Syst. Theologie

Die Theologie der Keswick-Bewegung

Andy Naselli hat kürzlich spannende Vorträge über die Heiligungsbewegung am Detroit Seminary gehalten. Die in Amerikanisch gehaltenen Vorträge wurden aufgenommen und können hier herunter geladen werden:

1. Handout (PDF)

2. Powerpoint Präsentation als PDF (12 MB)

3. Audiodateien:

Lektionen von Francis A. Schaeffer

Douglas Groothius hat vor einigen Monaten sieben Lektionen über Francis Schaeffer zusammegestellt und mir freundlicherweise die Erlaubnis erteilt, diese auf Deutsch zu veröffentlichen.

Lektionen von Francis A. Schaeffer (1912–1984)

Nachdem ich kürzlich einige Werke von Francis A. Schaeffer erneut gelesen hatte, habe ich einige Punkte zusammengetragen, die bibeltreue Christen (und andere) von ihm lernen können. Schaeffer war Pastor, produktiver Autor, prophetischer Universalist, Apologet und vor allem ein Evangelist. Er selbst hat sich üblicherweise als Letzteres beschrieben. Schaeffer hat eine ganze Generation von Evangelisten – mich eingeschlossen – dazu inspiriert, der Herrschaft von Christus im gesamten Leben die Ehre zu geben und sich um des Reiches Gottes willen auf den Verstand und die Kultur zurückzubesinnen.

(1) Schaeffer besaß eine große Leidenschaft für Gott und die Wahrheit. Diese entwickelten sich durch seine verstandesmäßige Bekehrung im Teenageralter, nachdem er sowohl griechische Literatur als auch die Bibel gelesen hatte, aber auch durch seine intellektuelle Krise, die ihn nach über einem Jahrzehnt des geistlichen Dienstes ereilte. Weil er die Wirklichkeit der christlichen Liebe und das Werk des Heiligen Geistes nicht erfahren hatte, stellte er viele Monate lang alles in Zweifel. Geistlich und mental gestärkt kehrte er schließlich zu seinen Aufgaben zurück. Die Früchte dieser Krise zeigten sich in einer echten Spiritualität und einer geistlichen Erneuerung.

(2) Schaeffer war um die Verlorenheit des modernen Menschen sehr besorgt. Nichtchristen waren für diesen Mann Gottes keine »Objekte« sondern Menschen, die das Bild Gottes in sich trugen und die ohne Evangelium von Jesus Christus keine Hoffnung hatten. Schaeffer konzentrierte sich bei seiner Kulturkritik auf Aspekte, die diesen Mangel an Hoffnung und Sinn freilegten. In seinen apologetischen Diskussionen verschonte er seine Gesprächspartner zwar nicht, versuchte aber, sie mit Liebe und Vernunft zur Wahrheit zu führen – nicht ohne Tränen, wie er oft sagte. Schaeffer hat in seinem Buch Das Kennzeichen des Christen (Brockhaus, 1971) den Vorrang der Liebe für ein christliches Leben und dessen Auftrag beschrieben.

(3) Schaeffer war ein kompromissloser Universalist in der Sache Christi. Er studierte die Bereiche, die er im Bezug auf Dienst und Berufung der Kirche seiner Tage für sachdienlich hielt. Während manche seine Aussagen fälschlicherweise für das letzte Wort hielten, waren sie tatsächlich fast immer ein erster entscheidender Hinweis und Aufruf zum Weiterstudium sowie zum prophetischen Einsatz in der Welt unter Christus.

(4) Schaeffer rührte nicht die Werbetrommel in eigener Sache, sondern suchte im Leben und im Dienst vor allem Gott. Die L‘Abri-Arbeit für Apologetik, Evangelisation und Weiterbildung in den Schweizer Alpen entwickelten sich, als Francis und seine Frau Edith auf die Bedürfnisse der fragenden Studenten reagierten. Francis wurde später in seinem Dienst manchmal zu sehr verehrt. Das war wahrscheinlich das Verschulden seines Sohnes Franky, der die Filmserien »Wie können wir den Leben« und »Bitte laß mich leben« produzierte. Schaeffer hatte nie vorgehabt, Bücher zu schreiben. Er schrieb sie, weil seine Vorträge und Diskussionen gut angenommen und Bücher gewünscht wurden.

