Universalismus

Bücher, Rezensionen

Der Universalismus des David Bentley Hart

David Bentley Hart, Professor an der University of Notre Dame (USA), gilt als einflussreicher akademischer Theologe in der heutigen englischsprachigen Welt. Mit seinem Buch That All Shall Be Saved: Heaven, Hell, and Universal Salvation (dt. „Dass alle gerettet werden: Himmel, Hölle und universale Erlösung“) hat der orthodoxe Christ eine Allerlösungslehre vorgelegt. Michael McClymond hat die Darlegung  kritisch gelesen. 

Hier ein Auszug:

In That All Shall Be Saved umgeht Hart die Kraft biblischer Passagen, die seinen Universalismus untergraben, indem er argumentiert, dass keine der „eschatologischen Formulierungen des Neuen Testaments … als etwas anderes als eine intentionale heterogene Phantasmagorie verstanden werden sollte, deren Absicht ebenso sehr darin besteht, zu desorientieren wie zu belehren“. Er fügt hinzu: „Je genauer man sich die wilde Mischung von Bildern ansieht …, desto mehr löst sich das Bild in Evokation, Atmosphäre und Dichtung auf“. Hier hebt sich Harts Argumentation selbst auf, denn wenn die biblischen Autoren nichts als evokative Phrasen und Symbolik bieten, dann kann weder der Universalist noch der Partikularist auf der Grundlage der Schrift irgendetwas Gesichertes über das Leben nach dem Tod behaupten. Um die universale Erlösung aufrechtzuerhalten, ist Hart bereit, nicht nur die endlose Dauer des Himmels (siehe oben) infrage zu stellen, sondern auch die Autorität der Schrift und den erkennbaren Inhalt der göttlichen Offenbarung.

Wie andere universalistische Exegeten hat auch Hart in seiner biblischen Sichtweise blinde Flecken. Wie andere Anhänger Origenes’ hält er an einem eher überredenden als zwingenden Modell für Gottes Überwindung des Bösen fest. Doch 2. Mose und Offenbarung zeigen, dass das Böse nicht immer auf sanfte Überredung reagiert, sondern manchmal durch überlegene Macht besiegt werden muss. Der Pharao wird letztlich nicht überredet, sondern durch die Macht Jahwes vernichtet. Auch dem Tier, dem Teufel und dem falschen Propheten wird das Böse nicht ausgeredet, sondern sie werden gefasst und in den Feuersee geworfen. In all diesen Fällen ist die Ausübung der Macht Gottes zur Überwindung des Bösen etwas Gutes und nicht etwas Böses. Die himmlischen Heiligen rufen „Halleluja!“, als der monströsen Bosheit Babylons endgültig und vollständig ein Ende bereitet wird (vgl. Offb 19,1–5).

Mehr: www.evangelium21.net.

Paulus

War Paulus ein Allversöhner?

In Deutschland hat die Lehre von der Allerlösung, auch Universalismus oder Allversöhnung genannt, durch die bei Prof. Dr. Hans-Joachim Eckstein 2007 in Tübingen eingereichte Dissertation von Jens Adam einigen Auftrieb erhalten (Jens Adam, Paulus und die Versöhnung aller, 2009). Das besonders auch unter den Evangelikalen, denn außerhalb dieser Kreise ist der Universalismus sowieso die Communis Opinio.

