Georg Huntemann

„Der satanischen Zerstörungstrieb“

Georg Huntemann schreibt über die Zeit unter den Augen Gottes (Was wird kommen?, 2. Aufl., 1974, S. 50):

Allen Ernstes müssen wir uns heute fragen, ob uns die Zukunft eine Art satanischen Zerstörungstrieb bringt, geboren aus Lebensekel und Gotteshaß. Gibt es wirklich eine böse Macht? Oder fragen wir ganz einfach: Gibt es den Teufel? Daß es eine böse, zerstörerische, sich gegen Gott und die Menschen richtende Macht gibt, ist eindeutige Aussage der Heiligen Schrift. Jesus“ sagt, daß der Satan ein Mörder von Anfang an (Joh. 8,44), also die Macht der Zerstörung des Lebens sei. Satanisch ist der Haß gegen Gott, weil das Seinwollen wie Gott im Verworfensein vor Gott endete, der Übermut durch die Erniedrigung bestraft wurde. Die satanische Macht fällt über Mensch und Kosmos und bringt alles Leben in die Zwiespältigkeit, in Krankheit, Lebenskampf, Lebensangst und Todesqual. Diese Macht des Bösen geht über jede menschliche Vorstellungskraft hinaus. Man kann sich vom Bösen kein Bild oder Gleichnis machen. Alle Teufelsbilder sind letzten Endes nur gefährliche Verharmlosungen jener Macht, die man nur zu gern in die Welt von Sage, Märchen oder Mythos abschieben und damit als irreal abstempeln möchte. Welche Bedeutung hat die böse Macht für die Zukunft? Wird sich der Böse durch den Fortschritt überspielen lassen? Wird das Böse am Ende siegen? Bewegen wir uns auf die Dämonisierung der Welt hin?

Die biblische Antwort auf die Frage ist: Durch Christus ist die Macht des Bösen besiegt worden. Auf seinem Weg zum Kreuz und zur Auferstehung sagt Christus: „Nun wird der Fürst dieser Welt ausgestoßen werden“ (Joh. 12,31), und der Apostel Johannes schreibt rückblickend auf die Heilstaten Christi: „ … dazu ist erschienen der Sohn Gottes, daß er die Werke des Teufels zerstöre“ (1. Joh. 3,8).

„Keine leere Zeit“

Georg Huntemann schreibt über die Zeit unter den Augen Gottes (Was wird kommen?, 2. Aufl., 1974, S. 19):

Im Johannesevangelium (1,45 ff.) gibt es die Geschichte von einem Mann, der (sein Name ist Nathanael) sich nicht vorstellen konnte, daß aus Nazareth etwas Gutes kommen könne. Er stand Jesus kritisch gegenüber. Als Jesus Nathanael sah, sagte er zu ihm: „Ein echter Israelit, in dem kein Falsch ist“ (Joh. 1,47). Nathanael — immer noch kritisch — fragt zurück, woher Jesus ihn überhaupt kenne. Da kommt die entscheidende Antwort Jesu: „… da du unter dem Feigenbaum warst, sah ich dich.“ Und Nathanael bekennt sofort: „… Du bist Gottes Sohn.“ 

Als Nathanael „unter dem Feigenbaum war“, war er allein. Er muß sehr allein gewesen sein in einer für ihn bedeutsamen, vielleicht quälenden Stunde, denn er erinnerte sich ja noch sehr genau daran. Jetzt wird ihm gesagt, daß er damals nicht allein war, daß Christus ihn sah! Also: Keine einsame, keine leere Zeit! Die Zeit ist unter den Augen Gottes.

