Ethik

Beiträge aus dem Bereich Ethik.

Unchanging Witness

Donald Fortson und Rollin Grams haben eine umfangreiche Monographie zum Thema „Homosexualität“ herausgegeben.

Der Verlag schreibt über das Buch:

9781433687921 cvr webThe Body of Christ is going through a time of severe fracture. Schism is taking place on a scale not seen since the 16th century, and the reasons for this come into clear focus on the issue of homosexuality. The gay Christian movement and revisionist theologians and exegetes have set up an array of arguments, often mutually exclusive, in favor of homosexual practice. This book addresses these arguments on a single point: Can they withstand the evidence of the primary sources?

In Unchanging Witness, Donald Fortson and Rollin Grams articulate the consistent orthodox view—historically held everywhere, always, and by all—by presenting primary sources throughout Christian history and by interpreting the biblical texts in their cultural contexts. Following a chapter on the gay Christian movement, the first part of the book examines church history from the patristic period to the present day, including the revisionist readings of the last few decades. It concludes with an excursus on the Church’s various views on slavery and women, in contrast to the consensus view on homosexual practice. The second part of the book engages the biblical material relevant to the current debate. Primary sources from the Ancient Near East, Jewish, Greek, and Roman literature are discussed alongside the biblical passages.

Topics treated include the story of Sodom, Israel’s unique prohibition against homosexual acts, the meaning of “soft men” in Greek literature, the various understandings of homosexual orientation in antiquity (including Paul), and the “nature versus nurture” argument in philosophy and Paul’s letter to the Romans. Throughout, the authors survey the conflicting and changing arguments of revisionist readings and contend that, in light of the overwhelming evidence of the relevant texts, the real issue is not one of interpretation but of biblical authority and Christian orthodoxy.

Evangelikale streiten über Familienbild

Das Onlineportal Evangelisch.de berichtet über eine innerevangelikale Diskussion um das Familienbild. Hartmut Steeb, Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz (DEA), hat eine Musikproduktion des Liedermachers und Pastors Jörg Swoboda auf der Online-Präsenz der Deutschen Evangelischen Allianz empfohlen:

„Sollte Gott gesagt haben?“ Jene skeptische Ur-Frage, die die Welt ins Chaos stürzte, treibt auch heute viele in die Orientierungslosigkeit. Anstatt daran festzuhalten, dass Gottes Wort das qualifizierteste Benutzerhandbuch des Lebens ist, wird Misstrauen gesät. Die Ehe als Gemeinschaft von Mann und Frau, lebenslänglich in liebegetränkter Treue gestaltet, wird hinterfragt und umdefiniert: Warum sollte es nicht auch Mann mit Mann oder Frau mit Frau sein? Stimmt es überhaupt, dass die Menschheit nur aus männlichen oder weiblichen Spezies besteht? Gibt es nicht stattdessen viel mehr Geschlechtertypen? Warum sollten Körperteile entscheidend dafür sein, ob ein Mensch Mann oder Frau ist? Ist das Geschlecht nicht vielmehr anerzogen statt konstitutionell? Brauchen Kinder wirklich Vater und Mutter? Und ist die Ehe überhaupt noch zu retten oder nicht doch besser durch Lebensabschnitts-partnerschaften abzulösen? Kommen Erotik und Sexualität wirklich zur Blüte, wenn sie in die Gefangenschaft der Ehe eingebunden sind? Und warum sollte man Ehen nicht konsequent begraben, wenn die Liebe abkühlt?  – Es ist Jörg Swoboda zu danken, dass er diese Fragen nach Liebe, Ehe, Zusammenleben ohne Trauschein, Fortpflanzung, Scheitern und Versöhnung in seiner neuen CD thematisiert.

