Viele Leute schätzen die sogenannten Losungen. Es handelt sich dabei um eine Art Andachtsbuch, das für jeden Tag des Jahres zwei Bibelverse enthält, nämlich die Losung aus dem Alten Testament und einen Lehrtext aus dem Neuen Testament. Die alttestamentliche Losung wird ausgelost, die neutestamentliche wird dazu passend ausgewählt. Seit 1731 werden die Losungen von der Herrnhuter Brüdergemeine Jahr für Jahr herausgegeben, um das Wort Gottes in den Alltag zu integrieren.
Inzwischen gibt es auch die Losungen für junge Leute. Wenn man so will, ist das eine kontextualisierte Ausgabe. Die Losungen sollen jungen Leuten schmackhaft gemacht werden, indem zusätzlich auf andere Übersetzungen zurückgegriffen wird und es eine Kalenderfunktion sowie Platz für eigene Gebete und Notizen gibt.
Die alttestamentliche Losung für den heutigen Tag stammt aus Jesaja 9,5: „Er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst.“ Ergänzend wird den jugendlichen Lesern dann Folgendes vermittelt:
Was auf Gottes Visitenkarte stehen könnte …
- Allerhöchster
- Meisterin des Universums
- Der war und ist und sein wird
- Schöpferkraft aller Dinge
- Liebesspenderin
Als Gebet wird empfohlen: „Du hast viele Namen und Titel und bist dennoch durch nichts zu beschreiben. Aber vielleicht ist es so, dass du nicht in Worte passt, weil du Liebe sprichst.“
Hier haben wir ein Beispiel dafür, wie in frommer – in diesem Fall pietistischer – „Jugendliteratur“ eingängig eine falsche Theologie vermittelt wird. Viele Teenies, die mit diesen Losungen für junge Leute arbeiten, werden das einfach so übernehmen und konstruieren dann eine Vorstellung von Gott, die mit der göttlichen Selbstoffenbarung wenig zu tun hat bzw. diese sogar entstellt und damit den „Bilderdienst“ fördert (vgl. 2Mose 20,4–7). Der Bibeltext spricht von „Ewig-Vater“. Vermittelt wird hingegen: Es könnte dort genauso gut „Liebesspenderin“ oder „Meisterin des ganzen Universums“ stehen.
Ich kann Eltern nur empfehlen, mit den eigenen Kindern über die Literatur, die sie lesen, zu reden. Und wer meint, Gott offenbare sich in der Heilige Schrift tatsächlich auch als Frau oder Mutter, findet möglicherweise in dem Beitrag „GottesMutterherz?“ einige exegetische Beobachtungen.
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Generell stellt sich für mich auch die Frage, was von der ursprünglichen Intention von Nikolaus von Zinzendorf heute überhaupt noch übrig geblieben ist. Heute tragen die Losungen wohl eher dazu bei, die Bibel verkürzt und als nette Spruchsammlung wahrzunehmen, zum Beispiel für ein paar schnelle fromme Gedanken vor dem Essen. Sozusagen die Alternative zu Psalm 119, 148 und ähnlichen Bibelstellen: „Nachts liege ich mit offenen Augen wach und sinne nach über das, was du sagst. (NGÜ) Außerdem öffnen sie Tür und Tor für Manipulation und unterstützen eine nur noch verkürzte Wiedergabe des biblischen Zeugnisses. Ich brauche ehrlich gesagt keinen, der für mich eine Bibelvers-Tombola veranstaltet, die einen wichtigen Teil der Bibel nicht abbildet und kein bemutterndes Redaktionsteam, das für mich subjektiv Lehrtexte dazu aussucht und Bibeltexte auch mal gerne verkürzt wiedergibt (wer meint auf die Losungen nicht verzichten zu können, sollte immer in einer guten Bibelübersetzung die Texte im Zusammenhang nachlesen). Offensichtlich wird die Relevanz der „normalen“ Losungen aber auch… Weiterlesen »
Ich habe noch nie verstanden, wie ein allmächtiger Gott, der Vater ist und das Vatersein verkörpert in seiner Allmacht nicht auch gleichzeitig als Mutter trösten können soll (nach Jesaja) ? Warum zieht man das bei all den Wundern der Bibel in Zweifel?
