Februar 2011

Augustinus: Lehrer der Gnade (Teil 5)

Augustinus führt in seinem Brief 194 (S. 349–351) weiter aus, dass Gott Gebete wirklich erhört, aber auch das Gebet des Glaubens nicht etwas ist, was wir Menschen unserem eigenen Vermögen zuschreiben sollten. Der Glaube kommt aus der Predigt des Evangeliums. Obwohl viele das Wort hören, glauben nicht alle. Gottes Ratschluss und seine Gerichte sind unausforschlich, aber Gott ist deshalb nicht ungerecht.

Im nächsten Abschnitt (S. 351–353) betont Augustinus, dass alles Gute Gnadengeschenk ist.

Augustinus: Alles Gute haben wir empfangen

Der Glaube also zieht uns zu Christus. Würde er uns nicht als ein unverdientes Geschenk verliehen, so würde nicht Christus selbst sprechen: »Niemand kommt zu mir, wenn nicht der Vater, der mich gesandt hat, ihn zieht« (Joh 6,44). Darum spricht er gleich darauf: »Die Worte, die ich zu euch gesprochen habe, sind Geist und Leben. Aber es sind einige unter euch, die nicht glauben« (Joh 6,64–65) Sodann fügt der Evangelist bei: »Denn Jesus wußte von Anfang an, wer die Glaubenden seien und wer ihn verraten würde«. Und damit niemand meine, die Glaubenden ständen in einer solchen Beziehung zu seinem Vorauswissen, wie die Nichtglaubenden, das heifjt, es würde ihnen der Glaube nicht von oben verliehen, sondern nur ihr Wille im voraus erkannt, fügt er zugleich bei: »Und er sprach: ›Deshalb habe ich euch gesagt, daß niemand zu mir kommt, wenn es ihm nicht von meinem Vater gegeben ist‹« (Joh 6,66). Daher kam es, daß einige von denen, die seine Rede über sein Fleisch und Blut gehört hatten, geärgert davongingen, einige aber glaubend dablieben, weil niemand zu ihm kommen kann, wenn es ihm nicht vom Vater und folglich auch vom Sohne und dem Heiligen Geiste gegeben ist. Denn die Gaben und Werke der unteilbaren Dreieinigkeit sind nicht getrennt. Indem aber der Sohn den Vater auf solche Weise ehrt, liefert er nicht den Beweis, daß irgendeine Verschiedenheit obwaltet, sondern gibt ein großes Beispiel der Demut.

Denn wenn wir sagen, der Glaube sei vorausgegangen und in ihm liege, was die Gnade verdient, welches Verdienst hatte dann der Mensch vor dem Glauben, wodurch empfing er ihn? Denn was hat er, das er nicht empfangen hätte? Hat er es aber empfangen, was rühmt er sich, gleich als hätte er es nicht empfangen? Denn wie er Weisheit, Verstand, Rat, Stärke, Wissenschaft, Frömmigkeit, Gottesfurcht nicht hätte, wenn er nicht nach dem Ausspruche des Propheten den Geist der Weisheit und des Verstandes, des Rates und der Stärke, der Wissenschaft, Frömmigkeit und Gottesfurcht empfangen hätte – wie er weiter Tugend, Liebe, Enthalt¬samkeit nicht hätte, wenn er nicht den Geist empfangen hätte, von dem der Apostel schreibt: »Denn ihr habt nicht empfangen den Geist der Furcht, sondern den Geist der Tugend, der Liebe und der Selbstbeherrschung» (2Tim 1,7), so hätte auch niemand den Glauben, wenn er nicht den Geist des Glaubens empfangen hätte, von dem derselbe Apostel sagt: »Da wir aber denselben Geist des Glaubens haben, wie geschrieben steht: ›Ich glaubte, darum redete ich‹, so glauben auch wir, und darum reden wir« (2Kor 4,13). Daß wir ihn aber nicht durch ein Verdienst erlangt haben, sondern durch die Barmherzigkeit dessen, der sich »erbarmt, wessen er will«, zeigt er ganz deutlich, wenn er von sich selbst sagt: »Ich habe die Gnade erlangt, treu zu sein« (1Kor 7,25).