Väter ohne Vater

Georg Huntemann (Autorität oder Chaos, 1971, S. 20–21):

Die verlorenen Söhne unserer Tage haben Väter ohne Vater. Väter ohne Vater mußten sich selbst Vater sein. Sie verstanden ihr Vatersein nur zu oft nicht mehr als ein Mandat Gottes. Die Väter der rebellierenden Söhne waren im Grunde selbst Rebellen, auch wenn sie noch vom „Gott in ihrer Brust“, von der „Vorsehung in der Geschichte“ oder von „dem Allmächtigen in der Natur“ sprachen. Aber dieser Gott in der Brust, in der Geschichte und in der Natur war der Gott, wie unsere Väter sich ihn in Natur, Brust und Geschichte „vorstellten“, es war der Gott, in dem sie sich selbst wiederfanden, in dem sich ihre eigene, aber nicht mehr die Autorität des biblischen Gottes spiegelte. Es war der „gemalte Gott“.

Die Mehrzahl der Theologen des 19. Jahrhunderts in Deutschland hat sich diesem Gott angepaßt. In ihrer „Kritik“ am Alten und Neuen Testament setzten sie Maßstäbe dafür, was der Gott der Bibel in seiner Schöpfung und in der Geschichte tun durfte — und was er nicht dürfen konnte. Die Theologen des alten Liberalismus zersägten die Heilige Schrift, amputierten die Heilstaten Gottes, relativierten die Gebote und gossen in die leeren Gefäße nun toter Buchstaben ihre eigenen Ideologien.

Unsere Väter wurden nur zu oft gnadenlose Väter — sie waren „Stress-Väter“, die ihr Vatersein nicht mehr von Gott empfingen, sondern sich als Vaterprotze selbst herstellen und erkämpfen mußten.

Glauben & Denken heute 1/2014 online

Gudh013dDie 13. Ausgabe der Online-Zeitschrift Glauben & Denken heute (1/2014) ist erschienen und ist vor allem dem Andenken an den kürzlich verstorbenen Theologieprofessor Georg Huntemann gewidmet, über den Prof. Dr. Thomas Schirrmacher als sein Schüler schreibt. Darüber hinaus widmet sich Prof. Dr. Thomas K. Johnson dem Thema Dreieinigkeit. Prof. Schirrmacher äußert sich zudem zu dem Familienpapier der EKD. Dr. Facius begegnet in seinem Beitrag der Kritik an Martin Luther anlässlich des Reformationsjubiläums. So geht Facius der Frage nach, ob Luther sich gegen die Marktwirtschaft gewendet habe:

Luther wendet sich nach Posener gegen „zwei Grundlagen der Marktwirtschaft“, nämlich gegen die Bildung von Preisen am Markt und die Finanzierung von Geschäften mittels Kredit. Die Titelblätter aller drei mit dem Wucher befassten Werke Luthers gegen den Geldhandel sollen „Bilder geldgieriger Juden“ zeigen. Heutige Folge sei das Misstrauen gegen „die Märkte“, das „Finanzkapital“ oder „die Wall Street“. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nur einige der im Umlauf befindlichen Drucke das Bild eines Juden zeigen, bezüglich des Sermons von 1520 etwa nur drei von zwölf. Für das Titelbild war zudem nicht der Autor, sondern der Verleger verantwortlich. Die Vermutung, dass Luthers Wittenberger Verleger Grünenberg die Bilder eigenmächtig ausgewählt hat, um den Absatz zu heben, liegt nahe. Luther selbst wies darauf hin, er könne sich nicht auch noch um die Illustrationen seiner Schriften kümmern, was insbesondere deshalb nicht ganz von der Hand zu weisen ist, weil ein Autor zur damaligen Zeit in Bezug auf sein Werk nahezu rechtlos war. Gleichwohl sind die Wuchersermone nicht ganz frei von antijüdischen Vorurteilen, ohne dass jedoch der Wucher „mit dem Judentum identifiziert“ würde. Hintergrund der Sermone vom Wucher dürfte die Tatsache gewesen sein, dass Stadtbewohner und Bauern durch (auch geistliche) Zinsherren zunehmend in Existenznot gerieten. Hier erkennt Luther sehr wohl, dass „Kaufen und Verkaufen ein notwendig Ding ist, das man nicht entbehren und gut christlich brauchen kann“. Dass sich Luther „gegen die Bildung von Preisen am Markt“ wenden würde, ist so nicht richtig. Luther hat nichts dagegen, dass ein Verkäufer „auf den Wert der Ware oder auf den Dienst für seine Mühe und Gefahr“ sieht, sondern dagegen, bei der Preisbildung die Not des Nächsten auszunutzen. Ein Kaufmann soll nach Luther seine Ware so teuer verkaufen, „wie es recht und billig ist“, ohne dass dies allgemein festgesetzt werden könnte. Dass Luther erklärt, er sähe es am liebsten, wenn durch die Obrigkeit eingesetzte redliche Leute die Preise kontrollierten, mag der existentiellen Not geschuldet sein, die etwa durch überhöhte Lebensmittelpreise entstand. Auch heute übernimmt der Staat Aufgaben der Daseinsvorsorge, kontrolliert über die Kartellämter unredliche Preisabsprachen und erklärt per Gesetz Verträge zu sittenwidrigen Preisen für nichtig.Der Finanzierung von Geschäften mittels Kredit steht Luther in der Tat skeptisch gegenüber, wobei er vor allem ein Leben über die eigenen Verhältnisse geißelt. Mit dieser Skepsis gegenüber Krediten und Zinsen stand Luther jedoch keineswegs allein. Schon Papst Leo I. (440–461) hatte festgestellt: „Des Geldes Zinsgewinn ist der Seele Tod“. Noch 1515 erneuerte das Fünfte Laterankonzil das Zinsverbot, das seit dem 2. Laterankonzil 1139 in Kraft war. Diese Verbote und auch Luthers Skepsis hatten vor allem soziale Gründe. Das folgende Beispiel Luthers verdeutlicht seine Sorge: „Welcher nun solche Geldpolitik treibt oder treiben muss, wie denen geschieht, die mehr auf Borg kaufen, als sie bezahlen können; wenn nun meine Schuldner nicht zahlen, so kann ich auch nicht zahlen, so frisst sich der Unrat weiter ein und kommt ein Verlust auf den andern, je mehr ich die Finanzpolitik treibe, bis ich merke, es wolle an den Galgen, ich müsse entweder entlaufen oder imSchuldturm sitzen.“34 Seinen sozialen Anliegen folgend will Luther daher auch Ausnahmen vom Zinsverbot zulassen, etwa wenn Menschen durch das Verleihen von Geld aus Gefälligkeit in Not geraten oder Witwen und Waisen in Notzeiten weitere Einnahmen benötigen, die sie durch Geldverleih realisieren können. Sind diese Anliegen Luthers wirklich so unberechtigt? Verdient Luther statt der recht merkwürdigen Ablehnung Poseners für seine Kritik an akuten Missständen nicht vielmehr Beachtung?

Natürlich enthält auch diese Ausgabe wieder zahlreiche Rezensionen.

Artikel

  • Ron Kubsch: Editorial
  • Prof. Dr. Thomas Schirrmacher: Mein Lehrer Georg Huntemann
  • Prof. Dr. Dr. Georg Huntemann: Eigentum als Schöpfungsordnung Gottes
  • Prof. Dr. Thomas K. Johnson: Über die Dreieinigkeit
  • Prof. Dr. Thomas Schirrmacher: „Ein neues normatives Familienmodell“
  • Dr. Daniel Facius: Neuneinhalb Thesen für Martin Luther

Rezensionen

  • Dr. Daniel Facius: Die Begründung der Welt (Thomas Christian Kotulla)
  • Simon Hähle: Die Trauersprechstunde – Was in der Trauer weiterhilft (Hubert Böke)
  • Micha Heimsoth: Paulus und Paulusbilder (Manfred Lang)
  • Hanniel Strebel: God in the Whirlwind (David F. Wells)
  • Andreas Münch: Schätze der Gnade (Ron Kubsch und Matthias Lohmann, Hrsg.)
  • Ron Kubsch: Handbuch Internetseelsorge (Birgit Knatz)
  • Ron Kubsch: Friedrich Avemarie. Neues Testament und frührabbinisches Judentum (Jörg Frey und Angela Standhartinger, Hrsg.)
  • Ron Kubsch: Justification reconsidered (Stephen Westerholm)
  • Ron Kubsch: Meditationen eines Christen (Robert Spaemann)

Hier gehts zur Ausgabe: gudh013d.pdf.