Der Vorsitzende der DEA, Michael Diener, reagierte mit einer Stellungnahme im sozialen Netzwerk Facebook. Evangelisch.de schreibt:

Der Vorsitzende der Deutschen Evangelischen Allianz, Michael Diener, reagierte darauf mit der Klarstellung, dass es sich bei diesen Worten „um eine persönliche Äußerung des Generalsekretärs“ handele und ausdrücklich nicht um eine Verlautbarung der Evangelischen Allianz, wie der Informationsdienst „idea“ berichtet. Er warf Steeb vor, mit diesem Statement andere Beziehungsformen als die Ehe von Mann und Frau zu diskriminieren. Steeb und auch der Liedermacher sollten sich fragen, wie die Liedtexte auf ungewollt kinderlose Ehepaare oder Singles wirkten, so Diener. Er empfehle „Zurückhaltung dabei, die eigenen Erfahrungen auf die pluralen biblischen Texte zu übertragen.“

Die Stellungnahme wirft allerlei Fragen auf. Lässt man sich auf die Argumentationsfigur von Michael Diener ein, könnten man z.B. fragen, ob es überhaupt noch erlaubt sein könne, davon zu reden, dass jeder Mensch ein Sünder sei. Denn so eine Aussage kann ja ebenfalls von vielen Menschen als diskriminierend aufgefasst werden. Für besonders erklärungsbedürftig halte ich allerdings die von Diener in Facebook gemachte Aussage (das Statement scheint dort inzwischen gelöscht worden zu sein), dass er Steebs Sicht der Ehe „absolut nicht teilt“. Er teilte mit, dass man seiner Meinung nach für die Ehe von Mann und Frau sein könne, ohne andere Beziehungsformen zu diskriminieren.

In einer Pressemitteilung des Geschäftsführenden Vorstand der DEA aus dem Dezember 2015, wurde die Sichtweise, wie sie in der Empfehlung von Hartmut Steeb zum Ausdruck kommt, noch empfohlen. Wörtlich hieß es damals:

Die Deutsche Evangelische Allianz hat sich im größeren Kontext unter dem Titel „Sucht der Stadt Bestes“ im Jahr 2009 so positioniert: „Wir wenden uns ebenso gegen die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und der geschlechtlichen Orientierung… Wir begegnen Vertretern einer anderen geschlechtlichen Orientierung mit Respekt und Würde, sehen allerdings praktizierte Homosexualität – wie andere Formen der außerehelichen Sexualität – grundsätzlich als unvereinbar mit der für den christlichen Glauben maßgebenden biblischen Ethik an. Wir wenden uns außerdem gegen Versuche, gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften der im Grundgesetz herausgehobenen klassischen Ehe gleichzustellen …“

Es ist erstaunlich, dass sich der Vorsitzende der DEA von dieser Position nicht nur absetzt, sondern auch jene kritisiert, die sie vertreten. In der Pressemitteilung der DEA hieß es zudem: Der Artikel in der WELT vom 14. Dezember 2015 greife „eine ganze Reihe zentraler Themen auf. Wir sind unserem Vorsitzenden Dr. Michael Diener dankbar für viele eindeutige Aussagen, etwa zum missionarischen Zeugnis gegenüber jedermann, auch gegenüber Muslimen und Juden.“ Die Nachrichtenagentur IDEA hatte im November 2016 freilich darüber berichtet, dass Michael Diener sich hinter das „Nein“ der EKD-Synode zur Judenmission gestellt habe (vgl. hier).

Fragen über Fragen. Ich kann der DEA nur wünschen, dass diese Dinge schnell geklärt werden.

Je mehr Mutter, desto besser

Wie viel Zeit sollen Eltern mit ihren Kindern verbringen? Eine aktuelle Studie zeigt, dass viel auch viel hilft – zumindest bei Müttern. DIE WELT schreibt:

Je mehr Zeit eine Mutter mit ihrem Kind im Alter zwischen drei und sieben Jahren verbringt, desto stärker werden die kognitiven und sozialen Fähigkeiten des Kindes ausgeprägt. Das ist das Ergebnis einer Studie von Forschern der University of Essex und des University College London, die jetzt im „Economic Journal“ veröffentlicht wurde. Zu den kognitiven Fähigkeiten zählen Denken, Wahrnehmung, das Problemlösen, Sprache und Gedächtnis. Darüber hinaus hat die Untersuchung festgestellt, dass erstgeborene Kinder stärker von der Zeit profitieren, die ihre Mutter mit ihnen verbringt als Geschwister, die später geboren werden.

Mehr: www.welt.de.

Was wird eigentlich an evangelikalen Ausbildungsstätten gelehrt?

