Gebot oder Gnade?
Wie gehen wir als Gemeinde oder als Christen mit unserem Versagen um? Meine erste Empfehlung lautet: Wir brauchen das Gebot und die Gnade.
Etliche Gemeinden, die mit bewundernswerter Sorgfalt am biblischen Gebot festhalten, verschlieĂen die Augen vor den Nöten und KĂ€mpfen ihrer Mitglieder. Wenn etwa mit Gesten der SelbstverstĂ€ndlichkeit sexuelle Reinheit eingefordert wird, entsteht schnell der Eindruck, unter Christen gĂ€be es so etwas wie Versagen in diesem Bereich nicht. Da das Thema sowieso sehr schambesetzt ist, findet kaum jemand den Mut, die persönlichen Nöte ans Licht zu bringen. Das Brodeln unter der OberflĂ€che wird gar nicht wahrgenommen. Offiziell scheint alles in Ordnung zu sein. So kann sich eine pharisĂ€ische Gesinnung etablieren, ein doppelter Standard. VordergrĂŒndig ist alles geklĂ€rt, aber hinter dem Vorhang sieht das Leben anders aus. Das Sollen wird so stark betont, dass das Sein nur noch verzerrt wahrgenommen wird.
Es gibt aber auch die gegenteilige Reaktion: die einseitige Betonung der Gnade. Der Fixpunkt ist dann nicht mehr das biblische Gebot, sondern die eigene Erfahrung mit allen Höhen und Tiefen. Leider ist es nicht unĂŒblich, dass die Normen den gesellschaftlichen oder gemeindlichen Wirklichkeiten angepasst werden. Die Spannung zwischen Sollen und Sein wird abgebaut, indem die Forderungen des göttlichen Gebots abgeschwĂ€cht werden.
Ich habe hier zwei Beispiele aus dem Bereich Sexualethik (mehr zu dem Thema hier):
Ein kirchlicher Eheberater macht in einem seiner BĂŒcher folgendes Angebot:
âEs erscheint mir unmöglich, alle nichtehelichen Geschlechtsbeziehungen als Unzucht zu bezeichnen, wĂ€hrend hier doch z. B. eine Tiefe der seelisch und geistigen Liebe vorhanden ist, die sehr vielen Ehen fehlt. Ich bin mir sehr wohl bewuĂt, hier etwas sehr RevolutionĂ€res auszusprechen; indessen glaube ich, daĂ sehr viele Seelsorger in der Praxis bereits so empfinden und so urteilen. Warum dann nicht unseren MaĂstab revidieren?â
Oft wird diese Neujustierung der MaĂstĂ€be hinter sehr fromm klingenden Formulierungen versteckt. In einer Gemeinde, die den Evangelikalen nahe steht, wird vom dynamischen Christsein gesprochen. âBeim dynamischen VerstĂ€ndnis des Christseins gibt es durchaus auch eine Grenze. Sie wird aber nur von einem Kriterium bestimmt: Ob mein Leben auf Jesus hin ausgerichtet ist. ⊠Nicht ein Verhalten mach[t] Menschen zu Christen, sondern ihr VerhĂ€ltnis zu Jesus Christus. Hier [gilt] das Wort des Kirchenvaters Augustinus: âLiebe, und tu was du willst!â
Versteckt hinter sehr fromm klingenden Formulierungen wird â wie wir hoffentlich merken â einer billigen Gnade das Wort geredet, die nicht den SĂŒnder, wohl aber die SĂŒnde rechtfertigt.
Diese beiden Strategien im Umgang mit unseren Verfehlungen sollten bei uns eine tiefe Traurigkeit hervorrufen. Sie antworten weder auf die Forderungen Gottes, noch auf die Nöte der Menschen. Wir brauchen deshalb eine Kultur, die von dem Gebot und der Gnade geprĂ€gt ist, also eine evangeliumsgemĂ€Ăe Kultur.
Wenn wir Gott lieben, dann wollen und können wir die biblische Forderung nach einem heiligen Leben nicht verabschieden. Wir wollen tun, was Gott gefĂ€llt. Wir wissen, dass das, was Gott von uns fordert, ihn ehrt und und uns gut tut. Wenn wir sagen, dass wir Gemeinschaft mit Jesus Christus haben, âund wandeln in der Finsternis, so lĂŒgen wir und tun nicht die Wahrheitâ, heiĂt es in 1Joh 1,6.
Auf der anderen Seite gehört die Erfahrung des eigenen Versagens leider auch dazu. Wir finden in der Bibel keine Idealisierungen, sondern den Realismus einer gefallenen Schöpfung. Der gleiche Johannes, der den Christen zuruft, dass diejenigen, die Jesus Christus kennen und lieben, auch seine Gebote halten (vgl. 1Joh 2,3), weiĂ darum, dass wir in SĂŒnde fallen: âWenn wir sagen, wir haben keine SĂŒnde, so betrĂŒgen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in unsâ (1Joh 1,8).
Deshalb brauchen wir eine Gemeindekultur, die vom Gebot und von der Gnade geprĂ€gt ist. Das Gebot zeigt uns unsere Ăbertretungen und treibt uns zum Kreuz. Die Gnade macht uns Mut, dass wir mit unseren Nöten und SĂŒnden in das Licht treten und Vergebung, Erneuerung und ZurĂŒstung empfangen und den Willen des Vaters immer mehr lieben lernen.
Viele Menschen im Saarland werden den Namen Marlies KrĂ€mer nicht mehr so schnell vergessen. Die 80-jĂ€hrige Seniorin geriet Anfang 2018 in die Schlagzeilen, weil sie eine juristische Auseinandersetzung mit der Sparkasse SaarbrĂŒcken fĂŒhrte. Frau KrĂ€mer hatte Klage eingereicht, weil in den Vordrucken ihrer Bank die weibliche Anrede fehlte und sie als selbststĂ€ndige Frau somit praktisch totgeschwiegen wurde. Das Argument bankenrechtlicher Vorgaben oder der Hinweis auf den normalen Sprachgebrauch ĂŒberzeugte die Rentnerin nicht. Sie ging durch alle Instanzen, bis hin zum Bundesgerichtshof.
Peter Lillback nennt 10 GrĂŒnde, die dafĂŒr sprechen, dass sich Pastoren mit der Institutio Christianae Religionis auseinandersetzen:
Die neue Ausgabe der Zeitschrift Themelios ist online. Folgende BeitrÀge sind dabei: