Apologetik

Die Rückkehr des Absoluten

Im 20. Jahrhundert ist das moderne Weltbild, das stark von den Naturwissenschaften und der Suche nach  Einheit geprägt war, zunehmend unter Druck geraten. Nicht mehr die Wirklichkeit, an der sich verschiedenste Deutungen abarbeiten und bewähren müssen, stand im Zentrum menschlicher Erkenntnisbemühungen, sondern ihre ausschließlich in Sprache entworfenen Interpretationen. Anstelle der Annahme, Sprache sei ein geeignetes Mittel, um Wirklichkeit abzubilden, zu verstehen und zu vermitteln, trat die Überzeugung, Sprache sei eine unhintergehbare Bedingung menschlichen Denkens. Jede menschliche Erkenntnis sei durch Sprache strukturiert. Alle Realität jenseits von Sprache bleibe für immer unerreichbar. Der Mensch sei wie in einem Gefängnis eingeschlossen in der Welt seiner Sprache.

So wurden Dekonstruktivismus, Konstruktivismus und Relativismus populär: Da die Bedeutung unserer Begriffe durch ihren Gebrauch innerhalb von sozialen Gemeinschaften (oder Kulturen) bestimmt wird, stellen wir Wirklichkeit in einem andauernden Vollzug des miteinander Redens und Handelns her. Jede Gemeinschaft spricht dabei ihre eigene Sprache, schafft sich je eigene Welten (oder Sprachspiele). So gibt es so viele Welten, wie es soziale Gemeinschaften gibt und so viele Wahrheiten wie Gemeinschaften. Philosophie beschreibt folglich nicht die Welt, wie sie ist, sondern ist Vorstellung, die in verschiedenen Gruppenkulturen und Kontexten entworfen wird. Die Suche nach Einheit kann unter diesen Voraussetzungen nur in den Terror führen. Einer der achtenswertesten Denker der Postmoderne forderte entsprechend: „Krieg dem Ganzen, …, aktivieren wir die Widerstreite“ „Jean-François Lyotard, „Beantwortung der Frage: Was ist postmodern?“, in: Peter Engelmann (Hg.), Postmoderne und Dekonstruktion, 1990, S. 33–48, hier S. 48).

Unknown 1Mit zwei neuen geisteswissenschaftlichen Strömungen, dem „Neue Realismus“ und dem „Spekulative Realismus“, kehrt das Absolute nun allmählich zurück. Unter dem Dekonstruktionsdrang der postmodernen Denkkultur ist ihrer Meinung nach die wirkliche Welt zu einer Fabel geworden (M. Ferraris, Manifest des neuen Realismus  2014, S. 15–17). Die Kinder und Enkelkinder der postmodernen Geisteswissenschaften bereiten einen „Paradigmenwechsel“ vor. Ihr gemeinsamer Absetzungspunkt ist eine „spätestens seit Ende des 20. Jahrhunderts erschöpfte (post)moderne Kondition“. Charakteristisch für die Denkansätze ist „ihr positives Verhältnis zur Ontologie und ihr entspannter Umgang mit der Metaphysik“ (A. Avanessian (Hg.), Realismus jetzt, 2013, S. 6.). „Im Zentrum des Interesses steht eine Realität“, schreibt Avenessian, „die sich indifferent zur subjektiv-humanen Erkenntnis verhält und sich nicht über ein subjektivistisch oder anthropozentrisch bedingtes Wissen vermitteln lässt, also nicht primär kulturell, linguistisch, politisch oder historisch kodifiziert ist“ (A. Avanessian (Hg.), Realismus jetzt, 2013, S. 8).

Wolfgang Welsch trauert dem alten Denken mit keiner Silbe nach. Er schreibt (Wolfgang Welsch, Mensch und Welt, 2012, S. 23–24):

„Denn das Befangensein in dieser [postmodernen, R.K.] Denkform lähmt unser Denken. Man weiß immer schon die Antwort auf alle Fragen. Sie lautet: ‚Es ist der Mensch.‘ Diese Trivialität aber erstickt unser Denken, statt ihm Atem zu verleihen. In der Tat scheint die zeitgenössische philosophische und intellektuelle Szenerie eigentümlich gelähmt. Gewiss ist die Betriebsamkeit immens und die Differenziertheit im Detail beeindruckend. Aber alles dreht sich in einem zum Überdruss bekannten Kreis. Bei allem, was wir im Einzelnen noch nicht wissen mögen und uns zu erforschen vornehmen, halten wir doch eines stets vorweg schon für sicher: dass all unser Erkennen, das gegenwärtige wie das zukünftige, menschlich gebunden ist und nichts anderes als menschlich bedingte und bloß menschlich gültige Einsichten hervorbringen wird. Noch das heutige Alltagsbewusstsein ist davon bis zur Bewusstlosigkeit durchdrungen. Wenn wir in der Moderne noch eine Gemeinsamkeit haben, dann den Glauben, dass unser Weltzugang in allem menschgebunden (kontext-, sozial-, kulturgebunden) ist. Das ist die tiefste communis opinio des modernen Menschen. Wenn jemand diese Auffassung hingegen nicht teilt und kritische Fragen zu stellen beginnt, dann reibt man sich verwundert die Augen: Dieser Kerl scheint nicht von dieser Welt zu sein – anscheinend ist er verrückt.“

