Ethik

Beiträge aus dem Bereich Ethik.

Martin Luthers Verhältnis zur aristotelischen Ethik

Der lutherische Theologe Jordan B. Cooper forscht derzeit zu Martin Luthers Verhältnis zur aristotelischen Ethik. Hier ein Zwischenergebnis:

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Luthers schärfste Kritik an Aristoteles in seiner frühen Karriere, noch vor der vollständigen Ausarbeitung seiner reformatorischen Theologie, zum Ausdruck kommt und sich insbesondere auf die Art und Weise bezieht, wie Aristoteles’ Ethik in Bezug auf die christliche Gerechtigkeit (die eher passiv als aktiv ist) angewendet wird. Dieselbe Sorge treibt auch seine Kritik an der thomistischen Verwendung von Aristoteles an, die Luther nicht nach Thomas’ eigenen Begriffen versteht, sondern durch die Interpretation von Thomas, die Kardinal Cajetan als polemisches Mittel gegen die Reformation verwendete. Luthers engster Mitarbeiter, Philipp Melanchthon, integriert einen starken Aristotelismus in sein Denken, wobei er zwischen christlicher Gerechtigkeit und philosophischer Gerechtigkeit unterscheidet, was in einer der Bekenntnisschriften der lutherischen Kirche (der Apologie der Augsburger Konfession) ausdrücklich zum Ausdruck kommt. Luther übernimmt diese Melanchthon’sche Unterscheidung zwischen passiver Gerechtigkeit und philosophischer Gerechtigkeit in seinen Vorlesungen über den Galaterbrief von 1535. In seinen letzten Vorlesungen zitiert Luther Aristoteles positiv zum Thema Ethik und zeigt damit, dass es keine vollständige Diskontinuität zwischen den beiden Denkern gab.

Mehr: jordanbcooper.substack.com.

Kultur des Todes (23): Sich der Last des eigenen Lebens entledigen

Die beiden Kessler-Zwillinge seien gemeinsam so selbstbestimmt aus dem Leben geschieden, dass dies gleich die Debatte über Sterbehilfe befeuert. Mittlerweile ist in den Niederlanden jeder zwanzigste Todesfall ein assistierter Suizid. Am Horizont erscheint bereits das Menschenrecht auf einen assistierten Suizid.

Daniel Deckers schreibt (FAZ, 22.11.2025, Nr. 272, S. 1): 

Das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe hielt nicht lange. Erst erkannte das Bundesverwaltungsgericht darauf, dass der Staat nicht das Recht habe, einem Bürger in einer gesundheitlich ausweglosen Situation den Zugang zu einer todbringenden Substanz zu untersagen, dann wischte das Bundesverfassungsgericht alle Befürchtungen vor einer neuen Normalität, ja Normativität mit einem juristischen Federstrich beiseite: Freiverantwortlicher Suizid sei nichts weniger als die Aktualisierung jener „autonomen Selbstbestimmung“, die das Grundgesetz zur alles normierenden Norm erhoben habe.

Daher müsse jedermann zu jeder Zeit und ohne jede Prüfung der Beweggründe das Menschenrecht auf assistierten Suizid in Anspruch nehmen können – vorausgesetzt, die Entscheidung sei freiverantwortlich, also bei wachem Bewusstsein und ohne Druck von außen gefällt worden. Das sicherzustellen könne der Gesetzgeber mit einem „Schutzkonzept“ versuchen, müsse es aber nicht.

In der vergangenen Legislaturperiode ist der Bundestag an dieser Aufgabe gescheitert. Ob die Abgeordneten einen weiteren Versuch unternehmen, ist ungewiss. Im Koalitionsvertrag findet sich darüber kein Wort, genauso wenig wie über Suizidprävention. Dabei hätten die Deutschen längst von Österreich lernen können. Dort verwarf der Verfassungsgerichtshof 2020 das Verbot des assistierten Suizids und erlegte dem Parlament auf, das Recht auf den Tod von eigener Hand gesetzlich auszugestalten. Dem kamen die Abgeordneten umgehend nach – aber nicht, ohne die Exekutive im Bund und den Ländern sowie die Akteure im Gesundheitswesen zu verpflichten, die Palliativ- und Hospizversorgung zu verbessern. In Deutschland kann davon bis heute nicht die Rede sein.