(5) Schaeffer liebte Kunst, konnte gute Ästhetik auch in nichtchristlicher (oder antichristlicher) Kunst erkennen und hatte christlichen Künstlern den Auftrag und die Vision für künstlerische Betätigung gegeben. Siehe dazu das Buch Kunst und die Bibel (Hänssler, 1981), das in Nordamerika vor kurzem mit einem Vorwort des Musikers und Autors Michael Card neu veröffentlicht wurde. Schaeffer sprach oft davon, »Schönheit« in das christliche Leben zu bringen.

(6) Schaeffer verfügte über gründliche Fachkenntnisse und hatte ein große Liebe zur Heiligen Schrift. Für diesen Mann war die Bibel eine lebendige Realität. In Gott ist keine Illusion (Brockhaus, 2. Taschenbuchaufl. 1991) schrieb er, wir sollten täglich in der Bibel lesen, um Nichtgläubigen von der Wahrheit erzählen zu können. Er selbst las täglich mindestens drei Kapitel aus dem Alten Testament und eins aus dem Neuen. Seine Schriften strahlen biblische Wahrheit und Weisheit aus. Lasst es uns ebenso machen (vgl. Apg 17,11).

(7) Schaeffer war »ein Mann der Reformation«, der nichtsdestotrotz mit seinem Kalvinismus weder schulmeisterlich noch stolz auftrat. Schaeffer erkannte, dass die Reformation nicht nur unumgänglich war, sondern auch, dass wir eine reformierte Kirche sein müssen, »die sich selbst immer wieder reformiert«. Auch wenn die Reformatoren nicht perfekt waren, haben sie es geschafft, die Bibel wieder in den Mittelpunkt zu rücken und dazu viele soziale und kulturelle Wunder im Westen auszulösen. Darauf hatte Schaeffer schon in Wie können wir denn leben? (Brockhaus, 1975) und in A Christian Manifesto (Crossway, 1982) hingewiesen. Während Schaeffer an das Westminster Bekenntnis glaubte und es auch lehrte, reichte seine Anziehungskraft weit über die reformierten und presbyterianischen Kreise hinaus.
In einer Zeit, in der manche emergente Autoren, wie z. B. Brian McLaren, dazu aufrufen, »Post-Protestanten« zu sein, sollte dies gesagt und gehört werden. Die fünf »solas« der Reformation sind keine Optionen für das Christentum, sondern sie sind sein Lebenselixier. Trotzdem sollten diejenigen, die sich wie ich an die fünf Punkte des Kalvinismus (TULIP) halten, das aus Überzeugung und mit Demut tun. Die Fünf-Punkte-Kalvinisten können und sollten mit Christen anderer Glaubensrichtungen zusammenarbeiten, so lange die wesentliche Botschaft des Evangelium erhalten bleibt. (Ich glaube, auf manche Formen der Arminianismus trifft dies zu.)

Lesen Sie deshalb die Werke von Francis A. Schaeffer wieder und wieder. Ich empfehle, The Complete Works (Crossway, 1982) zu kaufen und sie zur Ehre Gottes, zum Gewinn für die Kirche und zur Förderung des Reiches Gottes durcharbeiten. Wenn Sie meinen, für so etwas keine Zeit zu haben, dann nehmen Sie sich bitte Zeit dafür. Vermeiden Sie Ablenkungen und vertiefen Sie sich in diese Bücher.

Prof. Dr. Douglas Groothius

Die Übersetzung und Wiedergabe des Beitrages erfolgte mit freundlicher Genehmigung des Autors. Abey Chacko und Tanja Omenzetter haben bei der Übersetzung geholfen. Vielen Dank!

Der Beitrag kann – mit einigen Erklärungen versehenen – auch in einer PDF-Version herunter geladen werden: lektionenfs3.pdf.

Die Dekonstruktion der Geschlechterkategorien

Jacques Derrida hat die Dekonstruktion als systematische Subversion der europäischen Metaphysik aufgefasst. Dekonstruktivisten interessieren sich für die (Zer)Störung von Strukturen. Sie glorifizieren die Sinnvariabilität von Objekten oder Texten und erklären binäre Gegensätze wie gut/böse, Zentrum/Rand, normal/unnormal, drin/draußen, männlich/weiblich oder Gott/Teufel für obsolet.

Anita Mörth beschreibt in ihrer Diplomarbeit den Aufbruch der strukturierenden Zweigeschlechtlichkeit und erarbeitet ein handlungsorientiertes pädagogisches Konzept für die »Geschlechter-Dekonstruktion als Prinzip in der universitären Lehre«: da_anitamoerth.pdf.