Für Rob Bell gewinnt die »Liebe«

Der charismatische Redner Rob Bell spricht im Promotionsvideo zu seinem neuesten Buch aus, was viele Emergente denken:

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Brian McLaren schreibt dazu:

In Love Wins, Rob Bell tackles the old heaven-and-hell question and offers a courageous alternative answer. Thousands of readers will find freedom and hope and a new way of understanding the biblical story – from beginning to end.

Mir fällt dazu ein, dass an der Projektionshypothese von Ludwig Feuerbach, gemäß der »Gott« eine Projektion eigener Vorstellungen und Wünsche ist, etwas (!) dran ist (siehe auch hier).

Kevin DeYoung hat acht hilfreiche Gedanken aus dem Buch Why We’re Not Emergent zum Thema publiziert: thegospelcoalition.org.

The Bart Ehrman Project

Der Religionswissenschaftler Bart Ehrman ist in evangelikalen Kreisen groß geworden und zählt inzwischen zu den schärfsten Kritikern einer Offenbarungstheologie. Die Bibelkritik von Ehrman verunsichert junge Christen in den USA und vielen anderen Ländern. Durch seine Bücher Abgeschrieben, falsch zitiert und missverstanden oder Jesus im Zerrspiegel ist er inzwischen auch im deutschen Sprachraum bekannt.

Miles O’Neill, der an der gleichen Universität wie Barth Ehrman arbeitet, hat das »The Bart Ehrman Project« ins Leben gerufen, das sich kritisch mit den Thesen von Ehrman befasst.

Hier: ehrmanproject.com.

Augustinus: Lehrer der Gnade (Teil 4)

Nachfolgend zitiere ich aus dem Brief Nummer 194, von Augustinius im Jahre 418 verfasst. Ich beschränke mich auf Absätze, die sich im engeren Sinn mit der Gnadentheologie beschäftigen. Als Quelle verwende ich: Aurelius Augustinus, Ausgewählte Briefe, Leipzig, St. Benno Verlag, 1966, ab S. 343. Den Text habe ich sprachlich leicht überarbeitet und gelegentlich Bibelstellenangaben eingefügt.



Augustinus: Gnade ist immer unverdient

Obwohl nun jene Leute Feinde und Gegner der Gnade sind, so hat doch Pelagius vor dem kirchlichen Richterstuhl in Palästina [gemeint ist die Synode zu Diospolis], da er sonst nicht ohne Strafe davongekommen wäre, jene verworfen, die behaupten, dass die Gnade Gottes nach Verdienst gegeben werde. Aber auch in ihren späteren Erörterungen findet man nichts anderes, als dass jene Gnade nach Verdienst gegeben werde, jene Gnade, von deren Herrlichkeit der Apostel vorzüglich im Briefe an die Römer spricht, damit ihre Empfehlung von Rom als dem Haupte des Erdkreises aus sich über den ganzen Erdkreis verbreite. Denn sie ist es, durch die der Gottlose gerechtfertigt wird, nachdem er vorher gottlos gewesen. Darum gehen dem Empfange keine Verdienste voraus, weil den Verdiensten des Gottlosen nicht Gnade, sondern Strafe gebührt. Und die Gnade wäre nicht Gnade, wenn sie nicht unverdient, sondern nach Schuldigkeit gegeben würde.

Wenn man sie aber fragt, welche Gnade nach des Pelagius Meinung ohne Verdienste gegeben wird, wenn er diejenigen verwarf, die behaupten, dass die Gnade Gottes nach Verdienst gegeben werde, so antworten sie, eine Gnade ohne jedes vorausgehende Verdienst sei die menschliche Natur selbst, mit der wir erschaffen sind. Denn bevor wir vorhanden waren, konnten wir nicht verdienen, dass wir da seien.