Ulrich Parzany hat wieder einmal eine wichtige Frage gestellt: Was wird eigentlich an den Seminaren gelehrt, aus denen die zukünftigen hauptamtlichen Mitarbeiter in Gemeinden und Missionswerken kommen? Die Nachrichtenagentur idea meldet:

Der Vorsitzende des „Netzwerks Bibel und Bekenntnis“, Pfarrer Ulrich Parzany (Kassel), hat evangelikale Christen aufgefordert, sich über die theologischen Einstellungen von Dozenten an evangelikalen Ausbildungsstätten beispielsweise zum Thema Homosexualität zu informieren. Anlass für Parzanys Aufruf auf der Internetseite des Netzwerks sind von ihm positiv bewertete Aussagen von Pfarrer Werner Neuer (Schallbach bei Lörrach) – Dozent am Theologischen Seminar St. Chrischona. Neuer hatte bei einer öffentlichen Diskussion am 18. November in Freiburg die badische Landessynode aufgefordert, ihren Beschluss, gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften kirchlich zu trauen, zurückzunehmen. Er begründete dies mit sechs Thesen. Die Bibel als das Fundament und die Norm aller kirchlichen Lehre lehne ausgelebte Homosexualität eindeutig ab, sagte Neuer: „Es gibt keine einzige Bibelstelle, die praktizierte Homosexualität bejaht.“

Mehr: www.idea.de.

Frankreich: Ein verstörendes Verbot

Das oberste französische Verwaltungsgericht hat die Ausstrahlung eines TV-Werbespots verboten, der glückliche Jugendliche mit Downsyndrom zeigt. Begründung: Der Clip könne auf Frauen, die abgetrieben haben, verstörend wirken.

PRO schreibt:

Das Video „Dear Future Mom“ (Liebe zukünftige Mutter) darf im französischen Fernsehen nicht gezeigt werden. Das hat das oberste Verwaltungsgericht im Land entschieden. Der zweieinhalbminütige Clip, den ursprünglich die italienische Organisation „CoorDown“ 2014 veröffentlicht hat, zeigt glückliche Kinder und Jugendliche mit Downsyndrom. Sie wollen Mütter, die ein Kind mit Trisomie 21 erwarten, ermutigen und sprechen in die Kamera: „Habe keine Angst.“

Dann erklären sie der potentiellen Mutter, dass ihr ungeborenes Kind später viele Dinge werde tun können, wie etwa sprechen und ihr sagen, dass es sie lieb hat. Auch glücklich sein, in die Schule gehen und schreiben lernen, sei mit Downsyndrom möglich, ebenso wie reisen, arbeiten und Geld verdienen. Gleichzeitig werde der Alltag aber auch manchmal „schwer, sehr schwer, fast unmöglich“ sein. Dann ist die Frage eines Jugendlichen ergänzt: „Aber ist das nicht so für alle Mütter?“ Schließlich zeigt das Video, wie sich die betroffenen Kinder und die Mütter umarmen und vor Freude strahlen.

Dass dieses Video im französischen Fernsehen nicht gezeigt werden darf, hat das oberste Verwaltungsgericht in zweiter Instanz bestätigt und damit ein schon früher ausgesprochenes Urteil in der Revision bekräftigt. Unter anderem hieß es in der Urteilsbegründung, dass die Bilder auf Frauen, die abgetrieben haben, möglicherweise „verstörend“ wirken könnten, berichten französische Medien.

Mehr: www.pro-medienmagazin.de.

VD: RO

Die Zweifel an „Amoris laetitia“ und Aquinas

Mit dem Apostolischen Schreiben „Amoris Laetitia“ hat Papst Franziskus die Türen für die Situationsethik recht weit geöffnet und damit eine innerkirchliche Diskussion angestoßen, die nicht zur Ruhe kommt. Kürzlich haben sich sogar vier Kardinäle dem Papst mit fünf „Dubia“ (dt. Zweifel) frontal in den Weg gestellt. Der progressive Kardinal Kasper erkennt in „Amoris laetitia“ hingegen einen willkommenen Paradigmenwechsel. Zugleich behauptet er, Franziskus könne den bewährten Lehrer der Kirche, Thomas von Aquin, für sich in Anspruch nehmen. Kapser schreibt in STIMMEN DER ZEIT:

Man wird „Amoris laetitia“ nur verstehen, wenn man den Paradigmenwechsel nachvollzieht, den dieses Schreiben unternimmt. Ein Paradigmenwechsel ändert nicht die bisherige Lehre; er rückt sie jedoch in einen größeren Zusammenhang. So ändert „Amoris laetitia“ kein Jota an der Lehre der Kirche und ändert doch alles. Der Paradigmenwechsel besteht darin, dass „Amoris laetitia“ den Schritt tut von einer Gesetzes- hin zur Tugendmoral des Thomas von Aquin. Damit steht das Schreiben in bester Tradition. Das Neue ist in Wirklichkeit das bewährte Alte.

