Evangelikale

Frankreich: Der Klang des Glaubens

Lange Zeit schien Religion in Frankreich eine verblassende Erinnerung zu sein: leere Kirchen, sonntägliche Gleichgültigkeit, ein Katholizismus, der nur noch zu Weihnachten und bei Beerdigungen aufleuchtet. Doch während traditionelle Konfessionen müde wirken, leuchten in vielen Städten neue Lichter auf: Evangelikale Gemeinden, die oft unscheinbar in Industriegebieten liegen, sind an den Wochenenden randvoll – jedenfalls laut einem Pressebericht.

Zitat:  

Nach Zahlen des Conseil National des Évangéliques de France (CNEF) gehören rund eine Million Menschen dieser Bewegung an – und jeden zehnten Tag entsteht irgendwo im Land eine neue Kirche. Das ist kein Einzelfall, das ist ein Trend. Besonders auffällig: Bei den unter 35-Jährigen bezeichnen sich mehr als die Hälfte der Protestanten als evangelikal. Es sind junge Menschen, digital vernetzt, emotional offen, auf der Suche nach Sinn.

Ein 25-jähriger Pariser, ehemals Atheist, erzählt: „Ich war müde von Zynismus und Distanz. In der Gemeinde habe ich das Gefühl, gesehen zu werden.“

Man spürt, dass diese Kirchen etwas anbieten, was der säkulare Alltag selten hergibt: Gemeinschaft, Wärme, einen Ort, an dem man dazugehört.

Wer einen evangelikalen Gottesdienst besucht, versteht schnell, worin der Unterschied liegt. Kein Weihrauch, keine Orgel – stattdessen Gitarren, rhythmische Gesänge, Hände in der Luft. Eine Atmosphäre, die weniger an Liturgie erinnert als an ein Konzert oder ein kollektives Aufatmen. Hier ist Religion kein Ritual, sondern Erlebnis. „Man spürt die Freude – das ist ansteckend“, sagt eine junge Frau, die vor zwei Jahren aus der katholischen Kirche wechselte. Die Musik spielt eine zentrale Rolle, ebenso das persönliche Zeugnis. Jeder darf erzählen, wie der Glaube sein Leben verändert hat. Das schafft Nähe, Emotion, Authentizität. Kein Wunder, dass sich diese Form von Spiritualität auch unter Menschen verbreitet, die mit Religion bislang wenig anfangen konnten.

Aber ist das wirklich nur Begeisterung – oder steckt dahinter eine neue Form gesellschaftlicher Suche? Frankreichs Gesellschaft kämpft mit Individualismus, sozialer Spaltung, Identitätsdebatten. Die evangelikalen Kirchen wirken wie Gegenentwürfe dazu. Hier umarmt man sich, hier betet man füreinander, hier entstehen Netzwerke, die soziale Isolation auffangen. In vielen Gemeinden engagieren sich Freiwillige in Nachbarschaftshilfen, Migrantenprojekten, Musikschulen. Besonders in den Banlieues, wo der Staat oft fehlt, ist das Engagement evangelikaler Gruppen sichtbar – und manchmal lebensverändernd.

Ein Pastor aus Lyon beschreibt es so: „Wir reden nicht über Integration – wir leben sie.“

Gleichzeitig ist der Erfolg dieser Gemeinden auch ein kulturelles Signal: Ein Teil der Bevölkerung sucht wieder nach einer Sprache für Spiritualität. Nicht als Rückschritt, sondern als Ergänzung zu einem Lebensstil, der sonst wenig Raum für Transzendenz lässt.

Mehr: nachrichten.fr.

Wenn empirische Forschung Theologie ersetzt

Henrik Mohn und Michael Pieper berichten in der aktuellen IDEA-Ausgabe von der Fachtagung „Sexualität und Glaube“, auf der die hier schon erwähnte Sexualitätsstudie vorgestellt wurde. 

Ein Auszug:

In der Praxis zeigt sich, wie tief dieser Wandel reicht. Auf der begleitenden Fachtagung „Sexualität und Glaube“ an der CVJM-Hochschule fehlte jeglicher geistliche Rahmen – kein Gebet, keine Andacht, kein Segen. Stattdessen wurde darüber diskutiert, dass die Klitoris ein Gottesbeweis sei, da ihre einzige Funktion die Lust sei – theologisch entgrenzt, biblisch entleert. Das Vaterbild Gottes wurde problematisiert, die biblische Binarität von Mann und Frau relativiert.

