Journalisms

Aufstieg und Fall des Journalisten Claas Relotius

Der SPIEGEL-Reporter Claas Relotius fesselte jahrelang die Leser mit seinen außergewöhnlichen Reportagen und bekam dafür zahlreiche renommierte Preise. Allein in den Jahren 2012 bis 2018 erhielt er 19 journalistische Auszeichnungen. Das amerikanische Forbes-Magazin zählte ihn zu den herausragenden europäischen Autoren unter 30 Jahren.

Im Herbst 2018 wurde dann entdeckt, dass Relotius seine Reportagen im großen Umfang frei erfunden hatte. Dieser Medienskandal erschütterte den Journalismus bis ins Mark. Wie konnte es passieren, dass ein Autor über viele Jahre Geschichten kolportiert und dafür von Kollegen, renommierten Redaktionen und Preisgebern bewundert wird? 

Die Geschichte wird in der Dokumentation „Erfundene Wahrheit – die Relotius Affäre“ analysiert und aufgearbeitet. Und es lohnt sich, sich das mal anzuschauen. Deutlich wird, wie schnell der erzählerische Journalismus Traumwelten entwirft. Deutlich wird auch, dass es Journalisten mit einer „Liebe zur Wahrheit“ gibt; diese aber allerlei Widerstände zu ertragen haben. 

Der Film kann derzeit bei Amazon-Prime gestreamt werden: www.amazon.de.

Ich zeige euch, wie ich es fühle

Der expressive Individualismus (vgl. Carl Trueman) erobert Formate des Öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die FAZ stellt eine Studie der Otto-Brenner-Stiftung vor, die sogenannte „Presenter-Reportagen“, in denen das Erleben des Reporters im Mittelpunkt steht, untersucht hat. Das Ergebnis: Die Perspektiven und Erfahrungen der Reporter stehen noch stärker im Mittelpunkt, wodurch eine „Übersättigung“ der jungen Zuschauer mit „subjektiv präsentierten Inhalten“ drohe. Es geht also nicht mehr um die Information über „die Welt da draußen“, sondern um die Prästentation der eigenen Gefühle oder Werte. Die meist jungen Reporter fungieren sowohl als Hauptquelle als auch als Hauptakteur. 

Zitat (FAZ, 03.07.2025, Nr. 151, S. 15):

Fast alle der untersuchten Reportagen setzten auf eine „gefühlsorientierte Strategie der Zielgruppenansprache“, stellen die Autoren der Studie fest. Da verwundert es kaum, dass die erzählende Reportage das meistverwendete Format ist, das mit Selbstversuchen, Porträts oder Milieus arbeite. Eine Besonderheit der Beiträge: In 93 Prozent der Fälle werde die explizite Meinung der Reporter präsentiert.

Nicht nur deshalb bezeichnete schon eine Vorstudie aus dem Jahr 2023 die jungen „Presenter-Reportagen“ des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als „journalistische Grenzgänger“. In den fortführenden Formaten träten die Reporter in mehr als neun von zehn Filmen als Hauptquelle und Hauptakteur zugleich auf, während Protagonisten, Experten oder sonstige Akteure nur geringe Anteile hätten. Dabei sei fraglich, wie authentisch die Perspektive der Reporter wirklich ist. Grenzgänger seien diese Reportageformate auch deshalb, weil sie durch ihre Machart journalistische Konventionen unterliefen: In den Beiträgen seien Kriterien wie „Partizipativität“, „Authentizität“, „Exklusivität“ und „Emotionalität“ weitaus stärker ausgeprägt als übliche Kriterien wie „Transparenz, Vielfalt und Relevanz“.

Märchen für Erwachsene

Claas Relotius nannten manche in der SPIEGEL-Redaktion einen „Jahrhundertjournalisten“.  Über 40 Auszeichnungen hat er erhalten. Er galt unter den Journalisten als Supertalent. Der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen hat für die NZZ beschrieben, warum das wirklichkeitsfremde Storytelling so erfolgreich war und wie es schließlich – trotz massiver Widerstände in der Redaktion – von Juan Moreno aufgedeckt wurde.

Es gibt eine grosse, fundamentale Frage, die der Philosoph Immanuel Kant einmal formuliert hat. Was ist der Mensch? Man kann, wenn man das Buch des Journalisten Juan Moreno zu Ende gelesen hat, jenes Mannes, der den «Spiegel»-Fälscher und Branchen-Star Claas Relotius mehr oder minder im Alleingang entlarvte, eine ziemlich düstere Antwort formulieren. Sie lautet: Der Mensch ist das Wesen, das die Lüge liebt, bestätigungssüchtig, gefangen im Kokon der eigenen Vorurteile, von denen er auch dann nicht lassen will, wenn sich die Realität längst laut dagegen sperrt.