Das Magazin CREDO hat nun die gekürzte Ausgabe einer Studie zum vermeintlichen Heilsuniversalismus bei Paulus veröffentlicht. Autor ist Joshua M. Greever,  Professor für Neues Testament an der  Grand Canyon University in Phoenix, AZ (USA). Greever schreibt:

Es gibt zwar zahlreiche Abstufungen innerhalb des Universalismus, aber der gemeinsame Nenner ist, dass ohne Ausnahme alle Menschen eines Tages gerettet werden und, negativ ausgedrückt, dass niemand eine ewige Strafe erhalten wird. Der Universalismus ist in letzter Zeit auch in evangelikale Kreise vorgedrungen. Obwohl er typischerweise mehr auf theologischen oder philosophischen Grundlagen beruht als auf einer nachhaltigen exegetischen Analyse, suchen evangelikal orientierte Universalisten gelegentlich in der Heiligen Schrift, sogar beim Apostel Paulus, nach Unterstützung. Insbesondere Paulus’ gelegentlicher Gebrauch der universellen Sprache zur Beschreibung des Umfangs der Errettung bietet, so wird argumentiert, eine ausreichende exegetische Rechtfertigung, um Paulus als Allversöhner zu deuten. Für unsere Zwecke wird Paulus’ gelegentlicher Gebrauch der universellen Heilssprache einen geeigneten Ausgangspunkt bieten. Wir werden kurz beschreiben, was diese Texte sagen und warum sie so häufig zur Unterstützung universalistischen Paulus zitiert werden. Dann werden wir die allversöhnerische Auslegung dieser Texte auf der Grundlage kritisieren, dass sie weder mit dem unmittelbaren literarischen Kontext der Texte noch mit dem breiteren soteriologischen Rahmen des Paulus übereinstimmen.

Mehr: credomag.com.

Akzente, Theologie

Werden alle Menschen gerettet?

Will all Be Saved?Werden alle Menschen gerettet? Es gibt nur wenige so sensible Fragen wie diese. Es ist so gut wie sicher, dass Antworten – wie immer sie ausfallen – emotionale Reaktionen hervorrufen. Für viele bedeutet die Antwort „nein“, den Charakter Gottes zu gefährden. Ein Gott, der nicht jeden rettet, kann nämlich kein Gott der Liebe sein. Als Reaktion darauf rütteln manchmal Evangelikale an Texten, die sagen, dass Jesus der einzige Weg ist, oder an Texten, die die Lehre von der Hölle lehren, wobei sie immer den Kern der Sache vernachlässigen: eben den Charakter Gottes selbst.

In Deutschland hat die These, Paulus sei ein Universalist gewesen, durch die Dissertation Paulus und die Versöhnung aller von Jens Adam (Tübingen, 2008, unter Hans-Joachim Eckstein und Hermann Lichtenberger) auftrieb erhalten. Für Adam ist „Denn Gott hat alle eingeschlossen in den Ungehorsam, damit er sich aller erbarme“ (Röm 11,32) ein zentraler Vers zum Verständnis des – wie er meint – paulinischen Universalismus (Paulus und die Versöhnung aller 2009, S. 406):

Die Aussage von Röm 11,32 ist im Duktus des paulinischen Gedankengangs nicht nur innerhalb des Römerbriefs, sondern darüber hinaus als Zeugnis der paulinischen Christo-Logik insgesamt als prägnanter Beleg für den paulinischen Heilsuniversalismus zu begreifen. Dieser selbst stellt sich in höchst differenzierter wie reflektierter Weise dar. Das Heil des einzelnen Menschen wie des gesamten κόσμος liegt allein und ausschließlich in Jesus Christus beschlossen; eine wie auch immer begründete ‚Allversöhnung‘, die vom Bekenntnis zu diesem κύριος absehen möchte, ist eine paulinische Denk-Unmöglichkeit. Demzufolge geht der paulinische Heilsuniversalismus zwingend mit dem Signum des Glaubens an Jesus Christus einher, und remoto Christo hat der Mensch nichts als die gerechte Verurteilung vor dem Richterstuhl Gottes resp. Christi zu gewärtigen. Als Vater Jesu Christi bleibt Gott zugleich der Schöpfer, dessen Heilswillen in Jesus Christus von Ewigkeit her Bestand hat. Dem paulinischen Heilsuniversalismus nach fällt sich Gott selbst ins verurteilende Richterwort, begnadigt den zu Recht Verurteilten aufgrund seines umfassenden Erbarmens und spricht ihn also frei.

