Niederlande

Kultur des Todes (11): Gericht erlaubt aktive Sterbehilfe bei Demenzkranken

In einer Patientenverfügung hatte eine Frau erklärt, dass sie im Fall einer schweren Demenz sterben möchte. Als sie an Alzheimer erkrankt, leistet eine Ärztin aktive Sterbehilfe, obwohl die Frau diese inzwischen ablehnt. Für das höchste Gericht der Niederlande war das Vorgehen rechtens. Das Urteil gilt dem Land als wegweisend und wird wohl eine Kultur des Todes weiter fördern. Das passt irgendwie nicht zu einer Kultur, die derzeit (angeblich) Gesundheit und Selbstbestimmung über alles andere stellt.

Die FAZ berichtet kurz darüber:

Es geht um den Fall einer 74 Jahre alten Frau, die schriftlich erklärt hatte, dass sie im Fall unerträglichen Leidens sterben wolle, „wenn ich denke, dass die Zeit dafür reif ist“. Kurz darauf erkrankte die Frau schwer an Alzheimer’scher Demenz. Sie äußerte mehrmals den Wunsch, zu sterben, erklärte aber, der richtige Zeitpunkt sei noch nicht gekommen. Auf entsprechende Gespräche mit dem Hausarzt reagierte sie abweisend. Als die Frau in ein Pflegeheim umzog, bat der Ehemann einen Arzt der Einrichtung, sie auf Grundlage der Patientenverfügung zu töten. Die Frau lehnte das bei verschiedenen Gelegenheiten ab, so schlimm sei es noch nicht.

Zwei Ärzte äußerten, die Voraussetzungen für aktive Sterbehilfe seien erfüllt: Das Leiden sei unerträglich und nicht behandelbar, der Todeswunsch freiwillig und durchdacht. Die Familie der Patientin beschloss daraufhin, dass sie getötet werden solle. Ohne deren Wissen verabreichte eine Ärztin der Frau zuerst ein Beruhigungsmittel und dann ein tödliches Medikament. Dabei wachte die Patientin auf und wehrte sich, wurde von ihren Angehörigen aber festgehalten, bis sie starb.

Interessant, wie DER SPIEGEL das ablehnende Verhalten der Frau sprachlich abbildet:

Doch zum Zeitpunkt der Sterbehilfe war sie nicht mehr ansprechbar und schien sich gegen die Spritze zu wehren.

Die SZ erkennt „ein wegweisendes Urteil in einem Land, das schon seit Jahren Vorreiter bei dem Thema ist“ und gibt die Beurteilung eines ausführlichen Gutachtens wieder. Die Argumentation ist frappierend. Vorausgesetzt wird zunächst die Kontinuität einer Persönlichkeit. Das ist begrüßenswert, da damit einer Person eine Identität zugestanden wird. Dann wird freilich davon gesprochen, dass das „frühere Selbst“ gegenüber dem aktuellen Selbst einen Vorrang erhalte. Der Gesetzgeber spricht dem Arzt einen Spielraum zu. Er kann sorgfältig auswählen, welchem „Selbst“ er eine größere Autorität beimisst.

Das klingt dann so:

Das sehr ausführliche Gutachten des Generalstaatsanwalts liegt dem Urteil des Hohen Rats als nähere Ausführung bei. Es stützt sich auf das Konzept der „precedent autonomy“ bei Dementen. Es geht von einer Kontinuität der Persönlichkeit aus, wobei jene Phase, in welcher der Patient noch bei vollerem Verstand ist, den Vorrang erhält hinsichtlich der Beurteilung seines Schicksals. Das „frühere Selbst“ wache über die Belange des „gegenwärtigen Selbst“. Auf diese Weise könnten Menschen ihre „kritischen Interessen“, ihre Identität und die von ihnen bevorzugte Lebensgeschichte bestmöglich in eine Form bringen. Auch könne ein Mensch auf diese Weise am ehesten vermeiden, in eine Lage zu geraten, die absehbar aussichtsloses Leiden für ihn bedeute. Der Gesetzgeber lasse dem Arzt einen „Beurteilungsspielraum“, um den schriftlich geäußerten Wunsch nach Sterbehilfe zu interpretieren.

Die Büchse der Pandora ist geöffnet. Wir werden uns eines Tages für diese lebensfeindliche Kultur vor Gott verantworten müssen!

Mehr: www.faz.net.

VD: TJ

Wie sterben wir im Jahr 2030?

Noch im Juli meldete SPIEGEL Online, dass die Legalisierung der aktiven Sterbehilfe in den Niederlanden nicht dazu geführt habe, dass mehr Menschen durch die Hand eines Arztes sterben. Unter Berufung auf eine niederländische Studie schrieb das Magazin:

In den Niederlanden hat die Legalisierung der aktiven Sterbehilfe zufolge nicht dazu geführt, dass mehr Menschen auf diese Weise sterben. Das berichten Wissenschaftler der Universitätskliniken in Rotterdam und Amsterdam im britischen Medizinjournal „Lancet“. Weniger als drei Prozent aller Menschen, die im Jahr 2010 in den Niederladen starben, kamen demnach durch aktive Sterbehilfe oder ärztliche Hilfe bei der Selbsttötung ums Leben – in absoluten Zahlen waren das 475 von 6861 Todesfällen. Dies entspreche dem Verhältnis vor der Legalisierung im Jahr 2002.

Am 25. September 2012 deutet die Dutch News das Ergebnis der Studie anders. Im letzten Jahr gab es 3695 Mal Beihilfe beim Sterben und damit hat sich die Zahl seit 2006 fast verdoppelt. Die Euthanasie-Rate liegt insgesamt bei 2,8 Prozent. Die Entwicklung sie so aus (siehe dazu auch hier):

2006 = 1923 gemeldete Fälle von Sterbehilfe
2007 = 2120 gemeldete Fälle von Sterbehilfe
2008 = 2331 gemeldete Fälle von Sterbehilfe
2009 = 2636 gemeldete Fälle von Sterbehilfe
2010 = 3136 gemeldete Fälle von Sterbehilfe
2011 = 3695 gemeldete Fälle von Sterbehilfe

In den Niederlanden kommt also das Sterben auf Verlangen in Mode. Wie werden wir in Deutschland im Jahre 2030 sterben? Oliver Tolmein hat ein Szenario für den schlimmsten Fall entworfen. Aus der Perspektive der einen klingt das alles vorzüglich: mehr Selbstbestimmung, weniger leidende Patienten und eine beachtliche Kostenersparnis. Aus einer anderen Perspektive klingt das alles sehr nach einer gewollten Kultur des Todes.

Hier: www.faz.net.

Niederlande: Übergriffe auf Juden häufen sich

Ich habe im Dezember 2010 darauf verwiesen, dass sich in den Niederlanden die Situation für die Juden zunehmend verschlechtert und ein prominenter Politiker die Orthodoxen unter ihnen aufgefordert hat, das Land zu verlassen. Ein aktueller Beitrag des DLF bestätigt diese Meldung und deutet darüber hinaus an, dass erste bekennende Juden das Land tatsächlich verlassen, weil der Antisemitismus unerträglich geworden ist.

Hier der Beitrag:

[podcast]http://podcast-mp3.dradio.de/podcast/2011/04/14/dlf_20110414_0954_ad98cea6.mp3[/podcast]

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