Thomas Schirrmacher

OSZE Konferenz zu »Intoleranz gegen Christen«

Erstmals in der Geschichte der 1975 in Helsinki entstandenen Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) wurde eine eigene Konferenz zum Thema »Intoleranz und Diskriminierung gegen Christen« veranstaltet.

Mehr als 60 Vertreter von Staaten, NGOs, Universitäten sowie »Think Tanks« nahmen teil. Thomas Schirrmacher hat das Internationale Institut für Religionsfreiheit der Weltweiten Evangelischen Allianz vertreten:

Der deutsche Religionssoziologe Thomas Schirrmacher … betonte, dass das Aufzeigen von Diskriminierung von Gläubigen im Westen zwar prinzipiell eine andere Dimension als das Aufzeigen echter Verfolgung im Osten habe. Dennoch sei das Augenmerk auch auf den Westen für die Glaubwürdigkeit der OSZE wichtig. Würde die OSZE nämlich nur auf die – tatsächlich gravierenden Missstände – in den ehemaligen Sowjetrepubliken hinweisen, wäre schnell der Vorwurf der Einäugigkeit zur Hand.

Schirrmacher kritisierte die Darstellung der Evangelikalen in deutschen Medien und bei einigen deutschen Linkspolitikern. Evangelikale würden zum Teil auf eine Linie mit Islamisten gestellt und mit dem Verdacht der Gefährlichkeit belegt. Es gebe Erfahrungen aus Schulen, wo Schüler aus evangelikalem oder freikirchlichem Elternhaus ausgegrenzt würden.

Hier die vollständige Meldung: www.kathweb.at.

»Der Hass fanatisierter Menschen auf das andere«

Till-R. Stoldt hat für DIE WELT mit meinem Chef Thomas Schirrmacher über die Ursachen der Christenverfolgung gesprochen. Leserbriefe sind willkommen, da das Thema allgemein in den Medien zu wenig Beachtung findet.

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Zu dem Interview geht es hier: www.welt.de.

Der Koran fiel vom Himmel, die Bibel nicht

Nachfolgend ein Interview mit dem Religionswissenschaftler und Theologen Thomas Schirrmacher über sein neues Buch »Koran und Bibel«:

Theoblog: Professor Schirrmacher, den Inhalt von Koran und Bibel zu vergleichen, ist sicher interessant, aber sich dabei nur auf ihr Selbstverständnis als ›Gottes Wort‹ zu beschränken – ist das sinnvoll?

TS: Nun, es hat viel mit der Fundamentalismusdebatte zu tun. Evangelikalen, die die Bibel für zuverlässig halten, wird oft vorgeworfen, sie hätten dasselbe fundamentalistische Schriftverständnis wie Muslime. Das ist einfach nicht wahr. Die wissenschaftliche Arbeit am Bibeltext geht etwa auf die Kirchenväter zurück, wurde von den Reformatoren zugrunde gelegt und der pietistische Vater Johann Albrecht Bengel hat eine wichtige textkritische Ausgabe des Neuen Testamentes vorgelegt. Etwas Entsprechendes gibt es bei frommen Muslimen bis heute nicht, weil der Koran gar nicht als menschlicher Text gilt.

Vergleicht man die beiden größten Weltreligionen, in denen ein einzelnes Buch als Heilige Schrift und ›Gottes Wort‹ eine zentrale Rolle spielt, zeigt sich, dass das Verständnis ihres jeweiligen Buches unterschiedlicher kaum sein könnte. ›Wort Gottes‹ ist hier überhaupt nicht gleich ›Wort Gottes‹. Oder anders gesagt: Der fundamentale Unterschied von Christentum und Islam kann allein schon am jeweils traditionellen Verständnis ihrer heiligen Bücher und an deren Selbstverständnis aufgezeigt werden.

Theoblog: Können Sie ein Beispiel nennen?

TS: Der Koran war aus islamischer Sicht als ewige ›Mutterschrift‹ im Himmel immer schon fertig und wurde nur offenbart. Deswegen ist er allein Gottes Wort und hat keine menschliche und irdische Entstehungsgeschichte und keinen menschlichen Autor. Die Bibel dagegen entstand aus christlicher Sicht historisch in Jahrtausenden und wurde von vielen Menschen geschrieben. Sie ist nicht deswegen Gottes Wort, weil keine Menschen an ihr beteiligt waren, sondern weil Gottes Geist diese Menschen mit ihren ganz unterschiedlichen Persönlichkeiten inspiriert hat.

