Dietrich Bonhoeffer

D. Bonhoeffer: Ich bin der Herr, dein Arzt

In einer Predigt von Pfarrer Dietrich Bonhoeffer aus dem Jahre 1941 heißt es: 

Nicht daraus macht die Bibel dem Menschen einen Vorwurf, dass er mit seiner Krankheit zum Arzt geht, sondern daraus, dass er mit ihr nicht auch zu Gott geht. Es ist kein Zufall, dass Christus in auffallender Nähe zu den Kranken gelebt hat, dass Blinde, Gelähmte, Taubstumme, Aussätzige, Geisteskranke sich unwiderstehlich zu ihm hingezogen fühlten und seine Gemeinschaft suchten. Warum hat Christus diese Leute nicht zum Arzt geschickt? Gewiss nicht, um dem Ansehen der Ärzte zu schaden oder um seine eigene besondere Kunst oder suggestive Kraft zur Schau zu stellen, sondern um es deutlich werden zu lassen, dass Gott und Krankheit, dass Christus und die Kranken ganz eng zusammen gehören. Christus will der wahre Arzt der Kranken sein. „Ich bin der Herr, dein Arzt“ (2. Mose 15,26). Das sagt Gott, das sagt Christus. Der Schöpfer und Erlöser der Welt bietet sich dem Kranken zum Arzt an. Wollen wir dieses Angebot unversucht lassen, nachdem wir auf so viele, geringere Angebote mit mehr oder weniger Erfolg eingegangen sind?

Mehr: 7-Wochen-mit-2021_Predigt.pdf.

VD: BK

Dietrich Bonhoeffer: Von der christlichen Gemeinschaft

Dietrich Bonhoeffer sagt über die brüderliche Gemeinschaft, die durch Christus gestiftet wird (Gemeinsames Leben, DBW, Bd. 5, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, 2015, S. 21–22):

„Brüder im Herrn“ nennt Paulus seine Gemeinde (Phil. 1,14). Bruder ist einer dem andern allein durch Jesus Christus. Ich bin dem andern ein Bruder durch das, was Jesus Christus für mich und an mir getan hat; der | andere ist mir zum Bruder geworden durch das, was Jesus Christus für ihn und an ihm getan hat. Daß wir allein durch Jesus Christus Brüder sind, das ist eine Tatsache von unermeßlicher Bedeutung. Also nicht der ernste, nach Bruderschaft verlangende, fromme Andere, der mir gegenübertritt, ist der Bruder, mit dem ich es in der Gemeinschaft zu tun bekomme; sondern Bruder ist der von Christus erlöste, von seiner Sünde freigesprochene, zum Glauben und zum ewigen Leben berufene Andere. Was einer als Christ in sich ist, in aller Innerlichkeit und Frömmigkeit, vermag unsere Gemeinschaft nicht zu begründen, sondern was einer von Christus her ist, ist für unsere Bruderschaft bestimmend. Unsere Gemeinschaft besteht allein in dem, was Christus an uns beiden getan hat, und das ist nicht nur im Anfang so, so daß im Laufe der Zeit noch etwas anderes zu dieser unserer Gemeinschaft hinzukäme, sondern es bleibt so in alle Zukunft und in alle Ewigkeit. Gemeinschaft mit dem Andern habe ich und werde ich haben allein durch Jesus Christus. Je echter und tiefer unsere Gemeinschaft wird, desto mehr wird alles andere zwischen uns zurücktreten, desto klarer und reiner wird zwischen uns einzig und allein Jesus Christus und sein Werk lebendig werden. Wir haben einander nur durch Christus, aber durch Christus haben wir einander auch wirklich, haben wir uns ganz für alle Ewigkeit.

Bonhoeffer: „Eine Theologie gibt es hier nicht“

Als Dietrich Bonhoeffer 1930 Vorlesungen am Union Theological Seminary in New York besuchte, war er von der schlechte Qualität der Lehre an dieser liberalen Hochburg erschüttert. An seinen Superintendenten, Max Diestel, schrieb er am 19. Dezember 1930 (Barcelona, Berlin, Amerika 1928–1931, DBW (Logos-Ausgabe), Bd. 10, S. 220–221):

