Die Aktivisten der Woke-Kultur sind besonders „wach“, was die Inhalte und Botschaften von Vorträgen, Büchern oder Filmen anbetrifft. Frühere moralische Bewegungen wandten sich gegen Verletzungen von Bürger- oder Frauenrechten und alles, was den Weltfrieden gefährdet. Sie haben sich mit der Politik und Gesetzen befasst. Die Woken sind basisorientiert. Susanne Keuchel schreibt in Politik & Kultur über ihre Anliegen (S. 15):
Die Kritik der Woke-Aktivisten vollzieht sich dagegen „bottom-up“. Kritisiert wird „unkorrektes“ Verhalten innerhalb des sozialen Umfelds, aber auch bezogen auf Buch- oder Filminhalte. Ihr Anspruch besteht darin, Gesellschaft von innen heraus zu verändern. Das Bereinigen von überlieferter Literatur gehört zu den Aufgaben der Generation „Woke“. Romane und Erzählungen werden daraufhin abgeklopft, ob sie dem Mainstream der Gegenwart entsprechen. Falls nicht, werden sie verbannt, geschönt oder zumindest durch erklärende Anmerkungen ergänzt.
So ist es alles andere als überraschend, dass postmoderne Bibelausgaben darum bemüht sind, Textstellen zu ergänzen, die feministischen oder queeren Lesarten im Weg stehen. Mentari Baumann und Meinrad Furrer arbeiten an so einem Update für die Heilige Schrift. Die Bibel soll der queeren Community zugänglich gemacht werden. Um das Ziel zu erreichen, werden vermeintlich queerfreundliche Bibelstellen hervorgehoben und queerfeindliche Texte um neu geschaffene Textschichten erweitert. Ausgangspunkt ist die Zürcher Bibelübersetzung.
Der SRF berichtet:
„Jetzt schreibe ich Paulus einen Brief und erkläre ihm, was ich an seinen Gedanken spannend finde und was aus heutiger Sicht problematisch ist. Ich erzähle ihm, was sein Text für eine Wirkungsgeschichte hatte und wie wir das heute lesen“, sagt Furrer. Dieser literarische Antwortbrief liegt dann auf einem gesonderten Blatt der entsprechenden Stelle in der Zürcher Bibel bei. Meinrad Furrer will zudem vermeintlich queerfreundliche Stellen hervorheben, etwa in der Josefsgeschichte. Dort heisst es, dass Josef von seinem Vater ein Gewand erhält, das an anderen Stellen als Prinzessinnenkleid bezeichnet wird. Furrer macht daraus eine Geschichte über einen begabten, hypersensiblen jungen Mann und wie er damit in seiner Familie umgeht. Er stellt die Frage, was eine queere Identität damit zu tun haben könnte. Es sind Erweiterungen wie diese, die in der Luzerner Bibel enthalten sind.
Und dann gibt es einige Textstellen in der Bibel, die gar keine Sexualität enthalten, die man aber queer denken könnte. So gibt es Passagen, die aussagen: So wie ich gemacht bin, bin ich gut. „Es gibt viele solcher inspirierenden Stellen, und wir heben diese hervor“, betont Meinrad Furrer.
Die Frage, ob es sinnvoll ist, die Heilige Schrift an den Zeitgeist anzupassen, wird von den Aktivisten wie folgt beantwortet: „Die biblischen Bücher sind in einem sehr langen Prozess von Neudeutungen entstanden. Das kann die Forschung belegen“, erklärt Furrer: „Es ist vollkommen natürlich, die Bibel weiterzuschreiben und neues Wissen in die alten Texte miteinfliessen zu lassen.“
Das ist natürlich Quatsch. Ich vermute alleredings, im nächsten Schritt wird ergänzend zur geschlechtergerechten Bibel direkt in die Texte eingegriffen und eine „Queere Bibel“ herausgegeben. Wohl dem, der dann noch nach der zutreffenden Übersetzung fragt und vergleichen oder übersetzen kann. Dass die queeren Deutungen mit einer gründlichen Exegese der Bibel nichts zu tun haben, zeige ich übrigens in dem Artikel „Hermeneutisches Cruising“.
Mehr: www.srf.ch.
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