Die öffentlich gestellte Frage Alice Kesslers „Wer möchte ins Heim oder ein Pflegefall werden?“ dürfte wohl immer seltener als (wichtige) Enttabuisierung von Suizidgedanken oder als Aufgabe an die Gesellschaft und die Politik gelesen werden, alles Menschenmögliche für Humanität im Alter zu tun, sondern als implizite Aufforderung, sich der Last des eigenen Lebens selbst zu entledigen, ehe es zu spät ist. In den Niederlanden ist mittlerweile jeder 20. Todesfall ein assistierter Suizid. Und es mehren sich die Fälle, in denen Ärzte und Angehörige nachhelfen, wenn der eigene Wille zu schwach oder gar nicht mehr da ist.

„Nach der Abtreibung war ich erleichtert wie selten zuvor“

Expressiver Individualismus ist nach Carl Trueman die Überzeugung, dass das wahre Selbst im Inneren eines Menschen liegt und dass Authentizität darin besteht, dieses innere Selbst nach außen auszudrücken – unabhängig von äußeren Normen, Traditionen oder Autoritäten. Moralische Kategorien wie „gut“ oder „schlecht“ verschieben sich: Schlecht ist, was innere Selbstverwirklichung behindert. Gut ist, was Selbstverwirklichung ermöglicht.

In der FAZ ist ein gutes Beispiel für den expressiven Individualismus zu finden. Die Autorin Stefanie de Velasco beschreibt dort, warum es für sie besser ist, „kinderfrei“ zu leben. Hier ein Auszug: 

Ein Leben lang hatte ich penibel verhütet, auch deswegen bemerkte ich es erst spät: Plötzlich war ich schwanger. Es war ein unangenehmes, surreales Gefühl, ich musste die ganze Zeit an die schmelzenden Uhren von Dalí denken. Den Test machte ich auf einem Klo in der Staatsbibliothek, wo ich gerade meine Magisterarbeit schrieb.

Nach der Abtreibung war ich erleichtert wie selten zuvor. Hieß das, ich will nicht Mutter werden? Keine Ahnung. Das Leben meiner Freundinnen mit Kindern wollte ich jedenfalls nicht. Mir kam es vor, als ob einige mit der Geburt ihrer Kinder in eine Art Mutterland gezogen seien, aus dem sie nicht mehr ausreisen konnten. Wenn ich sie mal sah, wirkten sie überfordert. In den Beziehungen kriselte es, sie hatten keinen Sex mehr. Ihre Kinder bereiteten ihnen zwar großes Glück, aber viele ihrer eigenen Wünsche verpufften mit ihnen.

Es war, als wäre ich aus einem seltsamen Traum erwacht. Vor meiner Abtreibung war ich von vielen gewarnt worden – egal ob auf Websites, in der Schwangerschaftskonfliktberatung oder von meiner Therapeutin: Ich würde „es“ bereuen, in Depressionen und Schuldgefühle verfallen. Immer, immer würde ich an das Ungeborene denken, traurig seine Geburtstage zählen.

All das ist nie eingetreten. Ich fühle mich jeden Tag aufs Neue in meiner Entscheidung bestätigt: Ein Leben ohne Kinder ist besser – für mich. Auch wenn es diesen klaren Moment, in dem ich wusste, ich will Kinder oder nicht, nie gab. Wie auch? Gewollt/ungewollt kinderlos – was sind das für lächerliche Kategorien? Reproduktive Biographien sind zu komplex, um sie in diese beiden Schubladen zwängen zu können.

