Die Sache mit dem „Salz“

Falls mein Gedächtnis mich nicht vollends im Stich lässt, habe ich in den vergangenen Jahren keine Predigt über Gottes Heiligkeit, das Jüngste Gericht oder die Bundestreue des HERRN gehört. Ein Thema begleitet mich indessen anhänglich: „Ihr seid das Salz der Erde.“

Sollte Don Garlington mit seiner Untersuchung „‚The Salt of The Eaerth‘ in Covenantal Perspective“ richtig liegen (JETS Vol. 54.4, No. 5, December 2011, S. 715–48), wurde der tiefere Textsinn bei allen Predigten, die ich dazu gehört (oder auch selbst gehalten) habe, nicht erfasst.

Nein, es geht nicht darum, ob Salz mehr Konservierungsstoff als Gewürz war. Meist wird Matthäus 5,13 im Sinne von: „Seid rechtschaffene Bürger und würzt als Christen die Gesellschaft, in die Gott euch hineingestellt hat“, ausgelegt. Garlington hat die Redeweise im Kontext von AT und NT geprüft und meint, dass sie ausgerechnet nur im Rahmen einer soliden Bundestheologie angemessen verstehbar ist. Im Alten Testament hat das Salz demnach folgende gleichnishaften Bedeutungen:

  1. Symbol für Beständigkeit und Bundestreue;
  2. Symbol für die Bundesgemeinschaft;
  3. Symbol der Reinheit;
  4. Symbol für den Fluch.

Sein Fazit lautet (S. 748):

This study has argued that the “the salt of the earth,” as predicated of Jesus’ disciples, should be understood within a covenantal framework. Like any word of theological significance, salt is a covenant term, meaning that its covenantal association is not merely a nuance; it is the determining component of interpretation. In advancing the argument, the underlying assumptions were threefold: the unity of Scripture, the validity of biblical theology, and the factor of intertextuality. After an exegesis of the relevant OT texts, conclusions were drawn respecting their bearing on Matt 5:13 and parallels. These boiled down to four. (1) As “salt,” the disciples exhibit covenant fidelity and so preserve the continuance of the covenant. This category includes the probability that Jesus’ followers are conceived of as sacrifices in their own persons. (2) By virtue of their identification as salt, the disciples share in covenant fellowship, including that of the table, and thus form a society in communion with the covenant Lord. (3) The disciples impart purity to the creation, thereby causing it to be better than before—a new creation. (4) There is the punitive function of salt. If the world rejects the message of the disciples, their witness to the blessings of salvation turns into a condemnation of it. Apart from these four basic applications of salt to the passages in question, in Matt 5:13 and Col 4:6 salt takes on hues of wisdom, due to contextual considerations.

Ein insgesamt sehr interessanter Aufsatz, der in guten Bibliotheken online oder im Regal gefunden werden kann. Abonnieren kann man The Journal of the Evangelical Theological Society hier: www.etsjets.org.

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15 Kommentare
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Schandor
12 Jahre zuvor

Theologisch wunderschön dargestellt, nur:

Mussten wir 2000 Jahre warten, bis ein Theologe uns jetzt aufklärt? Der Symbolcharakter mag durchaus Geltung haben, doch welche ethischen Implikationen folgen daraus?

Ich dachte, das Zeichen des Neuen Bundes sei das Blut, nicht das Salz. Salz konserviert – so haben auch wir das Gesetz Gottes durch ein entsprechendes Leben zu konservieren.

Schandor
12 Jahre zuvor

Ja, sicher kann es Progress geben. Hm, ich muss mich mehr damit beschäftigen. Aber es ist eine Stelle, die mich immer beschäftigt. Mal sehen, was Barnes, JFB usw. sagen …
🙂

LGS!

Daniel
12 Jahre zuvor

Kontextfrage: Wenn Salz und Licht als sich gegenseitig verstärkende Bilder mit der gleichen Bedeutungsabsicht verwendet werden, dann spricht doch Mt 5,16 nicht von Bund, Gericht, Reinheit & Co. sondern von einem „verlockend geschmackvollen“ Lebensstil, der den Blick von Menschen auf Gott richtet, oder?

Oder wie es ein Prediger für mich passend ausgedrückt hat: Unser Leben und unsere Taten sollen bei Menschen Fragen aufwerfen, auf die Jesus die Antwort ist.

