Neues Testament

Warum ist Adolf Schlatter mit seinem Ansatz gescheitert?

Warum ist Adolf Schlatter innerhalb der neutestamentlichen Wissenschaft des 20. Jahrhunderts ein Außenseiter geblieben? Peter Stuhlmacher meint, dass die Vernachlässigung der bibelkritischen Perspektiven Schlatter zeitlebens übelgenommen wurde. Zitat (Vom Verstehen des Neuen Testaments, 1986, S. 174):

Der Hauptgrund für Schlatters Isolierung lag also in seiner im Alleingang vorangetriebenen judaistischen und neutestamentlich-historischen Arbeit. Schlatter hatte sich nach einigen gescheiterten Anfangsversuchen aus der wissenschaftlichen Diskussion fast ganz zurückgezogen und begründete seine historischen Urteile so gut wie nie mehr in direkter kritischer Argumentation. Diese Urteile waren teils wegweisend, teils aber auch einfach traditionell und apologetisch konstruiert. Schlatter hat nicht nur zeitlebens die Priorität des Matthäusevangeliums gegenüber Markus und Lukas verfochten und in Einleitungsfragen einen ganz konservativen Standpunkt eingenommen, sondern er hat auch aus seiner Skepsis gegen die religionsgeschichtliche und traditionsgeschichtliche Erforschung der neutestamentlichen Texte keinen Hehl gemacht. Über all diese Probleme hat er jedoch noch mit sich reden lassen. Fundamental wurde sein Widerspruch gegen die liberale Exegese nur an einer einzigen, seiner Überzeugung nach alles entscheidenden Stelle. Schlatter insistierte darauf, daß schon der irdische Jesus der messianische Gottessohn gewesen sei, und warf allen Gegnern seiner Auffassung fehlendes historisches Sehvermögen vor. Da diese sich mit dem Gegenvorwurf mangelnder kritischer Urteilskraft revanchierten und ein direktes wissenschaftliches Gespräch nicht zustandekam, blieb der Gegensatz unausgetragen, und zwar bis in unsere Zeit herein. So wegweisend Schlatters Gesamtansatz aus dem Rückblick heraus erscheint, so sehr unterliegt er also bei der Ausarbeitung subjektiven und methodologischen Begrenzungen, die Schlatters Wirkung behindert haben. Erst wenn man in methodologischer Hinsicht frei über Schlatter hinauszufragen wagt, wird die Kraft seiner Gesamtkonzeption deutlich.

A Textual Commentary on the Greek New Testament (2025)

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Ein neuer Textual Commentary on the Greek New Testament ist bei der Deutschen Bibelgesellschaft erschienen. Das gleichnamige Werk von Bruce M. Metzger, das sich in seiner letzten Auflage auf das GNT4 aus dem Jahr 1993 bezog, ist damit abgelöst (er ist aber immer noch sehr wertvoll und kann derzeit für nur 9,95 Euro bei der Bibelgesellschaft bezogen werden). 

Der neue Textual Commentary präsentiert nicht mehr das Ergebnis einer Arbeitskommision, sondern wird von H.A.G. Houghton verantwortet. Houghton ist Mitglied des Herausgebergremiums für NA29 und GNT6.

Aber was ist das Anliegen des Buches? Der Textual Commentary on the Greek New Testament ist kein Bibelkommentar. Er kommentiert Entscheidungen zur sogenannten Textkritik des Neuen Testaments. Neutestamentliche Textkritik ist ein Teilgebiet der Bibelwissenschaft, das sich mit der Rekonstruktion des ursprünglichen Wortlauts des griechischen Neuen Testaments befasst. Da die die Originalhandschriften (auch Autographen genannt) nicht mehr existieren, stützt sich die Textkritik auf die Auswertung und den Vergleich von Handschriften und anderen Textzeugen, um die wahrscheinlich ursprüngliche Lesart zu ermitteln.

Tanja Bittner hat die Neuausgabe rezensiert und schreibt u.a.:

Um fundiert Textkritik zu betreiben, ist ein beträchtliches Maß an Fachwissen nötig, zum Beispiel in Bezug auf die Charakteristika einzelner Handschriften. Vom durchschnittlichen Theologiestudenten, Pastor oder Bibelübersetzer ist das kaum zu leisten, obwohl textkritische Fragen durchaus für ihn relevant sein können.

Auf eben diese „non-specialists“ (S. VII) ist der Textual Commentary ausgerichtet. Er soll dem Leser helfen, die Arbeit der Textkritiker nachzuvollziehen und sich ein Stück weit eine eigene Meinung zu bilden.

In einer ausführlichen Einleitung (36 Seiten) wird zunächst das nötige Grundwissen vermittelt. Der Leser erhält einen Überblick über die verschiedenen Arten von Zeugen (Papyri, Majuskeln, Minuskeln usw.) und die Prinzipien der Textkritik (äußere und innere Kriterien, die neuen Möglichkeiten der CBGM). Im Abschnitt „Who Changed the Text and How?“ (dt. „Wer veränderte den Text und auf welche Weise?“ Vgl. S. 23–27) geht es um die immer wieder geäußerte Vermutung, die antiken Schreiber hätten sich gewisse Freiheiten beim Abschreiben der Texte genommen und zum Beispiel theologisch nicht genehme Stellen verändert. Damit verkennt man aber die Situation in antiken Schreibstuben und die üblichen Abläufe der damaligen Buchproduktion. Man sollte bei der überwiegenden Zahl der Varianten davon ausgehen, dass es sich um Versehen oder unbewusste Änderungen handelt.

Houghton geht in der Einleitung außerdem kurz auf das Konzept der Texttypen anhand der vermeintlichen geographischen Verortung ein (alexandrinischer, westlicher, Caesarea-Text): Der Textbefund erlaubt es heute nicht mehr, diese Kategorien aufrechtzuerhalten, man sollte sie deshalb nicht mehr als Kriterium verwenden. Einzige Ausnahme ist die Kategorie des Byzantinischen Texts, dessen Vertreter tatsächlich ein hohes Maß an Übereinstimmung aufweisen.

Mehr: www.evangelium21.net.

Begründung des Glaubens

Ben Graber hat eine feine Rezension zum Buch:

  • Herman Ridderbos, Begründung des Glaubens: Heilsgeschichte und Heilige Schrift, Verbum Medien, 2025

verfasst. Darin schreibt er:

Mitten in meiner Uni-Zeit erschien Dan Browns Thriller The Da Vinci Code (2004 in deutscher Übersetzung als Sakrileg herausgebracht) und wurde gleich ein Bestseller. Sein Erfolg löste in den Medien eine Welle von Begeisterung für kirchengeschichtliche Verschwörungstheorien aus. Nach diesen Thesen sei die frühe Kirche theologisch sehr vielfältig und inklusiv verschiedenster Glaubensrichtungen gewesen. Leider habe Kaiser Konstantin eigenmächtig durch die Einberufung des Konzils zu Nicäa im 4. Jahrhundert die Theologie und den Kanon der Kirche standardisiert und alternative Formen des Christentums unterdrückt.

Historisch gesehen sind solche Thesen reinster Quatsch, aber die Fragen, die sie aufwerfen, sind für moderne Menschen nachvollziehbar. Wie, durch wen und in wessen Interesse hat sich die Kirche eigentlich auf diese statt auf jene Bibelbücher geeinigt?

Die Verschwörungstheorien damals zielten in der Regel besonders auf die römisch-katholische Kirche, die als Institution tatsächlich die Autorität beansprucht, zu bestimmen, was als echte christliche Lehre gilt und welche Schriften in die Bibel gehören. Für Katholiken ist das Vertrauen in die Kirche die logische Voraussetzung für das Vertrauen in die Bibel.

Bei Protestanten verhält es sich anders: Es ist die Bibel, die den Maßstab bietet, nach dem die Lehre der Kirche zu bewerten ist, keinesfalls andersherum. Das bringt jedoch andere Schwierigkeiten mit sich. Man kann die Glaubwürdigkeit und Motivation des römischen Lehramts zwar hinterfragen, doch wenigstens ist die Fragestellung klar, ob die Kirche recht hatte, als sie alternative Lehren und deren Schriften in vergangenen Jahrhunderten verwarf. Aber auf welcher Basis können sich Protestanten überhaupt zu einem festen biblischen Kanon bekennen?

