Bernd Stegemann: Manipulationen im ÖRR

Bernd Stegemann arbeitet an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ im Norden Berlins. Dort lehrt er als Professor für Dramaturgie und Kultursoziologie. Im Gespräch mit der WELT erzählt er, was ihn an ARD und ZDF stört und warum seiner Ansicht nach die Identitätspolitik den Universalismus zersetzt. Sehr bedenkenswert ist der Abschnitt über manipulative Techniken, die im TV zum Einsatz kommen:

Die Montagetechnik kennt man seit den Frühzeiten des Films, Sergej Eisenstein hat damit große Erfolge gefeiert. Man kann sich dieser Art der Lenkung der eigenen Bewertung kaum entziehen. Es ist eine Technik, die man für verschiedene Inhalte nutzen kann – wie wir beim Beispiel mit dem Eis bereits gesehen haben. Und ich habe an einem Beitrag für das „heute-journal“ über die europäische Migrationspolitik zu zeigen versucht, wie solche Techniken dort zum Einsatz kommen und wie sie bestimmte Inhalte erzeugen. Der Beitrag eröffnet mit einer einfühlsamen Bebilderung des Leids von Flüchtlingen, die anschließend jeden Versuch einer politischen Steuerung von Migration als böse erscheinen lässt. Das kann man so machen. Ich wollte nur zeigen, dass es passiert.

Kritikwürdig finde ich allerdings, dass Beiträge wie dieser so tun, als wären sie eine neutrale Berichterstattung und keine Meinung. Doch in ihrer Machart sind sie nicht neutral. Der Kommentar wird in die Montage der Bilder hineingeflochten. Das wollte ich beschreiben, weil das für mich an der Grenze zum Unlauteren ist. Denn dadurch werden die Zuschauer emotional beeinflusst – mit einer Technik, zu der man kaum eine kritische Distanz einnehmen kann – und sie werden nicht erst informiert, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können. In der Montagetechnik des „heute-journal“-Beitrags wird die Meinung gleich mitgeliefert, so entsteht der Eindruck der Manipulation.

Mehr (hinter einer Bezahlschranke): www.welt.de.

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2 Kommentare
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Helge Beck
10 Monate zuvor

Montage ist nicht per se manipulativ, sondern eine grundlegende Technik der visuellen Kommunikation. Einige Themen sind so komplex, dass eine vollständig „neutrale“ Berichterstattung kaum möglich ist. Oftmals benötigen Zuschauer eine Einordnung, um die Bedeutung eines Ereignisses zu verstehen. Anstatt zu versuchen, eine unmögliche Neutralität zu erreichen, könnte Transparenz eine bessere Lösung sein. Medien könnten offenlegen, welche Perspektive sie einnehmen, damit das Publikum eine informierte Entscheidung treffen kann. Das Einfangen von Emotionen ist nicht notwendigerweise manipulativ. Es kann auch als Mittel dienen, die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf wichtige Themen zu lenken, die sonst leicht übersehen werden könnten.

Stephan
10 Monate zuvor

„Schön“, wie manche der Manipulation in den Medien das Wort reden – aber wer manipulieren möchte, sollte das auch können, Herr Beck. Wir nehmen man den Fall eines bekannten deutschen Rocksängers, bei dem der Zeitung „eidesstattliche Versicherungen“ von Zeuginnen vorlagen. Nun ist das schon die hohe Kunst der Manipulation, denn wem ist schon bekannt, dass „Eidesstattliche Versicherungen“ nur dann solche sind, wenn sie vor entsprechenden Behörden abgegeben werden? Vor der Presse abgegebene eiddesstattliche Versicherungen haben keine juristische Bedeutung, sind gleichbedeutend mit unverbindlich erzählten Gerüchten. Es ist also kein Wunder, dass kürzlich die Staatsanwaltschaft das Verfahren eingestellt hat, denn keine der angeblich belästigten Damen war wohl bereit, ihre Aussage an passender Behörde zu wiederholen. Die Presse schreibt „Eidesstattliche Versicherung“, und die allermeisten Leser schließen dann daraus, dass der Sachverhalt so passiert sein muss, und schön findet die gewünschte mediale Vorverurteilung statt. Und schon geht es weiter mit „Eidesstattlichen Versicherungen“, diesmal berichtet der BR, dass eine Solche im Falle eines bayerischen Politikers… Weiterlesen »

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