Warten auf die Strafe Gottes
Unter Rumänen und Polen glaubt die Mehrheit noch an die Hölle. Im aufgeklärten Westen sorgt dieses Umfrageergebnis für Heiterkeit. Vor dem Hintergrund des Ukrainekriegs wirkt allerdings der Abschied vom Glauben an ein letztes Gericht merkwürdig. Simon Strauß schreibt:
Man muss die osteuropäische Volksgläubigkeit gar nicht sentimental überhöhen, um festzustellen, dass die Umfrage einmal mehr den eisernen Wertevorhang vor Augen führt, der Ost- und West-Europa voneinander trennt. Dass einer Gegend, in der den christlichen Kirchen die Mitglieder davonlaufen, die Vorstellungskraft für einen Ort der ewigen Sündenstrafe fehlt – in Deutschland etwa glauben nur gut 15 Prozent der Befragten an die Hölle –, scheint selbstverständlich. Nur bekommt die herablassende Ironie gegenüber der metaphysischen Einfalt unserer europäischen Nachbarn einen bitteren Beigeschmack, wenn man etwa die ukrainische Dramatikerin Anastasiia Kosodii liest, die gerade im „Tagesspiegel“ mit Blick auf die verkohlten Leichen gefolterter ukrainischer Soldaten ohne jedes Augenzwinkern bekannte: „Mein Atheismus endete am 24. Februar, also glaube ich an Gott – oder vielmehr an die Strafe Gottes für diejenigen, die sie verdienen.“
Noch einmal Strauß: „Auf einmal leuchtet die These von Hannah Arendt wieder ein, nach der die schlimmsten Gewaltverbrechen des zwanzigsten Jahrhunderts nicht geschehen wären, ‚wenn die Leute noch an die Hölle geglaubt hätten‘.“
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VD: WR