Mehr (hinter einer Bezahlschranke): www.faz.net.

Gottvertrauen hilft

Laut dem Soziologen Max Weber hat die protestantische Ethik maßgeblich dazu beigetragen, dass sich Europa wirtschaftich gut entwickeln konnte. Die Christen verstanden ihren Beruf als Gottesdienst, lebten sparsam, lehnten übermäßigen Genuß ab und waren misstrauisch gegenüber zu großem irdischen Reichtum (daher reinvestierten sie). 

Felix Noth, stellvertretender Leiter der Abteilung Finanzmärkte am Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), stellt in der FAZ die Ergebnisse eine Studie vor, die die stärkende Kraft des Gottvertauens bestätigt. 

Untersucht wurde der Einfluss der Kirchenmitgliedschaft auf die wirtschaftliche Erholung nach Naturkatastrophen.

Fazit (FAZ vom 16.06.2025, Nr. 137, S. 16):

Was aber half den Menschen und ihren Unternehmen nach dem Unglück wieder auf? Vor allem: Welchen Einfluss hat die Religion? Die Wirtschaftsforschung nimmt diesen und weitere kulturelle Faktoren seit einigen Jahren vermehrt in den Blick, um ökonomische Entwicklungsprozesse besser zu ergründen, aber auch um zu erforschen, wie kulturelle Aspekte Menschen in Krisen wie etwa der Pandemie stützen. … Die Effekte von unterschiedlichen Facetten von Religion auf den wirtschaftlichen Erholungsprozess sind bemerkenswert, zumal sie sich offenbar gegenseitig verstärken.

Zuerst einmal bietet die Kirche einen Anlaufpunkt. Menschen versammeln sich dort, sie treffen Freunde und Bekannte, bekommen Essen und Informationen. In einer Krise nährt das Zugehörigkeitsgefühl die Hoffnung, dass es weiter-, dass es voran- und wieder aufwärtsgeht. Zumal bei Gläubigen das Vertrauen in die Institutionen oder die Verbundenheit zur Region überdurchschnittlich stark ausgeprägt sind. Es zeigte sich, dass Menschen in Kreisen mit höherer Religionszugehörigkeit öfter als andere in ihrer Heimat geblieben sind, nachdem diese von Katrina und weiteren Stürmen getroffen worden waren. Dort waren somit mehr Köpfe und Hände verfügbar, um den Wiederaufbau zu stemmen. Und zwar ziemlich kluge Köpfe und ziemlich fleißige Hände: Gläubige sind nachweislich besonders wirtschaftsaffin, sie gründen öfter, neigen zu Sparsamkeit und zeigen eine hohe Kooperationsbereitschaft. Bei Protestanten wirken diese Faktoren noch stärker als bei Katholiken.

Gemessen an der Produktivität haben sich in den Jahren 2005 bis 2010 die Betriebsstätten in Kreisen mit höherer Kirchenmitgliedsrate deutlich schneller erholt.

… 

Es wäre deshalb kurzsichtig, würde die Menschheit auf die sich mehrenden Flammen und Fluten allein mit technischen Lösungen reagieren. Höhere Deiche, genauere Frühwarnsystem und bessere Hilfen für Betroffene sind zentrale und vorrangige Maßnahmen, wohl aber nur ein Teil der Lösung. Was den Zusammenhalt stärkt, stärkt auch die Krisenfestigkeit der Gesellschaft. Bindekräfte wie Religion beflügeln auch die Wirtschaftsleistung.

