2007

Die Kommerzialisierung der Lebenskultur

David F. Wells, Professor für Historische und Systematische Theologie am Gordon-Conwell Theological Seminary, schreibt über die Kommerzialisierung unserer Lebenskultur:

Zur Kultur gehören alle Arten und Weisen, das Leben zu betrachten, alle Denkgewohnheiten, die in einem bestimmten Kontext typisch und zur Norm werden. Kultur ist das, was in einer modernen Gesellschaft mit ihren hochentwickelten Produktionssystemen für Waren und Dienstleistungen in uns mitschwingt, mit ihrer Konzentration auf unsere Städte, durch Technik in ihrer Effizienz gefördert, vernetzt durch nie vorher dagewesene Kanäle der Kommunikation und Information und dominiert von riesigen Bürokratien sowohl der Firmen als auch des Staates. Die Gesellschaft liegt außerhalb von uns, ist aber auch die Welt, die wir geistig und seelisch bewohnen. Wir können nicht anders über das Leben oder über uns selbst nachdenken, als im Kontext dieser Welt um uns herum. Es ist diese Welt, die auf uns eindringt, Forderungen an uns stellt, uns manchmal erschreckt, uns am Leben erhält und uns in Beschlag nimmt. Es ist diese Welt, die uns in Myriaden von Bildern einhüllt, in deren Rahmen wir über das Sein nachdenken, mit denen wir darauf reagieren und durch die wir mit anderen Menschen kommunizieren. Und so viele dieser Bilder, über die wir uns selbst begreifen, sind ihrem Wesen nach kommerziell. Das hat Auswirkungen auf alles, von der Mode über die Politik bis hin zur Religion.

Aus: David F. Wells, Above All Earthly Pow’rs: Christ in a Postmodern World, Grand Rapids, Michigan: Eerdmans, 2005, S. 19.

Und es geschah

Stern.jpgIch wünsche den Lesern von Theoblog gesegnete und frohe Weihnachtstage!

Nachfolgend die Weihnachtsgeschichte des Lukas in einer Übersetzung von Fridolin Stier:

Lk 2,1-20 Es geschah in jenen Tagen: Eine Verfügung ging von Kaiser Augustus aus, die ganze bewohnte Welt sei aufzuschreiben. Diese Aufschreibung geschah erstmals, als Quirinius Statthalter von Syrien war. Und alle machten sich auf, um sich aufschreiben zu lassen, ein jeder in seine Vaterstadt.

Auch Josef stieg von Galiläa, aus der Stadt Nazaret, nach Judäa hinauf zur Stadt Davids, die Betlehem heißt – er war ja aus Davids Haus und Vaterstamm –, um sich aufschreiben zu lassen mit Maria, der ihm Anverlobten. Die war schwanger. Da geschah es: Während ihres Dortseins erfüllten sich die Tage ihres Gebärens. Und sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen, und sie wickelte ihn und legte ihn in einen Futtertrog, weil in der Einkehr kein platz für sie war.

Auch Hirten waren in demselben Land auf freiem Feld Nachtwache wachend bei ihrer Herde. Und da! Ein Engel des Herrn trat zu ihnen, und Herrlichkeit des Herrn strahlte rings um sie auf. Und Furcht überkam sie – große Furcht. Und der Engel sprach zu ihnen: Ängstet euch nicht! Denn da! Heilsbotschaft bringe ich euch – große Freude, die dem ganzen Volk widerfahren wird: Ein Retter ward euch heute geboren – er ist der Messias, der Herr – in Davids Stadt. Und dies sei euch das Zeichen: Ein Neugeborenes werdet ihr finden, das gewickelt ist und in einem Futtertrog liegt. Und plötzlich war da zusammen mit dem Engel eine Menge himmlischer Heerschar, die Gott lobte und sagte:

Herrlichkeit Gott: in den Höhen!