Bringt also Papst Franziskus nur den großen Lehrer Thomas von Aquinas zur Geltung?

Der katholische Systematiker Helmut Hoping (Freiburg) ist da anderer Meinung und erklärt in der FAZ vom 19.11.2016 (Nr. 127, S. 15), dass die in Anschlag gebrachten Zitate von Thomas von Aquin aus dem Kontext gerissen seien. Thomas könne gar nicht für eine reine Tugendethik beansprucht werden, da er die Tugenden in eine Normenethik eingebetet habe. Er unterscheide zwischen Handlungen, die in sich böse seien und Handlungen, die zwar allgemein verboten, aber unter bestimmten Umständen erlaubt seien. Ein Beispiel für die zweite Kategorie wäre die Tötung eines Menschen zum Zwecke der Selbstverteidigung. Die aquinischen Texte, die „Amoris Laetitia“ aufrufe, entstammten der zweiten Kategorie, obwohl bei Aquin der Ehebruch als eine in sich schlechte Handlung beschrieben werde.

Helmut Hoping:

Das achte Kapitel von „Amoris laetitia“ nimmt Thomas von Aquin für einen neuen Umgang in der Pastoral für Personen, die sich in sogenannten „irregulären“ Situationen befinden, in Anspruch. Es fällt auf, dass sich kein einziges der angeführten Thomaszitate auf die Ehe oder den Empfang der Sakramente bezieht, obwohl es um diese Materie in „Amoris laetitia“ doch einschlägig geht. Beim ersten Zitat geht es um den Fall, dass jemand die höchste Tugend der Liebe besitzt und ohne schwere Sünde ist, dennoch angesichts widriger Umstände Schwierigkeiten haben kann, in Übereinstimmung mit einer einzelnen sittlichen Tugend zu handeln, da diese nicht gefestigt genug ist, was selbst bei Heiligen im Einzelfall möglich ist. Daraus leitet „Amoris laetitia“ mildernde Umstände für Personen in „irregulären“ Situationen ab, etwa für Personen, die durch ein sakramentales Eheband gebunden sind, die mit einer anderen Person aber wie Eheleute zusammenleben.

Akzeptanz statt Toleranz

Die Landesregierung von Hessen hat still und leise einen fachübergreifenden Lehrplan zur Sexualkunde eingeführt und lehrt nun die Vielfalt sexueller Orientierungen ähnlich wie in Baden-Württemberg. Der Widerstand wurde per CDU-Ministerentscheid gebrochen (siehe dazu hier, hier und hier).

Zu den Aufgaben und Zielen der schulischen Erziehung gehören nun mehr oder weniger sinnvolle Anliegen wie:

  • Gleichberechtigung von Frauen und Männern in allen Lebensbereichen;
  • Geschlechtergerechtigkeit;
  • Respekt der sexuellen Selbstbestimmung von Kindern und Jugendlichen;
  • sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche unterschiedliche Werte und Normen, die durch die kulturelle Herkunft oder Religionszugehörigkeit geprägt sind;
  • Akzeptanz von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans- und intersexuellen Menschen (LSBTI);
  • Partnerschaft und Sexualität von Menschen mit Behinderungen;
  • Verbreitung von HIV/Aids und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten;

Immerhin soll neben dem „Coming Out“ und der “Vielfalt sexueller Orientierungen und Geschlechteridentitäten“ auch über „die Bedeutung des Schutzes ungeborenen menschlichen Lebens“ aufgeklärt werden.

In der FAZ vom 11. Oktober 2016 erschien zu dem Vorgang ein kluger Leserbrief von E.-M. R., den ich hier in Auszügen wiedergebe (Nr. 237, S. 6):

Aus dem Artikel „Akzeptieren oder tolerieren“ … geht klar hervor, dass Hessens Kultusministerium die Inhalte zur Sexualerziehung strategisch möglichst leise einzuführen versucht hat, um den massiven Widerstand der Bevölkerung zu verhindern, wie sich dieser in Baden-Württemberg formiert hatte. Dies ist für sich genommen politisch schon mehr als fragwürdig. Abgesehen von den Inhalten zur Sexualerziehung selbst, finde ich jedoch den neuen Bildungsplan staatsrechtlich äußerst bedenklich.