Diese Problemstellung ist nicht neu. Als der niederländische Theologe Herman Ridderbos sein Buch Begründung des Glaubens: Heilsgeschichte und Heilige Schrift 1955 veröffentlichte, sprach man schon seit Jahren von einer „Krise des Kanons der Kirche“ (S. 29–30). Die historische Bibelkritik hatte damals bereits seit fast 200 Jahren den normativen Charakter des Kanons bestritten und seine Anerkennung als das Ergebnis von „Kampf … menschliche[r] Strategie und … kirchliche[r] Politik“ abgeschrieben (S. 30). Sollte man die Autorität der Bibel in der Moderne dann einfach verwerfen? Oder sollte die Kirche besser versuchen, eine Botschaft zu verkündigen, die durch die Komplexität von historischer und wissenschaftlicher Forschung unantastbar bleibt?

Mehr: www.evangelium21.net.

John Stott: Mein Schlüsselvers der Bergpredigt

John Stott (Die Botschaft der Bergpredigt, 2010, S. 13):

Für mich findet sich der Schlüsselvers der Bergpredigt in 6,8: „Macht es nicht wie sie.“ [Neue Genfer, Luther. „Darum sollt ihr ihnen nicht gleichen.] Das erinnert uns unmittelbar an Gottes Wort an Israel in früheren Tagen: „Tut nicht nach der Weise des Landes Ägypten“ (3Mose 18,3) – derselbe Ruf, anders zu sein, der durch die ganze Bergpredigt weiter entfaltet wird. Ihr Charakter soll gänzlich verschieden sein von dem, den die Welt bewundert, wie wir an den Seligpreisungen sehen werden. Wie Lichter sollen sie in der Dunkelheit scheinen. Ihre Gerechtigkeit soll über die der Pharisäer und Schriftgelehrten hinausgehen, im ethischen Verhalten wie auch in der religiösen Hingabe, während ihre Liebe größer und ihr Bestrebungen edler sind als die ihrer heidnischen Nachbarn. Es gibt keinen einzigen Abschnitt in der Bergpredigt, in dem dieser Kontrast zwischen christlichen und nicht christlichen Maßstäben nicht beleuchtet wird. Dieses Thema durchzieht und eint die ganze Bergpredigt, alles andere ist eine Variation davon. 

„μονογενής“

Der griechische Begriff  μονογενής [monogenēs] hat es in sich. Das NT gebraucht dieses Wort zum Beispiel in Joh 3,16, wo fast alle deutschsprachigen Übersetzungen schreiben: „einzigen Sohn“. Auch die neueste Revision der English Standard Version (ESV) hat sich für „only Son“ entschieden. 

Luther 2017 übersetzt anders, nämlich: „Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“ Hier steht Luther 2017 in Kontinuität zum nizänischen Glaubensbekenntnis (325 n. Chr.), das in der deutschen Übertragen das τὸν Υἱὸν τοῦ Θεοῦ τὸν μονογενῆ [ton Hyion tou Theou ton monogenē] mit „den eingeborenen Sohn Gottes“ wiedergibt. 

Charles Lee Irons hat am 9. Mai einen lesenswerten Debattenbeitrag zur Übersetzung von μονογενής [monogenēs] veröffentlicht. Darin heißt es: 

In den letzten Jahren hat es eine Debatte darüber gegeben, wie das griechische Wort μονογενής im Neuen Testament am besten zu übersetzen ist. Dieses Wort kommt im griechischen Neuen Testament neunmal vor – fünfmal in christologischen Kontexten (alle in der johanneischen Literatur: Joh 1,14.18; 3,16.18; 1 Joh 4,9) und viermal in nicht-christologischen Kontexten (Lk 7,12; 8,42; 9,38; Hebr 11,17). In den nicht-christlichen Kontexten bezieht es sich auf ein gewöhnliches „einziges Kind“ oder einen „einzigen Sohn“ und beinhaltet nicht notwendigerweise eine Vorstellung wie den Akt des Vaters, ein Kind zu zeugen oder ein Kind zu zeugen. In Lukas 9,38 lesen wir zum Beispiel, dass ein Mann aus der Menge Jesus zurief: „Lehrer, ich bitte dich, sieh dir meinen Sohn an, denn er ist mein einziges Kind“. Es wäre durchaus vernünftig, μονογενής in diesen nicht-christologischen Fällen als „einziger Sohn“ oder „einziges Kind“ wiederzugeben (wie es die ESV und NIV tun), und es gibt keinen zwingenden kontextuellen Grund, hier das schwerfällige Wort „gezeugt“ zu verwenden.