Und in einem Workshop erklärte ein SCM-Verlagsvertreter offen, man müsse die Gemeinden dazu bringen, in der „Frage der Homosexualität“ liberaler zu werden. Das ist mehr als nur ein wissenschaftliches Forschungsprojekt. Es ist ein theologisches Programm, das auf eine Uminterpretation zentraler biblischer Wahrheiten abzielt – mitten im evangelikalen Raum. Ehemals bibeltreue Institutionen verlieren ihre Ausrichtung, indem sie die Bibel nicht mehr als objektive Offenbarung verstehen, sondern als subjektiv erfahrbare Stimme unter vielen.

Mehr (hinter einer Bezahlschranke): www.idea.de.

Christfluencer als Gefahr

Christfluencer verbinden Glauben mit Social-Media-Inszenierung und nehmen die Bibel zumindest sehr ernst. Das kann muss gefährlich sein, meint der DLF – und missioniert für ein inlusives Gottes- und Religionsverständnis: 

Ihre Inhalte sind vor allem für junge Menschen zwischen 20 und 30 Jahren und insbesondere Frauen attraktiv, die nicht nur in Glaubensfragen nach Orientierung suchen. Christfluencer kombinieren konservative Inhalte mit moderner Ästhetik. Sie sprechen über Reinheit, Keuschheit, klare Geschlechterrollen und damit über Themen, die Sicherheit und Identität versprechen. Gleichzeitig grenzen sie Andersdenkende aus und bedienen sich einer Endzeit-Rhetorik.

Vor allem junge Menschen auf der Suche nach Sinn und Zugehörigkeitsgefühl können durch die emotionale Aufladung und klare Weltbilder stark beeinflusst werden. Die Mischung aus Glauben, Konsum, Aktivismus und Ideologie birgt laut Experten erhebliche gesellschaftliche Sprengkraft.

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) zeigt sich besorgt über die zunehmende Radikalisierung und die engen Verbindungen von Christfluencern zum rechten Spektrum. Dennoch vermeidet sie eine offene Konfrontation: Man wolle den Dialog mit evangelikalen Gruppen nicht abbrechen. Laut Gert Pickel wolle die EKD „ein weites Spektrum halten“ und bleibe darum oft auffallend leise.

Zwar fördert sie eigene liberale Influencer wie Pastorin Theresa Brückner („Gott diskriminiert nicht“), die sich für ein offeneres, inklusives Gottesbild einsetzt. Doch der Zweifel bleibt, ob diese Strategie dem Zulauf und dem Einfluss der rechts-konservativen Szene gewachsen ist.

Man muss von der Christfluencer-Szene nicht begeistert sein, um sich bei diesen billigen Formen von Diffamierung hinter sie zu stellen.

Mehr: www.deutschlandfunk.de.

Jesus25 – Wie geht es weiter mit den Evangelikalen im deutschsprachigen Europa

Matt Studer hat selbst an der Jesus25-Konferenz teilgenommen und in einem ausführlichen Blogbeitrag seine Eindrück und Hoffnungen formuliert. Darin heißt es: 

Ankern hiess also, sich auf die Grundlagen des evangelikalen Glaubens zu besinnen und diese für unsere Zeit neu zu formulieren. Von welchen Grundlagen spreche ich hier? Ich meine die Basics, wie sie z. B. im Nicäno-Konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnis formuliert wurden: Wer ist Gott, wer der Mensch? Was ist das Evangelium? Konkret wurden an der Konferenz drei Themen betont: Der Sühnetod Jesu im Zusammenhang mit unserem Heil (wie werden wir erlöst?), das evangelikale Bibelverständnis und eine positive, heilsame Sicht auf die biblische Sexualethik. Gerade diese drei Punkte werden von der progressiv-postevangelikalen Strömung hinterfragt und rekonstruiert, so dass es Not tut, sich zu besinnen, was wir eigentlich glauben und wie wir es wieder relevant kommunizieren könnten. Natürlich könnte man sagen, dass man ausgerechnet die drei Steckenpferde der Evangelikalen herausgesucht hat. Gäbe es nicht auch noch andere Themen, bitte schön? Die Antwort lautet: Ja, man hätte auch über die Trinität sprechen können (vielleicht auch sollen?), um nur ein weiteres Kernthema zu nennen. Ich meine dennoch, dass die drei gewählten Impulse wichtig waren, weil dies die Themen sind, die von progressiver Seite her zur Debatte stehen.