Tatort Kita: Der woke Angriff auf unsere Kinder

Das pädagogische Konzept der „Sexuellen Bildung“ in Kitas sexualisiert Kinder, verletzt systematisch ihre Schamgrenzen und begünstigt übergriffiges Verhalten untereinander. Dies ist die zentrale These des neuen Dokumentarfilms „Tatort Kita: Der woke Angriff auf unsere Kinder“ der Aktion für Ehe & Familie – DemoFürAlle. Der Dokumentarfilm beleuchtet die Hintergründe des starken Anstiegs sexualisierter Übergriffe unter Kindern in Kindertagesstätten. So berichtet z.B. das Familienministerium von Nordrhein-Westfalen, dass allein in der ersten Jahreshälfte 2024 mehr sexuelle Übergriffe unter Kita-Kindern vorgefallen sind als im gesamten Jahr 2022. In Interviews mit betroffenen Eltern, dem Mediziner und Psychologen Prof. Dr. Christian Schubert sowie den Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten Anja und Roman Göbeke wird deutlich: Die zunehmende Sexualisierung von Kindern ist eine zentrale Ursache für diese Übergriffe. Ein sehr wichtiges Thema! 

Hier: 

Lass uns die Scheidung feiern

Immer mehr Menschen feiern das Ende ihrer Beziehung wie einen Junggesellenabschied oder drehen Trennungsvideos für Tiktok. Keiner muss sich mehr schämen. Scheidungen oder Trennungen werden nicht mehr nur vollzogen, sondern zelebriert.

Mehr: 

Die Scheidung hat in den vergangenen Jahren eine Transformation erlebt, nicht im juristischen, aber gesellschaftlichen Sinne. Sie ist von einem schambehafteten Ereignis zu einem Akt geworden, der an Bedrohlichkeit verloren hat. Das zeigen auch die jüngsten Zahlen des am Montag erscheinenden SKL Glücksatlas 2025, die der F.A.S. exklusiv vorliegen. In der Befragung kam heraus, dass sich Scheidungen deutlich weniger negativ auf die Lebenszufriedenheit auswirken als in den Jahren zuvor. Andersherum hat sich der positive Effekt einer Ehe auf die Lebenszufriedenheit der Deutschen seit 2011 halbiert … Ist Scheidung also nur noch ein formaler Akt für das Ende einer Lebensphase? Wie der Schulabschluss? Der Auszug von zu Hause?

Mittlerweile hat sich die „juristische Auflösung einer Ehe durch das Familiengericht“, wie Scheidung definiert wird, gar zu einem Grund zu feiern entwickelt. Die „Scheidungsparty“ ist ein Event wie Abiball, Junggesellenabschied, Hochzeit, Babyshower-Party. Buchbar bei Eventagenturen, man kann es ähnlich krachen lassen wie bei einem Junggesellinnenabschied. Geboten wird in „aufregenden Locations“ das „ultimative Feiererlebnis“, inklusive „Welcome Shots“ und „gemeinsamem Zerschneiden des Hochzeitskleids“.

Dabei kann man einer Scheidung oder Trennung eigentlich nichts Schönes abgewinnen. Sie ist für viele, mindestens für einen von beiden, mit Schmerz verbunden und markiert das unschöne Ende einer gemeinsamen Zeit, die letztlich nicht so verlaufen ist, wie man sie sich mal vorgestellt hat. Was dann folgt, sind Absprachen, Dispute, das Trennungsjahr, Bürokratie. Das Finale findet in unpersönlichen Zimmern mit Zweckmöbeln statt, in denen ein Richter den Scheidungsbeschluss verkündet, der den Parteien im Anschluss schriftlich zugestellt wird.

Mir fällt dazu eine Aussage aus Jesaja 5,20–21 ein: „Wehe denen, die Böses gut und Gutes böse nennen, die Finsternis als Licht bezeichnen und Licht als Finsternis, die Saures für süß erklären und Süßes für sauer. Wehe denen, die sich selbst für klug und verständig halten!“

Mehr (hinter einer Bezahlschranke): www.faz.net.

Wenn empirische Forschung Theologie ersetzt

Henrik Mohn und Michael Pieper berichten in der aktuellen IDEA-Ausgabe von der Fachtagung „Sexualität und Glaube“, auf der die hier schon erwähnte Sexualitätsstudie vorgestellt wurde. 

