September 2010

Quervain: Heiligung (Teil 5)

Alfred de Quervain: Die Heiligung: Ethik, Zollinkon-Zürich: Evangelischer Verlag, 1946, S. 99–101:

Und nun der Leib des Geheiligten, zu Christus Gehörigen? »Es soll die Sünde nicht herrschen in eurem sterblichen Leibe, seinen Begierden zu gehorchen«, oder, wie Kohlbrügge treffend übersetzt: »Es sei also die Sünde nicht König in eurem sterblichen Leib«. Die Begierden lehren uns, den Leib nehmen als eine Macht, die sich austoben muss, die eigenen Gesetzen folgt. Sie fordern uns aber auch auf, den Kampf mit diesem Leibe aufzunehmen und ihn durch allerlei Übungen, durch unsere Zucht zu meistern, ihn den höheren Zwecken, dem »Geiste« dienstbar zu machen. Es ist nicht Antinomismus, Gesetzesfeindschaft, Ablehnung jeglicher Zucht, wenn Luther vor der Überschätzung dieser Übungen warnt, wenn er der mönchischen Askese vorwirft, dass sie die Macht des Bösen nur stärke, so wie ein falsch behandeltes Geschwür sich nach innen kehrt und den ganzen Leib verdirbt. Auch dem Leibe gegenüber gilt um Christi Gehorsam willen: »Siehe, es war sehr gut«. An dieses göttliche Urteil sollen wir uns halten. Das bedeutet keine Verherrlichung oder gar Vergottung des Leibes. Diesen Leib des Christen nennt Paulus einen sterblichen Leib. Luther spricht etwa vom Madensack. Der Christ erkennt, dass die Sünde — des Menschen eigenwilliges Urteilen, Verbieten und Erlauben — keine Regierungsgewalt mehr über den Leib hat. Der, der im Glauben an Christi Tod, im wissen um sein Mitgestorbensein seinen Leib aus der Hand Gottes, als eine Gabe Gottes nimmt, der weiß um das Sterben dieses Leibes. Sehr eindrücklich hat Luther von dem Leben des Christen in der Erkenntnis dieses Sterbens, von dem Umgang des Christen mit diesem kläglichen Leib geredet. Seine Hoheit liegt nicht in ihm selbst, nicht in eigenen Zielsetzungen; Gott hat ihn zu einem Tempel des Heiligen Geistes bestimmt. Er stirbt dahin, um in der Auferstehung der Toten zu seinem Ziel zu gelangen.

Auch in den Kirchen der Reformation ist die Botschaft von Römer 6 nicht immer in ihrer ganzen Kraft vernommen worden. Es ist mehr vom Sterben als vom Gestorbensein, mehr vom Töten der Glieder als von ihrem Gekreuzigtsein die Rede. Die aktive Form liegt gerade den Schülern Calvins näher als die passive, sobald die Heiligung in Frage steht. Wir haben dies zu bedenken, auf dass wir nicht den und die Klarheit der Schrift abschwächen.

Ursmus legt die Fragen 88—90 mit besonderer Ausführlichkeit aus. Neben Römer 6,4—6 werden angeführt Eph 4,12—24; Kol. 3,5–30; Gal 5,24. Diese Stellen kennzeichnen das Sterben des alten Menschen. In der Kolosserstelle aber ist besonders deutlich der Zusammenhang zwischen dem, was in Jesus Christus für uns, an uns ein für allemal geschehen ist und dem, was an dem Christen in dieser Zeit sich ereignet, zwischen der Gabe Gottes und unserer Glaubensentscheidung, unserem Gehorsam. Nun wird es deutlich, dass die Rede vom Gestorbensein nicht im Sinne der quietistischen Mystik, sondern als Begründung für das gehorsame Tun des Christen auf Erden, für sein Freisein von der Herrschaft der Sünde verstanden werden muss. Kohlbrügge, im Gegensatz zu so manchen seiner Schüler, warnt auch vor dem feinsten und verborgensten Betrug durch mystische Gedanken. Er lässt einen solchen Christen im Blick auf Gal 5,24 »Welche aber Christo angehören, die kreuzigen ihr Fleisch samt den Lüsten und Begierden« sagen: »Allerdings, das versteht sich; aber das muss man so nehmen, dass solches in Christo wahr ist; doch soll man das so in der Wirklichkeit nicht nachsuchen wollen, denn dann würde ja kein Mensch selig«. Und dann die Antwort Kohlbrügges: »Meine Geliebten! was geschrieben steht, steht geschrieben, und an dem Worte Gottes lässt sich nicht künsteln oder mäkeln« (Schriftauslegung, 11. Heft, S. 86).

Leben zur Ehre Gottes

201009171241.jpgDas von Christian Herrmann herausgegebene Themenbuch zur christlichen Ethik:

  • Leben zur Ehre Gottes, Bd 1: Ort und Begründungen, TVG, Witten: R. Brockhaus, 2010, 473 S., nur 16,95 Euro

enthält Aufsätze von Armin Wenz, Thomas Jeising, Rainer Mayer, Berthold Schwarz, Thomas Schirrmacher, Edith Düsing und vielen anderen.

Der Titel des Buchprojektes deutet die theozentrische Fokussierung der Ethik an. Dieses Anliegen eint bei aller unterschiedlichen Nuancierung die Autoren. Sie tragen bei zu dem Versuch bei, eine evangelikale Ethik als Sammelwerk vorzulegen. Im ersten Band geht es dabei mehr um die so genannte formale Ethik, während sich der zweite Band den materialen Konkretionen widmen wird. Behandelt werden im ersten Band Themen wie: Situationsethik, Gottebenbildlichkeit, Rechtfertigungslehre und Heiligung oder Gewissen.