Dazu ein paar kritische Anmerkungen meinerseits: Der evangelikale Glaube hat, was seine Kernüberzeugungen betrifft den Anspruch, echter biblischer Glaube zu sein. Wir glauben, dass unsere Kernüberzeugungen nicht einfach Ausdruck irgendeiner Zeit oder Strömung, geprägt von einzelnen Persönlichkeiten sind. Vielmehr behaupten wir, dass diese Überzeugungen biblisch sind und sich mit der Lehre Jesu und der Apostel decken. Wir behaupten also frech und freudig, dass wir den richtigen christlichen Glauben haben – zumindest was den Kern betrifft. Das ist für uns innerhalb der evangelikalen Bubble selbstverständlich. Für Leute ausserhalb dagegen kann es ein Affront sein. Deswegen schlage ich vor, dass wir uns (gerade wenn es um eine Standortbestimmung geht), stärker historisch verorten. Woher kommen wir (Reformation, Erweckungsbewegung, Pietismus, Puritanismus?)? Denn sonst stehen wir in der Gefahr unseren historischen Bezugsrahmen aus den Augen verlieren. Es klingt dann zumindest nach aussen hin so, als ob unsere Kernüberzeugungen einfach unsere eigenen Präferenzen widerspiegeln. Dabei könnten wir ja gerade zeigen, dass unser Glaube auf eine lange, sich durch die Jahrhunderte hindurchziehende Geschichte beruft. Ich bin mir sicher, dass der mit der Konferenz publizierte Band zur evangelikalen Bewegung in Deutschland, Österreich und der Schweiz dies nachholt. Aber irgendwo in den Keynotes hätte ich diesen historischen Bezugsrahmen sinnvoll gefunden. Und wenn wir schon dabei sind, schlage ich vor, dass wir wieder vermehrt beginnen, die frühen Jahrhunderte der Kirche (gerade was mein evangelikales Bibelverständnis betrifft, habe ich in der Schule der patristischen Väter und bei Augustinus und Thomas von Aquin dazugelernt) zu studieren und in unsere Präsentation einzuflechten. Die evangelikale Bewegung, wenn sie die authentische christliche Lehre für sich beanspruchen will, muss zeigen, dass ihre Lehre kein Novum ist, sondern sich in der Kirchengeschichte immer wieder manifestiert hat (sogar vor der Reformation!). Dieser historische Fokus macht uns auch glaubwürdiger, wird uns doch manchmal nicht zu unrecht vorgeworfen, wir seien Geschichtsvergessen. Initiativen aus dem englischen Raum wie Credomag oder Roland Werners neues Buch Faszination frühe Christen (auf Deutsch!) würden hier wertvolle Impulse geben. PS: Dazu gehört der Dialog mit der römisch-katholischen und anderen Kirchen. Leute wie Gavin Ortlund von Truth Unites leisten viel hinsichtlich dieses Dialogs zwischen Evangelikalen und Geschwistern aus anderen Traditionen, allerdings im angelsächsischen Sprachraum. Wir brauchen solche Initiativen auch im deutschsprachigen Raum, meine ich.

Gefreut hat mich, dass die globale evangelikale Bewegung und die verfolgte Kirche eine Erwähnung fanden. Es ist so wichtig, dass wir hier und da über den eigenen Tellerrand hinausschauen, gerade weil die westliche Christenheit global gesehen längst nicht mehr am Drücker ist (zumindest zahlenmässig). Ich bin hier auch erst am Anfang, aber ich schlage vor, dass wir vermehrt von unseren Geschwistern aus Afrika, Lateinamerika und Asien dazulernen.

Mehr hier: www.mindmatt.com.

Christliche Organisationen im Spannungsfeld

Letzte Woche habe ich ein paar Tage in der Schweiz verbracht. Ein Kollege drückte mir das Programmheft des ERF Schweiz in die Hand. In dem Artikel „Gott … ist eine überquellende Möglichmacherin“, ist nachzulesen:

In diesem Moment hat sich mein Bild von Gott erweitert. Sie ist wie eine Quelle, die nie versiegt. Eine Quelle, aus der wir immer wieder schöpfen dürfen, egal ob wir resignieren, aktionistisch handeln oder gelassen vertrauen. Ihr Wasser fliesst unaufhörlich, erfrischt und ermöglicht Leben.