Theoblog: Ist das nicht eine moderne Sicht?

TS: Nein, schon der Kirchenvater Clemens von Alexandrien oder die gesamte frühe Theologie seit Origenes legte größten Wert darauf, dass der Heilige Geist die Persönlichkeit der Autoren nicht ausgeschaltet, sondern eingeschaltet habe und wir in der Bibel die typische Sprache eines Mose, David oder Paulus vor uns haben. Schon lange vor Mohammed verstanden Christen unter ›Wort Gottes‹ in Bezug auf die Bibel etwas völlig anderes als Muslime, wenn sie den ›Koran‹ als Wort Gottes bezeichneten.

Theoblog: Aber ist denn Jesus nicht sowieso wichtiger als die Bibel?

TS: Ja, sicher. Im Mittelpunkt des Islam steht unter Gott der Koran, also ein Buch, weil es aus der Ewigkeit in die Welt gesandt wurde. Im Mittelpunkt des Christentums steht neben Gott Jesus Christus, also eine Person, weil sie aus der Ewigkeit in die Welt gesandt wurde. Im Islam steht der Religionsstifter Muhammad unter der Heiligen Schrift. Er erhält seine Bedeutung von der Schrift, da er ihr Empfänger und Verkündiger ist. Im Christentum steht der Religionsstifter Jesus über der Heiligen Schrift. Sie erhält ihre Bedeutung von ihm. Jesus ist das eigentliche ›Wort Gottes‹, die Schrift legt als ›Wort Gottes‹ von ihm Zeugnis ab. Nur ist das ja nichts Neues, das haben alle Christen seit 2000 Jahren so gesehen, und auch Evangelikale sehen das nicht anders.

Theoblog: Sind Evangelikale Fundamentalisten?

TS: Also zunächst einmal: Fundamentalisten sind immer die anderen! Mit solch emotionalen Totschlagwörtern ist nur schwer umzugehen und seriöse Menschen sollten sie entweder meiden oder vorher klar definieren. Zudem: Man kann mit jeder Weltanschauung Fundamentalist sein, auch etwa mit einer grünen Ideologie. Also ist immer erst einmal die Frage, was man darunter versteht. Versteht man unter Fundamentalist, dass man seine eigene Sicht mit Gewalt und Zwang durchsetzen will, dann stehen Evangelikale dem Fundamentalismus bestimmt konträr gegenüber, oder haben Sie schon einmal Angst vor einem evangelikalen Selbstmordattentäter gehabt oder befürchtet, ein Evangelikaler könnte Sie um ihren Arbeitsplatz bringen? Versteht man unter Fundamentalismus wie in der Religionswissenschaft üblich den Wunsch, den ursprünglichen Zustand der eigenen Religion wiederherzustellen – also etwa die Zeit Mohammeds oder der Urgemeinde –, so gilt das im christlichen Bereich nur für kleine Gruppen, die zudem gerade deswegen meist pazifistisch sind. Die Masse der Evangelikalen und Bibeltreuen wollen jedenfalls nicht den Zustand des 1. Jahrhunderts wieder herstellen – dazu ist etwa ihr Gottesdienststil alleine schon viel zu modern.

Theoblog: Der baptistische Theologieprofessor Strübind hat den ›Bibeltreuen‹ kürzlich vorgeworfen, sie vergewaltigten den Verstand und seien dialogunfähig.

TS: Der Verstand ist ein herausragendes Beispiel für unsere Ebenbildlichkeit Gottes und war schon für die Kirchenväter ein wichtiges Werkzeug für das Studium der Bibel. Bis heute halten sehr intelligente Leute die Bibel für zuverlässig. Prof. Strübind hat wohl die Falschen getroffen.

Wir hatten auf dem Kirchentag eine große Diskussion zur Bibelfrage. Es ging kontrovers zu, aber ich wurde fair behandelt und alle Beteiligten arbeiteten auf eine Verständigung hin. Ich bin international an solchen Gesprächen beteiligt, etwa beim Weltkirchenrat oder orthodoxen Patriarchaten. Das sind fruchtbare Gespräche für beide Seiten. Dialogunfähigkeit und fehlende Dialogbereitschaft – wie sie Strübind selbst ja massiv an den Tag legt – gibt es bei Theologen und Menschen aller Richtungen, aber ich kann nicht erkennen, dass dies bei Evangelikalen oder Bibeltreuen wirklich sehr viel häufiger vorkommt, als bei anderen.

