James Eglinton

Alle lieben Bavinck

James Eglinton, Autor der besten Bavinck-Biographie, geht in einem Artikel, den er für CT geschrieben hat, der Frage nach, weshalb Bavinck auch heutzutage noch gelesen wird:

Manche sagen, ein theologischer Gigant zeichne sich dadurch aus, dass er die Vorstellungskraft von Lesern fesseln kann, die weit von ihrer eigenen historischen Epoche, ihrem kulturellen Kontext und vor allem ihrer theologischen Tradition entfernt sind. In der Geschichte des Christentums ist die Liste der Persönlichkeiten, die diese Art von Reichweite genießen, klein – und sie wächst auch nicht schnell.

In den letzten zehn Jahren ist jedoch ein neuer Stern am Firmament aufgegangen: der niederländische neokalvinistische Theologe Herman Bavinck (1854-1921). In den Niederlanden war Bavinck zu seiner Zeit ein bekannter Name. Bavinck war nicht nur der beste niederländische Theologe seiner Generation, sondern auch eine bemerkenswerte Persönlichkeit des öffentlichen Lebens in einer Zeit enormer gesellschaftlicher Umwälzungen – er hinterließ seine Spuren in den Bereichen Politik, Bildung, Frauenrechte und Journalismus. Im ganzen Land wurden Straßen und Schulen nach ihm benannt. Darüber hinaus war Bavinck auch als Person von internationalem Rang bekannt. Auf einer Reise in die Vereinigten Staaten im Jahr 1908 wurde er zum Beispiel von Theodore Roosevelt im Weißen Haus empfangen. Obwohl solche Ehrungen viel aussagen, geriet Bavincks Erbe im Inland in den Jahrzehnten nach seinem Tod immer mehr in Vergessenheit.

Das änderte sich in den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts – dank der Bemühungen von John Bolt und John Vriend, deren englische Übersetzung von Bavincks Reformierter Dogmatik zwischen 2003 und 2008 in vier Teilen veröffentlicht wurde. Bis heute wurden von diesen Bänden über 90.000 Exemplare verkauft – eine erstaunliche Leistung für ein Werk dieser Art. Ganz zu schweigen von den portugiesischen und koreanischen Versionen oder den spanischen, russischen und chinesischen Übersetzungen, die derzeit in Arbeit sind. Es wäre jedoch falsch, von der Veröffentlichung von Bavincks Dogmatik in englischer Sprache bis zu seiner heutigen Popularität vorzuspulen und einfach zu sagen: „Der Rest ist Geschichte“. Damit würde man die wichtige Frage übersehen, warum diese Figur für so viele Menschen heute zur ersten Adresse für Theologie wurde – von Peking bis São Paulo, von New York bis Seoul. Wie konnte Herman Bavinck ein so vielfältiges globales Publikum gewinnen?

Mehr: www.christianitytoday.com.

Mattson und Eglinton reden über Bavinck

51yRUcNPOiLWenn zwei ausgewiesene Bavinck-Experten wie Brian Mattson und James Eglinton sich unterhalten, lohnt es sich, mal „reinzuhören“. Evangelium21 hat ihr Gespräch in die deutsche Sprache übersetzt.

Wie wahr und hilfreich, was Eglinton hier über Bavincks späte überkonfessionelle Apologetik sagt:

In meiner Biografie wird dieser Wandel auf eine Gesinnungsänderung um 1900 zurückgeführt, das Jahr, in dem der deutsche Atheist und Philosoph Friedrich Nietzsche verstarb. Zu Lebzeiten war Nietzsche in den Niederlanden relativ unbekannt. Aus dem wenigen, was Bavinck damals über ihn schrieb, kann gefolgert werden, dass er kaum mehr als die Titel seiner Bücher gelesen, Nietzsche aber nicht studiert hatte. Nach seinem Tod wuchs Nietzsches Bekanntheit jedoch in den Niederlanden enorm. Neben Nietzsches offener Abscheu gegen Jesus (aufgrund seiner freiwilligen Schwäche und dienenden Haltung) war seine revolutionärste Idee, dass wir, wenn „Gott tot ist“, nicht zur Einhaltung der moralischen Werte des Theismus verpflichtet sind. Aus diesem Grund hatte diese neue Ausrichtung des Atheismus das Potential für drastische moralische Folgen.

Angesichts der plötzlichen Popularität Nietzsches nach seinem Tod realisierte Bavinck, dass die Verteidigung des Neo-Calvinismus allein nicht ausreicht, da die Anhänger Nietzsches jede Form des Christentums verabscheuten – sowohl liberal als auch orthodox – und dem Christentum an sich ein Ende bereiten wollten. In der Biografie beschreibe ich Bavincks Erkenntnis so, dass Nietzsche nicht mit einer Gartenschere zu dem Baum des Christentums gekommen war, sondern mit einer Axt. Für Nietzsche musste das ganze Ding weg, nicht nur einige Äste. Und damit standen Bavinck und seine theologischen Rivalen vor einer gemeinsamen existenziellen Bedrohung. In diesem Kontext begann Bavinck neben seiner ungebrochenen Unterstützung des Neo-Calvinismus, das Christentum allgemeiner zu verteidigen. Die Art, wie er die Balance hält zwischen seiner Förderung des Christentums allgemein und dem Festhalten an eigenen Traditionen, erinnert an C.S. Lewis’ Pardon, ich bin Christ oder als jüngeres Beispiel Tim Keller.

Welche Relevanz hat dieser Gesinnungswandel für uns heute? Wir leben immer noch in Nietzsches Schatten. Die westliche Kultur ist unersättlich hungrig nach Macht, getrieben von der Suche nach Vorherrschaft, verachtet das Schwache und Verletzliche und hat eine moralische Vorstellungskraft (wie Nietzsche selbst), die eher an Pontius Pilatus als an Jesus erinnert. Um dies zu verstehen und darauf reagieren zu können, brauchen wir gute Ressourcen. In den letzten zwanzig Jahren im Leben Bavincks war Nietzsche wahrscheinlich sein häufigster Opponent. Wir würden davon profitieren, hier von Bavinck zu lernen.

Mehr hier: www.evangelium21.net.

Bavinck: Eine kritische Biographie

51yRUcNPOiL SX332 BO1 204 203 200Die kritische Biographie über Herman Bavinck von James Eglinton wird von vielen Liebhabern der reformierten Theologie sehnsüchtig erwartet. Anknüpfend an das Buch Trinity and Organism entwirft Eglinton einen frischen Blick auf das Leben und Werk von Bavinck und sieht in ihm einen kreativen Denker, der die Rechtgläubigkeit (lehrmäßige Othodoxie) nicht verleugnete und zugleich Teilhaber der Moderne war.

Hier schon mal das Inhaltsverzeichnis mit der Einführung: Excerpt_Eglinton_short.pdf.

 

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