Aus Gott dem Vater ist mal eben eine Mutter geworden: „Ich mache mir meinen Gott, so wie ich es will“ (vgl. dazu „Das Mutterherz Gottes“).

Dass es um die evangelikale Szene in der Schweiz ähnlich schlecht bestellt ist wie in Deutschland und große Werke „mitspielen“, beschreibt der Artikel „Christliche Organisationen im Spannungsfeld von progressiv und evangelikal“ von Peter Bruderer. Er schreibt:

Im Austausch mit Teilnehmenden der Tageskonferenz Bunt Glauben habe ich wahrgenommen, dass die Sexualethik ein wichtiger inhaltlicher Faktor war. Doch es ging auch in einem viel weiteren Sinn darum, was die Beteiligten unter Glaubensweite verstehen. Es ging auch um negative Erfahrungen, welche Menschen in unseren freikirchlichen Gemeinden gemacht haben oder um Glaubenslehren, wie der Lehre des doppelten Ausgangs in der Ewigkeit, welche auf die Menschen einen Druck ausüben würden, ‘richtig’ glauben zu müssen.

Ich gehe mit den Exponenten von Bunt Glauben einig, dass Menschen in unseren freikirchlichen Gemeinden manchmal negative Erfahrungen machen. Unsere Gemeinden sollten Orte sein, in denen Menschen ihre Fragen stellen können, ohne komisch angeschaut zu werden. Hört man sich einzelne Geschichten an, ist es manchmal nachvollziehbar, warum manche ihren Gemeinden oder gar dem Glauben den Rücken kehren, was mir ausgesprochen leidtut.

Was die Lehre des doppelten Ausgangs betrifft, so besagt diese, dass der Mensch beim Endgericht Gottes entweder an einen Ort ewiger Strafe oder in das ewige Leben gelangt (vgl. z.B. Mt 25:46). Diese Lehre kann natürlich missbräuchlich dazu verwendet werden, die “Herde” unter Kontrolle zu halten und Menschen mit Hilfe von Angst zu führen. Aber es gibt auch Arten die Lehre zu besprechen, die nicht dazu führt, dass die Gläubigen sich einen Gedanken-Stopp auferlegen, sondern frei bleiben für offene inhaltliche Diskurse. Bei Vertretern der Bunt Glauben Konferenz konnte die gewünschte ‘Weite’ und ‘Offenheit’ aber scheinbar nur gedacht werden, indem man die durchaus biblisch und kirchenhistorisch verankerte Lehre des doppelten Ausgangs von vornherein defacto ausschliesst und auf der Basis einer Allversöhnung argumentiert.

Mein Punkt ist dieser: Die Art von Glaubensweite, welche an der Konferenz Bunt Glauben verkündet wurde, wurde eben gerade nicht erreicht durch eine Offenheit, alle theologische Optionen zu denken, sondern durch Ausgrenzung einer wichtigen theologischen Option, nämlich der Lehre vom doppelten Ausgang. Anstatt von Weite zu reden, müsste man deshalb besser von einer einzigen bestimmten theologischen Richtung reden, in die man unterwegs ist.

Mehr: danieloption.ch.

The Seoul Statement

Im Rahmen des 4. Lausanner Kongresses, der Südkorea veranstaltet wurde, ist ein theologisches Statement veröffentlicht worden. Wie angekündigt, sind zwei Abschnitte zur Medienkritik enthalten, die ich hier in einer provisorischen Übersetzung wiedergebe: 

91. Wir erkennen an, dass Medientechnologien die Leichtigkeit, mit der Menschen getäuscht werden können, erhöht haben. Wir bedauern die Tatsache, dass Christen bei der Nutzung dieser Technologien nicht immer „auf geheime und schändliche Wege verzichtet“ oder der Versuchung widerstanden haben, ihr Publikum zu täuschen oder die Botschaft des Evangeliums zum persönlichen Vorteil zu verfälschen. Stattdessen müssen Christen die Menschen an die erste Stelle setzen und ihre Geschichten wahrheitsgemäß erzählen und so die Kraft des Evangeliums in ihrem Leben bezeugen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass ein solcher Einsatz von Medien und Kommunikationstechnologien durch die Wahrhaftigkeit untermauert wird, die in dem Evangelium selbst zu finden ist, das weitergegeben wird (2Kor 4,2).

