiner fast vierzigjährigen Laufbahn als Biologe an Hochschulen in Deutschland und den Vereinigten Staaten habe er „noch nie, weder beruflich noch privat, eine Frau kennengelernt, die sich sprachlich diskriminiert gefühlt hätte“.

Mehr: www.faz.net.

Das Evangelium bei N.T. Wright

Bei N.T. Wright wird das Evangelium anders beschrieben, als wir es in protestantischen Kreisen zu hören gewohnt sind. Wenn er fordert, dass das paulinische Evangelium „wieder ins Zentrum der kirchlichen Verkündigung gestellt“ wird, klingt das zunächst wie ein Ansporn für die mutige Verkündigung der Botschaft, dass Jesus Christus gekommen ist, Sünder zu retten. Berücksichtigen wir jedoch, wie Wright das Evangelium erklärt, regen sich erhebliche Sinnverschiebungen.

Er beklagt zunächst, dass das Wort „Evangelium“ in einigen kirchlichen Kreisen (gemeint sind vor allem die evangelikalen) mittlerweile so verwendet werde, als handele es sich um eine Heilsordnung.

„Man hält ‚das Evangelium‘ für eine Beschreibung der Art und Weise, wie Menschen gerettet werden; man meint, bei dem Begriff ginge es um den theologischen Mechanismus, durch den (in der Sprache einiger Leute) Christus unsere Sünde wegnimmt und wir seine Gerechtigkeit annehmen. Andere sagen dazu: ‚Jesus wurde zu meinem persönlichen Retter‘. Wieder andere sagen: ‚Ich bekenne meine Sünde, glaube, dass Jesus für mich starb und vertraue ihm mein Leben an.‘ In vielen kirchlichen Kreisen heißt es, wenn man so etwas oder Ähnliches gehört hat, es wurde ‚das Evangelium‘ gepredigt. Umgekehrt gilt: Wenn man eine Predigt hört, in der der Anspruch Jesu mit den heutigen politischen oder ökologischen Fragen in Verbindung gebracht wird, werden einige sagen, das wäre sicherlich interessant gewesen, aber ‚das Evangelium‘ sei nicht gepredigt worden.“ (N.T. Wright, Worum es Paulus wirklich ging, 2010, S. 48).

Wright findet es nicht schlimm, wenn die Vergebung der Sünden durch Jesus Christus gepredigt wird. Allerdings würde er diesen Dienst nicht mit dem Evangelium in Verbindung bringen. Wenn Paulus vom Evangelium sprach, dann habe er damit etwas anderes gemeint (vgl. S. 48). Wenn wir uns die Mühe machen und die paulinische Situation erfassen, entdecken wir: „Je jüdischer wir uns das paulinische ‚Evangelium‘ denken, umso stärker konfrontiert es die Anmaßungen des imperialen Kultes, ja aller anderen heidnischen Kulte, seien sie ‚religiös‘ oder säkular‘“ (S. 52). Paulus verkündigt so wie das Alte Testament den Gott, der König wird. „Das paulinische Evangelium war ebenfalls eine Botschaft über den einen wahren Gott, den Gott Israels, und über seinen Sieg über die ganze Welt“ (S. 53). Das Evangelium „selbst ist streng genommen die erzählende Verkündigung, dass Jesus König ist“ (S. 53).

Die Botschaft der Kirche ist folglich die Verkündigung der Königsherrschaft Jesu Christi. Die Kirche sagt der Welt, dass die Zeit der Pseudokönige vorüber ist, weil Jesus als gekreuzigter und auferstandener Messias der wahre König ist. Wright fragt: „Was müssten Prediger des Evangeliums heute tun, damit Menschen über sie dasselbe sagen würden, was sie über Paulus sagten, nämlich dass er angesichts der Ansprüche des Kaisers verkündige, es gäbe ‚einen anderen König, nämlich Jesus‘?“ (S. 194). Seine Antwort:

„Sie müssten – und das ist nur der Anfang – das tun, was Paulus tat, nämlich die Mächte der Welt mit der Nachricht konfrontieren, dass ihre Zeit abgelaufen ist und dass sie Jesus selbst ihre Loyalität schulden. Hier geht es nicht so sehr darum, einzelnen Politikern und einflussreichen Menschen zu sagen, dass sie Jesus als den Herrn ihres eigenen Lebens anerkennen müssen, auch wenn das natürlich ebenfalls wichtig ist. Es geht mehr darum, ihnen im Namen Jesu zu sagen, dass es eine andere Art gibt, Mensch zu sein, einen Weg, der von hingebender Liebe, Gerechtigkeit, Ehrlichkeit und dem Niederreißen traditioneller Grenzziehungen gekennzeichnet ist – den Grenzziehungen, die die Spaltungen verstärken, die Menschen voneinander trennen und oft auch im Streit belassen […] Es geht darum, die ganze Welt unter die Herrschaft Christi zu bringen. Die Botschaft des Evangeliums lässt uns keine Wahl.“ (S. 194–195)

An anderer Stelle sagte er:

„Das Evangelium ist, wie ich betont habe, kein Set von Methoden [!], um Menschen zu Christen zu machen. Es ist auch kein Set von systematischen theologischen Reflexionen, wie wichtig die auch sein mögen. Das Evangelium ist die Verkündigung, dass Jesus der Herr ist – Herr der Welt, Herr des Kosmos, Herr der Erde, der Ozonschicht, Herr der Wale und Wasserfälle, Bäume und Braunbären.“ (S. 193–194).

Mal davon abgesehen, dass wir hier wieder eine Übertreibung haben (Wer hat denn gesagt, dass das Evangelium ein Set von Methoden ist, durch das Menschen andere Menschen zu Christen machen? Sind hier Taufen gemeint?), wird deutlich, dass es um die Verkündigung eines neuen Königs und einer damit im Zusammenhang stehenden neuen Ethik geht. Das Evangelium bietet eine neue Lebensweise an, die sich letztendlich „als Weg der wahren Selbstverwirklichung entpuppen wird“ (S. 198).

Was bedeutet etwa die Verkündigung des Evangeliums im Angesicht der Macht, die unsere Geldinstitute haben? „Wenn Jesus der Herr der Welt ist, dann ist es der große Gott Mammon nicht. Das paulinische Evangelium zu predigen bedeutet, Wege zu finden, die Macht des Mammons in unserer Gesellschaft herauszufordern und diejenigen, die als seine Hohen Priester fungieren, sowie diejenigen, die uns alle drängen, an seinem Schrein anzubeten, daran zu erinnern, dass es einen anderen König gibt, nämlich Jesus“ (S. 195). Auf der globalen Ebene – so Wright – stürzt das Schuldenproblem Millionen Menschen ins Elend, während es eine kleine Minderheit millionenschwer macht. Verkündigung des Evangeliums geschieht dort, wo Kirchen sich zusammenschließen, „um den Götzen Mammon als denjenigen zu kennzeichnen, der er ist, und um an seiner Stelle die Liebe Gottes in Christus anzubeten“ (S. 196).

Ähnliches kann Wright über andere Bereiche sagen. Im Zentrum soll die Verkündigung der Botschaft stehen, dass Jesus Herr ist. Die maßgebliche Aufgabe der Christen sei es, Jesus als Herrn und König zu proklamieren.

Ich gebe zu, dass das Herrsein Jesu oft bei der Verkündigung es Evangeliums unterschlagen wird und manche das Evangelium als so etwas wie eine Eintrittskarte in das Reich Gottes verstehen. Die Herrschaft von Jesus Christus ist ein eindeutiger Bestandteil der Christusbotschaft, so heißt es etwa in Röm 10,9: „Denn wenn du mit deinem Munde bekennst, dass Jesus der Herr ist, und in deinem Herzen glaubst, dass ihn Gott von den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet.“ Die Jünger verkündigten beispielsweise in Antiochia den „Herrn Jesus“ (Apg 11,20). Ich glaube jedoch, dass Wright dem Gesamtzeugnis der Schrift nicht gerecht wird, wenn er Jesus als Erlöser nicht in die Mitte der Evangeliumsverkündigung stellt. Ich will zwei Probleme ansprechen:

Zunächst einmal erscheint das Evangelium als etwas, was wir zu tun haben, also als ein Auftrag oder sogar als eine Art Gesetz. Zwar ist das noch nicht so deutlich, wenn Wright das Evangelium definiert: Jesus als König hat durch seinen Tod das Böse in seinem Kern besiegt. Die Welt muss mit dieser Königsherrschaft konfrontiert werden. Aber es wird sehr deutlich, wenn Wright beschreibt, was es heißt, dieses Evangelium real zu verkündigen: „Es geht mehr darum, ihnen im Namen Jesu zu sagen, dass es eine andere Art gibt, Mensch zu sein, einen Weg, der von hingebender Liebe, Gerechtigkeit, Ehrlichkeit und dem Niederreißen traditioneller Grenzziehungen gekennzeichnet ist …“ (S. 195). Wir setzen uns für die soziale Gerechtigkeit, den Umweltschutz, die Völkerverständigung ein; erinnern Politiker daran, dass Jesus König ist.

Aber ist das Evangelium die Aufforderung, gemäß einer neuen Ethik zu leben? Sicher in dem Sinn, dass jemand, der dem Evangelium glaubt, anderes Leben will, weil nun Jesus sein Herr ist. Doch das Evangelium erscheint im Neuen Testament meist als eine frohe Botschaft (das Gericht klingt gelegentlich an, z. B. in Röm 2,16; Apg 14,6-19), als etwas, was Gott bereits getan hat. Es geht um die Verkündung von Christus als dem Gekreuzigten und Auferstandenen, der gekommen ist, Sünder zu suchen (vgl. Lk 5,31–32; 1Kor 1,23; 15,3).

Zweitens kann das Herrsein Jesu eine sehr harte Botschaft sein, wenn wir unterschlagen, dass Jesus der Retter ist, der uns aus unserer Sündenverstrickung freigekauft hat. Verkündigen wir Jesus nur als Herrscher, der das Recht hat, zu richten, ist das ohne Angebot der Vergebung eine geradezu schreckliche Nachricht, da alle Menschen vor ihm schuldig sind.

Das Evangelium hat sehr viel mit Jesu stellvertretendem Sterben, seiner Auferstehung und der Vergebung der Sünden zu tun. In Jesus Christus „haben wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Sünden, nach dem Reichtum seiner Gnade“ (Eph 1,7). Gott hat uns „errettet von der Macht der Finsternis und hat uns versetzt in das Reich seines lieben Sohnes, in dem wir die Erlösung haben, nämlich die Vergebung der Sünden“ (Eph 1,13). Was sagte denn Jesus, als er seinen Jüngern den Auftrag gab, dass Evangelium zu verkündigen? Der Evangelist Markus schreibt: „Und er sprach zu ihnen: Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Kreatur. Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden“ (Mk 16,15–16). Paulus schreibt den Christen in Ephesus, dass sie mit dem Heiligen Geist versiegelt worden sind, „nachdem sie das Wort der Wahrheit, nämlich das Evangelium ihrer Rettung (griech. τὸ εὐαγγέλιον τῆς σωτηρίας)“, gehört hatten und ihm glaubten (Eph 1,13). Als Paulus sich von den Ältesten in Ephesus verabschiedete und in einer ausführlichen Rede Rechenschaft über sein Leben gab, sieht er sich verpflichtet, den Dienst zu tun, den er von seinem Herrn Jesus empfangen hat, nämlich „das Evangelium der Gnade Gottes zu bezeugen“ (Apg 20,24). Im ersten Kapitel des 1. Korintherbriefes, in dem es nach N. T. Wright um das Sich-Rühmen aus sozialem Stolz und jüdischer Selbstgefälligkeit geht, spricht Paulus von der Kraft des Evangeliums, die sowohl Juden als auch Griechen, die glauben, zu retten vermag (vgl. 1Kor 1,18–24). Woraus rettet denn das Evangelium? Es erlöst nicht nur vom Stolz und von der Eitelkeit, es rettet aus der Verlorenheit und vor dem drohenden Gericht, denn es wird ein „schlimmes Ende nehmen mit denen, die dem Evangelium Gottes nicht glauben“ (1Petr 4,17, vgl. a. Offb 14).