Mögen christliche Herzen diese Täuschung abweisen! Denn nicht jene Gnade preist der Apostel, durch die wir geschaffen wurden, so dass wir Menschen sind, sondern jene, durch die wir gerechtfertigt wurden, als wir böse Menschen waren. Denn dies ist die durch Jesus Christus, unseren Herrn, er­teilte Gnade. Christus ist ja nicht für Nichtexistierende gestorben, damit sie als Menschen erschaffen würden, sondern für die Gottlosen, damit sie gerechtfertigt würden. Aber jener war bereits Mensch, der sprach: »O ich unglücklicher Mensch! Wer wird mich befreien von dem Leibe dieses To­des? Die Gnade Gottes durch Jesus Christus, unseren Herrn« (Röm 7,24). Sie können nun einwenden, es sei auch die Vergebung der Sünden eine Gnade, die ohne vorausgehende Verdienste erteilt wird. Denn welches gute Verdienst können Sünden besitzen? Aber selbst die Vergebung der Sünden ist nicht ohne jedes Verdienst, wenn der Glaube sie erbittet. Denn jener Glaube besitzt allerdings ein Verdienst, in dem der Zöllner sprach: »Herr, sei mir Sünder gnädig!«, und durch das Verdienst gläubiger Demut »gerechtfertigt davonging, da erhöht wird, wer sich erniedrigt« (Lk 18,13). Wir müssen also nur den Glauben selbst, von dem alle Gerechtigkeit ihren Anfang nimmt – deshalb wird im Hohen Liede zur Kirche gesagt: »Du wirst kommen und vom Anfange des Glaubens an wandeln« (Hohelied 4,8) –, wir müssen also nur den Glauben selbst nicht dem menschlichen Willen zuschreiben, den jene Leute so hoch erheben, noch irgendwelchen vorausgehenden Verdiensten, da erst von ihm jedes gute Verdienst seinen Anfang nimmt, sondern ihn als freierteilte Gabe Gottes erklären, wenn wir die wahre, das heißt unverdiente Gnade im Auge haben. Wir lesen ja in demselben Briefe: »Gott erteilt einem jeden das Mag des Glaubens“ (Röm 12,3). Die guten Werke geschehen nämlich vom Menschen, der Glaube aber entsteht im Menschen, und ohne ihn wirkt kein Mensch gute Werke. »Alles aber, was nicht aus dem Glauben geschieht, ist Sünde« (Röm 14,23).

Die Bibeltür

Mit gutem Recht wird die Bronzetür am Hauptportal des Großmünsters in Zürich Bibeltür genannt, besteht sie doch aus 42 aneinandergefügten, quadratischen Kassetten, die entweder Worte aus der Bibel enthalten oder aber biblische Geschichten bzw. Personen zum Inhalt haben.

Insgesamt hat die Bibeltür die christliche Heilsbotschaft zum Thema. Zwischen den beiden obersten Bildreihen befinden sich drei Knäufe, das Lamm Gottes zwischen Alpha und Omega. Das drückt die Erlösung als Erfüllung der Zeiten aus und führt uns auf die Aussage des Bildwerkes: Die Knäufe sind gleichsam Titel und Zusammenfassung.

Christoph Renschler stellt die Bibeltür vor: mbstexte151_c.pdf.

Augustinus: Lehrer der Gnade (Teil 3)

Augustinus‘ Hauptaufmerksamkeit galt nicht dem Verhältnis von Glaube und Wissen, sondern der göttlichen Gnade. Einzigartig hat der Bischof das Thema »Gnade« autobiographisch in seinen Bekenntnissen erörtert. Für Augustinus ist es das Ziel des Menschen, Gott anzuhängen. Der Mensch ist allerdings unfähig, aus seinem Herzen heraus das ihm gesteckte Ziel zu erreichen. Sein durch die Sünde verdorbener Wille – »Wille« steht bei Augustinus für das Zentrum der Persönlichkeit, zieht ihn immer wieder auf sich selbst zurück. Die Eigenliebe wiegt so schwer, dass sie den Menschen wie ein Gefängnis einkerkert und knechtet. Indem Gott sich uns Menschen in Jesus Christus liebevoll zuwendet, werden diejenigen, die Christus vertrauen, mit ihrem Schöpfer versöhnt. Nach Augustinus kann allein Gott den ganz auf die Gnade angewiesenen Menschen aus der Macht der Sünde befreien.

Der Bischof hat in zahlreichen Werken sein Verständnis der Gnade Gottes begründet und erläutert. Ich möchte in den nächsten Tagen durch die auszugsweise Wiedergabe seines Briefes an Sixtus Einblicke in seine Argumentation gewähren. Zuvor aber einige Anmerkungen zur Entstehung des Briefes während der Auseinandersetzung mit dem Pelagianismus.