Was ist passiert? Juan Moreno, freier Autor des «Spiegels», hat einen der grössten Medienskandale in Deutschland aufgedeckt, Claas Relotius, einen gefeierten, mit Preisen überhäuften Reporter als Hochstapler demaskiert. Und er hat mit seinem neuen Buch, «Tausend Zeilen Lüge», ein Lehrstück verfasst, das von der Manipulationsanfälligkeit des Menschen handelt (und letztlich, aber dazu später, auch von der Möglichkeit, dem Irrtum und der Illusion zu entkommen).

Mehr: www.nzz.ch.

Grün ist die Redaktion

Der Politologe Wolfgang Bok beobachtet und beschreibt die Schieflage im deutschen Journalismus:

Während Interviews mit liberalen oder konservativen Politikern inquisitorischen Verhören gleichen, muss das grüne Spitzenpersonal kaum fürchten, dass sein moralischer Rigorismus mit praktischen Einwänden blossgestellt wird. Schliesslich entstammt man oft genug demselben postmaterialistischen, städtischen Milieu und teilt die grünen Ängste. Sorgen der Rechten, etwa wegen «ungesteuerter Zuwanderung» oder «Ausländerkriminalität», werden hingegen als böse Phobien abgetan. Eine Redaktorin des ZDF-Hauptstadtstudios erklärt via Twitter kurzerhand alle zu Nazis, die «nicht Grün wählen» [Anm. R.K.: Die ZDF-Reporterin Nicole Diekmann twitterte am Neujahrstag 2019: «Nazis raus».  Auf die Frage «Wer ist denn für Sie ein Nazi?» antwortete sie ironisch: «Jede/r, der/die nicht die Grünen wählt.»]. Selbst in Springers «Welt», die gemeinhin als konservativ gilt, habe eine anonyme Befragung unter den Mitarbeitern eine klare rot-grüne Mehrheit ergeben, verdeutlicht deren heutiger Vorstandschef Mathias Döpfner den wachsenden Hang zum links-grün geneigten Aktivismus.

Hier der NZZ-Artikel: www.wn.de.

Groteske Attacken

Wenn ein Intellektueller mal etwas sagt, was nicht in den Mainstream passt, muss er sich auf einiges gefasst an:

Wenn etwa Rüdiger Safranski, der am heutigen Dienstag den noch von Helmut Schmidtinitiierten Deutschen Nationalpreis erhält, schon vor Monaten im „Spiegel“ zu einem Stichwortgeber der Neuen Rechten stilisiert wurde, zu einem geistigen Brandstifter, der philosophisch die Dekonstruktion nicht kapiert habe und nun „fast verzweifelt“ versuche, „in der Welt außerhalb seines Wohnortes Badenweiler eine feste Struktur zu entdecken, mit der man sich gegen den Zustrom und gegen die Integrationsprobleme stemmen kann“ – dann ist das in seinem argumentativen Gehalt so billig, dürftig und drollig, so kahl und, ja, in der Herablassung auch brutal, dass die Projektion mit Händen zu greifen ist. Safranski ist ein überbordendes Erzähltalent, das mit Biographien über Schopenhauer, Heidegger oder Nietzsche ein Massenpublikum für die Philosophie gewann, ein Goethebuch als Bestseller verfasste und aus seinem idealistischem Vernunftbegriff keinen Hehl macht. Ihm völkische Badenweiler Weltfremdheit zu unterstellen, die sich an einem Substanzdenken ergötzte, ist, gelinde gesagt, Unfug.

Mehr: www.faz.net.

Journalisten sind grün und links

Eine neue Studien bestätigt die politisch linken Einstellungen von Journalisten in 17 Ländern. Es gibt in den Redaktionen durchschnittlich drei Mal so viele Grüne und Feministen wie im Rest der Bevölkerung.

Die BASLER ZEITUNG schreibt zur dänischen Studien:

Gestern wurden erste Resultate einer dänischen Studie veröffentlicht, welche die politischen Einstellungen von Medienschaffenden in 17 entwickelten Ländern – darunter der Schweiz – untersucht hat. Ziel war es, zu prüfen, ob Journalisten tatsächlich mehrheitlich politisch links eingestellt sind, wie ihnen ab und zu vorgeworfen wird. Die Studie basiert auf einzelnen Länderuntersuchungen, die zu einer übergreifenden Studie zusammengezogen wurden, und vergleicht die politischen Einstellungen der Redaktoren mit jenen der Bevölkerung. Die Daten aus der Schweiz stammen aus einer kürzlich durchgeführten Untersuchung von Marktagent.com, in deren Rahmen 332 Journalisten befragt wurden.

Die ersten Resultate der dänischen Studie unterstreichen das verbreitete Vorurteil. Am häufigsten stehen die Journalisten grünen Ideologien nahe, gefolgt vom Feminismus.

Leute mit nicht-linken Einstellungen sollten angesichts dieser tendenziösen Meinungsmache den Kopf nicht in den Sand stecken, sondern fleißig Fächer studieren, die den Weg für eine Journalistenlaufbahn eröffnen. Schließlich wollen die Menschen mehr als linke Sichtweisen hören und sehen.

Hier: bazonline.ch.