Theoblog: Sie haben vor Jahren die deutsche Ausgabe der Chicagoerklärung ediert. Ist die Chicagoerklärung unfehlbar?

TS: Natürlich nicht. Die Chicagoerklärung war ein Versuch evangelikaler Theologieprofessoren in den USA, sich einerseits gegen einen kritischen Umgang mit der Bibel abzusetzen, andererseits aber auch gegenüber Christen, die den wissenschaftlichen Umgang mit der Bibel grundsätzlich verneinen – letzteres wird von ihren Gegnern oft geflissentlich übergangen, obwohl es erhebliche Teile der Thesen bestimmt. Und 25 Jahre später ist aus der internationalen Diskussion klar geworden, dass man heute manches besser machen würde.

Theoblog: Können Sie uns ein Beispiel dafür nennen?

TS: Ja. Man hat etwa typisch amerikanisch die ganze Bibelfrage völlig losgelöst von der restlichen Dogmatik diskutiert, so dass etwa davon, dass Jesus das erste und wichtigste Wort Gottes ist, nirgends die Rede ist. Auch die bibeltreue europäische Theologie ist da immer anders vorgegangen. Gott offenbart sich in Jesus Christus und die Bibel ist das Buch, das ihn ankündigt, ihn bezeugt und das Heil in Christus verkündigt.

Ich habe gerade in meinem neuen Buch thematisiert, dass im Islam der Religionsstifter unter dem heiligen Buch steht und von diesem autorisiert wird, während im Christentum der Stifter über dem heiligen Buch steht und das Buch von ihm autorisiert wird. Das stand 1978 in den USA nicht zur Debatte und wurde aber damals gleichwohl von allen Beteiligten geteilt, aber leider eben nicht gesagt.

Theoblog: Wie sind Sie denn zu dem Thema Ihres neuen Buches gekommen?

TS: Ich bin seit vielen Jahren an der Diskussion um das richtige Verständnis der Heiligen Schrift beteiligt, als selbstkritischer Vertreter einer evangelikalen Sicht. Ich bin im Gespräch mit Muslimen und Menschen in islamischen Ländern und für die Weltweite Evangelische Allianz engagiert. Wir haben zudem eines unserer Studienzentren in der Türkei, wo ich regelmäßig unterrichte und mit orientalischen Kirchen im Gespräch bin. Ich bin Religionswissenschaftler und mit einer kompetenten Islamwissenschaftlerin verheiratet. All das legte nahe, einmal den Versuch zu wagen, diese Themen und Arbeitsbereiche zu verbinden und das ›Wort-Gottes-Verständnis‹ von Islam und Christentum miteinander zu vergleichen. Das erste Mal habe ich das in einer Vorlesung in der Türkei getan.

Theoblog: Wir danken Ihnen für das Interview!

Download des Interviews als PDF: ts_koranbibel.pdf

Thomas Schirrmacher, Bibel und Koran – Die größten Religionen im Vergleich, Reihe: kurz und bündig, Holzgerlingen: Hänssler-Verlag, 2008. 128 S., 7,95 EUR

Evangelikale Reaktion auf muslimische Verständigungsinitiative

Die Weltweite Evangelische Allianz (WEA) hat in einem Schreiben einen eigenen Beitrag zu einer christlich-muslimischen Verständigungsinitiative geleistet. Das Dokument, das am 11. März veröffentlicht wurde, ist eine Antwort auf ein Gemeinsames Wort von 138 muslimischen Geistlichen, das diese zum Ende des Fastenmonats Ramadan im Oktober an den Vatikan, die orthodoxen Kirchen, den Weltkirchenrat, die anglikanische Weltgemeinschaft sowie die Weltbünde der Lutheraner, Reformierten, Baptisten und Methodisten gerichtet hatten. Darin wiesen sie auf Gemeinsamkeiten in der Bibel und im Koran hin, insbesondere auf das Doppelgebot, Gott und den Nächsten zu lieben.