@Matze: Genau lesen! „Wie eine Mutter ihren Sohn tröstet, / so tröste ich euch.“ Fällt Dir was auf?
Liebe Grüße, Ron
Ich verstehe die Diskussion nicht. Es heißt schließlich: …denn ich bin Gott und nicht ein Mensch…(Hosea 11:9)
Wenn JHWH nicht mal ausgesprochen wurde/wird, dann ist es doch müßig, Gott „männlich“ oder „weiblich“ zu denken.
Die Gender-Ideologen halten das Stöckchen und die selbsternannten Konservativen (meist die weißen alten Männer unter ihnen🙂) springen brav drüber.
@Alex
Entschuldige, aber sobald ich „alte, weiße Männer“ lese weiß ich, dass darauf Ideologie folgt und nichts, was des Nachdenkens wert wäre.
Ich tausche mich gerne aus, aber mit Ideologen ist das unmöglich. Da kommen einfach keine Argumente. Sobald es für sie unangenehm wird, kommen Schlagworte. Das Traurige ist, dass sowas wie „alter, weißer Mann“ von Ideologen sogar noch als ernst zu nehmender Beitrag verstanden wird.
Liebe Grüße
Schlotti
@Alex: Selbst wenn man Hosea 11,9 aus dem Textzusammenhang herausreißt, hilft der Vers bei dieser Diskussion nicht als Argument. Hosea 11 redet von Gottes Zorn, der sich im Gegensatz zum menschlichen Zorn nicht hochschaukelt. Das betreffende hebräische Wort kann „Mann“ oder „Mensch“ bedeuten.
Natürlich kann sich jeder sein eigenes Gottesbild konstruieren, gerne auch multi-kulturell und esoterisch angehaucht, wie im zitierten Text aus den Losungen für junge Leute. Solche Gottesbilder haben aber nichts mehr gemeinsam mit dem einen G‘tt, der sich gemäß des Zeugnisses im AT und NT als Vater, Sohn und Heiliger Geist offenbart hat.
@Schlotti: Schade, dass „der alte weiße Mann“ nicht als Ironie aufgefasst wurde.
Ich haltet es ja auch für eine Ideologie, allerdings würde ich für mehr Gelassenheit plädieren. Gleichzeitig werde ich selber weiter von DEM Gott reden.
@ Udo: Den tatsächlichen Zusammenhang der biblischen Aussagen kriegen wir selten rekonstruiert. Es geht doch ganz allgemein darum, dass Gott sich durch menschliche Kategorien nur schwer beschreiben lässt – egal, ob männlich oder weiblich oder wie auch immer. Selbst die Aussage „Gott ist Geist“ hilft nicht wirklich weiter.
Hier das Fass „Trinität“ aufzumachen, würde auch nicht weiter bringen. Vater und Sohn sind schließlich auch nur sehr bedingt treffende Beschreibungen für Gott.
Auch hier mein Plädoyer für mehr Entspanntheit.
@Alex: Schade, dass Du das nicht verstehst. Warum sagte Jesus in Matthäus 6,9: „So sollt ihr beten: Unser Vater im Himmel, dein Name soll geheiligt werden.“? Was denkst Du?
@Ron
Ja, schade, dass ich es nicht „verstehe“. Und wohl dem, der es versteht.
Trotzdem bete ich das „Vater unser“ sehr gerne, auch wenn das Vater-Sohn-Verhältnis mein Verhältnis zu Gott nicht wirklich beschreibt. Aber wir haben eben nur die Kategorien: König, Herr, Vater usw. (Sollen andere meinetwegen „Mutter“ sagen – um Gottes Willen🙂) Andere Kategorien hatte Jesus auch nicht. Deswegen sprach er von seinem Vater und von sich selber als Sohn.