Der Kultusminister fordert als Ziel der Unterrichts, dass persönliche Wertvorstellungen und Orientierungen „wechselseitig diskriminierungsfrei akzeptiert“ werden sollen, … „Akzeptanz“ wird verlangt, weil nur sie „diskriminierungsfrei“ sei, „Toleranz“ soll nicht genügen. Die Wahl der Begriffe halte ich für einen wesentlichen Kernpunkt der Auseinandersetzung. Wenn man durch den Unterricht die „Akzeptanz“ bestimmter Werthaltungen fordert, beabsichtigt man, in die Identität des Schülers einzugreifen und sie entsprechend staatlich verordneter Bewertungen zu formen. Es genügt nicht, dass der Schüler andere in ihren Lebensweisen und Wertvorstellungen zu tolerieren lernt, nein, er soll diesen bejahend gegenüberstehen und sie sich selbst zu eigen machen, … Das ist nun ein großer Unsinn: Wo ich mit andern übereinstimme, stellt sich die Frage nach Akzeptanz oder Toleranz sowieso nicht. Da es in der Gesellschaft aber immer Unterschiede in Werthaltungen und Lebenseinstellungen geben wird, muss der Schüler die Toleranz als Wert verinnerlichen. Darum ist sie ein wesentliches Bildungsziel, auch im Hessischen Schulgesetz (HSchG §2). Der Schüler muss verstehen lernen, dass sie notwendig ist, damit in einer Gesellschaft Demokratie gelebt werden kann und der Frieden untereinander in all unserer Verschiedenheit gewährleistet ist.

Einen Bildungsplan, dem die verfassungsrechtlich vorgeschriebene Toleranz als Bildungsziel nicht genügt, sondern der stattdessen die Akzeptanz ganz spezifischer Weltanschauungen und Bewertungen zu implementieren versucht, kann man nur als Gesinnungslehrplan bezeichnen …

Volker Beck erklärt uns die Philosophiegeschichte

David Berger hat sich Becks Kritik zu Kardinal Müllers neuem Buch Die Botschaft der Hoffnung genauer angesehen und befindet:

Die eigentliche intellektuelle Katastrophe beginnt aber so recht eigentlich dort, wo Beck sich zum Philosophiehistoriker aufzuschwingen sucht. So gut wie nichts stimmt an den Postulaten, die irgendwie nach Pseudophilosophie im Dienste des eigenen Trieblebens klingen.

Bergers Kommentar ist ein Genuss, auch wenn ich – anders als er – ein robustes teleologisches Naturrecht (griech. φύσει δίκαιον, ich vermute, auf das teleologische Naturrecht bezieht sich Beck) schon bei den Griechen in der Antike finde (Sophokles, Platon o. Aristoteles).

Davon abgesehen zeugt Becks Einlassung in der Tat von theologischer Ahnungslosigkeit, z.B., wenn er das Liebesgebot Jesu gegen Normen ausspielt. Diese naïve Liebesethik wird Augustinus’ „Liebe, und tue, was du willst“ ja auch gern untergeschoben. Aber da ist nachweislich etwas bei Augustinus hineingelesen worden, was er nie gesagt hat.

Zu Augustinus schrieb ich 2010 aus einem anderen Anlass:

»Alles, was aufgenommen wird, wird auf die Weise des Aufnehmenden aufgenommen«, sagten schon die mittelalterlichen Gelehrten. Diese Einsicht lässt sich wunderbar daran demonstrieren, wie … Luther, Bonhoeffer und Augustinus für die Rechtfertigung seiner sexualethischen Positionen in Anspruch nimmt. Auf Augustins »Liebe und tue, was du willst«-Zitat möchte ich kurz eingehen.