Daniel
12 Jahre zuvor

: Das sind aus meiner Sicht beides gültige Deutungsmöglichkeiten, die für mich in der gelebten Konsequenz allerdings das gleiche bedeuten:
Wie “decke ich anstößig Sünde auf” und “bejahe die knallharten Forderungen der Bergpredigt”? Doch nicht, indem ich Gottes Wort nur zitiere und daran vorbeilebe. Für mich zeigt Jesu Vorbild diese Vereinbarkeit, eine knallharte Forderung einladend und fröhlich zu leben…

Liebe Grüße
Daniel

Roderich
12 Jahre zuvor

Falls mein Gedächtnis mich nicht vollends im Stich lässt, habe ich in den vergangenen Jahren keine Predigt über Gottes Heiligkeit, das Jüngste Gericht oder die Bundestreue des HERRN gehört. Ein Thema begleitet mich indessen anhänglich: „Ihr seid das Salz der Erde.“ Lieber Ron, Wenn ich an Francis Schaeffers Buch „Wie können wir denn leben“ denke, geht ja daraus hervor, dass Christen z.B. nach der Reformation durchaus die „Gesellschaft transformiert“ haben (um es auf Neudeutsch zu sagen). Und damals waren die Predigten ja nicht anthropozentrisch, im Gegensatz zu heute. Es ist also durchaus möglich, theozentrisch zu predigen, und damit „trotzdem“ (ich würde eher sagen: gerade deswegen) die Wirkung von „Salz und Licht“ in dieser Welt zu haben. Vielleicht sollte man mal untersuchen, welche Art von Predigten damals genau dazu geführt haben, dass Leute in der Stadt, dem Land wo sie wohnten, christliche Weltanschauung eingebracht haben. Zumindest ist da mal der Gedanke der Souveranität Gottes über alle Lebensbereiche. Und Luthers „Priestertum aller… Weiterlesen »

Roderich
12 Jahre zuvor

@Ron, ja, das weiss ich natürlich, dass Du Dich gegen Dualismus einsetzt, und dem meisten von Dir Gesagten stimme ich natürlich zu. Klar, zunächst geht es um die richtige Auslegung – es bleibt abzuwarten, ob sich die von Dir erwähnte Auslegung von Don Garlington durchsetzen kann bzw. als richtig erweisen wird. (In der Hoffnung, dass die besseren Argumente bei einer Exegese sich durchsetzen werden, und nicht populäre Meinung). Wenn das so stimmt, kann man das Wort vom „Salz“ nicht mehr genauso unbedacht verwenden wie bisher. Dass wir über Ablehnung nicht überrascht sein sollten und uns dann nicht immer gleich fragen sollten, wie wir die Inhalte unserer Verkündigung anpassen sollten, ist ganz klar. Ja, Luther war wohl recht pessimistisch, aber – wenn ich nochmal Francis Schaeffer bemuehen darf – wohl im Nachhinein zu UNRECHT. Denn aus heutiger Sicht HAT sich ja die Gesellschaft sehr stark verändert durch die Reformation – was er vermutlich noch nicht ahnen konnte. (Der Papst in Rom… Weiterlesen »

Roderich
12 Jahre zuvor

Hier wird gerade ein neue erschienenes Buch empfohlen: „Victorious Christians“ von Peter Hammond. Wenn ich das gerade mal hier posten darf. http://www.christianlibertybooks.co.za/getmodule.php?id=listitems.php&dowhat=details&code=9780980263985 Ob der Buchtitel oder Inhalt jetzt „zu“ optimistisch ist oder nicht, sei mal dahingestellt, aber DASS Gott manchen Christen in der Geschichte schon „Sieg“ gegeben hat, persoenlich, aber auch in nationalen Angelegenheiten, ist auch wahr, und durch dieses Buch wird man offenbar daran erinnert. Dr. Joel R. Beeke of Puritan Reformed Theological Seminary wrote about this book: “Christians today have short memories. They sometimes feel rootless, for they have forgotten their heritage. But it was not always so. When the Reformers and Puritans wrote, they quoted godly leaders from a thousand years before them as still relevant for their day. Today we have an even richer treasury of Christian biography. We are surrounded by a great cloud of witnesses indeed—at least six thousand years of Covenant-keepers. And the Bible says, “Remember them.” Get to know the men of… Weiterlesen »

Daniel
12 Jahre zuvor

:
Ganz unabhängig von der Matthäus-Stelle (aber in der Konsequenz dann auch dort): Weil Jesus genau das tat, bevor er -im Auftrag seines Vaters- gute Werke tat: Wenn man seine Fragen vor einer Heilung nicht als rhetorische Floskel sieht („Was willst Du, dass…“), wollte er auf die Hoffnungen, Ängste und Bedürfnisse der Menschen eingehen. Er nahm sie bewusst wahr und ernst.
Für uns halte ich das für umso wichtiger: Wir haben nicht den Blick Jesu, der die Gedanken der Menschen kannte (und dennoch von ihnen ausgesprochen hören wollte). Um jemandem in Liebe persönlich begegnen und dienen zu können, sollte ich ihn verstehen wollen und zu Wort kommen lassen.

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