UnknownDer Postmodernismus ist aus der Überzeugung erwachsen, „dass alles Wesentliche oder überhaupt alles konstruiert sei – von der Sprache, von den Begriffsschemata, von den Medien“ (M. Ferraris, „Was ist der neue Realismus?“, in: M., Der Neue Realismus  2014, S. 52–75, hier S. 52). Viele zeitgenössischen Philosophen sagen dagegen: „Nein, irgendetwas, sogar deutlich mehr, als wir üblicherweise bereit sind zuzugeben, ist nicht konstruiert, und das ist ein Glück, andernfalls könnten wir zwischen Traum und Wirklichkeit nicht unterscheiden“ (M. Ferraris, „Was ist der neue Realismus?“, 2014, S. 52). „Es gibt ein Absolutes, das nicht auf das Denken angewiesen ist, sondern unabhängig von jeder kognitiven Bezugnahme existiert“ (A. Avanessian, „Editorial“, in: Armen Avanessian (Hg.), Realismus jetzt, 2013, S. 7).

31XCHlQGryL AA160Die Kultur des „anything goes“, die sowieso nur in einigen elitären Zirkeln und im Medienpopulismus zelebriert wird, erfährt also eine Umwandlung. Das neue Denken richtet sich wieder stärker an einer vorgegebenen Wirklichkeit aus. Die realistischen Strömungen rehabilitieren die durch den Postmodernismus verwischte Unterscheidung zwischen dem, was es gibt (Ontologie) und jenem, was wir erkennen (Epistemologie).

Christen, die im Blick auf die Kultur des Unglaubens sprachfähig bleiben möchten, sind gut beraten, wenn sie sich auf das neue Klima einstellen. Das Reale, die Metaphysik, das Vernünftige, das Klare, werden zurückkehren.

Apologetik

Bei Evangelium21 gibt es ein kurzes Interview zum Thema Apologetik.

E21: Könntest Du kurz definieren, was Du unter Apologetik verstehst?

RK: Das griechische Verb apologeomai bedeutet so viel wie „sich vor Gericht verteidigen“. Es ist so etwas wie Gerichtssprache. In einer klassischen gerichtlichen Verhandlung wurde der Angeklagte zuerst seiner Vergehen beschuldigt. Anschließend bekam der Beschuldigte die Gelegenheit, zu den Anklagepunkten Stellung zu nehmen. Der Versuch, die Anschuldigungen abzuweisen oder „wegzureden“, wurde apologia genannt. Apologetik ist also denkerische Rechtfertigung und Verteidigung der christlichen Hoffnung. Ihren besonderen Charakter gewinnt die Apologetik dadurch, dass sie Fragen (und Klagen) Andersdenkender aufgreift und für diese formal nachvollziehbar aus der christlichen Offenbarung heraus zu beantworten sucht.

Hier mehr: www.evangelium21.net.

P.S. Übrigens: Schon für die Konferenz mit Greg Gilbert im April 2015 angemeldet?

Workshop mit Francis Schaeffer

Videoaufnahmen mit Francis Schaeffer jenseits der Serie „Wie können wir denn leben?“ sind rar. Kürzlich habe ich darüber informiert,  dass neue Mitschnitte aufgetaucht sind und an ihrer Zugänglichkeit im Internet gearbeitet wird. Inzwischen liegen erste Beiträge vor.

Nachfolgend können Sie einen Workshop zur Apologetik (d.h. Verteidigung des christlichen Glaubens) mit Francis Schaeffer sehen.

Einige Hintergrundinformationen: Der Workshop „Zur Frage der Apologetik“ wurde 1983 auf der L’Abri-Konferenz in Atlanta (USA) gehalten. Schaeffer, der 1984 verstarb, war schwer erkrankt und hatte die vergangenen Jahre unter großen Anstrengungen mit der Herausgabe seiner Werkausgabe verbracht, die schließlich 1982 bei Crossway erschienen ist (The Complete Works of Francis A. Schaeffer).