92. Wir sind uns bewusst, dass viele Christen, insbesondere junge Menschen, von sozialen und digitalen Medien abhängig sind und von ihnen regelrecht „gejüngert“ werden, weil sie unverhältnismäßig viel Zeit mit der Nutzung solcher Technologien verbringen. Wir erkennen auch an, dass digitale Technologien zwar oft für das Wachstum der Kirche und für evangelistische Zwecke genutzt wurden, die Bemühungen, dasselbe für die Jüngerschaft zu tun, jedoch hinterherhinken. Wir rufen daher alle Kirchen und Führungskräfte dazu auf, Technologien des digitalen Zeitalters für die Jüngerschaft zu einzusetzen. Wir fordern eine treue Präsenz in digitalen Räumen, eine treue Kontextualisierung durch vernetzte Geräte, eine treue Vermittlung digitaler Kompetenzen und eine treue Praxis der Gastfreundschaft, um gesunde Nutzungsgewohnheiten zu fördern.

Hilfreich. Gerade die Betonung der Wahrhaftigkeit gefällt mir. Und doch fehlt mir eine Beschreibung der Grenzen, die uns die Technik beim Jüngerschaftstrainig setzt. Meine Meinung: Technologien können nur sehr bedingt das Jüngerschafttraining fördern. Viel wichtiger sind die Begegnungen von Angesicht zu Angesicht. Hilfreich kann dazu die Anklageschrift Wir amüsieren uns zu Tode: Urteilsbildung im Zeitalter der Unterhaltungsindustrie von Neil Portman sein. Er hat schon 1985 die Grenzen der Medientechnologien deutlich benannt. 

Hier kann das gesamte The Seoul Statement eingesehen werden: lausanne.org/statement.

Menschen des Evangeliums

Holger Lahayne aus Litauen hat das neue Buch Menschen des Evangeliums von Michael Reeves besprochen:

In diesem Zusammenhang setzt Michael Reeves mit Menschen des Evangeliums nun einen notwendigen Akzent. Der britische Theologe und Autor erkennt wie Trueman die gegenwärtige Krise im Selbstverständnis des Evangelikalismus. Er bedauert, dass dieser „sowohl von anderen als auch von sich selbst durch andere Dinge definiert [wird] als durch das Evangelium“ (S. 8). Der Präsident der Union School of Theology in Oxford ist überzeugt: „Um wirklich Menschen des Evangeliums zu werden, müssen wir zu unserem Ausgangspunkt zurückkehren – zu dem Glauben, ‚der ein für alle Mal den Heiligen anvertraut ist‘ (Jud 3)“ (S. 8). Eine bloß soziologische oder „beschreibende Analyse“ genügt nicht; der Evangelikalismus muss laut Reeves in erster Linie „mithilfe des Evangeliums“, also „theologisch definiert werden“ (S. 9).

Reeves hält daran fest, dass den Kern der evangelikalen Identität eben doch „irgendwelche Glaubenssätze“ (Malessa) ausmachen. Damit steht er in der Tradition der großen britischen Evangelikalen wie John Stott oder Martyn Lloyd-Jones, die in Evangelical Truth (1999) bzw. What is an Evangelical? (1992) ebenfalls eine biblisch begründete und theologisch fundierte Definition vorlegten. Reeves zitiert daher auch mehrfach aus beiden Werken.

Drei essentielle Lehren

Anknüpfend an den Beginn des Römerbriefes stellt Reeves eingangs dar, dass für den Apostel Paulus das Evangelium folgende Eigenschaften besitzt: Das Evangelium ist …

„1. trinitarisch: Es ist die Frohe Botschaft des Vaters über den Sohn, der als Sohn Gottes eingesetzt ist in Kraft nach dem Heiligen Geist (vgl. Röm 1, 4).