Die Infantilisierung des Journalismus

Beim Obama-Besuch überboten sich die elektronischen Medien im Vermelden von Banalitäten. Auf die Demokratie wirkt der Echtzeit-Journalismus verheerend. Edo Reents stellt für die FAZ fest, dass in der aktuellen Berichterstattung zur Geltung kommt, was früher allenfalls Kinder interessiert hätte:

Der Echtzeitjournalismus hat uns geistig auf den Wilhelminismus zurückgeworfen. Die Berichterstattung zum Deutschland-Besuch des amerikanischen Präsidenten hat aus interessierten Zeitgenossen Untertanen gemacht, die sich mit der Aufzählung von Banalitäten zufriedengeben müssen. Wir sind von Königskinderhochzeiten allerhand gewohnt: Wie sehen sie aus? Weint sie? Küssen sie sich? Passt der Ring? Regnet es? Man lässt sich dergleichen im Bewusstsein, dass das alles mit Politik nicht viel zu tun hat und die Bevölkerung offenbar hin und wieder ein Ventil für gewisse royalistische Neigungen braucht, noch gefallen und will auch niemandem die Freude daran nehmen.

Was soll man aber anfangen mit folgenden, laufend online zu lesenden Informationen: „Obama ist erstaunt über Berlins Hitze“, „Gauck weinte bei der amerikanischen Hymne“, „Obamas Dienstwagen ist ein mächtiges Gefährt“? Das Problem sind nicht die Informationen als solche, sondern, dass sie zu den politischen Nachrichten, die es ja auch gibt, in kein Verhältnis mehr gesetzt und nicht mehr hierarchisiert werden. Es ist, zumal bei dieser, tatsächlich auch vom Präsidenten bemerkten Hitze, nicht nur ungesund, den Ereignissen dermaßen hinterherzuhecheln wie die Online-Reporter; es verwirrt auch eine an Politik interessierte Öffentlichkeit.

Hier: www.faz.net.

MSNBC Interview mit Rob Bell

Martin Bashir hat kürzlich Rob Bell in seiner TV-Sendung zum neuen Buch Love Wins befragt. Es ist interessant, sich das Gespräch anzuschauen. Viel spannender ist allerdings ein Gespräch, das God and Culture mit dem Journalisten Martin Bashir einige Tage nach dem TV-Interview geführt hat. Bashir macht ausgesprochen wertvolle Anmerkungen zur Qualität des Journalismus.

Hier geht’s zum Gespräch: www.godandculture.com.

Denis Dutton (1944–2010)

Denis Dutton, neuseeländischer Autor und Philosophieprofessor, war Herausgeber der Internetseite Arts & Letters Daily sowie von 1995–1998 Veranstalter des »Wettbewerbes für schlechtes Schreiben« (Bad Writing Contest). Bei diesem Wettbewerb wurden Geisteswissenschaftler ermittelt, die durch einen besonders unverständlichen Schreibstil aufgefallen sind.

Ruhm erreichte der Wettbewerb, als Judith Butler, die »Mutter« der postmodernen Gender Mainstream-Philosophie, vierte Preisträgerin wurde. Sie gewann den Preis für folgenden Satz:

The move from a structuralist account in which capital is understood to structure social relations in relatively homologous ways to a view of hegemony in which power relations are subject to repetition, convergence, and rearticulation brought the question of temporality into the thinking of structure, and marked a shift from a form of Althusserian theory that takes structural totalities as theoretical objects to one in which the insights into the contingent possibility of structure inaugurate a renewed conception of hegemony as bound up with the contingent sites and strategies of the rearticulation of power.

Dutton bemühte sich stets um faire Diskurse und hat deshalb unter anderem auch den Kritikern der heute prominenten Klimatheorien ein Forum eingeräumt. Am 28. Dezember ist Denis Dutton im Alter von 66 Jahren an Krebs verstorben.

Hier ein kurzer Nachruf der Zeitung Der Standard: derstandard.at.

VD: JS

Killerspiele sind harmloser als Bibel und Koran

Ein Jahr nach dem Amoklauf von Winnenden ist die Debatte um sogenannte Killerspiele weitgehend verstummt. Wohl auch, weil es kaum Argumente für ein Verbot gibt. Im Gegenteil: Die größten Massenmörder der Geschichte kannten keine Killerspiele. Und konsequenterweise müsste es, so schreibt Gideon Böss weiter, zunächst ein Verbot von Bibel und Koran geben.

Niemand tötet im Namen von Counter-Strike, im Namen von Religionen hingegen schon. Die Bibel steckt voller Aufrufe zur Gewalt. Von daher müsste eigentlich erst einmal ein Verbot von Religionen gefordert werden. Aber keiner der Killerspiel-Gegner setzt sich dafür ein. Offenbar haben Religionen eine bessere Lobby. Es schreibt ja auch niemand Killerbuch, wo die Bibel oder der Koran gemeint sind.

Ich gratuliere WELT Online. Das ist Qualitätsjournalismus!

Hier der vollständige Beitrag: www.welt.de.

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