Bethel McGrew: Die Hybris der protestantischen Eliten

Die Mathematikerin Bethel McGrew hat in dem Beitrag „N.T. Wright and The Inner Ring“ das Interview mit Wright zur Abtreibungsfrage kommentiert (vgl. hier). Dabei hat sie darauf hingewiesen, dass die dort prästenierte Position eigentlich nicht überraschen sollte: 

Diese Äußerungen haben unter den ernsthaften jüngeren Protestanten, die akademisch und spirituell zu Wright aufgeschaut haben, Wellen des Schocks und tiefer Desillusionierung ausgelöst. Ich kann keine älteren Kommentare von ihm finden, die explizit so schrecklich sind. Allerdings gab es schon Anzeichen dafür.

Eine besonders große rote Flagge wurde im letzten Herbst in einem Wahlkampf-Interview über Politik und das Evangelium gehisst. Wrights Interviewer bat ihn, die Zuhörer darüber aufzuklären, warum bestimmte Christen so sehr in „kulturelle Kriege“ verwickelt seien. Ernsthaft, warum sind sie das? Nun, Wright erklärte, das sei ein riesiges Thema, eigentlich „ein ganzes Seminar für sich“, aber kurz gesagt liege es daran, dass ihnen niemand beigebracht habe, wie man politische Theologie betreibt, so Wright. Diese armen, stümperhaften evangelikalen Seelen vermischten auf plumpe Weise eine verworrene politische Theologie mit einer verworrenen Theologie des Eschatons. Sie seien so himmlisch gesinnt, dächten ständig an die Entrückung und so weiter, dass sie nicht wüssten, wie sie auf der Erde etwas bewirken können, es sei denn, etwas löse eine ihrer reflexartigen Unsicherheiten aus – zum Beispiel in Bezug auf Sex. So sei übrigens auch die Pro-Life-Bewegung entstanden. In Wirklichkeit sei es ein „Machtspiel“ von Männern gewesen, die sich darüber aufregten, dass Frauen viel Sex haben, aber sie versuchten abzulenken, indem sie behaupteten, es ginge darum, dass sie nicht wollten, dass Babys getötet werden. So seien sie zu „glühenden“ Abtreibungsgegnern geworden, was heuchlerisch sei, weil sie auch „glühende“ Waffenbefürworter waren. Und so sei jetzt alles schrecklich „vereinfacht“ und „polarisiert“, und niemand verstehe, wie man „vernünftig darüber reden kann“.

Wenn sie doch nur Wrights neuestes Buch kaufen würden.

Tatsächlich hat ein Online-Freund von mir dieses Buch gekauft, das er zusammen mit dem bereits erwähnten Michael Bird geschrieben hat, der sich ebenfalls regelmäßig über die rechten amerikanischen Christen lustig macht. Als dieser neue virale Clip von Wright die Runde machte, schickte mir mein Freund eine Leseprobe und dachte darüber nach, wie inhaltsleer das Buch eigentlich war – alles nur Floskeln und vages Geschwafel über „Nuancen“, keine wirkliche Anleitung zu echten Fragen.

Wenn Wright jedoch seine donnernde politische Stimme doch mal gefunden hat, hat er sich zuverlässig nicht für die Themen eingesetzt, bei denen die christliche Position am offensichtlichsten ist. Gehen Sie weiter zurück zu diesem Interview mit einer katholischen Zeitung aus dem Jahr 2004, und Sie werden feststellen, dass er tatsächlich wütend wird, als der Reporter vorschlägt, dass Abtreibung die entscheidende moralische Frage unserer Zeit ist. Wright lehnt diesen Vorschlag ab und behauptet, dass unser wichtigstes moralisches Problem die globale Verschuldung sei, die wir mit ein paar geschickten Tricks lösen könnten, wenn nur alle gierigen Reichen mitmachen würden. Warum diskutieren wir überhaupt über Abtreibung, fragt er, wenn es Kinder gibt, „deren wirtschaftliche Umstände so sind, dass es fast besser wäre, wenn sie nicht geboren worden wären“?

Mehr: www.furtherup.net.

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3 Kommentare
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Jan Malcolm
4 Stunden zuvor

Was ich hier sehe, sind verschiedene Milieu-Christentümer, die gerade um die kulturelle Vorherrschaft im Westen kämpfen. Durch die Milieuverengung ist auch nicht mehr so ganz klar, was nun eigentlich milieutypisch und was christentypisch ist. Allein in Deutschland gibt es zehn Milieus nach SINUS und die Kirchen erreichen maximal zwei bis drei davon. Die kirchenspezifischen Milieus schrumpfen, die bürgerliche Mitte hat man längst verloren, deren übrigen Angehörige mit Kirchenbesuch sind schon über 60. Der Rest ist dann je nach „Konfession“ schon sehr speziell, was man übrigens auch ohne Sozialwissenschaftsstudium schon daran erkennen kann, wie die Leute ihre Kinder benennen. Dort erkennt man schon, dass es zwischen der typischen freien Gemeinde und den Großkirchen keine Milieu-Überschneidungen mehr gibt, geschweige denn mit dem großen Rest der Gesellschaft, wo der beliebteste Jungenname inzwischen „Mohamed“ ist. Aber auch innerhalb der kirchlichen Strukturen setzen sich spezifische Milieus durch: Die neue Vorsitzende des Bundes „Baptisten“ hat schon vom Namen her nichts mit den typischem Bewohner einer „evangelisch-freikirchlichen“… Weiterlesen »

Matze
1 Stunde zuvor

Im Prinzip zeigt der Ausschnitt nur zu gut, in welcher Krise die ganze evangelikale Szene steckt. Man hat sich eingerichtet in der gut bürgerlichen Ecke ( Bildungsdurchschnitt in den Freikirchen etwas höher wie in der Bevölkerung) und man hofft, dass die Krisen der Gesellschaft vor den Gemeindetüren Halt machen. Wie aktiv man nach aussen wirjen soll, weiss man auch nicht so recht denn nach der Charta Oecumenica sind ja viele auf dem rechten Weg und die hat man ja unterschrieben.Theolgisch werden irgendwelche Blasen bedient am besten einen streng konservativen Eindruck erweckend. Wer das aber alles kritisiert, das laufend konservativ geblinkt und liberal abgebogen wird tastet den Gesalbten des Herrn und damit den Augapfel Gottes an und wird in das Abseits gestellt. Wo das wohl noch hinführt?

Jan Malcolm
10 Sekunden zuvor

in welcher Krise die ganze evangelikale Szene steckt. Man hat sich eingerichtet in der gut bürgerlichen Ecke

Die Milieuverengung trifft auch die Freikirchen, die Bürgerlichen hat man dort mehrheitlich längst verloren, andere Gesellschaftsgruppen in nennenswerter Zahl gab es dort nie.

Mit den Übriggebliebenen funktioniert das Spiel dann exakt wie bei Sekten üblich: Zunächst werden die Opfer gesellschaftlich isoliert (was von innen als Vorteil gesehen wird) und dann über ihre eigenen Strukturen beherrscht und finanziell ausgenommen. Am Ende, wenn die überalterte Kuh keine Milch mehr gibt, wird der ganze Verein plattgemacht.

Das Schicksal steht allen überalterten Freikirchen mit ihren verrosteten Strukturen bevor.

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