Der Pelagianismus geht auf den den ursprünglich aus Britannien stammende Pelagius (360–ca. 420) zurück. Er gelangte als Flüchtling nach Rom, wo er sich ab ungefähr 380 n. Chr. verschiedenen theologischen Studien widmete und ein beachtliches Ansehen erwarb. Wegen seiner strengen und enthaltsamen Lebensführung stand er bis zu seiner Verdächtigung als Irrlehrer im Ruf einer »nicht gewöhnlichen Frömmigkeit«. In einem Anhang zur Schrift De peccatorum meritis et remissione et de baptismo parvulorum erwähnt Augustinus Pelagius erstmals namentlich und bezeichnet ihn noch als einen heiligen und ernsten Mann und hervorragenden Christen. Von der Askese geprägt, war er über das zügellose Leben der Menschen in Rom entsetzt und engagierte sich für eine Erneuerung des kirchlichen Lebens. Obwohl theologischer Laie, sprach Pelagius fließend Griechisch und las das Neue Testament in Koiné (Augustinus las Lateinisch). Sein auf die Bergpredigt und die christliche Vollkommenheit ausgerichteter Lebensstil traf das Bedürfnis gebildeter Christen. So konnte er sich mit der Zeit in Rom einen respektablen Freundeskreis unter den Aristokraten aufbauen.

Pelagius floh um 409 mit seinem Schützling Caelestius von Rom nach Nordafrika. Während er selbst von dort nach Palästina weiterreiste, verweilte Caelestius als Emigrant in Kathargo und löste gegen Ende des Jahres 411 den so genannten »pelagianischen Streit« aus, indem er im Rahmen einer »Taufdebatte« gegen die von Augustinus bereits entwickelte Ursündenlehre Stellung bezog.

Ohne den Pelagianismus hier näher zu erörtern, will ich kurz darstellen, was Caelestius damals vorgeworfen wurde. Die Anklageschrift gegen Caelestius gewährt uns nämlich Einblicke in die Positionen des Pelagius und die seiner Schüler, auch wenn Pelagius nicht exakt das behauptet haben mag, was dem Caelestius vorgeworfen wurde. Folgende sechs Punkte werden aufgezählt (Ich folge der Aufzählung von Bonner und Wermelinger): (1) Adam wurde von Gott sterblich erschaffen und wäre auch dann gestorben, wenn es keinen Sündenfall gegeben hätte. (2) Seine Sünde hätte nur ihm selbst geschadet, nicht aber der gesamten Menschheit. (3) Kinder hätten bei ihrer Geburt den gleichen Status wie Adam vor dem Fall und auch Ungetaufte empfingen ewiges Leben. (4) Die Menschen stürben weder durch Adams Tod oder Vergehen noch würden sie durch die Auferstehung Jesu auferstehen. (5) Dass Gesetz bringe Menschen gleichwie das Evangelium in das Himmelreich. (6) Vor dem zweiten Kommen von Jesus Christus habe es sündenfreie Menschen gegeben.

Augustinus warf Pelagius ein erheblich verkürztes Gnadenverständnis vor. In seinem Brief 188 schreibt er:

Und fürwahr ist nicht gering der Irrtum jener, die glauben, wir hätten aus uns selbst das, was an Gerechtigkeit, Enthaltsamkeit, Frömmigkeit und Keuschheit in uns ist. Gott hätte uns nämlich so geschaffen, dass er uns – abgesehen von der Offenbarung rechten Wissens – darüber hinaus nicht hilft, unser Wissen über das rechte Tun auch liebend in die Tat umzusetzen. Nur in der menschlichen Natur und in der göttlichen Belehrung – behaupten sie – besteht die Gnade und Hilfe Gottes zum richtigen und gerechten Leben. Sie geben aber nicht zu, daß Gott uns hilft, den guten Willen, in dem das gerechte Leben besteht, zu besitzen und auch die Liebe selber, die unter allen Gaben Gottes so hervorragt, dass sie sogar »Gott« genannt wird (1 Joh 4,8), und ohne die in uns Gottes Gebot und Weisung überhaupt nicht erfüllt werden kann. Vielmehr behaupten diese Leute, dass wir selbst uns dafür aufgrund unserer eigenen Willensfreiheit genügen.