Die neue Ausgabe der Zeitschrift Credo hält viele interessante Artikel zum Thema bereit. Enthalten sind Beiträge von Archibald Alexander, Alan Gomes, Michael McClymond, Matthew Barrett, Glenn Butner, J. V. Fesko, Daniel Treier, Denny Burk, Joshua Greever, Todd Pruitt, Scott Smith und Matt Neidig.

Joshua Greever geht der Frage nach, ob Paulus ein Universalist war und schreibt zu Römer 11,32:

Auch die Interpretation von Römer 11,32 wird durch die Analyse des unmittelbaren literarischen Kontextes verdeutlicht. Dieser Vers schließt die heilsgeschichtliche Frage des Paulus in Römer 9–11 über die Erlösung Israels ab. Während es zahlreiche Meinungsverschiedenheiten über die genaue Identität „ganz Israels“ in 11,26 und den Begriff „Fülle“ (Römer 11,12,25) gibt, legt der Kontext nahe, dass es sich nicht um die Rettung eines jeden Menschen ohne Ausnahme, sondern um die Rettung von Volksgruppen handelt: Juden und Heiden.

Das deckt sich mit den Ausführungen von Eckhard J. Schnabel in seinem Kommentar zum Römerbrief (Der Brief des Paulus an die Römer, Bd. 2, 2016, S. 526–527):

Gott hat alle „dem Ungehorsam“ (εἰς ἀπείθειαν [eis apeitheian]) ausgeliefert bedeutet im Anschluss an das wiederholte παρέδωκεν [paredōken] von 1,24.26.28: Gott hat alle, nicht nur die Heiden, sondern auch die Juden, ihrem Ungehorsam und dessen Folgen überlassen, er hat sie „als Ungehorsame herausgestellt“. Die Geschichte der Menschheit ist eine Geschichte des Ungehorsams gegen Gott, in der „Gott die Abwendung der Menschen von ihm nicht bremst oder in ihrer Wirkung abmildert, sondern sich in all ihrer Destruktivität auswirken läßt“.378 Die Formulierung kombiniert Gottes souveränes Handeln, was den Ungehorsam von Juden und Heiden betrifft, mit der Verantwortung des einzelnen Juden und Heiden für seinen Ungehorsam. Dieselbe Gleichzeitigkeit von Gottes Souveränität und menschlicher Verantwortung haben wir in 1,18–3,20 bzw. 5,12–21 beobachtet. Das Ziel des Heilshandelns Gottes wird in V. 32b beschrieben: damit er sich aller erbarme (V. 32b). Mit „allen“ (πάντες [pantes]) sind Juden und Heiden gemeint, ohne dass der Gedanke der Allversöhnung (Apokatastasis) eingetragen werden darf.

Lietzmann spricht von der Ahnung eines tiefsten und beseligenden Geheimnisses, von der festen Zuversicht, „daß Gott alles zum Guten führen wird“, eine Zuversicht, die „siegreich“ durchbricht. Wilckens schreibt: „Es gibt keinerlei Ungehorsam, der nicht im Sühnetod Christi bereits aufgehoben ist, und der sich also auf Dauer und ewig dem Willen und der Kraft der Liebe Gottes entgegenstellen könnte“. Dunn spricht von der Transposition vom Ungehorsam in Moll zur Barmherzigkeit Gottes in Dur, in der sich Gottes Treue gegenüber Israel bewahrt und zur Vision der Versöhnung der ganzen Welt mit Gott am Ende führt, hält es dann aber doch für klüger, die summarische Beschreibung als lediglich allgemeine Aussagen zu interpretieren. Klein versteht Paulus im Sinn der „Rettung der ganzen Heidenwelt“. Hengel und Schwemer halten V. 32 für einen „der wichtigsten Sätze des ganzen Neuen Testaments“, der nach V. 26 festhält, dass mit dem Kommen des Messias am Ende der Weltgeschichte nicht nur ganz Israel durch Gottes Gnade gerettet wird, sondern dann auch „alle Völker im Zeichen des Evangeliums zu Gott zurückfinden, damit seine Gnade allein über alle Mächte des Bösen, Sünde, Tod und Teufel, triumphiere“, was im Blick auf die Erwartung des Paulus „durchaus realistisch-konkret“ zu verstehen sei. Flebbe sieht einen Hinweis auf „umfassendes und universales Heil für alle … ungeachtet der ethnischen Prägung“.