Mein Beitrag zum Buch trägt den Titel: »›Du hast noch nicht erwogen, von welcher Schwere die Sünde ist‹ – Die ethische Bedeutung des Bösen« und ist nicht ganz einfach verdaulich.

Quervain: Heiligung (Teil 4)

Alfed de Quervain: Die Heiligung: Ethik, Zollinkon-Zürich: Evangelischer Verlag, 1946, S. 99:

Wir stellten schon fest, dass in der Vergangenheit kein Theologe diesen apostolischen Trost so klar erfasst und verkündigt hat wie Kohlbrügge. Darum darf er hier ausgiebiger zitiert werden. »Um es uns deshalb deutlich zu machen, dass wir weder auf der Sünde sitzen bleiben, noch in der Sunde fortfahren oder beharren werden, wenn wir es dafür halten, dass wir der Sünde gegenüber wie Leichen sind, Gott aber leben in Christo Jesu, unserem Herrn; und wenn wir das glauben, wie es denn auch wahr ist, dass wir nicht mehr unter der Herrschaft des Gesetzes stehen, sondern der Gnade ergeben sind, welche die Sorge für uns auf sich genommen, so bedient er sich eines Beispiels aus dem Leben der Sklaven. Ein Sklave ist seinem Herrn nicht halb verkauft, sondern ganz; er hat die Glieder seines Leibes bereit zu halten und zum Dienste herzugeben nach dem Willen seines Gebieters. Sowie er Sklave ist, so sind auch alle Glieder seines Leibes Sklaven seines Herrn; Herz, Verstand und Überlegungen, Augen, Hände und Füße, Rücken und Nacken, alles muss dem Gebieter, dem er verkauft ist, dienen. Nun sagt der Apostel: Ihr seid Sklaven der Sünde gewesen; da habt ihr eure Glieder der Unreinigkeit hingegeben und der Gesetzlosigkeit zur Gesetzlosigkeit. Der Apostel sagt nicht, wann wir solche Sklaven gewesen: wir können es in diesem Augenblicke sein. Das sagt aber das Wort: Ihr seid es gewesen, weil das Wort lediglich will, dass wir das Wort zu unserer Errettung willig aufnehmen; und da predigt das Wort zu gleicher Zeit Erlass und Befreiung von der Sklaverei der Sünde und hält demjenigen, der mitten in solcher Sklaverei sitzt, nicht vor: ›Du hast dich von der Sünde loszumachen‹, sondern ›Du bist davon los‹. Deshalb sage ich, dass die Vorstellung des Apostels rein evangelisch ist» (Licht und Recht, Heft 12, S. 62–63).

Wohin treibt der Islam?

In Europa sind spätestens seit dem Beginn der Globalisierung die islamische, christlichen und säkularisierte Welten mit miteinander verwoben. Die zweiteilige ZDF-Dokumentation »Wohin treibt der Islam?« von Friedrich Klütsch und Daniel Gerlach geht der Frage nach, ob der Islam und die Demokratie zusammen passen oder welche Chancen und Schwierigkeiten sich bei dem Aufeinandertreffen der verschiedenen Kulturen ergeben. Unter den während der Dokumentation begleiteten Personen befindet sich Nassem Ben Iman, der zum Christentum konvertiert ist oder der bekannte Koran-Gelehrte Nar Abu Zaid, der im Juli verstorben ist.

Die zwei Teile können derzeit in der Mediathek aufgerufen werden:

VD: SW

Die Seligsprechung von Kardinal Newman

Der DLF hat einen Kurzbeitrag zum Papstbesuch in Großbritannien und die erwartete Seligsprechung von Kardinal Newman ausgestrahlt. Der Beitrag gibt Einblicke in die Spannungen und die Annäherungen zwischen der Katholischen und der Anglikanischen Kirche. Viele Anglikaner fühlen sich von der Katholischen Kirche angezogen, da ihre eigene Kirche zunehmend liberalisiert.

[podcast]http://podcast-mp3.dradio.de/podcast/2010/09/15/dlf_20100915_0937_9a79408d.mp3[/podcast]

Stephanie zu Guttenberg schockiert mit der Realität

201009160934.jpgVon nackter Haut hat sie genug, sagt Stephanie zu Guttenberg bei der Vorstellung ihres neuen Buches. Ihr geht es um viel mehr.

Stephanie zu Guttenberg hat zum Kindesmissbrauch viel mehr zu sagen, als in diese eine Stunde passen. Das weiß sie. Deshalb spricht sie immer schneller, gönnt nur den wirklich wichtigen Silben eine längere Aussprache: »Die Chancen, in diesem Bereich zu helfen, sind un– end– lich hoch.« Zuvor hatte sie die Zuhörer geschockt. Mit der Realität. »Der schlimmste Missbrauch geschieht noch immer in den Kinderzimmern«, sagt Guttenberg. Jedes fünfte Mädchen und jeder neunte Junge werden sexuell belästigt. Täter sei meist eine Vertrauensperson. Onkel. Lehrer. Vater. Manchmal auch die Mutter. »Im Schnitt muss sich ein missbrauchtes Kind an acht Erwachsene wenden, bevor es erhört wird. Das sind sieben zu viel.«

Im Raum wird es unruhig. Eine Traube von Menschen kommt die Treppe hinunter, stellt sich in die hinteren Reihen. Die Fernsehkameras drehen sich um. Auch Stephanie zu Guttenberg stockt kurz und schaut von der Bühne in den dunklen Saal.

Hier der Artikel: www.welt.de.

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