Schmerzliche Niederlagen für den Lebensschutz

Die 1984 gegründete Juristen-Vereinigung Lebensrecht e. V. (JVL) hat ihren Sitz in Köln und tritt für den wirksamen Schutz des menschlichen Lebens in all seinen Phasen ein. Nachfolgend gebe ich das Eingangsreferat wieder, das der Vorsitzende Bernward Büchner am 2. Mai 2008 anlässlich eines Symposiums zum Lebensschutz gehalten hat. Richter a. D. Büchner diagnostiziert sehr scharf, wie durch eine schleichende sprachliche Neubesetzung der Lebensrechtsthemen die Gesellschaft auf einen Bewusstseinswandel vorbereitet wird.

In den letzten Wochen mussten wir zwei schmerzliche Niederlagen für den Lebensschutz in Deutschland und Europa erleben: die Entscheidung des Bundestags vom 11. April, den im Stammzellgesetz festgelegten Stichtag für den möglichen Import menschlicher embryonaler Stammzellen um 5 Jahre hinauszuschieben, und wenige Tage später dann die Resolution der Parlamentarischen Versammlung des Europarats in Straßburg vom 16. April zum angeblichen »Recht auf Abtreibung«.

Dem Stammzell-Beschluss des Bundestags ist eine lebhafte und intensive öffentliche Debatte vorausgegangen, an der sich die Lebensrechtsorganisationen rege beteiligt haben, insbesondere der Bundesverband Lebensrecht, dessen Vorsitzende, Frau Dr. Claudia Kaminski, ich bereits begrüßen konnte. Auf Initiative des BVL fand in Berlin ein Hearing statt und wurde mit dem Internet-Portal www.deine-stammzellen-heilen.de eine Kampagne gestartet, mit der eine hervorragende Information geleistet wurde und in deren Rahmen sich eine große Zahl namhafter und sachverständiger Persönlichkeiten zu Wort gemeldet haben. Bei einer vom BVL in Auftrag gegebenen, repräsentativen Meinungsumfrage von Infratest haben sich etwa zwei Drittel der Befragten gegen eine Verwendung menschlicher embryonaler Stammzellen zu Forschungszwecken und für die Forschung und Therapie mit adulten Stammzellen ausgesprochen. Eine ganz große Mehrheit der Bevölkerung Deutschlands will also nicht, was der Bundestag beschlossen hat.

Auch unsere Vereinigung hat sich in der Stammzell-Debatte wiederholt zu Wort gemeldet. Dabei haben wir insbesondere betont, dass es verwerflich ist, sich die Früchte einer Unrechtshandlung selbst für Heilungszwecke zunutze zu machen, und dass bereits die – wenn auch eingeschränkte – gesetzliche Erlaubnis des Imports menschlicher embryonaler Stammzellen, die nur durch Tötung von Embryonen gewonnen werden können, gegen die Pflicht zur Achtung der Menschenwürde verstößt. Insbesondere Herr Professor Hillgruber, stellvertretender Vorsitzender unserer Vereinigung, hat diesen Standpunkt in der NJW, in der FAZ und bei einer Anhörung des Bundestages dezidiert vertreten. Von dieser Grundposition ausgehend haben wir ein Import- und Forschungsverbot für embryonale Stammzellen gefordert.

Die beschlossene Verschiebung des Stichtags ist angesichts der Fülle und des Gewichts der Gegenargumente unverständlich und zumindest, was die Höhe des Abstimmungsergebnisses betrifft, nicht zu erwarten gewesen. Insbesondere die CDU/CSU-Fraktion bot dabei ein Bild der Zerrissenheit. Nur 89 Unionsabgeordnete votierten für ein Forschungsverbot, 102 für die Verschiebung des Stichtags, nur 113 dagegen und 31 Fraktionsmitglieder stimmten sogar für die völlige Streichung des Stichtags.