Papst Innozenz I. reagierte im Streit mit Pelagius zustimmend auf die Einwände von Augustinus: »Wer meint, er würde der göttlichen Gnade nicht bedürfen, erweist sich als ein Feind des katholischen Glaubens …« (Ep. 181,8). Die Stellungnahme seines Nachfolgers Zosimus fiel zunächst reservierter aus, da er von Caelestius hintergangen wurde. Ein Schreiben, das der karthagischen Synode im Mai 418 vorgelegt wurde, konnte Zosimus jedoch beruhigen und so wurde die Häresie des Pelagius erneut verurteilt.

Den Brief 194, aus dem ich in den nächsten Tagen zitieren werden, schrieb Augustinus nach diesen Vorgängen an den späteren Papst Sixtus. Was Augustinus über die Unverdientheit der Gnade, über die Ursünde und deren Schuldcharakter lehrt, wurde teilweise katholisches Glaubensgut und animierte besonders Reformatoren wie Martin Luther oder Johannes Calvin zur Wiederentdeckung der göttlichen Gnade. Viele Bibelstellenverweise und Argumente, die in dem Brief zu finden sind, wurden in der Reformationszeit wieder »ausgegraben«.

Technische Probleme

Leider gab es beim Upgrade der Software technische Probleme. Ich bitte diese Schwierigkeiten zu entschuldigen und danke für die Geduld.

Augustinus: Lehrer der Gnade (Teil 2)

Mit der Bekehrung des Herzens begann bei Augustinus auch die Bekehrung des Denkens. Die ersten Schriften sind von den Auseinandersetzungen mit dem Manichäismus geprägt und deutlich platonisch. Nach und nach wächst der Einfluss der biblischen Schriften und es gelingt Augustinus, das Verhältnis von Erfahrung, Vernunft und Glauben auf höchstem Ni­veau zu durchdenken und zu systematisieren.

Sehr bewegend ist die Schrift Über den Nutzen des Glaubens, die er – ent­weder 391 o. 392 verfasst –, an seinen ehemaligen Studienkollegen Honora­tus schrieb. Augustinus hatte Honoratus während seiner Studienzeit für den Manichäismus gewonnen. Inzwischen Christ, hörte er davon, dass Honoratus öffentlich gegen das Christentum polemisierte. So ver­suchte er mit dieser Schrift seinen Freund davon zu überzeugen, dass das Christentum die Wahrheit ist. Sein Werk Der Gottesstaat gilt als das Meis­terstück der altkirchlichen Apologetik und gehört zu den bedeutendsten Büchern für die abendländische Kultur überhaupt. Gegen Ende seines Lebens verfasste er die Retractationes (426–427), ein Werk, in dem er seine Lehrirrtümer benennt und Teile seiner Schriften korrigiert.

Von großer Bedeutung für die Apologetik ist Augustinus‘ Behandlung der Frage nach der Beziehung von Glaube und Wissen. Das Verhältnis von Glaube und Wissen (oder Glaube und Vernunft) spielt durch die ganze Philosophiegeschichte hindurch eine zentrale Rolle. Die Philoso­phie gilt als die Vernunftswissenschaft, die Erkenntnis rational zu be­schreiben und zu begründen versucht. Dem gegenüber steht die Religion oder die Theologie, die vorrangig einen Glaubensanspruch und keinen Erkenntnisanspruch stellt. Wie können wir die Dialektik von Glaube und Wissen auflösen? Augustins Lösungsvorschlag entwickelte sich zu einem »Meilenstein« der christlichen Theologie und hat den Weg des christlichen Denkens bis in die Gegenwart hinein geformt.