Und auf Erden: Friede den Menschen seines Gefallens! Und es geschah: Als die Engel von ihnen zum Himmel weggegangen, sagten die Hirten zueinander: Gehen wir nach Betlehem hinüber und sehen dieses Wort, das Geschehnis, das der Herr uns kundgetan. Und sie gingen eilends: fanden Maria und Josef und das Neugeborene, wie es im Futtertrog lag. Als sie es sahen, gaben sie das Wort kund, das ihnen über dieses Kind gesagt worden war. Und alle, die es hörten, staunten über das, was von den Hirten zu ihnen gesagt wurde. Maria aber hielt all diese Worte verwahrt und fügte sie in ihrem Herzen zusammen. Und die Hirten kehrten zurück, Gott verherrlichend und lobend ob allem, was sie gehört und gesehen hatten – wie es zu ihnen gesagt worden war.

Review of Grazy for God

Douglas Groothius hat eine Rezension über Grazy for God geschrieben, die einige der Fragen beantwortet, die Frank Schaeffers Buch aufwirft. Meines Erachtens trifft Douglas, der mit der komplexen Persönlichkeit »Frank« vertraut ist, sowohl Stärken als auch Schwächen der »Abrechnung«.

Frank – für seinen Zynismus bekannt – erklärt seinen Abschied vom Evangelikalismus übrigens mit Worten, die mir bekannt vorkommen.

Ich denke, ich hatte ein Problem damit, ein Evangelikaler zu bleiben, weil sich die evangelikale Gemeinschaft veränderte. Es waren die Zusammenführung des Unterhaltungsgeschäfts mit dem Glauben, die flapsig leichte, kitschige Hässlichkeit des amerikanischen Christentums, die schiere Dummheit, die Paranoia der amerikanischen Rechten, die mit der Popkultur verheirateten Platitüden, all das . . . war es, was mich verrückt machte.

Ähnliche Gedanken gehen auch mir ab und zu durch den Kopf und ich meine, diese Worte geben die Stimmung der jungen Leute adäquat wieder, die so wie bisher nicht mehr weitermachen wollen.

Der »kleine« Westminster Katechismus

Mit dem Westminster Bekenntnis sind viele (reformierte) Christen vertraut. Der Westminster Katechismus ist dagegen in deutschsprachigen Kreisen weniger bekannt. Der »kleine« Westminster Katechismus von 1647, der für die Ausbildung von Kindern und Neuchristen verfasst wurde, kann in einer Übersetzung von Kurt Vetterli hier heruntergeladen werden: mbstext061.pdf.

Identität in der Postmoderne

Ted Turnau, Theologe und derzeit Dozent für Medienwissenschaften an der Karls-Universität in Prag, hat sich in einem Workshop mit der Frage der menschliche Identität auseinandergesetzt. Ted, der über »Re-Imagining Ricoeur: Popular Culture as Discursive Text, Metaphor, and Narrative« (1999) promoviert hat, untersucht die Geschichte des »Selbst«, angefangen von dem eher statischen Selbstverständnis des Menschen in der Moderne bis hin zu den dynamischen Entwürfen des Subjekts in der Postmoderne (Lacan, Foucault und Ricoeur). Zum Abschluss seines Workshops entwickelt Ted Turnau, der ebenfalls ein exzellenter Filmkritiker ist, eine biblische Antwort auf die Frage nach einem gesunden Selbstbild.

Neben einem Outline zum ca. 1,5 Stunden Workshop in englischer Sprache gibt es hier die mp3-Datei: www.bethinking.org.

Überarbeitete Biblische Hermeneutik von Kaiser und Silva

Die Hermeneutik von Walter C. Kaiser Jr. und Moisés Silva ist in einer neuen Auflage erschienen. Da Kaiser und Silva die Autorität der Schrift bejahen und dennoch in vielen Fragen unterschiedlicher Meinung sind, fordern sie den Leser heraus, im Dialog mit den Autoren eigene Standpunkte zu entwickeln. Die neue Auflage wurde um vier Kapitel ergänzt.