Ein Auszug:

In der Praxis zeigt sich, wie tief dieser Wandel reicht. Auf der begleitenden Fachtagung „Sexualität und Glaube“ an der CVJM-Hochschule fehlte jeglicher geistliche Rahmen – kein Gebet, keine Andacht, kein Segen. Stattdessen wurde darüber diskutiert, dass die Klitoris ein Gottesbeweis sei, da ihre einzige Funktion die Lust sei – theologisch entgrenzt, biblisch entleert. Das Vaterbild Gottes wurde problematisiert, die biblische Binarität von Mann und Frau relativiert.

Und in einem Workshop erklärte ein SCM-Verlagsvertreter offen, man müsse die Gemeinden dazu bringen, in der „Frage der Homosexualität“ liberaler zu werden. Das ist mehr als nur ein wissenschaftliches Forschungsprojekt. Es ist ein theologisches Programm, das auf eine Uminterpretation zentraler biblischer Wahrheiten abzielt – mitten im evangelikalen Raum. Ehemals bibeltreue Institutionen verlieren ihre Ausrichtung, indem sie die Bibel nicht mehr als objektive Offenbarung verstehen, sondern als subjektiv erfahrbare Stimme unter vielen.

Mehr (hinter einer Bezahlschranke): www.idea.de.

Erste Kritik an der Studie „Glaube und Sexualität“

Wie hier bereits berichtet, hat das Institut empirica, das zur CVJM-Hochschule gehört, eine nichtrepräsentative Sexualitätsstudie veröffentlicht, die von der Stiftung Christlicher Medien (SCM) veröffentlicht wurde. Thomas Kleine, Geschäftführer der Christliche Verlagsgesellschaft hat auf einen tiefgreifenden Mangel der Studie verwiesen, wie die Nachrichten Agentur IDEA berichtet: 

Das Ganze wirkt zunächst empathisch und reflektiert, verliert aber jeden normativen Maßstab: Weg von der Autorität der Bibel, hin zu einem pluralistischen, erfahrungsorientierten Zugang. Im quantitativen Band „Sexualität und Glaube“ werden Daten von über 10.000 Teilnehmern ausgewertet. Die Ergebnisse sind statistisch interessant, doch die Interpretation erfolgt fast durchgängig aus liberaler und sozialwissenschaftlicher Perspektive. Moralische Kategorien werden relativiert, biblische Ethik als „kulturell bedingt“ verstanden. Damit verschiebt sich die Grundlage: Nicht mehr das Wort Gottes richtet über menschliche Erfahrungen, sondern menschliche Erfahrungen richten über das Wort Gottes. Beide Bücher eint der Versuch, „Dialogräume“ zu öffnen – was in sich nicht falsch wäre, wenn das biblische Zeugnis den Rahmen setzen würde.

Henrik Mohn beklagt außerdem, dass in der Studie Sexualität wird enttheologisiert wird:

Die Bücher sind ein Spiegel des theologischen Zeitgeists – und zugleich ein Warnsignal, wie weit der Evangelikalismus sich von seiner Grundlage entfernen kann, wenn das Schriftprinzip aufgegeben wird. Diese Bücher eignen sich darum höchstens für diejenigen, die das Denken der progressiv-evangelikalen Szene verstehen und analysieren möchten. Für Christen, die Orientierung aus der Schrift suchen, sind sie eher verwirrend.

Ich hoffe sehr, dass hier auch Institutionen nachziehen und sich scharf distanzieren. Mit evangelikaler Theologie das ganze Projekt nichts mehr zu tun. Außerdem würde ich mich sehr freuen, wenn sich Statistiker und Soziologen mit dem Design der Studie gründlich beschäftigen würden.

Mehr: www.idea.de.

