Internet

»Ich esse gerade ein Eis«

Soziale Netzwerke liefern uns die Welt frei Haus. Aber die Nähe ist trügerisch. Von der wirklichen Welt sind nur noch Tweeds wie »Ich esse gerade ein Eis« übrig geblieben. Uns droht die Verbitterung.

Hier ein Artikel von Jörg Wittkewitz über die postmoderne Völkerwanderung in einer Kultur des wahren Mülls:

Dank Googles Algorithmen bestimmen wir den Preis der Anzeigen für Online-Magazine und Suchoberflächen durch unser eigenes Verhalten im Netz. Gleichzeitig zementieren wir damit auch unsere eigene Sicht auf die dort vermittelte Sicht auf die Welt. Denn seit Günther Anders und Jean Baudrillard ist es offensichtlich, dass wir nur noch einen medial aufbereiteten Blick auf die Welt haben. Und der direkte Kontakt ist nicht erst durch die digitalen Codes verstellt worden. Anders hatte in seinem Buch »Die Antiquiertheit des Menschen« Mitte der fünfziger Jahre am Beispiel des Fernsehens erkannt, dass uns die Welt nunmehr als Ware mit ästhetisch geformten Stilmitteln präsentiert wird. Der Warencharakter der künstlichen Welt drückt sich aber besonders darin aus, dass man per Knopfdruck darüber entscheiden kann, ob und wann man die Welt nun sehen will oder eben nicht.

Was damals die Kanalwählschalter der ersten Fernseher waren, ist heute unsere Computer-Maus. Sie wählt den Kanal aus, der ein harmonisches Übereinstimmen mit unseren Wünschen liefern kann. So lesen konservativ eingestellte Leser Zeitungen, Bücher und Websites, die diesen Lebensstil begründen können. Progressive Menschen bevorzugen die Herausforderungen mit dem ständigen Blick auf die drohende Zukunft. Dazwischen befindet sich eine große Menge von Menschen, die durch den modernen Hochleistungs-Lebensstil so erschöpft sind, dass sie den Zeitpunkt des Tiefschlafs nur noch mit künstlicher Berieselung herauszögen können. In diesem, dem Wachkoma ähnlichen Zustand sind sie höchstens noch in der Lage, kohlenhydratreiche Kost und Unterhaltung zu konsumieren.

Mehr: www.faz.net.

Nützliche Schafe

Facebook, Twitter oder Google+ haben viele Millionen Mitglieder. Die Schwächen ihrer virtuellen Welt jedoch machen deutlich, wie machtlos sie als gesellschaftliche Kraft sind. Soziale Netzwerke lenken ab und Aufmerksamkeit ist in unserer Ökonomie eines der knappsten Güter.

In einem klassischen Machtnetzwerk wird mit dieser Macht etwas gemacht. Es werden die Ressourcen investiert, neu kombiniert und neue Prozesse der Wertschöpfung in Gang gesetzt. Auch die Web-2.0-Geschäftsmodelle funktionieren nach dem Input-Output-Modell. Verschiedene Inputs werden kombiniert, um einen neuen Output zu generieren. Im Fall der sozialen Netzwerke ist es das Wissen um das Nutzungsverhalten der Mitglieder, verbunden mit ihren Eigenschaften, ihren Datenprofilen.

Wer denkt, Facebook, Twitter etc. wären dazu gemacht, die Anwender reich zu machen, der irrt. Es ist umgekehrt: Die User sind der Input, sie sind das Tool, das all den Datensammlern und Datenverwertern hilft, selbst eine Netzwerkrendite zu erwirtschaften und damit Reichtum zu produzieren. Es gilt der Grundsatz: Wenn dir ein Produkt gratis angeboten wird, dann bist letztendlich du als Kunde in der Regel selbst das Produkt.

Hier mehr: www.welt.de.

Gehirn 2.0

Das Magazin SeitenweiseWirtschaft (NZZ) stellt drei Bücher vor, die sich mit der Frage beschäftigen: Wie verändert das Internet unser Denken?