Georg Huntemann (1929–2014)

HuntemannDer Theologe Georg Hermann Huntemann ist am 13. Februar 2014 in Bremen verstorben. Von 1970 an war er Professor für Ethik und Apologetik an der Staatsunabhängigen Theologischen Hochschule Basel (STH) und von 1985 bis 1995 an der Evangelische Theologische Faculteit, Leuven (ETF). Auch wenn Prof. Huntemann gelegentlich „hitzig“ werden konnte, hat er viele Theologen nachhaltig in guter Weise geprägt.

Als er wegen seiner klaren Predigten 1967 die St. Remberti Gemeinde in Bremen verlassen musste, schrieb DIE ZEIT über ihn:

Als der Möbelwagen kam, lag der Pastor fiebernd im Bett. Sein Sinn für Wirkung aber war ungebrochen. „Ich ließ die Möbelpacker das Bett und mich in die Mitte des Zimmers rücken. Als dann im leeren Raum nur noch das Bett und ich übrig waren, erhob ich mich und fuhr in die neue Wohnung. Dort ging es dann in umgekehrter Reihenfolge: das Bett und ich waren zuerst da.“

Dr. Dr. Georg Huntemann, ein Troublemaker unter den evangelischen Theologen in Bremen, hatte den Möbelwagen unfreiwillig freiwillig bestellt. Sein Auszug aus der Jahrhunderte alten Gemeinde von St. Remberti hat in der zu mehr als achtzig Prozent evangelischen Hansestadt heiße Debatten entfesselt und die Frage nach theologischen Lehrmeinungen und kirchlichem Freiheitsverständnis neu belebt.

Der 38 Jahre alte, barttragende Pastor Huntemann bezeichnet sich selbst als einen Gewandelten, „von der modernen Theologie hin zur konservativ-orthodoxen“. Moderne Theologie – sagt er – bedeutet „Auflösung“. „Ich habe mich in der Abkehr von liberalen und modernistischen Denkvoraussetzungen zu der Erkenntnis durchgerungen, daß nur die vorbehaltlose Bindung an die ganze Heilige Schrift Alten und Neuen Testamentes die Basis unseres Christusglaubens sein kann, und daß keine zeitbedingte, also auch keine sogenannte moderne Weltanschauungsform, diesen Heilsweg versperren darf.“ Wenn Huntemann predigt, ist die Kirche überfüllt, wenn er Vorträge hält – über Sex, Satan, Sünde – gibt es in großen Sälen keinen freien Platz. Billy Graham gehört zu seinen Vorbildern.
Gemeinsam mit zwei Amtsbrüdern hat Georg Huntemann zehn Jahre lang bei St. Remberti gewirkt, bei einer Gemeinde, der – so der dienstälteste Remberti-Geistliche – „von ihrer liberalen Tradition her, Lithurgismus und Klerikalismus ein Greuel ist“. Nach Ansicht seines theologischen Gegenspielers hat Huntemann sich vom „Liberalen“ zum „Fundamentalisten“ entwickelt und damit die Gemeinde an den Rand einer „vergiftenden Spaltung“ gebracht.

Hier ein Auszug aus seinem Buch Angriff auf die Moderne (1966, S. 89–91):

Welchen Sinn hat es, Opfer zu bringen?

Solange es Menschen gibt, solange gibt es Opfer. In der Bibel lesen wir gleich auf den ersten Seiten, daß Kain und Abel Gott Opfer darbrachten. Opfer bedeutet, daß etwas aus dem Verfügungsbereich des Menschen genommen wird. Wer opfert, nimmt sich selbst etwas weg, um es Gott zu geben.