Im ersten Band der Werkausgabe hat er einen neuen – 1981 entstandenen – Text eingearbeitet, der sich mit seinem Ansatz der Apologetik beschäftigt („The Question of Apologetics“, S. 175–187). Im Workshop liest er aus diesem Aufsatz vor und erläutert ihn. Er betont einerseits, dass es keine Apologetik für alle Menschen gibt. Es komme darauf an, jeden Menschen als Ebenbild Gottes ernst zu nehmen und zu lieben. Andererseits hebt er hervor, dass alle Menschen in der Wirklichkeit Gottes leben und ihr nicht entfliehen können. Dadurch ergibt sich für Schaeffer eine Möglichkeit, den Menschen ihre Verlorenheit zu zeigen und ihnen das Evangelium zu kommunizieren. Denn niemand könne mit nichtchristlichen Denkvoraussetzungen konsistent in der Welt Gottes leben.

(Dieser Aufsatz enthält übrigens auch das bemerkenswerte Bekenntnis: „Ich bin kein professioneller, akademischer Philosoph – das ist nicht meine Berufung, und ich bin dankbar, den Ruf zu haben, den ich habe und ich bin genauso froh, dass andere Leute eine andere Berufung haben. Aber wenn ich sage, dass ich ein Evangelist bin, dann will ich damit nicht sagen, dass meine Philosophie untauglich ist. Ich denke, sie ist tauglich.“)

Nachdem Schaeffer ca. vierzig Minuten über seinen Ansatz gesprochen hat, beginnt eine etwa halbstündige Diskussionsrunde. Die erste Frage dreht sich um den Einfluss Cornelius Van Til’s auf Schaeffer. Schaeffer erklärt, dass Van Til seine Apologetik beeinflusst hat (u.a. seine Barth-Kritik), aber sich gleichzeitig seine Apologetik von der seines ehemaligen Professors unterscheidet (mehr Informationen dazu sind zu finden in: Ron Kubsch (Hg.), Wahrheit und Liebe: Was für von Francis Schaeffer für die Gegenwart lernen können, 2007).

Hier nun der Workshop:

Vorlesungen mit Francis Schaeffer aufgetaucht

FrancisSchaefferStudies.org, ein Projekt, das die Erschließung des Werkes von Francis und Edith Schaeffer fördert, teilte am 13. September 2013 mit, dass sie an der Digitalisierung von Videoaufnahmen mit Vorlesungen von Francis Schaeffer arbeiten. Es handelt sich um Aufnahmen aus dem Jahr 1983 und 1984, also um Vorträge aus der letzten Schaffensperiode Schaeffers.

Die Themen:

  • Introduction to L’Abri – Dr. Schaeffer and Susan Macaulay (daughter)
  • Names and Issues – Dr Schaeffer
  • Who Is For Peace? – Dr. Schaeffer
  • It is Your Life Involved – Dr. Schaeffer
  • Common Sense Living (Nehemiah) – Edith Schaeffer
  • Apologetics – Dr. Schaeffer
  • Discussion on The Great Evangelical Disaster (Book) – Part 1
  • Discussion on The Great Evangelical Disaster (Book) – Part 2
  • Conference Discussions / Dr. Schaeffer’s Last Address – Part 1
  • Conference Discussions / Dr. Schaeffer’s Last Address – Part2

Die digitalisierten Videos sollen etappenweise ab Winter 2013 veröffentlich werden. Weiter Informationen hier: francisschaefferstudies.blogspot.de.

Interview mit John Frame

Das nachfolgende Interview wird nur für Leute interessant sein, die sich mit Apologetik oder Philosophie beschäftigen. Brian Auten hat sich mit John Frame über die „Voraussetzungsbewusste Apologetik“ in der Tradition von Cornelius Van Til unterhalten. Was dabei herausgekommen ist, ist eine kurze und verständliche Einführung in  „presuppositional apologetics“.

Bemerkenswert und ermutigend finde ich das Schlussstatement (zitiert aus dem Transskript):

Of course number one, I think we need to go back to the Bible again and again to see what God says is relevant to our thinking or philosophizing or reasoning and the way we present the Gospel to people who inquire, of course 1 Peter 3:15, sort of the theme of my Apologetics to the Glory of God but there is certainly a lot more in the Bible that God has to say to us with regard to reasoning and with regard to presenting the Gospel to people who have questions and thence. Beyond that I think we need to investigate the world that God has made for more evidences, for more arguments that makes the truth clear and again there is nothing wrong with seeking evidences in a presuppositional context in fact I am hoping that my successors among presuppositional apologists – I am 71 so I am not going to quietly do this, but I wish other presuppositional apologists would get together and come up with a kind of encyclopedia of the evidences in the Christian faith and show how they can be used and show how cogent they are and how it makes a difference to treat them in a presuppositional way.