@Alex: Natürlich lassen sich für den Sinn erschließenden Leser Zusammenhänge biblischer Aussagen sehr wohl herstellen. Dazu muss man noch nicht einmal ein Christ sein.
Das Erstaunliche an der Bibel ist, dass sie Gottes Wort im Menschenwort ist. So macht sich uns der eine unbegreifliche G‘tt in menschlicher Beschreibung fassbar, als Vater (siehe z.B. das Gleichnis vom verlorenen Sohn), als Sohn (siehe vor allem die Evangelien) und als Heiliger Geist (siehe Joh 16).
Dein Plädoyer für mehr Entspanntheit ist gleichzeitig ein Plädoyer für Beliebigkeit und für eine selbst konstruierte Religion abseits der biblischen Offenbarung.
@ Udo:
Wenn es für dich so einfach ist, die irdischen Begriffe – und leider haben wir nur diese – für Vater, Sohn und Geist auf Gott zu übertragen, quasi eins zu eins, dann ist das bewunderungswert und zeugt wohl von besonderer Erkenntnis. Ich selber tu mich schwer damit. Weil es eben Begriffe sind, für sich genommen ebenfalls nur Konstruktionen. Daher kann ich persönlich am besten glauben, wenn ich mich von diesen Begriffen nicht zu sehr „gefangen nehmen“ lasse. Trotzdem hat auch für mich die Bibel Autorität – nur dass sie mir immer auch fremd bleibt, mich irritiert und mich gerade aufgrund der Unzugänglichkeit unserer Sprache oftmals ratlos zurücklässt.
@Alex: Du wirst aber hoffentlich damit leben können, dass nicht jeder Deine sprachphilosophischen Prämissen für überzeugend hält bzw. teilt.
Liebe Grüße, Ron
@Alex: Ich vertraue darauf, dass die Rede von Vater, Sohn und Heiliger Geist in der Bibel eben keine menschliche Konstruktion ist, sondern die einzige Art und Weise, wie sich G‘tt dem Glaubenden offenbart hat. Andererseits bleibt G‘tt unerforschlich, unfassbar, intellektuell nicht begreifbar. Schon deshalb ist man gut beraten sich bei der Frage „Wie ist Gott?“ auf die Bibel zu verlassen und in ihr zu forschen, auch wenn man vielleicht mit manchen Texten „kämpfen“ muss.
@Ron:
Mission und Leute von irgendwas überzeugen, war mir schon immer suspekt. Bleibt daher bitte so wie ihr seid! 🙂
Wenn alle dieselbe Sprache sprechen, ist es tatsächlich auch entspannter. Echo-Räume können sehr heilsam sein.
@ Udo:
ich kann dem nur zustimmen. So weit liegen wir vermutlich gar nicht auseinander. Mit den Texten kämpfen, trifft es!
@Alex: Hättest Du Recht, wären also Begriffen und Anschauungen nur soziale Konstruktionen, bliebe den Menschen gar nichts anderes übrig, als in einer Blase zu leben.
Liebe Grüße, Ron
@ Ron:
Begriffe können aus meiner Sicht nur konstruiert sein. Anders kann ich mir das Entstehen von Bedeutungen nicht denken. Das wirkt sich zwangsläufig auf unseren Glauben aus.
So ist für mich bspw. der Begriff „König“ zu sehr vorbelastet, als das ich ihn ohne Weiteres im Glaubensleben einsetzen könnte.
Aber zum Glück ist Glaube mehr als das, was wir mit Begriffen fassen können.
@ Ron, ich glaube ich habe mich unklar ausgedrückt, denn soweit wie ich das sehe meinen wir das gleiche, Mein Gedanke ist: Gott ist Mann und kann, da er allmächtig ist trotz seines Mannseins WIE Eine Mutter trösten.
Es gibt viele Dinge, die zwar wahr, aber unwichtig sind.