Eine besonders unrühmliche Rolle spielte die Forschungsministerin Schavan. Es lohnt sich, noch einmal nachzulesen, wie sie ihren forschungsfreundlichen Standpunkt in der abschließenden Parlaments-Debatte begründet hat. Die embryonalen Stammzelllinien, sagte sie, würden aus solchen Embryonen gewonnen, »bei denen die Entscheidung bereits getroffen wurde, sie nicht für eine Schwangerschaft einzusetzen, also solche, denen die Voraussetzung zum Leben bereits genommen ist«. In derselben Rede erklärte Frau Schavan, das Embryonenschutzgesetz stehe nicht zur Diskussion. Es sei unbestritten. Das sei der umfassendste Schutz der Embryonen. Dabei bleibe es. Damit täuscht sie darüber hinweg, dass ihre zuvor wiedergegebene Argumentation einem Rückfall hinter den Erkenntnisstand gleichkommt, der dem Embryonenschutzgesetz zugrunde liegt. Danach darf es menschliche Embryonen, die künstlich für einen anderen Zweck erzeugt wurden als die Einführung in die Gebärmutter zur Herbeiführung einer Schwangerschaft während eines Zyklus’, also die so genannten überzähligen Embryonen, von denen Frau Schavan sprach, gar nicht geben. Eine Forschungsministerin, die derart schillernd argumentiert, verdient nicht das Vertrauen, dass bei ihr der Embryonenschutz in guten Händen ist. Sie wird immer Wege finden, um der Forschung auch künftig einen »Korridor« auf Kosten dieses Schutzes offen zu halten. Auch dafür wird dann wieder das eigene Gewissen bemüht werden. Die inflationäre Berufung auf das Gewissen vermag die vernunftgeleitete Argumentation jedoch nicht zu ersetzen, wie Professor Sala kürzlich in einem Leserbrief zu Recht bemerkte.

Eine nicht geringere Katastrophe als der Stammzell-Beschluss des Bundestags ist die bereits erwähnte, gegen die Stimmen der Abgeordneten der EVP verabschiedete Resolution der Parlamentarischen Versammlung des Europarats. Diese Resolution behauptet ein »Recht auf sicheren und legalen Zugang zur Abtreibung« und soll Mitgliedsstaaten dazu anhalten, die Abtreibung vollends zu legalisieren. Die Tötung Ungeborener wird dabei als selbstverständliche ärztliche Dienstleistung verstanden, zu der Ärzte verpflichtet sein sollen. Die dabei angewandte Taktik ist von internationalen Konferenzen längst bekannt. Nun ist wohl erstmals in einem parlamentarischen Dokument von einem »Recht auf Abtreibung« die Rede.

Vermutlich haben bisher nicht alle Anwesenden von dieser Resolution erfahren. Denn in den Medien war von ihr kaum die Rede. Und Kritik an ihr war meines Wissens nur seitens der katholischen Kirche und aus unseren Reihen zu vernehmen. Warum dieses verbreitete Schweigen? Ist der Bewusstseinswandel inzwischen bereits so weit voran geschritten, dass die Behauptung eines »Rechts auf Abtreibung« kaum noch Anstoß erregt oder gar als selbstverständlich empfunden wird? Dabei versteht es sich doch eigentlich von selbst, dass es im Einklang mit dem Menschenrecht auf Leben ein Recht auf Abtreibung, d. h. ein Recht zum Töten, nicht geben kann. Wie es im Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1993 ausdrücklich heißt, ist es nicht möglich, ein Recht zum Schwangerschaftsabbruch einzuräumen, »weil Schwangerschaftsabbruch immer Tötung ungeborenen Lebens ist«. Sicher ist eine Abtreibung insofern, als sie für das ungeborene Kind den sicheren Tod bedeutet. Von einer für die Frau sicheren Abtreibung kann nur sprechen, wer ihre häufigen physischen und psychischen Folgen ausblendet.

In der Debatte über die Änderung des Stammzellgesetzes ist von einer »ethischen Wanderdüne« die Rede gewesen. Eine solche Wanderdüne ist auch bezüglich der Abtreibung zu beobachten. Der so genannte gesellschaftliche Kompromiss fand in der Formel »straffrei, aber rechtswidrig« seinen Ausdruck. Inzwischen ist die Rechtswidrigkeit einer Abtreibung nahezu in Vergessenheit geraten. Wie sollte es auch anders sein angesichts des Angebots des tötenden Eingriffs in einem flächendeckenden Netz von Einrichtungen als Staatsaufgabe und seiner nahezu ausnahmslosen Finanzierung aus den Länderhaushalten? Das nächste Ziel auf dem Weg der Wanderdüne ist die Verfestigung des Bewusstseins von der Abtreibung als Recht. Nicht die Behauptung eines solchen Rechts wird kritisch hinterfragt. Vielmehr muss sich rechtfertigen, wer es bestreitet. Den Veranstaltern des Christivals in Bremen z. B. wird in der jüngsten Ausgabe des »Spiegel« vorgeworfen, sie machten mobil auch »gegen das Recht auf Abtreibung« [Anmerkung R. K.: Der Spiegel 18/2008, S. 38].