  1. biblisch: Es wird in der Heiligen Schrift verkündet.
  2. christuszentriert: Es geht dabei um den Sohn Gottes.
  3. Geist-gewirkt: Der Sohn wird durch den Heiligen Geist offenbart.“ (S. 11)

Das Evangelium steht also „im Einklang mit der Heiligen Schrift“, es „dreht sich um Christus und sein Erlösungswerk“ und schafft als „Botschaft des persönlichen Heils“ neues Leben (S. 14). Reeves argumentiert,

„dass der wahre Evangelikalismus eine klare Theologie hat, in deren Zentrum drei essentielle Lehren verankert sind, aus denen sich alles Weitere ergibt:

  1. Die Offenbarung durch den Vater in der Bibel.
  2. Die Erlösung durch den Sohn im Evangelium.
  3. Die Wiedergeburt durch den Geist in unseren Herzen.“ (S. 16)

Eine trinitarische Struktur

Reeves erläutert das Evangelium demnach als ein Werk des dreieinen Gottes. Der Person des Vaters ordnet er die Offenbarung zu und erläutert in Kapitel 2 „Die Vorrangstellung der Heiligen Schrift“, „Die Inspiration der Heiligen Schrift“ und „Die Vertrauenswürdigkeit der Heiligen Schrift“. „Die Erlösung durch den Sohn“ (Kapitel 3) gliedert sich auf in „Die einzigartige Identität Christi“, „Das Werk Jesu“ und „Die Rechtfertigung durch Glauben allein“. In Kapitel 4 behandelt er das Wirken des Heiligen Geistes: „Die Wiedergeburt“, „Das neue Leben“ und „Das neue Volk“.

Auf Seite 17 ist diese Struktur des Buches in einem Kreisdiagramm anschaulich dargestellt. In der Mitte steht „Die Dreieinigkeit“, also Gott selbst. Diese Betonung ist nur zu begrüßen, denn so wird eins klar: Es geht nicht in erster Linie um Menschen, die eine Bekehrung erfahren haben; um Menschen, die in Mission und Diakonie aktiv sind; oder um Menschen und ihre Mission. Vielmehr steht im Mittelpunkt des Evangelikalismus niemand anders als Gott, der durch sein Evangelium Wahrheit mitgeteilt, Erlösung geschenkt und neues Leben geschaffen hat.

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Evangelikale Schwärmerei für Aquinas?

Leonardo De Chirico hat für CT die neuerliche evangelikale Begeisterung für Thomas von Aquin differenziert bewertet. Ich schließe mich seinem Urteil an. Auszüge:

Frühere Generationen protestantischer Gelehrter kamen angesichts seiner Größe und Bedeutung für die Theologie nicht um Aquin herum, aber er wurde immer mit selektiven Augen gelesen. Heute gibt es jedoch eine zunehmende Tendenz zu denken, dass man nicht richtig orthodox (im „katholischen“ Sinne) sein kann, wenn man die grundlegenden Lehren des Thomismus nicht annimmt.

Was von diesen evangelikalen Anhängern oft übersehen wird, ist die umstrittene Geschichte des Aquinismus. Seit der Reformation und darüber hinaus hat der römische Katholizismus Aquinas als seinen Hauptverfechter für seine antireformatorische Haltung und die daraus resultierenden antibiblischen Entwicklungen betrachtet, wie z. B. das marianische Dogma der leiblichen Himmelfahrt Mariens von 1950.

Was ist von diesem Streit um Aquin zu halten? Was sind die Stärken und Schwächen, wenn nicht gar die Gefahren, wenn wir Aquin für die Theologie heute wiederentdecken? Es geht nicht darum, Aquin zu studieren oder Aquin unkritisch zu meiden, sondern darum, die theologische Landkarte bereitzustellen, mit der sich Evangelikale ihm nähern können.

Wir sollten Aquin lesen wie Petrus Lombardus, Bonaventura, Duns Scotus und andere mittelalterliche Theologen, die von Aquins Einsichten und Lehren profitierten, aber auch Probleme benannten, wenn sein System von der Heiligen Schrift abwich.

Wir dürfen uns weder vor Aquin fürchten noch ihn zum absoluten Maßstab für die christliche Orthodoxie erheben – weder sein Denksystem ablehnen noch es naiv übernehmen. Die evangelikale Theologie muss eine realistische Lesart von Aquin anstreben, die sich der höchsten Autorität der Schrift unterordnet und im Dienst des Evangeliums steht.

Mehr: https: www.christianitytoday.com.

Warum konvertieren Protestanten?