Die christologische Verwendung des Wortes im Evangelium und im Ersten Johannesbrief ist jedoch umstritten. Das bekannteste Beispiel ist Johannes 3,16, das viele von uns nach der King James Version im Gedächtnis haben: „Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern ewiges Leben habe.“ Hier haben wir eine lebhaftere Debatte. Bei der christologischen Verwendung des Wortes steht viel mehr auf dem Spiel, denn jetzt kommen wir in den Bereich der Christologie und der trinitarischen Theologie. 

In dieser Debatte zeichnen sich drei Hauptansätze ab. Der erste Ansatz besteht darin, der traditionellen Übersetzung von William Tyndale und der King James Version zu folgen und zumindest in den fünf johanneischen Begebenheiten die Wiedergabe „eingeboren“ anzunehmen. Zugegebenermaßen ist diese Übersetzung eine gewisse Herausforderung für moderne Leser, für die das Wort „gezeugt“ archaisch ist und keine klare Bedeutung hat. Aber sie hat den Vorteil, dass sie mit dem nizänischen Glauben und der historischen Tyndale-King James-Tradition der englischen Bibel übereinstimmt. Nur eine Handvoll moderner Gelehrter verteidigt „only begotten“.

Der zweite Ansatz behauptet, dass μονογενής „einzigartig“ bedeutet. Die Befürworter dieses Ansatzes lehnen die traditionelle Wiedergabe als einen Fall von kirchlichem Dogma ab, das in ein griechisches Wort hineingelesen wird. Soweit ich weiß, war B. F. Westcott einer der ersten Gelehrten, der den Begriff „eingeboren“ in der johanneischen Literatur in seinen Kommentaren zum Johannesevangelium und den Johannesbriefen in Frage stellte. Seinem Ansatz folgten Ferdinand Kattenbusch, Moulton und Milligan, Francis Marion Warden, Dale Moody, Joseph Fitzmyer und viele andere. Es war die Mehrheitsmeinung unter evangelikalen Bibelwissenschaftlern während des gesamten zwanzigsten Jahrhunderts und ist es bis heute. Ich nenne diese Ansicht die „revisionistische“ Ansicht. 

Eine dritte Möglichkeit, die sich in letzter Zeit herausgebildet hat, besteht darin, meiner Kritik an „einzigartig“ zuzustimmen, aber nicht davon überzeugt zu sein, dass „eingeboren“ richtig ist. Diejenigen, die sich für die dritte Option entscheiden, stimmen mit meiner Kritik an den Revisionisten überein, d. h. sie stimmen zu, dass μονογενής im Neuen Testament (sowohl in den christologischen als auch in den nicht-christologischen Passagen) nicht „einzigartig“ bedeutet. Der Grund dafür ist, dass das Neue Testament das Wort nur in familiären Kontexten verwendet, in Bezug auf einen menschlichen Vater, der einen einzigen Sohn hat. In den christologischen Zusammenhängen, in Analogie zu einem menschlichen Vater, der einen einzigen Sohn hat, hat auch Gott „seinen einzigen Sohn“. Die Befürworter der dritten Option argumentieren jedoch, dass es zu weit ginge, den dogmatischen Begriff „gezeugt“ einzufügen. Diese Gelehrten schlagen vor, dass wir einfach dem nicht-christlichen Sprachgebrauch im Lukasevangelium folgen und die Formulierung „einziger Sohn“ annehmen sollten. Damit wird zwar die dem Wort innewohnende Idee der Sohnschaft erfasst, nicht aber die Idee der Zeugung. Dieser weitere Gedanke der Zeugung stammt aus der lateinischen Übersetzung unigenitus, nicht aus dem griechischen Wort μονογενής, das einfach „einziges Kind, d. h. ohne Geschwister“ bedeutet. Dieser Ansatz wird von Dr. Seumas MacDonald vertreten, einem Griechischlehrer und Patristik-Experten, der wissenschaftliche Artikel im Blog The Patrologist verfasst. Es scheint auch der Ansatz zu sein, den das ESV Translation Oversight Committee kürzlich in der Aktualisierung 2025 verfolgt hat.