Wenn die Leben schützende Wirkung des gesetzlichen »Beratungskonzepts« ganz wesentlich auch eine Frage des Bewusstseins ist, wie die Karlsruher Richter meinten, müssten sich alle an einem wirksamen Lebensschutz Interessierten längst Gedanken darüber gemacht haben, wie es zu diesem negativen Bewusstseinswandel kommen konnte und wie ihm zu begegnen wäre. Wo – bitte sehr – wird diese Frage gestellt? Und wo sind die Verfechter des gesetzlichen Konzepts, die heute noch bereit sind, dessen Grundbedingungen in Erinnerung zu rufen?

Zeichen eines neuen Nachdenkens gibt es dennoch, besonders in der jungen Generation, auch innerhalb der Kirchen, wie kürzlich eine Erklärung des Diözesanrats der Katholiken der Erzdiözese München und Freising zur Abtreibungsmentalität und -praxis mit dem Titel »Zeit zum Umdenken«. Dieses Nachdenken zu wecken und zu fördern, ist eine bleibende Aufgabe für uns. Das unablässige und geduldige Arbeiten an dieser Aufgabe, wird uns so bald keine spektakulären Erfolge bescheren. Doch auf Dauer wird es nicht vergeblich sein.

Wiedergabe des Beitrags mit freundlicher Genehmigung von VRiaVG a. D. Bernward Büchner, Vorsitzender der JVL.

Was ist Wahrheit?

Die meisten Menschen haben ein ganz gutes Gespür dafür, was Wahrheit ist. Andererseits ist »Wahrheit« umstrittener als jeder andere Begriff. Ohne große Anstrengungen wäre es möglich, mehr als 10 Wahrheitstheorien aufzulisten, die in den Geisteswissenschaften oder der Wissenschaftstheorie miteinander konkurrieren. Hinzu kommt die Tatsache, dass die Wahrheit eine lange und nicht immer ruhmreiche Geschichte hat. Im Namen der Wahrheit wurden bedeutende Bücher verfasst und Menschen befreit. Doch im Namen der Wahrheit wurden ebenfalls furchtbarste Verbrechen verübt, Fehlurteile gefällt und tragische Kriege angezettelt. Der Wahrheitsbegriff ist also zwiespältig und komplex.

Anbei ein kleiner Vortrag zum Thema »Was ist Wahrheit?«, den ich im Januar in einer Gemeinde gehalten habe: wasistwahrheit.pdf. Außerdem die dazugehörigen Folien im Flash-Format: wasistwahrheit.swf.

Calvin über Sündenerkenntnis und Sündenvergebung

Johannes Calvin schrieb 1536 über Sündenerkenntnis und Vergebung der Sünden:

Nunmehr lässt sich leicht einsehen, was man aus dem Gesetze zu lernen hat. Es sind folgende Wahrheiten: Gott ist unser Schöpfer, Herr und Vater; aus diesem Grunde schulden wir Ihm Lob, Ehrfurcht und Liebe. Da aber niemand von uns seine Aufgabe erfüllt, so verdienen wir alle Fluch und Verdammnis und schließlich den ewigen Tod. Einen andern Weg des Heils also müssen wir suchen, als den durch die Gerechtigkeit unserer Werke. Dieser aber ist die Vergebung der Sünden. Sodann, da es nicht in unserer Tüchtigkeit noch Fähigkeit liegt zu leisten, was wir dem Gesetze schuldig sind, so müssen wir an uns verzweifeln und anderswoher Hilfe suchen und erwarten. Sind wir in diese Demut und Erniedrigung herabgestiegen, alsdann leuchtet uns sofort Gott entgegen und zeigt sich gefällig, gütig, milde und nachsichtig, wie denn von Ihm geschrieben steht: »Er widersteht den Hoffärtigen, den Demütigen aber gibt Er Gnade« (Jak 4,6; 1 Petr 5,6). Und sobald wir Seinen Zorn mit vertrauensvollem Bitten abwenden und Verzeihung erflehen, gewährt Er dieselbe zweifellos, erlässt alles, was auch nur unsere Sünden verdient, und nimmt uns zu Gnaden an.
Doch damit nicht genug. Wenn wir erst einmal Seine Hilfe und schützende Hand anflehen, in der festen Überzeugung, dass wir, mit Seinen Schutzmitteln ausgerüstet, alles können, so schenkt Er uns nach Seinem gütigen Willen ein neues Herz mit (Ezechiel 36, 26ff), durch welches wir wünschen, eine neue Kraft, durch welche wir vermögen Seine Aufträge zu befolgen. Und zwar spendet Er uns dieses alles um Jesu Christi willen, unseres Herrn, der, als Er allein beim Vater war (Joh 1,1–14), unser Fleisch annahm, um dadurch einen Bund mit uns einzugehen und uns mit Gott aufs Innigste zu verbinden, die wir durch Sünden in weitem Abstand von Ihm getrennt waren (Jes 53,4–6). Er hat sogar durch Seines Todes Verdienst unsere Verpflichtungen gegenüber der Gerechtigkeit Gottes ausgelöst und Seinen Zorn besänftigt, indem Er uns von Fluch und Verdammnis, der wir verfallen waren, loskaufte und die Strafe der Sünde an Seinem Leibe ertrug, um uns von derselben loszusprechen (Eph 2,4–6; Kol 1,13.14). Er hat alle Fülle himmlischer Güter zur Erde herniedersteigend mit sich gebracht, um dieselbe mit reichlich spendender Hand auf uns auszugießen (Joh 1,14.16; 7,38; Röm 8,32). Dies sind aber die Gaben des Heiligen Geistes, durch welchen wir wiedergeboren, aus der Gewalt und den Fesseln des Teufels befreit, zu Söhnen Gottes aus Gnaden (unentgeltlich) angenommen und zu jedem guten Werke geheiligt werden. Durch Ihn ersterben auch, solange wir in diesem sterblichen Leibe gehalten werden, in uns die schlechten Begierden und Fleischeslüste, kurz, alles Böse, was nur noch die verdrehte und verkehrte Verderbtheit unserer Natur erzeugt; durch Ihn werden wir von Tag zu Tag erneuert, um in einem neuen Leben (in der Erneuerung des Lebens) zu wandeln und der Gerechtigkeit zu leben.

J.I. Packer suspendiert

J.I. Packer wurde von seinem Bischof suspendiert, da er nach wie vor praktizierte Homosexualität für Sünde hält. Dieser Vorfall wird die kanadische anglikanische Kirche (und nicht nur diese) erschüttern. Rob Bradshaw aus UK hat freundlicherweise die Details zusammengetragen: biblicalstudiesorguk.blogspot.com.

Die Entwertung des Menschlichen

Anbei ein Aufsatz, der im Jahr 2001 entstand und sich im Geiste Schaeffers kritisch mit dem Post- und Transhumanismus befasst.

In diesem Zusammenhang: Das vergangene Jahrhundert offenbarte nicht nur eine Krise der Moderne, sondern eine Krise des Menschen überhaupt. Für Sigmund Freud (1856–1939) waren die Menschen alles andere als freie Persönlichkeiten, sondern triebgesteuerte Wesen, für die Rationalität einer von vielen Verdrängungsmechanismen ist. Im Jahre 1962 sprach Theodor Adorno (1903–1969) davon, dass der Anthropozentrismus »nicht zu retten« sei. 1966 schrieb Michel Foucault (1926–1984) begeistert vom »Verschwinden des Menschen« und deutete es als Befreiung von der Enge einer anthropologischen Axiomatik. François Lyotard (1924–1998) spricht davon, dass das Erbe Kants und Wittgensteins »von der Schuldenlast des Anthropomorphismus« zu befreien sei. Zyniker wie der aus Rumänien stammende E. M. Cioran oder der deutsche Ulrich Horstmann proklamieren sogar Sätze wie »Das Paradies ist die Abwesenheit des Menschen« oder »Daß es besser wäre, wenn es nicht wäre, hat sich das Untier [gemeint ist der Mensch] immer schon auf die ein oder andere Weise eingestanden.«

Kurz: Das Menschbild der nachmodernen Denker ist tief pessimistisch und in manchem Punkten geradezu biblisch düster. Warum verweigern so viele postmoderne Christen genau in dieser Frage ihren Lehrern die Gefolgschaft und entwerfen ein Menschenbild, dass bisweilen sogar den biblischen Sündenbegriff relativiert?.

Hier der Aufsatz: Entwertung.pdf .

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