Es geht also beim Evangelium nicht nur um die Königsherrschaft, sondern es geht um den Erlöser Jesus Christus, der für uns gestorben und auferstanden ist. Wenn wir so wollen, gehören Kreuz und Auferstehung zur Mitte des Evangeliums, wobei meiner Meinung nach der Horizont für die Deutung der Auferstehung das Kreuz ist und nicht umgekehrt. „So sehr für Paulus die Zusammengehörigkeit von Kreuz und Auferstehung zu betonen ist“, schreibt Ulrich Körtner, „muss doch das Gefälle beachtet werden, das zwischen beiden besteht.“ (U. Körtner, „Das Wort vom Kreuz“, in: Klumies u. Du Toit, Paulus – Werk und Wirkung, S. 633.) Verstehenshorizont der Auferstehung ist – wie auch Wolfgang Schrage in seinem Korintherbriefkommentar zeigt –, das Kreuz (W. Schrage, Der erste Brief an die Korinther, Teilbd. 1, 1991, S. 200).

N.T. Wright

Als ich vergangenen Sonntag bei der Bibelbund-Konferenz über die Neues Paulusperspektive sprach, konnte ich es mir nicht verkneifen, ein paar persönliche Worte über N.T. Wright zu verlieren. Ein Auszug:

Nicholas Thomas Wright, ein Freund von James Dunn, ist Professor für Neues Testament an der Universität von St. Andrews (Schottland). Er studierte Geschichte und Theologie in Oxford und promovierte 1981 zum Römerbrief. Von 2003 bis 2010 war er Bischof von Durham (England) in der anglikanischen Kirche.

Wright ist inzwischen für viele Evangelikale eine Art Superstar. Die Zeitschrift Christianity Today schrieb im Jahr 2014 über ihn:

Leuten, die aufgefordert werden, über N.T. Wright zu schreiben, gehen schnell die Superlative aus. Er ist der produktivste Bibelwissenschaftler seiner Generation. Einige sagen, er ist der bedeutendste Apologet für den christlichen Glauben seit C. S. Lewis. Er hat die umfangreichste allgemein verständliche Kommentarreihe zum Neuen Testament seit William Barclay geschrieben. Und für den Fall, dass drei Karrieren nicht reichen, ist er auch noch ein Kirchenführer, der als Bischof von Durham in England gedient hatte, bevor er seinen Posten als Professor an der University of St. Andrews in Schottland annahm.

Ich füge hinzu: Er schreibt Bücher schneller als andere sie lesen.

N T. Wright, der populärwissenschaftlich unter dem Namen Tom Wright publiziert, hat sich als neutestamentlicher Theologe sowohl in der Leben-Jesu-Forschung als auch in den Paulusstudien große Aufmerksamkeit erarbeitet.

Als bahnbrechend gilt seine Untersuchung zur leiblichen Auferstehung von Jesus Christus, in der er zeigt, dass im jüdischen Umfeld von einer leibhaftigen Auferstehung auszugehen ist. Auch in der vertrackten Frage nach dem historischen Jesus hat Wright Grundlagenarbeit geleistet und den sogenannten dritten Weg vorgeschlagen. Als beispielgebend kann Wrights Versuch gelten, erneut nach der Einheit in der biblischen Offenbarung zu suchen. Er will die in Einzelteile zerfallene Schrift wieder als Ganzes wahrnehmen. Und zwar nicht nur innerhalb des Neuen oder des Alten Testaments, sondern auch zwischen den Testamenten. So versucht er, all die kleinen Erzählungen in der Bibel zu einer großen Geschichte (engl. story) zusammen zu ziehen und dabei auch scheinbar widersprüchliche Passagen stimmig auszudeuten.

Hinweisen möchte ich gleichwohl darauf, dass Wright sehr frustrieren kann. Er tritt ungemein selbstbewusst auf und liebt Gesten eines Provokateurs. Oft problematisiert er Spannungen in überzogener Weise und preist dann seine eigenen Entwürfe als Lösungen an.

Um ein Beispiel zu nennen: Mit großem Sendungsbewusstsein erklärt Wright, es gehe beim Christsein nicht darum, wie ein Mensch in den Himmel komme. Nun hat es in der Kirchengeschichte immer wieder Leute gegeben, die einseitig den Glauben als Flucht vor dem Hier und Jetzt gepredigt haben. Aber zu sagen, dass es den Christen bisher meist nur darum gegangen sei, wie ein Mensch in den Himmel komme, ist eine zynische Überzeichnung. Wright ist Historiker und sollte wissen, welchen Einfluss Christen beispielsweise auf die Entwicklung der Krankenhäuser oder der Universitäten gehabt haben. Von Weltflucht kann da keine Rede sein. Freilich auch nicht davon, dass die Christen glaubten, den Himmel auf die Erde zu ziehen.