Mehr hier: bulletin.kenwoodinstitute.org.

Die Probleme mit Matthew Bates’ Perspektive auf die Glaubensrechtfertigung

Seit Jahren macht Matthew Bates von sich reden, indem er einen dritten Weg jenseits von Katholizismus und Protestantismus propagiert. Er hat einen gewissen Erfolg, sogar Scot McKnight oder Michael F. Bird empfehlen – nicht ganz überraschend – seine Schriften.

Wie N.T. Wright beruft sich auch Bates auf Einsichten der Neuen Paulusperspektive und verschiebt die Botschaft des Evangeliums in Richtung: auf die menschliche Treue kommt es an. Das ist nicht völlig falsch. Aber alles in allem gibt es massive Verschiebungen in der Frage der Glaubensgerechtigkeit und der Errettung. Dass dies nicht einfach zu erkennen ist, zeigt diese Zusammenfassung „seines Evangeliums“ (Matthew W. Bates, Beyond the Salvation Wars: Why Both Protestants and Catholics Must Reimagine How We Are Saved, 2025, S. 264–265):

Jesus ist der König geworden. Wir sind gerettet, wenn wir uns zu ihm bekennen und unsere Treue zu ihm leben.

Das Evangelium besagt, dass der Sohn vom Vater gesandt wurde, um der Christus, der vergebende König, zu werden – mit der Betonung auf seiner Königsherrschaft. Obwohl der rettende Glaube auch das Vertrauen einschließt, dass Jesus für unsere Sünden gestorben ist, bedeutet er in erster Linie die verkörperte Treue zu ihm als König. Der rettende Glaube schließt regelbasierte Ansätze zur Erlangung des Heils, wie etwa Gesetzeswerke, aus, schließt aber gute Werke ein, die mit Hilfe des Geistes als Ausdruck der Treue vollbracht werden. Die Taufe ist das wichtigste Ereignis, um sich entschieden zu König Jesus zu bekennen und so den Heiligen Geist zu empfangen – obwohl Gott Menschen auch ohne die Taufe rechtfertigen kann und dies auch getan hat. Die Gnade ist ein unverdientes, freies Geschenk, aber die rettende Gnade, das Christusgeschenk, kann von uns nur dann wirksam empfangen werden, wenn wir als Antwort darauf zunächst und beharrlich unsere Treue zurückgeben.

Rechtfertigung lässt sich am besten als einverleibte Gerechtigkeit darstellen. Eine Person wird zum ersten Mal gerechtfertigt, wenn sie in den gerechtfertigten Leib des Königs eintritt, wenn der Heilige Geist diese Person einhüllt. Die gegenwärtige Rechtfertigung dieser Person muss durch eine fortwährende Treueerklärung aufrechterhalten werden, damit die Rechtfertigung beim Endgericht ratifiziert werden kann. Es ist möglich, die anfängliche Rechtfertigung zu haben, diesen Status aber zu verlieren, indem man vom Glauben abfällt und sich von Christus und der Gemeinschaft des Heiligen Geistes löst. Das Auferstehungsleben des Königs ist bereits in jeder Person am Werk, die in der Gegenwart gerechtfertigt ist, so dass sie über eine tatsächliche menschliche Gerechtigkeit verfügt, die fortwährend aus dem König Jesus hervorgeht, wenn sie sich weiterhin zur Treue bekennt. Die endgültige Rechtfertigung hängt von der Treue zu König Jesus ab, so dass wir mit unserem Körper gute Taten vollbringen und in und durch ihn moralisch gerecht sind. Die Verkörperung ist jetzt und für immer bedeutsam. Gottes letzte Vision für die menschliche Erlösung ist die Auferstehung zu einer neuen Schöpfung. Vereint in der Wahrheit, werden wir an der Seite Jesu in auferstandenen Körpern über die neue Schöpfung herrschen. All dies führt uns zum Kern der christlichen Mission der Jüngerschaft: weltweite Treue zu Jesus, dem König.