Bitte diesen Link wählen: dl.nzz.solutionpark.tv.

Das Leben nach der digitalen Explosion

201105180826.jpgDie Zeitschrift Christianity Today hat mit Tim Challies (siehe auch seine Rezension des Buches Love Wins von Rob Bell) über sein neuen Buch Next Story: Life and Faith After the Digital Explosion gesprochen.

Ein Auszug:

CT: You point out that the „new Calvinists“ gained influence by adopting technology. How do you see those tools shaping the movement?

Challies: You can’t really understand new Calvinism apart from the Internet. It allowed us to hear from these people in an unprecedented way. We seem to have short attention spans, and much of what we’re learning and hearing comes through social media. Far more people are getting John Piper in 140-character chunks than are listening to his 45-minute sermons, which means we’re not learning in more holistic ways.

CT: Is a specifically Reformed understanding of technology possible?

Challies: If it is, I don’t know that I want to major in it. But certainly, I am Reformed in my understanding of God’s sovereignty over all creation and my heightened sense of human depravity. A Reformed understanding would take into account God’s sovereignty even over technology as the starting point and ending point. God saw fit to allow us technology, and God cares how we use it. Our job is to ensure that we’re using technology in a way that’s subject to his authority.

CT: Does the emphasis on depravity lead to a stronger sense of caution or skepticism toward new technologies?

Challies: I think Reformed theology causes us to expend more effort understanding our sinfulness. That might give us a different starting point when we look at technology. We might have more reasons to doubt ourselves, but we also need a heightened sense of God’s sovereignty.

Mehr hier: www.christianitytoday.com.

 

Map of Online Communities 2010

Hier die aktuelle Weltkarte der Online Gemeinschaften und Sozialen Netzwerke. Die Größe einer Karte steht für das Volumen der sozialen Aktivitäten (pro Tag). Facebook führt klar. Vielleicht ein Grund mehr, sich den Film The Social Network anzusehen.

VD: RM

Das Internet ist Medium Nummer eins

Für die jungen Menschen in Deutschland ist das Internet mit großem Abstand das Medium Nummer eins. Nach einer Repräsentativumfrage unter mehr als 30 000 Nutzern der VZ-Netzwerke zwischen 14 und 29 Jahren surfen 93 Prozent täglich im Netz. 73 Prozent können sich ein Leben ohne Internet nicht mehr vorstellen, hat die Jugendstudie ergeben. Mit diesen Werten schlägt das Internet sogar das Handy, das 86 Prozent täglich nutzen und 62 Prozent nicht mehr missen möchten.

Hier der FAZ-Beitrag: faz-community.faz.net.

Online in die Zukunft

Buchdruck, Dampfmaschine, Elektrizität: Historisch gibt es ein paar Entdeckungen, die die Welt verändert haben. Und das Internet gehört dazu. Es ist dabei, zum globalen Betriebssystem des Arbeitens und Lebens zu werden. Brauchen wir ein neues Ministerium für die Netzwelt?

Hier ein Beitrag des SWR2:

[podcast]http://mp3-download.swr.de/swr2/kontext/2010/09/21/swr2-kontext-20100921-1905.6444m.mp3[/podcast]

Die Kraft des Buches

Es reicht schon, ein paar Bücher im Regal stehen zu haben. Bücher bilden. David Brooks erklärt, warum die Internetnutzung das Lesen von Büchern nicht ersetzen sollte (und geht dabei auch auf das neue Buch von Nicholas Carr ein).

The Internet-versus-books debate is conducted on the supposition that the medium is the message. But sometimes the medium is just the medium. What matters is the way people think about themselves while engaged in the two activities. A person who becomes a citizen of the literary world enters a hierarchical universe. There are classic works of literature at the top and beach reading at the bottom.

A person enters this world as a novice, and slowly studies the works of great writers and scholars. Readers immerse themselves in deep, alternative worlds and hope to gain some lasting wisdom. Respect is paid to the writers who transmit that wisdom.