Wright hat einmal seine Sympathien für den Lutheraner Ernst Käsemann zum Ausdruck gebracht. Er sagte: „Wenn ich mich entscheiden müsste, die Werke eines einzigen Paulusexegeten mit auf eine einsame Insel zu nehmen, würde ich Käsemann wählen.“ Ich finde diese Worte nicht nur hinsichtlich der Exegese, sondern auch psychologisch, interessant. Käsemann wurde einmal von einem Rezensenten bescheinigt, ein Mann zu sein, „der gegenüber jedem und allem eine andere Meinung vertritt“. Ähnliches kann man – und jetzt übertreibe ich mal – von N.T. Wright behaupten.

Die theologischen Ausbildungsstätten

John Piper legt in seinem Buch „Brothers, We Are Not Professionales“ 20 Anliegen dar, die er für theologische Ausbildungsstätten betet. Sie dürfen als Grundprinzipien für die biblische Unterweisung gelten. Stefan Beyer hat die Anliegen freundlicherweise übersetzt (Vielen Dank!):

  • Daß das höchste Anliegen eines jeden Lehrers ist, so zu lehren und zu leben, daß die Schüler die Herrlichkeit Gottes mit größtmöglicher Leidenschaft bewundern (1. Korinther 10:31; Matthäus 5:16).
  • Daß dieses Anliegen auf dem Weg erreicht wird, den 1. Petrus 4:11 beschreibt: „Dient … aus der Kraft, die Gott darreicht, damit in allem Gott verherrlicht wird durch Jesus Christus.“
  • Daß die Herausforderungen des christlichen Dienstes auf eine Weise dargelegt werden, daß sich den Schülern die Frage stellt: „Wer ist hierzu tüchtig?“ (2. Korinther 2:16).
  • Daß in jeder Unterrichtseinheit die unersetzliche und kostbare Befähigung durch den Heiligen Geist im Vergleich zu anderen Mitteln des geistlichen Erfolges betont wird (Galater 3:5).
  • Daß die Lehrer die pastorale Einstellung kultivieren, welche in 1. Korinther 15:10 und Römer 15:18 beschrieben wird: „Ich habe mehr gearbeitet als sie alle; jedoch nicht ich, sondern die Gnade Gottes, die mit mir ist. … Ich würde nicht wagen, von irgend etwas zu reden, das nicht Christus durch mich gewirkt hat, um die Heiden zum Gehorsam zu bringen durch Wort und Werk.“
  • Daß die Lehrer die strenge Disziplin der Textanalyse mit einer tiefen Ehrfurcht für die Wahrheit und Schönheit des Wortes Gottes verbinden.
  • Daß alle Gremien und diejenigen mit Leitungsaufgaben über die moralische und lehrmäßige Treue der Lehrer wachen und da Zucht anwenden, wo sie zur Bewahrung der biblischen Treue von allem, was gelehrt und getan wird, notwendig ist.

Mehr hier: inara.tv.

Was fehlt in den spätmodernen Gottesdiensten?

Die Gottesdienste sind heute stark von der Pop-Kultur beeinflusst. Einerseits fällt es vor allem jungen Leuten dadurch leichter, sich „zurechtzufinden“, andererseits fehlt oft auch etwas, was für Gottesdienste wichtig ist. Tim Challis hat einige moderne Gottesdienste besucht und erklärt, was für Elemente dort gefehlt haben.

Ich habe einmal die megamäßigste Megachurch Amerikas besucht. Eine Gemeinde, dessen Pastor sehr bekannt ist, eine Gemeinde, die für ihre Innovation bekannt ist, eine Gemeinde, die als Vorbild für den modernen Evangelikalismus hingestellt wird. Ich bin so unvoreingenommen, wie ich nur konnte, hineingegangen. Und verstört herausgekommen. Mich hat nicht das verstört, was im Gottesdienst gesagt oder getan wurde, sondern das, was nicht gesagt und getan wurde. Seitdem hatte ich die Gelegenheit, auch noch viele andere Gemeinden zu besuchen, und meistens erging es mir dort ähnlich: Es fehlten viele der Elemente, die einmal Kennzeichen des christlichen Gottesdienstes waren. Im Folgenden nenne ich einige der fehlenden Elemente der modernen Gottesdienste.