Zum besseren Verständnis dieser Verschiebungen empfehle ich die Diskussion „Has the Church Misunderstood the Gospel for 2000 Years?“ zwischen Albert Mohler, Tom Schreiner, Jim Hamilton und Steve Wellum:

Peter Stuhlmacher (1932–2025)

Die Nachrichtenagentur IDEA berichtet, dass der Neutestamentler Peter Stuhlmacher vertorben ist:

Der international angesehene Tübinger Theologieprofessor Peter Stuhlmacher ist am 5. April im Alter von 93 Jahren gestorben. Das hat die Evangelischen Nachrichtenagentur IDEA aus seinem persönlichen Umfeld erfahren. Der gebürtige Leipziger lehrte von 1972 bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2000 an der Evangelisch-theologischen Fakultät der Universität Tübingen. Zuvor war er vier Jahre in Erlangen tätig.

Durch seine Forschungen über den Apostel Paulus und die „Biblische Theologie des Neuen Testaments“ erwarb er sich Anerkennung über Deutschland hinaus. Mit Kollegen entwickelte er eine „Biblische Theologie“, bei der die wissenschaftliche Bibelexegese durch eine „geistliche Schriftauslegung“ ergänzt wird.

Ich habe seine Bücher gern gelesen und schätzen gelernt.

Wer Stuhlmacher noch einmal hören möchte, könnte sich zum Beispiel seine Vorträge über die Neue Paulusperspektive anhören, die auch als Buch erschienen sind (#ad).  

Mehr: www.idea.de.

Licht und Schatten von Weihnachten

Daniel Knoll schreibt über „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens“ (Lk 2,14, in: Herold, Nr. 12, Dez. 2024, S. 4–5):

Wie kann man denn sagen: Es gibt Freude für alle, aber den Grund für diese Freude – nämlich den Frieden – gibt es nicht für alle? Das klingt in etwa so, wie wenn plötzlich in einem Gefangenenlager laut und für alle hörbar angekündigt wird: „Es gibt einige unter euch, die begnadigt werden.“ Diese Ankündigung löst eine große Freude aus, denn jeder der Gefangenen hofft, zu den Begnadigten zu gehören. Doch nur für einige wird diese Hoffnung letztlich zur frohen Gewissheit.

Das ist eigentlich das Drama von Weihnachten. Alle freuen sich über Weihnachten, aber nicht alle haben einen Grund dazu. Alle freuen sich über die Friedensbotschaft, doch nicht alle bekommen auch diesen Frieden. Wir wissen und erleben immer wieder, dass unsere Welt trotz der göttlichen Ankündigung von Frieden, alles andere als friedlich ist. Es herrscht Unzufriedenheit trotz Geschenke, Einsamkeit trotz Familienfeiern, Traurigkeit trotz Weihnachtsstimmung. Einige aber leben und leiden in dieser Welt und haben dabei gerade wegen dieser Weihnachtsbotschaft einen Frieden, der nicht durch Krisen, Krebs und Kriege erschüttert werden kann. Die Ursache ihres Friedens liegt über all diesen Dingen. Es ist der Friede, den die Engel den Hirten verkündigten. Ein Friede, der nicht davon abhängt, ob unsere Lebensumstände in Ordnung sind, sondern davon, ob unsere Beziehung zu Gott in Ordnung ist. Dieser Friede ist in der festen Gewissheit gegründet: Ich habe Frieden mit Gott, der alle Lebensumstände in seiner Hand hält. Weil dieser Gott mich liebt und es gut mit mir meint, kann ich ruhig und hoffnungsvoll sein. So teilt dieser bekannte Weihnachtstext die Menschheit gewissermaßen in zwei Gruppen: Solche, auf die die Herrlichkeit Gottes strahlt und die Frieden mit Ihm haben, weil Gott Wohlgefallen an ihnen hat, und solche, die im Schatten des Weihnachtsfestes stehen und im Unfrieden bleiben. Und beiden Gruppen hat dieser Text etwas zu sagen.