A citizen of the Internet has a very different experience. The Internet smashes hierarchy and is not marked by deference. Maybe it would be different if it had been invented in Victorian England, but Internet culture is set in contemporary America. Internet culture is egalitarian. The young are more accomplished than the old. The new media is supposedly savvier than the old media. The dominant activity is free-wheeling, disrespectful, antiauthority disputation.

These different cultures foster different types of learning. The great essayist Joseph Epstein once distinguished between being well informed, being hip and being cultivated. The Internet helps you become well informed — knowledgeable about current events, the latest controversies and important trends. The Internet also helps you become hip — to learn about what’s going on, as Epstein writes, “in those lively waters outside the boring mainstream.”

Hier: www.nytimes.com.

Wer bin ich, wenn ich online bin

41li7oQqEIL._SL160_.jpgDurch das Internet akzeptieren wir bereitwillig den Verlust von Konzentration und des Fokus bei unseren Denkprozessen, behauptet Nicholas Carr in seinem letzten Buch The Shallows: What the Internet Is Doing to Our Brains. Das Internet verändert aber nicht nur unsere Denkkultur, es verändert auch unser Hirn. Neuesten Studien zufolge, so zeigt der Literaturwissenschaftlicher und IT-Experte, bewirkt bereits eine Onlinestunde am Tag erstaunliche neurologische Prägungen in unserem Gehirn.

Ich glaube, dieses Buch zeigt eindrücklich auf, dass die (Internet-)Kultur die Art und Weise, wie wir uns selbst, die Welt (und Gott) sehen, verändert. Leider sind dies nicht nur Veränderungen zum Guten. Zur deutschsprachigen Ausgabe des Buches, die im Herbst 2010 im Blessing Verlag erscheinen soll, heißt es:

Wer das Internet nach Informationen, sozialen Kontakten oder Unterhaltung durchforstet, verwendet, anders als beim Buch- oder Zeitunglesen, einen Großteil seiner geistigen Energie auf die Beherrschung des Mediums selbst. Und macht sich um die Inhalte, buchstäblich, keinen Kopf. Die Folge: Im Internetzeitalter lesen wir oberflächlicher, lernen wir schlechter, erinnern wir uns schwächer denn je. Von den Anpassungsleistungen unseres Gehirns profitieren nicht wir, sondern die Konzerne, die mit Klickzahlen Kasse machen.

In seinem neuen Buch verbindet Carr, zwanzig Jahre nach Entstehung des World Wide Web, seine medienkritische Bilanz mit einer erhellenden Zeitreise durch Philosophie-, Technologie- und Wissenschaftsgeschichte – von Sokrates’ Skepsis gegenüber der Schrift, dem Menschen als Uhrwerk und Nietzsches Schreibmaschine bis zum User als Gegenstand aktueller Debatten und Studien. Und er vermittelt – jenseits von vagem Kulturpessimismus – anhand greifbarer Untersuchungen und Experimente, wie das Internet unser Denken verändert.

Hier gibt es eine lesenswerte Rezension des Buches und ein Kurzvorstellung des Buches durch den Autor:

Der Mensch wird neu formatiert

Ein Interview mit dem Soziologen Dirk Baecker über die medialen Herausforderungen der Zukunft (Hervorhebung von mir):

Nach allem, was man bisher erkennen kann, wird diese Gesellschaft ihre sozialen Strukturen auf heterogene Netzwerke und ihre Kultur auf die Verarbeitung von Schnelligkeit einstellen. Heterogene Netzwerke treten an die Stelle der eher homogenen Funktionssysteme, wie wir sie von der modernen Gesellschaft kennen. Wir bekommen es mit unwahrscheinlichen Clusterbildungen, mit seltsamen Verknotungen von Geschichten, Milieus, Leuten und Organisationen zu tun, mit Possen, die die Gesellschaft durchkreuzen, ohne dass man wüsste, woher sie kommen und wohin sie verschwinden. Unsere Kultur wird sich von der Vernunft der Moderne noch weiter verabschieden und sich stattdessen mit einer Komplexität anfreunden, mit der man die Berührung suchen muss, ohne auf ein Verstehen rechnen zu können.

Hier: www.faz.net.

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