Einige der besten und klügsten protestantischen Denker sind in den letzten Jahrzehnten zum römischen Katholizismus übergetreten. Manche von ihnen haben den Protestantismus in Bezug auf Lehre, Geschichte, Ethik und Liturgie als zu oberflächlich empfunden. Chris Castaldo, Mitautor des Buches Why Do Protestants Convert? hat in einem Podcast mit Carl Trueman und Todd Pruitt die psychologischen, theologischen und soziologischen Faktoren erörtert, die hinter diesen Konversionen stehen.

Obwohl die Kritik vieler Konvertiten am heutigen Protestantismus berechtigt sein mag, weist Chris Castaldo darauf hin, dass der historische Protestantismus Antworten auf diese Einwände und außerdem die Ressourcen für eine protestantische Erneuerung enthält.

Hier:

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Culture Shift

Paul Bruderer beschreibt für „Daniel Option“, wie auf ihn innerhalb der evangelikalen Szene Druck in Sachen Sexualethik ausgeübt wurde: 

Ab 2014 traten die Forderungen immer häufiger und lauter an mich heran, gewisse Verhaltensweisen (z.B. ausgelebte Homosexualität oder sexuelle Intimität vor und ausserhalb der Ehe) grundsätzlich gutzuheissen, solange diese einvernehmlich unter Erwachsenen gelebt werden. Was mir bisher als ein respektvoller und willkommen heissender Umgang mit diesen Menschen schien, wurde nun immer mehr als etwas bezeichnet, das gegen diese Menschen gerichtet ist. Sogar als etwas Aggressives. Ich hätte eine aggressive Theologie, meinten einige. Die Forderung kam immer direkter und fordernder, meine Meinung grundlegend zu ändern.

Ich vergesse nicht, wie ein guter Freund von mir mich direkt und scharf konfrontierte: «Paul, wir haben als Christen unsere Meinung geändert in Bezug auf die Sklavenfrage und in der Frauenfrage. Wir werden (dieses Wort betonte er deutlich) unsere Meinung auch in der Frage ausgelebter Homosexualität ändern!»

Der Ball war bei mir. Ich hatte Hausaufgaben zu tun und nahm mir 2 Jahre Zeit. Inzwischen waren diese Fragen an der Basis meiner Kirchgemeinde angekommen. Ich bin meiner Gemeinde dankbar, dass sie mir die nötige Zeit gab, nochmals über die Bücher zu gehen. Und über die Bücher gehen musste ich tatsächlich! Ich war schon über 10 Jahre Pastor und Lehrer. Ich musste mir aber nochmals fast von Null auf überlegen, was die Bibel eigentlich ist und wie dieses Jahrtausend alte Buch, das in einer anderen Kultur geschrieben wurde, sich auf unsere Zeit übertragen lässt. Ich habe in dieser Zeit auch viel mit Menschen gesprochen, die persönlich mit diesen Themen und Fragestellungen leben.

Ich habe die Frage ernsthaft an mich herangelassen: Könnte es sein, dass wir als Christen während 2000 Jahre gleichgeschlechtlich empfindenden Menschen zu Unrecht abverlangt haben, ihre sexuelle Präferenz nicht auszuleben? Haben wir ihnen 2000 Jahre lang Unrecht getan? Progressiv-Liberale, die mich heute kennen, werden mir nicht glauben, dass ich diese Frage wirklich an mich herangelassen habe. Ich kann es ihnen nicht beweisen. Ich hoffe, sie glauben es mir. Es war mir eine Not, hier Gottes Wege zu finden, denn ich weiss, dass seine Wege für den Menschen gut sind. Ich will den Menschen auf jeden Fall dienen, aber nach Gottes Art und Weise.

Nach den 2 Jahren kam ich aus diesem Prozess heraus mit der Erkenntnis, dass die Sklaven- und Frauenfrage keineswegs dieselben sind wie die Frage, ob Homosexuelle ihre Präferenz mit Gottes Segen ausleben können. Nur der Neo-Marxismus unserer Zeit wirft alle drei Gruppen in einen Topf: alle drei werden der grossen Kategorie von unterdrückten Minderheiten zugeordnet. Sie unterscheiden sich lediglich im Mass an sogenannter Intersektionalität. Aber der Neo-Marxismus hat wenig Unterscheidungsvermögen und den einzelnen Menschen sieht er schon gar nicht!

Mehr: danieloption.ch.

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