Mehr hier: herold-mission.com.

The Gospel of Jesus’ Wife

War Jesus verheiratet? Diese Frage bekam im Jahr 2012 Auftrieb, als die Harvard-Professorin Karen L. King einen Papyrus vorgestellt hatte, in dem signalisiert wird, dass Jesus zusammen mit einer Frau lebte. Das Thema wurde von der Presse dankbar aufgenommen. Es gab zum Beispiel Beiträge im DLF, im SONNTAGSBLATT und natürlich bei EVANGELISCH.DE

Ein paar Jahre später ist Ernüchterung eingetreten. Seit 2020 wissen wir, dass der deutschstämmige Erotikproduzent Walter Fritz für das Papyrus verantwortlich war.  Ich zitiere nochmals Anselm Schubert (Christus (m/w/d), München: C.H. Beck, 2024, S. 231–232):

Wie der schwule sollte auch der verheiratete Jesus sein eigenes Evangelium bekommen. 1945 waren im ägyptischen Nag Hammadi umfangreiche Reste frühchristlich-gnostischer Texte gefunden worden. Wir hatten bereits gesehen, dass darin immer wieder ein besonderes Verhältnis zwischen Christus und Maria Magdalena angedeutet wird, Maria Magdalena als Lieblingsjüngerin, als Lehrerin der Jünger oder sogar als «seine Gefährtin» beschrieben wird und Jesus sie küsst, da er sie «mehr liebte als alle Jünger», 133 Das Philippusevangelium deutet an einer Stelle überdies an, es gebe «den Menschensohn, und es gibt den Sohn des Menschensohnes».

Während die wissenschaftliche Forschung darauf hinwies, dass die frühchristliche Gnosis kaum etwas so negativ bewertete wie Körperlichkeit, Geschöpflichkeit und Sexualität und deshalb von Anfang an annahm, dass die Verse eine metaphorische und mystische Bedeutung hatten, mehrten sich seit Bekanntwerden der ersten Übersetzungen um 1970 populär- und pseudowissenschaftliche Darstellungen, die nun reißerisch behaupteten, Jesus habe mit Maria Magdalena ein Kind gezeugt. Diese Debatte berief sich einerseits auf die pseudepigraphischen Evangelien des 19. Jahrhunderts, andererseits auf die neuen Funde und stand eng in Verbindung mit der feministischen «Entdeckung» Maria Magdalenas (…).

2012 verkündete die amerikanische Koptologin Karen L. King die Entdeckung und Entzifferung eines Papyrusfragments, das ein unbekannter Sammler ihr vorgelegt hatte. Das kaum visitenkartengroße Fragment umfasste nur wenige, bruchstückhaft erhaltene Zeilen; aber es war deutlich zu erkennen, dass Jesus an einer Stelle «meine Frau» erwähnt und es wenig später hieß: «sie kann mein Jünger sein». Nach dieser Aussage hatte King das Fragment «Gospel of Jesus‘ Wife» genannt, und unter diesem Namen erfreute sich der Fund für kurze Zeit globaler Aufmerksamkeit. King ließ das Fragment im folgenden Jahr physikalisch und chemisch untersuchen: Sowohl Papyrus als auch Tinte schienen echt. Dennoch meldeten sich Zweifel an der Echtheit des Fragments, denn ein solcher Beweis, dass Jesus eine Frau gehabt hatte, schien einfach allzu sehr dem Zeitgeist zu entsprechen. Hinzu kam, dass nicht nur die Schrift unbeholfen wirkte, der gesamte Bestand des kurzen Textes schien aus Formulierungen des koptischen Thomasevangeliums zu bestehen. Wenig später stellt man fest, dass eine grammatikalische Besonderheit offensichtlich auf einer fehlerhaften Onlineausgabe des Thomasevangeliums aus dem Jahr 2002 beruhte. 2020 identifizierte der Journalist Ariel Sabar den unbekannten Sammler schließlich als den Deutschen Walter Fritz – einen in Florida lebenden Erotikaproduzenten und ehemaligen Koptologiestudenten aus Berlin. 

Warum der Neue Bund die Vergebung der Sünden ermöglicht

Joel R. White schreibt in „Der eine Bund hinter den Bünden“ über die Wirkung des stellvertretenden Sühneopfers (Armin Baum u. P.H.R. van Houwelingen (Hrsg.), Kernthemen neutestamentlicher Theologie, Giessen: Brunnen, 2022, S. 41–57, hier S. 51–52):

Der entscheidende Impuls dafür, dass sich die neutestamentliche Gemeinde als Gottesvolk im neuen Bund verstand, kam nicht von Paulus, sondern von Jesus. Seine Worte beim Abschiedsmahl sind in den synoptischen Evangelien (Mt 26,2629; Mk 14,22–25; Lk 22,14–20) und bei Paulus (1 Kor 11,23–26) überliefert worden. 30 Sie liegen in zweifacher Gestalt vor, einer markinisch-matthäischen und einer paulinisch-lukanischen. Alle vier Berichte belegen, dass Jesus in seinen Einsetzungsworten von einem Bund sprach. Paulus und Lukas machen explizit, dass es sich dabei um den neuen Bund handelt: „Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird“ (vgl. Lk 22,20; 1 Kor 11,25). Dass hier auf Jer 31,31–34 angespielt wird, liegt auf der Hand. Markus (Mk 14,24), gefolgt von Matthäus (Mt 26,28), fügt der Aussage Jesu hinzu, dass sein Blut „für viele” vergossen wird. Er greift damit Jesu Aussage in Mk 10,45 auf, dass er sein Leben als Lösegeld „für viele“ gibt. Dadurch wird eine konzeptuelle Verbindung zur jesajanischen Vorstellung von einem leidenden Gottesknecht hergestellt, der als Sühneopfer dargebracht wird und „viele” gerecht macht (Jes 53,10–11), 31 Jesus selbst deutete an, wie einer der rätselhaften Aspekte des neuen Bundes in Erfüllung gehen sollte. Wie wir oben bereits gesehen haben, lässt Gottes Verheißung an Jeremia an eine einmalige Vergebung der grundsätzlichen „Sünde“ des Bundesbruchs denken. Das ist im Kontext des alten Bundes mit seinen sich ständig wiederholenden Versöhnungsriten geradezu unvorstellbar. Aber indem Jesus die Verheißung Jeremias mit der Konzeption vom leidenden Gottesknecht in Verbindung bringt, macht er deutlich, wie diese Vergebung geschehen kann: Er selbst wird das Opfer, das den Bruch des Bundes bzw. die Unfähigkeit des Volkes Gottes, den Bund einzuhalten, sühnt. Er begründet den neuen Bund durch seinen Tod am Kreuz.

So versteht es jedenfalls der Autor des Hebräerbriefs, der sich in Hebr 8,1–10,18 intensiv mit der Thematik des neuen Bundes auseinandersetzt. Er argumentiert, dass der Sinaibund eine Art Abbild eines besseren Bundes war (Hebr 8,5). Die Tatsache, dass von Jeremia ein neuer Bund angekündigt wurde (Jer 31,31–34 LXX wird in Hebr 8,8–12 in seiner Gesamtheit zitiert), impliziert, dass dem Sinaibund ein Defekt anhaftete – sonst bräuchte man keinen neuen Bund (Hebr 8,7) – und dass der erste Bund nach dem Kommen Christi ausgedient hat (Hebr 8,13). Der Hebräerbrief fährt fort, indem er die Kultstätte und die dort zu verrichtenden Opfervorgänge (Hebr 9,1–10) und im Kontrast dazu das Opfer Christi (Hebr 9,11–14) beschreibt. Unter Verweis auf Ex 24,8 betont er, dass ein Bund nur durch Blutvergießen geschlossen wird, weil es nur so Vergebung der Sünden geben kann (Hebr 9,15–28). Der alte Bund konnte diese Vergebung nur provisorisch erreichen; Christus hat sie ein für alle Mal bewirkt (Hebr 10,1–14). Somit erfüllte sich in ihm der neue Bund (Hebr 10,15–16), insbesondere die Verheißung Gottes, der Sünde des Volkes nicht mehr zu gedenken (Hebr 10,17–18).

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