Gebet: Jene Gemeinde, die ich vor Jahren besuchte, war die erste, in der so gut wie gar nicht gebetet wurde. Das einzige Gebet im ganzen Gottesdienst war ein Gebet, das als Reaktion auf die Predigt gesprochen wurde. „Betet mit gesenktem Kopf und geschlossenen Augen diese Worte mit mir …“. Es gab keine Schuldbekenntnisse, keine Fürbitten, keine Danksagungen. Es gab kein Gebet des Pastors, mit dem er die Anliegen der Gemeinde vor den Herrn brachte. Diese Beobachtung habe ich in modernen Gottesdiensten immer wieder gemacht: Es wird selten und beiläufig statt oft und auffällig gebetet. Durch Abwesenheit glänzen vor allem die Gebete, die länger als 30 Sekunden oder eine Minute dauern.

Mehr: www.evangelium21.net.

Als Single in der Gemeinde

Wir reden in unseren Gemeinden zurecht viel über Kinder, Ehen und Familien. Aber denken wir auch gründlich genug darüber nach, wie es den Singles geht? Chelsea Patterson, selbst Single, öffnet uns in einem Artikel, der bei Evangelium21 erschienen ist, die Augen für die Anliegen und Nöte von Alleinstehenden und das Thema ihrer Gemeindemitgliedschaft.

Viele ledige Frauen in Ihren Gemeinden leben weit weg von ihren Familien. Deshalb können Sie uns etwas Gutes tun, wenn Sie uns beispielsweise zu sich nach Hause einladen und wir Teil Ihres Lebens werden dürfen. Es ist ein echtes Geschenk für uns, wenn wir Sie und Ihre Familien kennen lernen können. Wenn ich andere Gemeindeglieder daheim besuche, kann ich direkt miterleben, wie christliche Ehen geführt werden, wie sich christliche Eltern verhalten und sogar wie Christen miteinander Konflikte lösen.

Bitte fragt uns auch, wie es uns als Singles geht. Es gibt Zeiten, in denen ich mein Alleinsein nur schwer aushalte. Vielleicht bin ich schon lange nicht mehr eingeladen worden, mit jemandem auszugehen. Vielleicht kämpfe ich mit der Versuchung, einen Mann zu begehren, der mit einer anderen Frau in einer Beziehung oder verheiratet ist. Vielleicht bin ich auch wegen meines Alleinseins frustriert gegenüber Gott und muss an Gottes Verheißungen erinnert werden. Jede Frau hat andere Probleme mit ihrem Ledigsein. Lernen Sie deshalb unterschiedliche Single-Frauen kennen und fragen Sie diese, wie es ihnen persönlich damit geht.

Beten Sie mit und für uns. Es war mir eine große Ermutigung, als ich erfuhr, dass unsere Pastoren regelmäßig Sonntagabends für die Single-Frauen in ihrer Gemeinde beten. Es ist ermutigend zu wissen, dass uns jemand ganz bewusst im Gebet vor unseren himmlischen Vater trägt.

Mehr hier: www.evangelium21.net.

Lasst uns froh und Luther sein

Es ist schwerverdaulich, was in diesen Tagen über die Reformation zu hören und zu lesen ist. Es wimmelt nur so von schwachsinnigen Gegenwartsbezügen. Im Radio vernahm ich gerade einen Gottesdienstmitschnitt zum Thema „Luther und die Inklusion“: Wir wollen feiern, dass wir alle Kinder Gottes sind.

Aber es gibt Ausnahmen! Jürgen Kaube hat in der FAZ einen wunderbaren Kommentar mit dem Titel „Lasst uns froh und Luther sein“ veröffentlicht. Die evangelische Kirche macht – so Kaube das Reformationsjubiläum zu einem Festival des Banalen. Martin Luther wird fürs „Liebsein“ in Dienst genommen. Was er wollte und bewirkte, scheint vergessen.