In dem vom Direktor des Internationalen Instituts für Religionsfreiheit der WEA, Prof. Thomas Schirrmacher (Bonn), verfassten und von ihrem Internationalen Direktor, Geoff Tunnicliffe (Markham), unterzeichneten Antwortschreiben lädt die Dachorganisation von rund 420 Millionen Evangelikalen Muslime zu Gesprächen über Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden großen Weltreligionen ein: »Lassen Sie uns im direkten Gespräch über unsere Differenzen sprechen und versuchen, einander durch gute Argumente zu überzeugen, ohne Gewalt und Androhung von Gewalt, und damit über die Differenzen in den politischen Strategien oder in der Handlungsweise der Regierungen hinauszugehen.«

Die WEA betont die Verpflichtung der Christen zum Frieden, wie sie etwa in der Bergpredigt Jesu oder in den Briefen des Apostels Paulus zum Ausdruck kommen. Die Weltallianz geht auch auf den Aufruf der muslimischen Gelehrten an Christen ein, Muslime zu werden, indem sie »Gott anbeten sollen, ohne ihm einen Partner zur Seite zu stellen«. Diese Einladung könne man nicht annehmen. Im Gegenzug lädt die Allianz Muslime zum Glauben an den Gott ein, »der unseren Widerstand gegen ihn und unsere Sünde durch das vergibt, was sein Sohn Jesus Christus für uns am Kreuz getan hat«. Es gehe nicht darum, Streit zu suchen. Vielmehr seien Christen von der Wahrheit ihres Glaubens ebenso überzeugt wie Muslime von ihrer. Die Allianz verweist unter anderem auf das Jesus-Wort »Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich« (Johannes 14,6).

Die fundamentalen Unterschiede im Gottesverständnis zwischen Islam und dem christlichen Glauben seien der Allianz bewusst. Zum besseren Verstehen werde es langer, aufrichtiger Gespräche bedürfen. Auch beim Verständnis der Liebe Gottes bestünden tiefe Differenzen. So glaubten Christen im Unterschied zu Muslimen, dass der Tod Jesu am Kreuz der größte Beweis der Liebe Gottes zu den Menschen sei. Man werde die Unterschiede jedoch niemals zum Vorwand nehmen, Muslime nicht zu lieben oder den Frieden zu gefährden.

Die WEA kommt auch auf die Religionsfreiheit als Menschenrecht zu sprechen. Man wolle, dass Christen und Muslime in Frieden zusammenleben können. Frieden werde man nicht dadurch erreichen können, dass man sich zunächst in allen Unterschieden einig werde. Vielmehr sollte man den Anhängern aller Religionen ermöglichen, ihren jeweiligen Glauben in vollem Maße auszuüben und zu verbreiten, und allen Menschen erlauben, ihre Religionszugehörigkeit frei zu wählen.

Die WEA bringt ferner Bedenken auf drei Gebieten zum Ausdruck. Sie bittet Muslime, zwischen dem christlichen Glauben und der westlichen Welt zu unterscheiden. Das Christentum sei keine westliche Religion, und die Mehrheit der Menschen im Westen lebten nicht nach Gottes Willen. Zum zweiten zeigt sich die Allianz verwundert, dass die Muslime davon sprechen, dass Christen Krieg gegen Muslime wegen ihrer Religion führten, sie unterdrückten und vertrieben. »Wo führen Christen Krieg gegen Muslime?« fragt die Allianz. Die dritte Sorge betreffe das Schicksal von Christen in überwiegend muslimischen Ländern. Oft sei es ihnen nicht gestattet, ihren Glauben ungehindert auszuüben; manche säßen in Haft, andere würden ermordet. Man bitte darum, den Christen das gleiche Maß an Frieden und Gerechtigkeit zukommen zu lassen, wie den dort lebenden Muslimen.

Im November 2007 hatten bereits eine große Anzahl christlicher Theologen eine Antwort auf die muslimische Verständigungsinitiative unter dem Titel »Gott und den Nächsten zusammen lieben« in der Zeitung New York Times veröffentlicht. Darin wurde die Gottes- und Nächstenliebe als »zentrale Gemeinsamkeit« der beiden Religionen bekräftigt. Das Papier wurde heftig kritisiert, da die Unterschiede zwischen den Religionen verwischt und die Bedeutung von Jesus Christus relativiert wurde.

Das originale Dokument gibt es hier: We_Too_Want_to_Live_in_Love.pdf. Eine deutsche Übersetzung kann heruntergeladen werden unter: WeToWant.pdf.

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