In der Diskussion um das dialektische Verhältnis von Glaube und Wis­sen haben sich zwei große Traditionen herausgebildet. Die erste große Tradition ist sich darin einig, dass zwischen Glaube und Wissen ein Wi­derspruch oder zumindest eine problematische Spannung besteht. Der Widerspruch oder die Spannung wurden innerhalb dieser Tradition bis zu Augustin in zwei Richtungen aufgelöst. Gemäß der ersten Lösung steht das Wissen über dem Glauben. Wir kön­nen diese Auflösung Rationalismus nennen, da die Vernunft innerhalb dieser Tradition maßgebliches Leitprinzip ist. Der Rationalismus möchte gerade den unsicheren Glauben oder das bloße Meinen (doxa) überwin­den und zur Erkenntnis vordringen (episteme). Für Platon ist beispiels­weise die Meinung nur einer Vorform des Wissens. Glaube ist vage, Wis­sen dagegen ist sicher. Demgegenüber behauptet die zweite Lösung, dass der Glaube über dem Wissen steht. Wir können diese Auflösung Fideismus nennen, auch wenn der Fideismus als Bewegung sich erst im Frankreich des 18. und 19. Jh. ausbildete. Für den Fideismus ist der übernatürliche Glaube die einzige Quelle des Glaubens und Ursprung wahren Wissens. Das Christentum steht im Widerspruch zur Philosophie. Zwischen der korrupten mensch­lichen Vernunft und der Weisheit Gottes wird ein unüberwindbarer Ab­stand postuliert. Glaube ist nicht vollendete Philosophie, Glaube zer­trümmert alle Philosophie. Die Weisheit dieser Welt ist dem wahrhaftig Glaubenden bloße Torheit (vgl. 1Kor 1,18ff). Bis heute gilt Tertullians »credo quia absurdum« (dt. »Ich glaube, weil es unvernünftig ist.«) als uner­reichter Leitspruch der fide­istischen Denktradition (Von Tertullian selbst ist der Ausspruch nicht überliefert, siehe dazu hier und die Kommentare zu diesem Beitrag).

Beide Lösungen konnten den Kirchenvater Augustinus von Hippo nicht überzeugen. Er suchte nach einem ausgewogenes Verhältnis von Glaube und Wissen (oder Glaube und Vernunft). Anregungen von Cle­mens von Alexandria und Origenes aufnehmend entwickelte er eine zweite große Tradition, der gemäß Glaube und Wissen aufeinander bezogen bleiben. Der Akt des Glaubens und der Akt des Wissens sind interaktiv miteinander verwoben. Augustinus wertet damit das Meinen bzw. den Glauben gegen Platon auf. Der Glaube durchdringt den gesamten Er­kenntnisprozeß. Glaube und Vernunft sind für Augustinus nicht zwei psychologisch streng zu unterscheidende Kapazitäten, sondern sie gehö­ren zusammen. Das heißt in der Konsequenz: Wahre Philosophie ist wahre Theologie, wie auch umgekehrt wahre Theologie wahre Philoso­phie ist. In einer Predigt hat Augustinus seine Auflösung der dialekti­schen Beziehungen von Glaube und Wissen auf die Formel »crede, ut intelligas« (dt. »glaube, um erkennen zu können«) gebracht. Diese Formel steht als Leitspruch über der Denktradition, die Raum schafft für eine Vernunftlehre im Rahmen des Glaubens. Die Vernunft regiert nicht den Glauben, sondern die Vernunft wird vom Glauben umschlossen. In sei­nem Werk Über den Lehrer schreibt Augustinus: »Was ich demnach erkenne, das glaube ich auch; aber nicht alles, was ich glaube, erkenne ich auch. Alles aber, was ich erkenne, weiß ich; nicht jedoch weiß ich alles, was ich glaube.« Gewisse Dinge können demnach nur geglaubt werden, andere können dagegen gewusst werden. Die Denkinhalte, die gewusst werden, werden aber zugleich geglaubt. Es gilt also: Ohne Glaube kein Wissen, ohne Glaube kein Wissenserwerb, ja ohne Glaube kein Existieren (vgl. die Kind-Elternbeziehung). So sinnvoll es also sein kann, zwischen Glaube und Wissen zu unter­scheiden, so überflüssig ist die scharfe Trennung der Begriffe. In einem gewissen Sinne sind die Begriffe sogar austauschbar.