Zunächst, das Leben im Seminar ist sehr anregend und lehrreich, soweit der persönliche Verkehr in Betracht kommt, der auch mit den Professoren sehr freundschaftlich ist. Auch der Professor muß eben ein good fellow sein. Man muß sich fast hüten, daß das viele gegenseitige Sichbesuchen und schwatzen nicht zuviel von der Zeit nimmt. Denn – sachlich kommt so gut wie nie etwas aus diesen Gesprächen heraus. Und damit komme ich auf den tristen Punkt der Sache. Eine Theologie gibt es hier nicht. Ich habe im wesentlichen dogmatische und religionsphilosophische Seminare und Kollegs, aber der Eindruck bleibt vernichtend. Es wird das Blaue vom Himmel heruntergeschwatzt ohne die geringste sachliche Begründung und ohne daß irgendwelche Kriterien sichtbar werden. Die Studenten – durchschnittlich 25–30 Jahre alt – sind restlos ahnungslos, worum es eigentlich in der Dogmatik geht. Sie kennen nicht die einfachsten Fragestellungen. Man berauscht [sich] an liberalen und humanistischen Redensarten, belächelt die Fundamentalisten und ist ihnen im Grund nicht einmal gewachsen. Man interessiert sich für Barth und macht ab und zu auch ein wenig ‚in Pessimismus‘. Das ist dann ganz schlimm. Im Gegensatz zu unserem Liberalismus, der doch ganz zweifellos eine durchaus kräftige Erscheinung in seinen guten Vertretern war, ist hier drüben das alles so schauerlich sentimentalisiert und dabei mit einer geradezu naiven Rechthaberei. Es geht mir oft innerlich durch und durch, wenn man hier im Kolleg Christus erledigt und unverfroren lacht, wenn ein Zitat von Luther über Sündenbewußtsein gegeben wird. Die James’sche Weisheit vom endlichen Gott steckt tief in den meisten Theologen und Pastorenköpfen drin. Sie finden das tiefsinnig und modern und spüren garnicht den frechen Leichtsinn in all diesem Gerede.

D. Bonhoeffer: Die eheliche Ordnung

Bonhoeffer-Leser und Verfechter des Egalitarismus müssen bei diesem Zitat aus einer Traupredigt – verfasst 1943 – stark sein (Dietrich Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung, Werkausgabe, Bd. 8, 2015, S. 76–77): 

„Ihr Weiber, seid untertan euren Männern | in dem Herrn, wie sich’s gehört. Ihr Männer, liebet eure Weiber“ (Kol. 3). Mit eurer Ehe gründet ihr ein Haus. Dazu bedarf es einer Ordnung, und diese Ordnung ist so wichtig, daß Gott selbst sie setzt, weil ohne sie alles aus den Fugen ginge. In allem seid ihr frei bei der Gestaltung eures Hauses, nur in einem seid ihr gebunden: die Frau sei dem Manne untertan, und der Mann liebe seine Frau. Damit gibt Gott Mann und Frau die ihnen eigene Ehre. Es ist die Ehre der Frau, dem Manne zu dienen, ihm eine Gehilfin zu sein, – wie es in der Schöpfungsgeschichte heißt –, und es ist die Ehre des Mannes, seine Frau von Herzen zu lieben, er „wird Vater und Mutter verlassen und an seinem Weibe hangen“, er wird sie „lieben wie sein eigenes Fleisch“.

Eine Frau, die über ihren Mann herrschen will, tut sich selbst und ihrem Manne Unehre, ebenso wie ein Mann durch mangelnde Liebe zu seiner Frau sich selbst und seiner Frau Unehre zufügt, und beide verachten die Ehre Gottes, die auf dem Ehestand ruhen soll. Es sind ungesunde Zeiten und Verhältnisse, in denen die Frau ihren Ehrgeiz darin sieht, zu sein wie der Mann, und der Mann in der Frau nur das Spielzeug seiner Herrschsucht und Freiheit erblickt. Es ist der Beginn der Auflösung und des Zerfalls aller menschlichen Lebensordnungen, wenn das Dienen der Frau als Zurücksetzung, ja als Kränkung ihrer Ehre, und die ausschließliche Liebe des Mannes zu seiner Frau als Schwäche oder gar als Dummheit angesehen wird. Der Ort, an den die Frau von Gott gestellt ist, ist das Haus des Mannes. Was ein Haus bedeuten kann, ist heute bei den Meisten in Vergessenheit geraten, uns anderen aber ist es gerade in unseren Zeiten besonders klar geworden. Es ist mitten in der Welt ein Reich für sich, eine Burg im Sturm der Zeit, eine Zuflucht, ja ein Heiligtum; es steht nicht auf dem schwankenden Boden der wechselnden Ereignisse des äußeren und öffentlichen Lebens, sondern es hat seine Ruhe in Gott, d.h. es hat von Gott seinen eigenen Sinn und Wert, sein eigenes Wesen und Recht, seine eigene Bestimmung und Würde.

Es ist eine Gründung Gottes in der Welt, der Ort, an dem – was auch in der Welt vorgehen mag – Friede, Stille, Freude, Liebe, Reinheit, Zucht, Ehrfurcht, Gehorsam, Überlieferung und in | dem allem – Glück wohnen soll. Es ist die Berufung und das Glück der Frau, diese Welt in der Welt dem Manne aufzubauen und in ihr zu wirken. Wohl ihr, wenn sie erkennt, wie groß und reich diese ihre Bestimmung und Aufgabe ist. Nicht das Neue, sondern das Bleibende, nicht das Wechselnde, sondern das Beständige, nicht das Laute, sondern das Stille, nicht die Worte, sondern das Wirken, nicht das Befehlen, sondern das Gewinnen, nicht das Begehren, sondern das Haben – und dies alles beseelt und getragen von der Liebe zum Manne –, das ist das Reich der Frau.

D. Bonhoeffer: Predigt möglichst bei Tageslicht schreiben

Dietrich Bonhoeffer sagte in seiner Finkenwalder Homiletik zur Predigtvorbereitung (laut Mitschrift seiner Studenten, in: Illegale Theologenausbildung: Finkenwalde 1935−1937, Logos-Sonderausgabe, Bd. 14, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, S. 487–489):

Die Predigt ist möglichst bei Tageslicht zu schreiben, nicht bei Dämmerung. Sonst ist man abends begeistert, morgens ernüchtert. Man soll die Predigt nicht auf einmal schreiben. Beim einmal gewählten Text bleiben! Zumal schließlich jeder Text dieselbe Sache sagen kann. Möglichst keine anderen Predigten zum eigenen Text lesen, ehe nicht der eigene Entwurf fertig ist. Kommentare lesen ist gut, nicht unbedingt nötig. Klare gedankliche Disposition, sonst läßt sie sich schwer lernen und ist auch nicht gut. Spätestens Dienstag anfangen, spätestens Freitag fertig sein! Es muß wenigstens zwölf Stunden daran gearbeitet werden.

Eine fertig geschriebene Predigt ist noch keine fertige Predigt! Nicht Worte, sondern Gedankenzusammenhänge memorieren. Bei jedem Abschnitt den ersten und letzten Gedanken merken, dann das andere dazwischen.

Sonnabend Abend unter allen Umständen freihalten. Es ist schön, wer Sonnabend Nachmittag noch seelsorgerliche Besuche machen kann, die wirklich streng seelsorgerlich sind. Grundsätzlich jede Einladung in der Gemeinde absagen. Eine Predigt wird zweimal geboren, in der Pfarrstube und auf der Kanzel, die zweite ist die eigentliche Entstehung. Ein unvorbereiteter Prediger wird unsicher in der Sache und muß davon durch allerlei Techniken ablenken, die aus seiner Eitelkeit kommen: Lärmen, pathetisch, auf die Tränendrüsen drücken. Größtmögliche Sachlichkeit auf der Kanzel infolge bester Vorbereitung. Der Prediger ist frei gegenüber der vorbereitenden Arbeit, soweit es die Sache erfordert, nicht gebunden an wörtliches Auswendiglernen. Sakristeigebet vor der Predigt. Das Niederknien gehört nicht auf die Kanzel, sondern in die Sakristei. Nach der Predigt Gebet um Frucht des Wortes Gottes durch den Geist.

Bonhoeffer war übrigens der Meinung, dass ohne Arbeit mit dem Urtext keine gute Predigt entsteht. Die Kommentare, die er empfohlen hatte und die über die Bibliothek zugänglich waren, stammten von Luther, Calvin, Bengel, Kohlbrügge, Vilmar und Schlatter.

Was sehr wichtig ist (ebd., S. 489):

Predigt ist dadurch charakterisierte Rede, daß sie Predigt über einen Text ist. Weil sie Gottes Wort sein will, ist sie an die Schrift gebunden. Die Verheißung, daß Gott redet, liegt allein in der Schriftgemäßheit der Predigt.

Der Psalter – ein unvergleichlicher Schatz

Dietrich Bonhoeffer sagte über den Psalter (Gemeinsames Leben; Das Gebetbuch der Bibel, Sonderausgabe unter Logos, Bd. 5, Gütersloher Verlagshaus, 2015, S. 115–116): 

In vielen Kirchen werden sonntäglich oder sogar täglich Psalmen im Wechsel gelesen oder gesungen. Diese Kirchen haben sich einen unermeßlichen Reichtum bewahrt, denn nur im täglichen Gebrauch wächst man in jenes göttliche Gebetbuch hinein. Bei nur gelegentlichem Lesen sind uns diese Gebete zu übermächtig in Gedanken und Kraft, als daß wir uns nicht immer wieder zu leichterer Kost wendeten. Wer aber den Psalter ernstlich und regelmäßig zu beten angefangen hat, der wird den anderen, leichten, eigenen „andächtigen Gebetlein bald Urlaub geben und sagen: ach, es ist nicht der Saft, Kraft, Brunst und Feuer, die ich im Psalter finde, es schmeckt mir zu kalt und zu hart“ (Luther).

Wo wir also in unseren Kirchen die Psalmen nicht mehr beten, da müssen wir den Psalter um so mehr in unsere täglichen Morgen- und Abendandachten aufnehmen, jeden Tag mehrere Psalmen möglichst gemeinsam lesen und beten, damit wir mehrmals im Jahr durch dieses Buch hindurchkommen und immer tiefer eindringen. Wir dürfen dann auch keine Auswahl nach eigenem Gutdünken vornehmen, damit tun wir dem Gebetbuch der Bibel Unehre und meinen besser zu wissen, was wir beten sollen, als Gott selbst. In der alten Kirche war es nichts Ungewöhnliches, „den ganzen David“ auswendig zu können. In einer orientalischen Kirche war dies Voraussetzung für das kirchliche Amt. Der Kirchenvater Hieronymus erzählt, daß man zu seiner Zeit in Feldern und Gärten Psalmen singen hörte. Der Psalter erfüllte das Leben der jungen Christenheit. Wichtiger als dies alles aber ist, daß Jesus mit Worten der Psalmen auf den Lippen am Kreuz gestorben ist.

Mit dem Psalter geht einer christlichen Gemeinde ein unvergleichlicher Schatz verloren, und mit seiner Wiedergewinnung werden ungeahnte Kräfte in sie eingehen.

Bonhoeffer: „Die wahre Kirche stößt auf Grenzen“

Dietrich Bonhoeffer (Illegale Theologenausbildung: Finkenwalde 1935−1937, Sonderausgabe, Bd. 14, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, 2015, S. 678–679):

Es muß immer wieder gesagt werden, daß es kein Werk der Barmherzigkeit der Kirche ist, ihre Grenze zu verleugnen. Die wahre Kirche stößt auf Grenzen. Indem sie sie anerkennt, tut sie das Werk der Liebe zu den Menschen, indem sie der Wahrheit die Ehre gibt.

Wem gehört Bonhoeffer?

Professor Rainer Mayer hat anlässlich Dietrich Bonhoeffers 75. Todestag am 9. April notwendige Anmerkungen veröffentlicht. Im Nachrichtenmagazin IDEA schreibt er (11/2020, S. 19):

Kurz gesagt: Die Gefährdung der Kirche geschah zur NS-Zeit in erster Linie durch den Angriff von außen; heutzutage geschieht sie in erster Linie durch den Verfall von innen, der sich schließlich – damals wie heute in gleicher Weise – als kurzschlüssige Anpassung an staatliche und gesellschaftliche Entwicklungen auswirkt. Kirche will auf der Höhe der Zeit bleiben, im sogenannten „Mainstream“ mitschwimmen und dadurch ihre Zukunft sichern. Das ist bei allen äußeren Unterschieden die Parallele zwischen der von Bonhoeffer kritisierten Reichskirche und der heutigen kirchlichen Situation. In Flossenbürg gibt es eine Gedenktafel, die der bayerische Landesbischof Hermann Dietzfelbinger (1908–1984) seinerzeit anbringen ließ. Diese fasst auf beste Weise Bonhoeffers Vermächtnis zusammen und lautet: „Dietrich Bonhoeffer – ein Zeuge Jesu Christi unter seinen Brüdern“. In der Tat: Ein Nachfolger und Zeuge Jesu Christi in wirrer Zeit wollte Bonhoeffer sein; nichts anderes, nicht mehr und nicht weniger! Statt zu polemisieren, ist das evangelische Prinzip „zurück zu den Quellen“ angesagt. Man lese die Schriften von Bonhoeffer selbst.

