Am 19. Juni hat die Evangelische Kirche in Deutschland ihre Orientierungshilfe zum Thema Familie der Öffentlichkeit vorgestellt. Matthias Pankau konnte das Papier im Vorfeld lesen und hat es für das Nachrichtenmagazin ideaSpektrum hilfreich kommentiert. In seinem Fazit schreibt er (Nr. 25 vom 19.06.2013, S. 16–18, hier S. 18):
Dieses Papier nimmt für sich, wie gesagt, in Anspruch, eine „Orientierungshilfe“ zu sein. Aber es hilft selbst dort kaum weiter, wo einige der abschließenden Empfehlungen richtig und nützlich sind. In der Frage, was denn nun aber Familie sei, vermitteln die Autoren den Eindruck, dass alles möglich wäre. Freiheit wird dabei mit Beliebigkeit verwechselt, so dass sich die evangelische Kirche einmal mehr der Welt und ihren Wegen anbiedert. Glaubt sie ernsthaft, damit wieder attraktiver zu werden für die vielen Menschen, die ihr den Rücken gekehrt haben? Das wird nicht geschehen! Denn wer braucht schon einen Ratgeber, der einem nur nach dem Mund redet, anstatt Irrwege liebevoll, aber deutlich zu benennen?
Die EKD führt doch die Gute Botschaft in ihrem Namen! Fällt ihren Funktionären wirklich nichts Biblischesmehr ein? Anscheinend nicht, denn hier entstand in drei Jahren Arbeit ein Papier, das sich wie ein weiterer Schritt der EKD in Richtung Beliebigkeit liest. Die Kirche sollte zur Ehe zwischen Mann und Frau Mut machen; sie sollte verunsicherte Menschen zu überzeugen versuchen, wie segensreiches es ist, Kinder zu haben; sie sollte wegweisend sein. Stattdessen verkündet sie modische gesellschaftliche Klischees – und manövriert sich in die Bedeutungslosigkeit. Wie sagte noch der lutherische Theologe Sören Kierkegaard (1813-1855)? „Wer sich mit dem Zeitgeist vermählt, wird bald Witwer sein.“
Die ideaOnline berichtet ausserdem über die Pressekonferenz in Berlin und die Stellungnahme von Manuel Diener, dem Vorsitzenden der Evangelischen Allianz. Das Orientierungspapier, so Diener, bietet keine evangelische Orientierung:
Der Vorsitzende der Deutschen Evangelischen Allianz und Präses des Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverbandes, Michael Diener (Kassel), kritisiert in einer Stellungnahme, dass der Orientierungshilfe die „biblische Fundamentierung“ fehle. Deshalb werde sie dem Anspruch nicht gerecht, „evangelische Orientierung“ zu bieten. Vielmehr werde eine „Anpassung an gesellschaftliche Entwicklungen“ deutlich. Das EKD-Papier enthalte eine auffällige Abwertung sogenannter „bürgerlicher Ehe- und Familienverständnisse“ und eine Absage an jedes „normative Verständnis der Ehe als göttliche Stiftung“ oder „natürliche Schöpfungsordnung“. Ehe habe danach keinen Leitbildcharakter mehr. Der Erklärung zufolge seien alle anderen ebenfalls „verbindlich, verantwortlich und verlässlich“ geführten Partnerschaften in gleicher Weise anzuerkennen und – wo gewünscht – auch zu segnen. Diener: „Offensichtlich soll jeder Schein einer Diskriminierung der vielfältigen familiären Lebensformen vermieden werden.“ Hier folge der Rat der EKD der Argumentationslinie des Bundesverfassungsgerichts, „ohne kritisch zu hinterfragen, ob es hier wirklich um ‚Gleiches‘ geht, welches dann auch gleich behandelt werden soll“.