Augustinus von Hippo (354–430 n.Chr. ) schrieb auf Lateinisch. Das Zitat entstammt seinem Kommentar zum 1. Johannesbrief (In epistulam Ioannis ad Parthos, tractatus VII, 8). Er gebraucht dort für die Benennung der Liebe weder »amor« noch »caritas«, sondern »dilectio«. Die damit bezeichnete Liebe meint keine Gefühlsregung oder gar Sinnlichkeit, sondern die vernünftig ausgewählte Liebe (vgl. die etymologische Verwandtschaft zu »electio«). Augustinus fokussiert mit »dilectio« auf die Liebe, die den Menschen freisetzt, mit Freude das zu tun, was Gott gefällt, ganz im Sinne von Joh 14,15, wo Jesus sagt: »Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten.« Gemeint ist also die Liebe, die dem Glaubenden durch den Heiligen Geist gegeben ist und die den Willen des Vaters im Himmel sucht (vgl. Röm 5,5). Der Kirchenvater kannte gar keine »wahre Liebe«, die sich über die von Gott geforderte Gerechtigkeit und die uns geschenkten Gebote hinwegsetzen könnte.

Es gibt in der Geistesgeschichte noch einen anderen »Großen«, der sich das »Tu, was du willst, soll sein das ganze Gesetz. Liebe ist das Gesetz, Liebe unter Willen«, auf die Fahne geschrieben hatte, nämlich Aleister Crowley (1875–1947). Crowley verlegte den Schwerpunkt auf den »wahren Willen« des Menschen, wir könnten auch sagen: auf den Willen des Fleisches. Etwa so: »Wenn du tust, was du wirklich und bewusst willst, wirst du magische Macht (über andere) besitzen.«

Christen tun gut daran, Gottesliebe nicht mit Selbstliebe zu verwechseln.

Ungereimtheiten der politischen Korrektheit

Gina Thomas, Feuilletonkorrespondentin für die FAZ mit Sitz in London, hat sich eine Untersuchung der britischen Medienaufsichtbehörde Ofcom genau angeschaut und brisante (nicht überraschende) Einsichten ans Licht gebracht. Die Politik der politischen Korrektheit ist gegenüber bestimmten Interessengruppen akribisch korrekt, andere Gruppen bleiben jedoch auf der Strecke. Die Toleranz gegenüber Begriffen, die als rassistisch oder homophob gelten, ist gesunken. Gleichzeitig ist die Toleranz gegenüber krassen Schimpfworten, wie auch die Akzeptanz von Kränkungen älterer Menschen, gestiegen.

Der Bericht wertet die geringere Akzeptanz für den diskrimierenden Sprachgebrauch gegenüber Minderheiten zu Recht als „klare Anerkennung des Wandels und der sich verändernden kulturellen Normen“. Das aktuelle „Barometer anstößiger Sprache“ – so bezeichnet Ofcom die Übung – spiegelt freilich auch die Ungereimtheiten der politischen Korrektheit, die sich in den letzten Tagen wieder ballen. Ein BBC-Mitarbeiter, der seit achtzehn Jahren an einer Hörfunksendung mitwirkt, behauptet, er sei mit der Begründung entlassen worden, dass mehr Frauen und Vielfalt erwünscht seien. Wäre man ihn losgeworden, weil er nichts tauge, hätte er sich damit abgefunden, meinte der Moderator, die Stellenvergabe nach Geschlecht und Hautfarbe betone jedoch bloß jene gesellschaftliche Spaltung, die das Gleichheitsbestreben zu beseitigen suche.

Reinschauen: www.faz.net.

VD: JS

„Krieg zur Zerstörung der Ehe“

Papst Franziskus hat mit überraschend deutlichen Worten die Gendertheorie verurteilt. Sie werde in französischen Schulen unterrichtet, obwohl sie gegen die Ordnung der Natur sei. Die FAZ berichtet:

Papst Franziskus hat auf dem Rückflug vom Kaukasus die „hinterlistige Indoktrinierung mit der Gendertheorie“ kritisiert. In seiner fliegenden Pressekonferenz berichtete er am Sonntagabend von einem französischen Vater, der ihm erzählt habe, wie der zehnjährige Sohn eines Tages auf die Frage, was er einmal werden wolle, geantwortet habe: „Ein Mädchen.“ Da sei dem Vater klar geworden, „dass in Schulbüchern weiterhin die Gendertheorie unterrichtet wird, obwohl diese gegen die natürliche Ordnung ist“, sagte der Papst und warf den Schulen den Willen zur „Änderung der Mentalitäten“ und eine „ideologische Kolonisierung“ vor. Die Gendertheorie geht davon aus, dass Geschlechter lediglich soziale Konstruktionen sind.

Mehr: www.faz.net.

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