Paulus „will aufzeigen, welchen Sinn das widersprüchliche Geschick des Evangeliums bei Juden und Heiden im Plan Gottes haben könnte“. Weil Paulus in Röm 11 von Israel und den Völkern als kollektiven Größen spricht, meint πάντες in V. 32 nicht alle Menschen ohne Ausnahme, sondern „alle“ im Sinn von Juden und Heiden. Paulus spricht nicht nur in 1,18 vom Zorn Gottes, der etwa in 11,32 aufgehoben wäre, sondern auch in 12,19; in 13,2 ist vom Gericht Gottes, in 14,10 vom Richterstuhl Gottes die Rede. Die Unterscheidung zwischen individueller Erwählung (9,6–29) und kollektiver Erwählung (11,1.28–29), die Paulus im Blick auf Israel entfaltet, ist auch für V. 32b wichtig, in dem von Juden und von Heiden die Rede ist. Wie der individuelle Ungehorsam von Juden die kollektive Erwählung Israels nicht aufhebt, so hebt die kollektive Erwählung (Israel) bzw. Erschaffung (Heiden) die individuelle Verantwortung, die Heilsoffenbarung Gottes im Glauben anzunehmen, nicht auf. Die kollektive Erwählung Israels verschafft genauso wenig jedem einzelnen Israeliten/Juden Heil, ohne Rücksicht auf dessen Gehorsam oder Ungehorsam Gott gegenüber, wie die kollektive Erschaffung der Heiden durch Gott bedeutete, dass alle Polytheisten oder Atheisten, nur weil sie Geschöpfe Gottes sind, durch Gottes Gnade gerettet werden. Wie Gott innerhalb der kollektiven Erwählung Israels einzelne Individuen erwählt, denen er seine Gnade gewährt (9,6–29), so gewährt er innerhalb der Gesamtheit der von ihm geschaffenen Menschheit einzelnen Heiden seine Gnade. Die πάντες sind als solche zu bestimmen, „die in der Kraft der in Christi Tod und Auferstehung über sie gefallenen Entscheidung zum Glauben an ihren Erlöser kommen werden“.

Hier die aktuelle Ausgabe von Credo: credomag.com.

Allgemein

Don Carson: Was steckt hinter dem Universalismus?

D.A. Carson hat anlässlich der von Rob Bell angestoßenen Diskussion über den »Universalismus« auf der Gospel Coalition-Konferenz (12.–14. April in Chicago, USA) einen ungeplanten Vortrag mit dem Titel »God: Abounding in Love, Punishing the Guilty« gehalten. Carson stellt in dem Vortrag verschiedene Konzepte des Universalismus vor und zeigt auf, dass hinter den aktuellen Diskussionen Verschiebungen in der Gotteslehre stehen. Es geht nicht nur um den Universalismus, sondern auch um Gottes Heiligkeit, seine Gerechtigkeit und das stellvertretende Sühneopfer von Jesus Christus.

Ein Mitschnitt des Vortrags kann hier gehört werden:

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Eine Podiumsdiskussion zum Thema, an der neben Carson auch Kevin DeYoung, Tim Keller, Stephen Um und Crawford Loritts teilnahmen, kann hier gehört werden:

[podcast]http://tgc-audio.s3.amazonaws.com/2011-conference/sessionpanel_lovewins.mp3[/podcast]

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