  • The role of biblical theology in interpretation
  • How to deal with contemporary questions not directly addressed in the Bible
  • The New Testament’s use of the Old Testament
  • The role of history in interpretation

Der Verlag Zondervan bietet das Inhaltsverzeichnis und einen Teil des ersten Kapitels zum Herunterladen an: 0310279518_samptxt.pdf.

Crazy for God

John W. Whitehead hat für The Rutherford Institute Frank Schaeffer zu seinem Buch Grazy for God befragt. Noch immer spürt man Franky, dem Sohn von Edith und Francis Schaeffer, seinen L’Abri-Frust ab. Einige Passagen klingen allerdings überraschend versöhnlich.

Viele Kinder erfolgsverwöhnter Leiterpersönlichkeiten werden die Enttäuschungen von Frank nachvollziehen können. Für die Fragen und Sorgen anderer Menschen haben diese nämlich manchmal mehr Zeit als für die der eigenen Familie. Auf ihre »Karriere« bedachte Arbeiter im »Weinberg des Herrn« sollten also nicht vergessen, dass Gott ihnen ihre Kinder anvertraut hat. Fünzehn Jahre sind schnell vorrüber.

Übrigens: Wenn man ein Buch von Frank liest, sollte man beachten, dass seine Schwestern manches anders sehen als er. Frank selbst sagt:

There are no people who are truly god-like or perfect. We are all flawed human beings. But I will admit that although I do go after some people, the real point of the book is to reflect on what my memories are. The book recounts the point where various people touched my life as a child or as an adolescent or as a young adult or whatever it might be. Those are my memories. Other people have other memories. But to the extent that I include things in the book, to my best knowledge, they are true. Does that give a full picture of somebody’s life? Absolutely not.

Hier gehts zum Interview: oldspeak.

Rebellen des Denkens

ROT.jpgAls ich vor einigen Tagen die Dokumentation Rebellion of Thought vorstellte, hatte ich noch keine Gelegenheit, den Film in voller Länge zu sehen. In der Nacht vom Freitag zum Samstag war es endlich so weit. Meine Familie ging zu Bett, ich füllte mir ein Glas Rotwein und legte die DVD ein. Um es gleich zu sagen: Der Film ist ein Gesamtkunstwerk von atemberaubender Qualität und Schönheit. Musik, Kameraführung und Dramaturgie sind geradezu perfekt aufeinander abgestimmt und gehen unter die Haut.

Als die Filmemacher Brad und Kent C. Williamson damit begannen, Philosophen und Theologen über den Umbruch von der Moderne zur Postmoderne zu befragen, war ihnen selbst noch nicht klar, dass sie das Projekt auf unerwartete Weise verändern sollte. So verknüpft der Film sachliche Informationen über die Postmoderne und Dialoge der Macher über ihre Reise zu einem authentischen Christsein mit anderen kleinen Geschichten.

Die Schnittfolge ist extrem rasant, so dass die Gesprächspartner manchmal ihre Sätze nicht beenden können. Das macht den Film sehr unruhig, passt aber zur Kultur der Postmoderne. Auch die verschiedenen Frames, die das Videobild rahmen, sind stilgerecht und untermalen den Perspektivialismus. Die gewollte Fragmentarisierung ist jedoch zugleich eine Schwäche des Films. Nur selten wird ein Gedanke zu Ende geführt. Der Film will inspirieren, nicht erklären.

Zu den interviewten Experten gehören Leute wie Bruce Benson (Philosoph, Wheaton), D.A. Carson (Neutestamentler, Trinity), Jim Spiegel (Philosoph, Taylor) oder Angus Menuge (Philosoph, Concordia). Auch Win Corduan (Taylor), mein ehemaliger Lehrer im Fach Religionsphilosophie, ist dabei (habe ihn kaum wiedererkannt).

Der großer Schocker kommt am Ende des Films. Ich gebe es zu: Ich saß fassungslos im Sessel und hatte Tränen in den Augen.

Hier gibt es eine Pressemappe zum Film.

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