Nach Ansicht Dieners weist die Orientierungshilfe im Blick auf die biblisch-theologischen Grundlagen „gravierende Mängel“ auf „trotz der vollmundigen Behauptung, dass hier eine normative Orientierung am Evangelium geleistet werde“. So werde aus der schöpfungsgemäßen Polarität von Mann und Frau die allgemeine „Angewiesenheit auf ein Gegenüber“. Biblische Stellen, die von „zärtlichen Beziehungen zwischen Männern“ sprächen – ohne Textbeleg –, dienten „zur Relativierung der biblischen Aussagen über praktizierte Homosexualität als Sünde“. Der Präses fragt: „Wieviel hermeneutischer und theologischer Einseitigkeit bedarf es eigentlich, um wegzudeuten, dass in der gesamten biblischen Überlieferung die Polarität der Beziehung von Mann und Frau als schöpfungsgemäß und konstitutiv betrachtet wird?“
Zur Stellungnahme
des Vorsitzenden der „Deutschen Evangelischen Allianz“
und Präses des Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverbandes,
Michael Diener:
Die EKD kann mit dieser Stellungnahme Herrn Dieners (nomen est omen)
wie mit allen Vorläufern bestens leben.
Sie ist es gewohnt und kalkuliert es ein,
dass die Evangelikalen in der „evangelischen“ Allianz
als Nachhut dafür sorgen, dass das Kirchenvolk mit Abstand
an die Positionen der Vorhut herangeführt und gewöhnt wird.
Die Evangelikalen in der „evangelischen“ Allianz schlucken,
wenn auch mit Protest, alles.
Das ist das „große evangelikale Desaster“,
das Francis Schaeffer in seinem Vermächtnis angeprangert hat.
Matthias Pankau zitiert Kierkegaard: „Wer sich mit dem Zeitgeist vermählt, wird bald Witwer sein.“ Ich denke, Kierkegaard hat die Anpassungsfähigkeit der Kirche unterschätzt. In puncto ehelicher Treue ist die evangelische Kirche vorbildlich. Sie hat dem Zeitgeist durch alle Wandlungen hindurch die Treue gehalten. Die Bibel verwendet für die Beziehung zwischen Gott und Israel bzw. Kirche das Bild der Ehe. Darin ist Israel bzw. die Kirche die Ehefrau, die nicht nur fremdgeht. Das Volk Gottes prostituiert sich vielmehr dem Zeitgeist, nicht nur auf Nachfrage, nicht nur mit Sonderangeboten zu Dauertiefstpreisen, es macht dem Zeitgeist sogar Geschenke. Die Propheten beschreiben das im Auftrag Gottes mit nicht zu überbietender Drastik. Apropos Kierkegaard: In diesem Jahr wird sein 200. Geburtstag gefeiert und aus diesem Anlass des Philosophen gedacht, der auch ein Wegbereiter der „modernen“ Theologie war (wenn er alles ernst gemeint hat, was er als religiöser Schriftsteller geschrieben hat) . Im Interview des ERF mit Ron ist auch vom Kirchenkritiker Kierkegaard die Rede. http://theoblog.de/soren-kierkegaard-vor-200-jahren-geboren/20514/… Weiterlesen »
[…] http://theoblog.de/die-ekd-und-der-zeitgeist/20769/ Die EKD und der Zeitgeist […]
Hartmut Löwe,
von 1993 bis 1999 Bevollmächtigter der EKD
bei der Bundesrepublik Deutschland und der EU,
schreibt in der FAZ vom 28. Juni
unter dem Titel “Orientierungslos”:
“Fazit:
Die Veröffentlichung der EKD zur Familie
stellt einen revolutionären Bruch dar
in der Kontinuität evangelischer Lehre und gemeinchristlicher Überzeugungen.
Bei ihrer Verabschiedung war der Rat der EKD so orientierungslos,
dass er die beabsichtigte Orientierung nicht zu geben vermochte.”
Die Angst der Ewig-Gestrigen und ihre antijesuanische Attitüde Es war voraussehbar: Diese Papier der EKD zu Ehe und Familie ist die Hoch-Zeit der Ewig-Gestrigen – sowohl in der kath. als auch in der evang. Kirche. Diese Kirchenvertreter haben Angst vor jeder Art von Veränderung und Reform, die sich jedoch aus unübersehbaren gesellschaftlich-sozialen Veränderungen als zwingend notwendig erweist. Wer Menschen allein lässt, nur weil sie eine andere Lebensform gewählt haben, versündigt sich gegen Gott. Jesus hat bewusst und gezielt immer wieder diesen Menschen seine Nähe geschenkt, sie aufgesucht und Mahlgemeinschaft gehalten. Daran sollten sich all diejenigen erinnern, die nun meinen, in „biblischen Zorn“ ihre Hände zum Himmel erheben zu müssen und die Herrschaft des Teufels ankündigen. Das in der Bibel formulierte Bild von Ehe und Familie spiegelt die Situation des menschlichen Zusammenlebens im 1. Jahrtausend vor Christus. Die Bibel ist ein Glaubensbuch, das den Glauben von Menschen in ihrer Zeit widerspiegelt. Gott hat sich jedoch nicht nur vor 2000 Jahren den… Weiterlesen »
Das ist einfach nur Quatsch.
Liebe Grüße, Ron
Für Ron!
Geht es ein wenig differenzierter?
@Paul Haverkamp: Selbstverständlich geht das differenzierter. Aber in diese Baustelle werde ich mich jetzt nicht hineinziehen lassen. Ich habe mir für meinen Urlaub andere Baustellen vorgenommen. 😉
Liebe Grüße, Ron
Für Ron!
Wenn Sie wegen Ihrer Urlaubserholung sich nicht auf diese Thematik einlassen wollen, dann hätte ich es auch als angemessen angesehen, auf Ihren emotionlen Ausbruch zu verzichten.
Entweder: Sie verzichten auf einen Kommentar oder Sie stellen sich der Diskussion. Nur einer dieser beiden Weg ist begehbar.
Was ich Ihnen gegenüber also anmahne ist intellektuelle Redlichkeit!
@Paul Haverkamp: Was anderes als Emotion verbirgt sich denn hinter der Aussage: Kritiker der Orientierungshilfe seien die Ewig-Gestrigen? Mir juckt es in den Fingern, aber ich …
Liebe Grüße, Ron
Das Gebot Gottes als Kaugummi, der in jede gesellschaftliche Form gepresst werden kann. Gott (1567 v. Chr.): Wenn ein Mann bei einem Mann liegt, als würde er bei einer Frau liegen, so haben sie beide einen Greuel begangen, und sie sollen unbedingt getötet werden; ihr Blut sei auf ihnen!“ Paulus (65 n. Chr.; Reformverweigerer und Bibelfundamentalist): … desgleichen haben auch die Männer den natürlichen Verkehr mit der Frau verlassen und sind in Begierde zueinander entbrannt und haben Mann mit Mann Schande getrieben … ders. (1 Jahr früher oder später): Unzüchtigen, Knabenschändern, Menschenräubern, Lügnern, Meineidigen und was sonst der gesunden Lehre widerspricht ders. (auch irgendwann damals): Die Ehe soll von allen in Ehren gehalten werden und das Ehebett unbefleckt; die Unzüchtigen und Ehebrecher aber wird Gott richten! (kleine Erläuterung: Damals wie heute galten Unzüchtige als solche, die andere Formen des sexuellen Zusammenlebens praktizierten als jene, die Gott als einzig mögliche und vor ihm erlaubte Art zuließ und -lässt.) Paul Haverkamp aus… Weiterlesen »
@Paul Haverkamp
Rons Kurzkommentar ist genauso differenziert und intellektuell redlich
wie Ihr Kopfsatz:
„Dieses Papier der EKD zu Ehe und Familie ist die Hoch-Zeit der Ewig-Gestrigen
– sowohl in der kath. als auch in der evang. Kirche.“
Auch im SPIEGEL, in der FAZ usw.
Die angemessene Antwort auf Ihre religiöse Phantasie
hat … [Name auf Wunsch des Autors entfernt] in ideaSpektrum 27-2013 gegeben.
Sie schöpft mit der Phantasie der EKD-definierten Liebe
die neuen Möglichkeiten von Ehe und Familie aus.
Falls Sie Schwierigkeiten haben, die Antwort zu lesen,
werde ich mich gerne um die Rechte bemühen.
@Ron
Ich habe Sie bisher als sehr konstruktiv und durchdacht argumentierenden Menschen erlebt. Ihr: Quatsch – hat mich erschreckt! Waren Sie wirklich über die sehr ausgewogenen Wort von Herrn Paul Haverkamp so erbost? Ich selbst bin in dieser Frage eher konservativ und halte eine Ehe für die Gemeinschft von Mann und Frau. Aber die Zeiten sind nicht aufzuhalten. Das heißt aber nicht, dass die EKD aus ihrem christl. Verständnis heraus dem auch zustimmen darf. Hier schlägt der Zeitgeist voll durch. Was bewog die EKD, ihre seit Jahrhunderten gefestigte Haltung bzgl. der Ehe in der Weise aufzugeben? Jesus hatte mE. nur männl. Jünger um sich geschart, war aber wohl, wie im Judentum als Rabbi üblich, verheiratet mit einer Frau?
Da der historische Jesus erst mit seinem gleichzeitigen Auftreten mit Johannes d.T. ins Licht der Öffentlichkeit tritt, ist über ihn bis dahin wenig bekannt, außer dem, was über ihn „erfunden“ wurde. Gibt`s da eine zuverlässige Quelle?
MfG
Rolf
@Rolf: Ich war und bin nicht erbost. Ich halte die gemachten Aussagen für Quatsch. Punkt.
Liebe Grüße, Ron
„Was bewog die EKD, ihre seit Jahrhunderten gefestigte Haltung bzgl. der Ehe in der Weise aufzugeben?“
-> Anpassung an den Zeitgeist; Angst davor, nicht mehr relevant genug zu sein …
„Jesus hatte mE. nur männl. Jünger um sich geschart, war aber wohl … verheiratet mit einer Frau?“
-> Beide Teilaussagen falsch: Lk 8:1-3, Paulus war ein von Gamaliel ausgebildeter Theologe (=Rabbi) (Apg 22:3), der aber nicht verheiratet war (1. Kor 7:7)
„… wie im Judentum als Rabbi üblich, verheiratet mit einer Frau?“
-> Das wird immer wieder behauptet, lässt sich aber so nicht belegen. Für die Neuzeit gilt folgendes: http://www.hagalil.com/judentum/rabbi/fh-0802-7.htm. Also kurz: Nein, nicht zwingend, aber sinnvoll. Jesus hat sich nicht als Rabbi bezeichnet.
Noch als Ergänzung:
Auch zur Zeit von Jesus brauchte man als Rabbi eine Lehrerlaubnis (Smikha). Es gibt keinen Bericht davon, dass er eine hatte, eher etliche Hinweise darauf, dass er nur als Zimmermannssohn bekannt war.
@ Peter
Danke für den neuzeitl. Hinweis bzgl. eines Rabbi. Völlig überrascht bin ich von dem Hinweis, dass ein Rabbi auch zur Zeit Jesu eine Lehrerlaubnis brauchte. Ist das irgendwo belegt? Man lernt nie aus!
@rolf eicken
Es ist belegt von Hillel, der wahrscheinlich um 9 n. Chr starb. Er schrieb auf Hebräisch. Genaue Qellen kann ich dir nicht nennen. Aber findest du ja etwas im Internet.
Totaler Abfall vom Glauben!
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