Es steht „Luther“ drauf, aber es ist kein Luther drin. Um das zu sehen, bedarf es nur der Lektüre prominenter Mitteilungen des evangelischen Führungspersonals. Es ist die Litanei der Wertbekräftigung, die hier die Predigten durchzieht. Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut und Geduld sowie Vergebung sind gut, lässt uns etwa Heinrich Bedford-Strohm, der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), wissen. Hass hingegen ist nicht gut. Deswegen müsse „jetzt, wo sich Angst und Unsicherheit auszubreiten droht(!)“, das Singen wieder gelernt werden. Andernorts ist es nicht der Hass, von dem Bedford-Strohm die Sanftmut unterscheidet, sondern „ein Leben mit Ellenbogen und Rücksichtslosigkeit“. Dass Gott zugleich „über allen, durch alle und in allen“ sei, wie es in derselben Predigt heißt, legte zwar die Implikation nahe, dass er auch in Investmentbankern und Waffenhändlern wirkt, aber so weit will Bedford-Strohm offenbar nicht gehen. Was gehen ihn seine Nichtgedanken von vor zwei Sätzen an?

Der amtliche Protestantismus der Reformationsfeiern protestiert vorzugsweise gegen das, wogegen aus verständlichen Gründen so gut wie alle protestieren, die bei Verstand sind. Ein Risiko liegt darin nicht, mit Theologie hat es nichts zu tun. Wer Luther, der aus theologischen Gründen keinem Risiko auswich, für diese Gegenwart beansprucht, hat ihn darum vermutlich länger nicht gelesen.

Unbedingt reinschauen: www.faz.net.

Das Deutschlandradio hat außerdem mit dem Historiker Thomas Kaufmann über den Ausbruch der Reformation gesprochen. Kaufmann, Experte für Reformationsgeschichte in Göttingen, hat ein beachtetes Buch über die Reformation herausgegeben und grenzt sich wohltuend von dem Kitsch, der sonst über Luther und die Reformation zu lesen ist, ab.

Hier das Gespräch mit Professor Kaufmann:

 

Evangelium21 lässt anlässlich des Reformationstages Luther selbst zu Wort kommen. In seiner Römerbriefvorlesung von 1515/16 sagte Martin Luther zu Römer 1,16:

Wer dem Evangelium glaubt, muss schwach und töricht werden vor den Menschen, dass er stark und weise sei in der Kraft und Weisheit Gottes. Denn in 1Kor 1,27.25 heißt es: „Was schwach und töricht ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, dass er, was stark und weise ist, zuschanden mache. Die göttliche Schwachheit ist stärker denn die Menschen sind und die göttliche Torheit ist weiser denn die Menschen sind.“ Wenn du also vernimmst, dass die Kraft Gottes alsbald verworfen wird, so erkenne darin die Kraft des Menschen oder der Welt und des Fleisches. (Also muss alle Kraft, Weisheit und Gerechtigkeit verborgen, begraben werden, sie darf nicht sichtbar werden, ganz und gar nach dem Bild und Gleichnis Christi, der sich selbst entäußerte, so, dass er die Macht, Weisheit und Güte ganz und gar verbarg und lieber Ohnmacht, Torheit und Härte an den Tag legte. In gleicher Weise muss, wer mächtig, weise, anziehend ist, dies so haben, als hätte er’s nicht. Darum ist das Leben der Fürsten dieser Welt und der Rechtsgelehrten sowie derer, die sich durch Macht und Weisheit behaupten müssen, von größten Gefahren bedroht. Denn wenn diese Vorzüge nicht in die Augen fallen und auch nur im geringsten Maße verhüllt sind, dann gelten sie selbst ganz und gar nichts mehr. Sind sie aber vorhanden, siehe, dann steckt „der Tod im Topf“ (vgl. 2Kön 4,40), besonders, wenn man im Herzen daran Gefallen findet, dass sie den Menschen in die Augen fallen und von ihnen geschätzt werden. Denn es ist schwer, das vor seinem eigenen Herzen zu verbergen und geringzuachten, was allen offenbar ist und hochgeschätzt wird.

Mehr: www.evangelium21.net.

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