Opfern in diesem religiösen Sinne hat für den modernen Menschen keinen Sinn mehr. Für ihn ist ja Lebensziel nicht hergeben, sondern herholen, hinnehmen, behalten — kurzum »haben«! Aus diesem Grunde ist der Mensch maßlos erschreckt, wenn er — gegen seinen Willen — etwas hergeben muß, oder wenn ihm etwas genommen wird (z. B. Gesundheit, Besitz oder dgl.).

Ganz anders der Christ: Sein »Haben« ist ihm geschenkt. Wenn er etwas besitzt, dann hat er nicht das Gefühl, daß es ihm gehört. Er versteht es als Geschenk Gottes. Der Christ identifiziert sich auch nicht mit dem, was ihm gegeben ist.

Selbstverständlich kann diese innere Einstellung gegenüber den Dingen nur durch eine fortwährende seelische Aufopferung erhalten werden. Nur wenn man sich immer wieder klar macht, daß alles, was ich habe, außerhalb meines Verfügens steht, und nur dann, wenn ich bereit bin, es mir von Gott nehmen zu lassen, gewinne ich das rechte Verhältnis zu den Dingen in meinem Leben. Krankheit, Verzicht und die vielen Niederlagen des Lebens sind eine Hilfe Gottes in diesem Versuch, der Welt gegenüber frei zu bleiben.

Christus hat sich in seinem stellvertretenden Leiden und Sterben für die Menschheit dahingegeben. Für unsere Lebens- und Welteinstellung können wir daraus diese Folgerung gewinnen: Im absoluten Nullpunkt unseres Daseins erlangen wir die Hinwendung zu Gott, wenn wir diesen Weg im Blick auf Christus als Weg des Heils verstehen. Alles aufopfern heißt: Vertrauen setzen nicht mehr auf die Welt, auch nicht auf den Mitmenschen, nicht einmal auf mich selbst, sondern allein auf Gott.

Jesus ruft uns zu, daß nur der seiner wert ist, der bereit ist, Vater und Mutter um seinetwillen zu verlassen. Von dem reichen Jüngling verlangt er, daß er alles aufgibt, um ihm nachzufolgen. Was hier verlangt wird, ist Opfer. Dieses Opfer bringt der Christ nicht, um die Welt (etwa Vater und Mutter) zu verachten. Vielmehr wird ein Lebensbereich des Menschen Gott geopfert, zu Gott in Beziehung gesetzt, ihm anheim gegeben.

Christus hat sein Leben hingegeben und hat es gewonnen. Das Kreuz ist das Zeichen des Nein, der Qual, der Vernichtung. Es ist aber auch gleichzeitig Zeichen des Lebens. Die alte Kirche sah im Kreuz den Lebensbaum, der im Paradies stand. In der Tat ist das Kreuz beides: Der Baum der Marter und der Baum des Lebens. Hier offenbart sich das christliche Weltverständnis: Durch Schmerz und Leid geht der Weg zum Leben.

Die Welt ist in der Tat eine zwiespältige Welt. Ist sie deswegen ein Beweis gegen Gott?

Die Welt wäre ein Beweis gegen Gott, wenn es nicht das Zeichen des Kreuzes gäbe. Allein unter dem Zeichen des Kreuzes kann die Welt in ihrer Zwiespältigkeit verstanden werden, weil man allein angesichts des Kreuzes erfährt, daß der Weg zum Ja durch das Nein führt. Nicht nur der Mensch muß durch das Nein zum Ja, sondern die ganze Kreatur zittert und bangt, um durch den Schmerz hindurch zur Erlösung, zum Anbrechen des neuen Kosmos zu gelangen.

Diese Erlösung ist der Weg Christi. Weil diese Welt eine zwiespältige Welt ist, kann man aus ihr Gott nicht ablesen. Den offenbaren Gott erkennen wir nur angesichts des Kreuzes. Das Kreuz über dem Kosmos zeigt eine Welt, die in ihrer Wandlung durch Leiden und Sterben hindurch den Weg der Auferstehung beschreitet.

