Ohne den Buchdruck hätten sich die reformatorischen Anliegen in Europa nicht ausbreiten können. Straßburg nahm bei der Reformation in doppelter Hinsicht eine Schlüsselstellung ein. Von der Stadt gingen maßgebliche theologische Impulse aus. Straßburg war außerdem eins der frühen Zentren des Buchdrucks, von dem aus ungezählte Bücher in die Welt versandt wurden.
Der Kirchengeschichtler Rainer Haas schreibt in:
- Rainer Haas: „Die Reformation in Straßburg und ihre Ausstrahlung auf Europa“, MBS Texte: Reformiertes Forum, Nr. 164, 2011:
Im März 1523 kam Wolfgang Capito nach Straßburg. Er war 1471 in Hagenau geboren als Wolfgang Köpfel, war in Medizin, in den Rechten und in Theologie promoviert, war 1512 Stiftsprediger in Bruchsal und 1515 Professor in Basel, trat 1518 in Briefwechsel mit Martin Luther und 1520 in den Dienst des Kurfürsten von Mainz, Albrecht von Brandenburg. 1521 sprach er sich auf dem Reichstag in Worms für Luther aus, kam 1523 als Propst von St. Thomas nach Straßburg und ab 1524 Pfarrer an Jung-St. Peter, wo er Vorlesungen über das Alte Testament hielt. Er wurde zum führenden Kopf der Reformation in Straßburg und führte auswärtige Verhandlungen, so 1528 und 1532 mit den Bernern und 1540/41 mit den Römischen. Für den Reichstag zu Augsburg 1530 arbeitete er mit Martin Bucer die Confessio Tetrapolitana im Namen der Reichsstädte Konstanz, Lindau, Memmingen und Straßburg aus, die eine Stellung zwischen Luther und Zwingli einnahm – und ebenso wie die der Lutherischen und die Zwinglis vom Kaiser zurückgewiesen wurde. 1532 heiratete er, selbst verwitwet, die Witwe seines Freundes Johannes Œcolampad aus Basel, die 1543, als Capito selbst der Pest erlegen war, Bucers Gattin wurde.
Im Mai 1523, zwei Monate nach Capito, kam Martin Bucer nach Straßburg. Er stammte aus Schlettstadt, war 1491 geboren und 1506 – fünfzehnjährig – Dominikaner geworden, zuerst in Schlettstadt, 1518 in Heidelberg, wo er sich für Martin Luther gewinnen ließ. Wegen seiner Predigt im reformatorischen Geist wurde er vom Ketzermeister Jakob van Hochstraten verklagt und floh über Speyer zu Franz von Sickingen auf die Ebernburg, der ihm nach seinem Austritt aus dem Orden die Pfarrei Weißenburg übertrug. Aufgrund von Anfechtungen seitens der Barfüßer wurde er 1523 vom Bischof von Speyer exkommuniziert und kam als Flüchtling nach Straßburg. Bereits drei Wochen nach seiner Ankunft, im Mai 1523, begann er mit Vorlesungen über die Timotheus-Briefe, nachdem ihm der Magistrat untersagt hatte, Bibelstunden in deutscher Sprache zu halten; dieser fürchtete nämlich, dass daraus aufrührerische Versammlungen entstehen könnten. 1524 wurde er zum Pfarrer an St. Aurelien gewählt. 1529 wurde er Pfarrer an St. Thomas. Er gilt als der Repräsentant der Straßburger Reformation schlechthin. Mit ihm werden wir uns in der Folge noch öfters beschäftigen.
Der Aufsatz kann hier heruntergeladen werden: mbstexte164.pdf.