Further I think that – I hope that the next generation will not be so preoccupied with method as we have been and I get the impression that today among presuppositionalists and I am criticizing my own movement here and I am criticizing myself as well. We spend so much time arguing against the opponents of presuppositionalism. We haven’t done enough of what the apologetics is really for. We should be arguing with non-Christians not arguing with other Christians about apologetics method.

There is a certain amount of that that has to be done but I think we need to get back to really dealing with non-Christian thought. Van Til certainly did that with Philosophy and other movements. We need to deal with every aspect of Philosophy, Religion and culture that is contrary to the Gospel and that is what we can do best for the Kingdom of God if we have such a great method of apologetics then we need to show that it bears fruit.

William Edgar: Schaeffer und das geistliche Leben

SCL 300x449William Edgar hat Francis Schaeffer in L’Abri kennengelernt und nun ein Buch über ihn geschrieben. Hier ein paar Empfehlungen für Schaeffer on the Christian Life: Countercultural Spirituality:

Os Guinness:

Friendly, passionate, intellectual, and constantly engaged with people as well as ideas and contemporary affairs, Francis Schaeffer comes alive in Edgar’s objective but affectionate portrait. Rescued from the distortions of both lionisers and demonizers, here is ‘FAS’ as so many of us knew him in the great years of L’Abri—and with so much to contribute to our world today.

David F. Wells:

An engaging, fascinating account, seasoned with unusual insight into one of the truly original apologists of our time.

John M. Frame:

For many years I hoped that I could spend some time at L’Abri, but that was not God’s plan for me. Instead, God enabled me to become friends with many L’Abri alumni, of whom Bill Edgar was one. I have been impressed with the intellectual caliber of those men and women, but even more with their godly character. L’Abri evidently had a way of leading people from intellectual atheism, to conversion, to spiritual maturity. Bill’s book focuses, more than other L’Abri books, on theis process of what we now call spiritual formation. The whole church can learn much from it. I commend this excellent book to all hwo seek to draw nearer to God.

Colin Duriez:

Francis Schaeffer was small of stature but a giant in his tenacious concern for truth, for God, for people, and for reality. He became convinced that Christian faith was the radical path for our own day, the realistic answer to the hard questions of a modern, troubled world. William Edgar’s compulsively readable study of Francis Schaeffer’s thought is set in the context of his rough-edged life and his brilliantly-inspired work in the L’Abri community he established with his remarkable wife, Edith. L’Abri, perched high on the slopes of a remote alpine valley, drew a motley procession of mainly young travellers from the ends of the earth. Schaeffer’s own, sometimes anguished, quest to communicate the ancient biblical text in a century of unprecedented historical changes attracted and opened doors for a generation of Christians. It also convinced many outside the faith with honest questions (like Bill Edgar himself) to follow the way of Christ. This engaging book captures the fire of Francis Schaeffer’s thought and concerns, and revisits and reinvigorates the still urgent challenge he presented to the church in the modern world.

Das erste Kapitel des  Buches gibt es hier: schaeffer-on-the-christian-life-download.pdf.

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VD: JT

Christliche Philosophie

Ich habe im Sommer 2010 auf das Symposium „Möglichkeit und Aufgabe christlichen Philosophierens“ hingewiesen, das von der STH in Basel (Schweiz) veranstaltet wurde. Freundlicherweise sendet der ERF die Vorträge nun sukzessive aus. Der ERF schreibt:

Wie vernünftig ist der christliche Glaube? Muss er das überhaupt sein? Kann und darf das, was ein Mensch glaubt, zu dem im Widerspruch stehen, was er denkt? – Um diese Fragen geht es in der zweiten Folge der Reihe über „Christliche Philosophie“.

Auf dem Programm steht ein Vortrag von Hans Christian Schmidbaur, Professor für Dogmatik an der Facoltà di Teologia di Lugano (Schweiz), aufgezeichnet auf der Philosophie-Studientagung, die im September 2010 an der Staatsunabhängigen Theologischen Hochschule Basel durchgeführt worden ist. Unter der Überschrift „Wein und Wasser – Thomas von Aquins Verhältnisbestimmung von Theologie und Philosophie“ schlägt Schmidbaur einen Bogen von Denkern der Scholastik wie z. B. Johannes Scotus Eriugena, Anselm von Canterbury und Thomas von Aquin bis hin zu Philosophen des 17. (Blaise Pascal) und 20. Jahrhunderts (Karl Jaspers).

Hier die Internetadresse: www.erf.de.

VD: SS

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