Eine unbequeme Wahrheit

In der ehemals konservativen FAZ übernimmt Elisabeth Fleschutz das soziale Vorstellungsschema des therapeutischen Individualismus in Bezug auf das Ausleben von Sexualität (vgl. dazu hier). Sie wirbt für mehr Offenheit im Blick auf Menschen, die ihre eigene sexuelle Identität durch eine heterosexuelle Be­ziehung überdecken. Helfen könnten, so die Autorin, Paarbeziehungen, die sich für darüber hinausgehende sexuelle Erfahrungen öffnen:

Hier zeigt sich vielleicht eine unbequeme Wahrheit, die wohl für die meisten Liebesbeziehungen gilt: dass sich die gesamte Sexualität für viele Menschen selten ausschließlich in einer einzigen Beziehung entfalten kann. Es mag diese Erwartung geben, aber dieser hohe Anspruch von Perfektion ohne Kompromisse werde laut dem Sexualtherapeuten in der Realität kaum erfüllt, und zwar ganz unabhängig von der sexuellen Orientierung. Oft gehe es gar nicht darum, die Beziehung infrage zu stellen, sondern „darum, sich ganz als ganze Person zeigen zu dürfen“. Auch mit den Anteilen, die nicht in die klassische Paarform passen.

Es könnte sein, dass diese Fehleinschätzung auch mit dem Freundeskreis der Autorin zusammenhängt: Denn: „Fast alle meine Freundinnen fühlen sich wie Hochstaplerinnen – in ihrem Liebesleben. Denn fast alle sind in Beziehungen mit Männern, fast alle sind aber bisexuell. Was steckt dahinter?“

Ich halte dagegen: Die (gar nicht mal so unbequeme) Wahrheit lautet: Sexuelle Schönhheit und Vertrautheit kann sich nur in einer langfristigen und verbindlichen Beziehung entwickeln. Wer das Thema vertiefen möchte, lese das Booklet Schönheit und Relevanz.

Den Artikel von Elisabeth Fleschutz gibt es hier (hinter einer Bezahlschranke): www.faz.net.

Zeitgemäße Sexualethik fördern?

Ich hatte ja schon mehrmals den Verdacht, dass die Studien des Forschungsinstituts empirica interessengeleitet sind. Wenn ich den IDEA-Artikel zur Studie „Glaube und Sexualität“ richtig verstehe, geht es genau darum: Die Studie soll eine zeitgemäße Sexualethik fördern:

Das Forschungsinstitut empirica erforscht seit 2006 christliche Lebenswelten und Lebensweisen. Leiter des Instituts ist der Rektor der CVJM Hochschule Kassel, Professor Tobias Faix, und der Professor für Öffentliche Theologie und Soziale Arbeit, Tobias Künkler. Mit der Studie wolle man die Gesprächskultur über Sexualität und eine „zeitgemäße Sexualethik fördern“, so die Studienmacher. So komme es darauf an, Schuld und Scham zu reduzieren und in Liturgie und Predigt Körperlichkeit und Sexualität positiv zu deuten. Zudem gehe es darum, die „Diversität in sexualethischen Überzeugungen anzuerkennen“ und die „Inklusivität für LGBTQ+-Personen zu stärken“.

Laut der Studie sind die Teilnehmer „deutlich jünger, weiblicher, queerer und religiöser“ als im Bevölkerungsschnitt. So seien „bisexuell und homosexuell orientierte Menschen deutlich überrepräsentiert“. 86 Prozent der Befragten erklärten, heterosexuell zu sein, 7 Prozent bisexuell, 6 Prozent homosexuell und 0,5 Prozent gaben „weder noch“ an.

Wenn das so ist, hat das mit wissenschaftlicher Arbeit oder seriöser Theologie wenig zu tun. Es handelt sich dann vielmehr um einen Versuch, den Zeitgeist in die Gemeinden hineinzulocken, quasi um eine Alfred Kinsey-Strategie für Evangelikale. Da sollten sich Christen nicht blenden lassen.

Mehr: www.idea.de.

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