Die Lösung von Augustinus lässt sich so darstellen:
Synthese_Ver1.0.jpg

Augustinus ist demnach weder Fideist noch Rationalist. Er stellt die Ver­nunft nicht über den Glauben, will jedoch auch nicht vernunftlos glau­ben. Der wahre Glaube ist ein vernünftiger Glaube (intellectus fidei). Anders als manche Kirchenväter (z.B. Hieronymus) lehnt Augustinus die weltliche Bildung nicht ab. Er relativiert sie und macht den Glauben zum regulativen Prinzip. Er ordnet die »freien Künste« der heidnischen Ge­lehrten der Offenbarung Gottes un­ter.

Sterben und Tod im Judentum

Der DLF hat mit der jüdischen Theologin Sasja Martel vom Jüdischen Hospiz in Amsterdam über Sterben und Tod im heutigen Judentum gesprochen:

[podcast]http://podcast-mp3.dradio.de/podcast/2011/02/21/dlf_20110221_0943_337829b4.mp3[/podcast]

Augustinus: Lehrer der Gnade (Teil 1)

Einen herausragenden Platz in der Geschichte der Al­ten Kirche verdient Aurelius Augustinus (354–439 n. Chr.). Obwohl sein Kirchenamt nicht zu hoch bewertet werden sollte – es gab in Afrika damals fast siebenhundert Bischöfe, hat Augustinus die abendländische Theologiegeschichte maßgeblich geprägt.

In einer kleinen Reihe möchte ich den Bischof kurz vorstellen, seine Lösung des Problems von »Glauben und Wissen« erläutern und die »Gnadentheologie« aus einem seiner Briefe zitieren (vgl. auch hier).

Augustinus führte vor seiner Bekehrung zum Christentum ein recht bewegtes Leben. Seine Mutter Monnica war eine überzeugte Christin und unterwies ihren Sohn in der christlichen Lehre. Sein Vater war ein eher zurückhaltender Beamter. Als Augustinus 17 Jahre alt war, meldete er sich zum Katechetenunterricht an, was bedeutet, dass er die Taufe anstrebte. Au­gustinus distanzierte sich allerdings dann vom Glauben seiner Mutter und öff­nete sich für die pagane Philosophie. Er pflegte während dieser kritischen Periode uneheliche Beziehungen zu mehreren Frauen. Aus der Verbin­dung mit einer Konkubine ging sein Sohn Adeodat hervor, der schon im Alter von 17 verstarb (372–390).

Bereits als Zwanzigjähriger war Augus­tinus Lehrer für Rhetorik in Karthago, mit 29 Jahren bekam er eine Beru­fung als Rhetorikprofessor am kaiserlichen Hof in Mailand. Für ungefähr neun Jahre folgte Augustinus dem Manichäismus, einer rational-dualistischen Lebensphilosophie (o. Religion). Die Manichäer dachten in den Kategorien Gut und Böse oder Licht und Finsternis. Der gnostische Einfluss ist offenbar, da im Manichäismus die Welt als verdor­ben gilt und nur Erkenntnis (»Gnosis«) aus den Fesseln der Finsternis be­freien kann.

Während seiner Zeit in Mailand (ca. 384–386) löste sich Au­gustinus von dieser Philosophie und öffnete sich für den Neuplatonis­mus. Im Jahre 386 erlebte er im Garten seines Mailänder Hauses eine Be­kehrung. Damals ziemlich verzweifelt, hörte er die Stimme eine Kindes, die rief: »tolle lege« (dt. »Nimm und lies!«). Augustinus schlug darauf hin das Neue Testament auf, das in der Nähe lag und traf auf Röm 13,13–14: »Laßt uns ehrbar leben wie am Tage, nicht in Fressen und Saufen, nicht in Unzucht und Ausschweifung, nicht in Hader und Eifersucht; sondern zieht an den Herrn Jesus Christus und sorgt für den Leib nicht so, dass ihr den Begierden verfallt.« Augustinus brach innerlich zusammen und vertraute sein Leben Jesus Christus an. Rückblickend deutete er diese Erfahrung nicht als seine Be­kehrung zu Gott, sondern als eine conversio, die Gott an ihm vollzogen hat. In dem für seine Biographie klassischen Gebetsstil schreibt er: »Du hast mich zu dir bekehrt«.

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