Luther schreibt im Blick auf Kreuz, Tod, Höllenfahrt und Auferstehung Christi: Christus »Herr geworden aller Dinge, auch des Todes und der Hölle, so müssen auch wir als seine Glieder durch seine Auferstehung getroffen und angerührt werden und eben des teilhaftig werden, was er damit ausgerichtet hat, als um unsertwillen geschehen. Und wie er durch seine Auferstehung alles mit sich genommen, daß beide, Himmel und Erde, Sonne und Mond, muß neu werden, so wird er auch uns mit sich führen.«

Der andere Bonhoeffer

Der Deutschlandbesuch des US-amerikanischen Journalisten Eric Metaxas anlässlich der Herausgabe seiner Bonhoeffer-Biografie hat in der evangelikalen Presse eingeschlagen. Sowohl ideaSpektrum als auch das Medienmagazin pro berichten aktuell über die Buchvorstellung.

Nun bin ich bekennender Bonhoeffer-Leser und freue mich über jeden, der sich – vielleicht angestoßen von dem neuen Buch – intensiv mit Bonhoeffers Leben und seiner Theologie auseinandersetzt. Trotzdem will ich erwähnen, dass mich so manche Aussage von Metaxas irritiert. Damit meine ich weniger seine Behauptung, Bonn läge in der Schweiz oder die These, Adolf Hitler hätte 1933 die Macht demokratisch übernommen. Solche Abschnitte wurden in der deutschen Übersetzung vermutlich berichtigt. Mich ärgert eine Beteuerung wie diese (Quelle: Metaxas, E., & C. Hansen, »The authentic Bonhoeffer: Eric Metaxas explains how the German theologian lived a life worth examining«, Christianity Today, vol. 54, no. 7, 2010):

Bonhoeffer ist mehr als alles andere ein theologisch konservativer Protestant. Er war genauso orthodox wie Paulus oder Jesaja, den gesamten Lebensweg über, angefangen von seiner Teenagerzeit bis hin zu seinem letzten Tag auf Erden.

Von einem Bonhoeffer-Kenner erwarte ich eine differenziertere Wahrnehmung. Tim Challies dürfte zumindest teilweise richtig liegen, wenn er Metaxas vorwirft, Bonhoeffer »entführt« zu haben.

Obwohl die Lektüre von Bonhoeffer: Pastor, Agent, Märtyrer und Prophet nichtsdestotrotz gewinnbringend sein kann, nutze ich die Gelegenheit, um auf eine interessante deutsche Publikation hinzuweisen, die weniger Beachtung fand oder wieder in Vergessenheit geraten ist (obwohl sogar eine englische Übersetzung erschien). Im Jahre 1989 wurde:

  • Georg Huntemann: Der andere Bonhoeffer: Die Herausforderung des Modernismus, R. Brockhaus 1989, 318 S.

publiziert. Dazu:

Dietrich Bonhoeffer war – von jeder Mode unabhängig – modern; er war aber auch konservativ und vor allem immer wieder anders, als gängige Vereinfachungen es nahelegen. Diesem anderen Bonhoeffer ist Georg Huntemann nachgegangen, anhand der Quellen aus Leben, Werk und zeithistorischem Umfeld und im Blick auf seine Bedeutung für unsere Gegenwart und Zukunft. Dabei wird deutlich, daß Bonhoeffer nicht nur gegen vorherrschende Tendenzen des theologischen und gesellschaftlichen Modernismus steht, für die er gern als Kronzeuge in Anspruch genommen wird. Er bietet auch theologisch Konservativen und Evangelikaien Herausforderungen zu neuem Nachdenken, denen sie sich stellen müssen. Im Vorwort heißt es: »Also wird mancher dieses Buch mit reinigenden Schmerzen – aber dann auch mit viel Freude lesen.«

Das überaus lesenswerte Buch ist antiquarisch ab und an noch zu ergattern. Daneben gibt es ein Buch von Rainer Mayer, der über Bonhoeffer promoviert hat und den ich für einen der profiliertesten Bonhoeffer-Kenner der Gegenwart halte.

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