Die Werkausgabe von Bonhoeffer gibt es digital übrigens bei LOGOS: de.logos.com.

Bonhoeffer: Durch Ungeduld zerbricht die Gemeinschaft

Dietrich Bonhoeffer schreibt über die Geduld (Illegale Theologenausbildung: Sammelvikariate 1937–1940, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, Logos Sonderausgabe, Bd. 15, S. 82–83):

Liebe Brüder, unsre wirkliche Not ist garnicht der Zweifel an unserem angefangenen Weg, sondern unser Versagen in der Geduld, im Drunterbleiben. Wir können es uns immer noch nicht denken, daß Gott heute wirklich von uns nichts Neues will, sondern ganz allein die Bewährung in dem Alten. Das ist uns zu wenig, zu monoton, zu anspruchslos. Wir können uns auch einfach noch nicht damit abfinden, daß die Sache Gottes nicht immer die Sache des Erfolges ist und daß wir wirklich auch mit unserem rechten Wege „erfolglos“ sein könnten. Aber eben hier entscheidet es sich, ob wir im Glauben oder in der Begeisterung angefangen haben.

Es ist auffallend, welche Bedeutung der Geduld im Neuen Testament zukommt. Nur der Geduldige empfängt die Verheißung (Mat 24, 13), nur der Geduldige bringt rechte Frucht (Luk 8, 15). Ein Glaube, der nicht zur Geduld wird, ist unecht, unbrauchbar. Der Glaube muß bewährt sein. Bewährung gibt es nur im Leiden. Nur aus dem Erleiden, aus dem Drunterbleiben wird das „vollkommene Werk“ hervorgehen (Jak 1,3 f). Wenn wir uns daran erinnern, daß das Wort Glaube – πίστις – schon das Moment der Treue enthält, so wird uns der enge Zusammenhang von Glaube und Geduld nicht verwundern. Geduld gibt es nur „in Jesus“ (Offb 1,9); denn Jesus übte Geduld als er das Kreuz trug. Hebr 12,2 beschreibt den Kreuzweg Jesu als ein Drunterbleiben, als Geduld. Drunterbleiben heißt für uns in der Gemeinschaft der Leiden des Christus stehen (2 Kor 1,6 ff) und dadurch Zuversicht gewinnen. Haben wir an der Geduld Jesu Anteil, so werden wir selbst geduldig, und zuletzt werden wir an seinem Königtum teilhaben (2. Tim 2, 12). Der Weg zur Geduld geht über die Zucht (2. Petr 1,6). Je freier wir von der Bequemlichkeit und Trägheit, von persönlichen Ansprüchen werden, desto williger werden wir zur Geduld.

Unser Text sagt uns, daß wir einig bleiben können, nur wenn wir in der Geduld bleiben. Die Ungeduld richtet Spaltung an. Und es ist ja leider nicht zu leugnen, daß alle die, die aus Ungeduld eigene Wege gehen oder schon gegangen sind, manchem Bruder den Kampf der Bewährung und Geduld noch viel schwerer gemacht haben. Ungeduld zerbricht die Gemeinschaft. Sie ist im Sinne des Evangeliums nicht nur eine kleine, verzeihliche Unart, sondern sie ist das Versagen in der Bewährung des Glaubens.

Bonhoeffer als Projektionsfläche

Der DEUTSCHLANDFUNK hat einen Beitrag über Dietrich Bonhoeffer veröffentlicht, indem eine falsche Inanspruchnahme durch die theologisch oder politisch Rechten angemahnt wird. Zitat:

Es brauche dagegen endlich bei den verfassten Kirchen ein Bewusstsein, dass sich auch in Deutschland eine religiöse Rechte bildet, die die Bekennende Kirche, Bonhoeffer und andere Gestalten der deutschen Geschichte für sich benutzt. Arnd Henze:

„Wir müssen aufpassen, dass wir nicht Bonhoeffer so sinnentleeren, dass die Sprüche zeitlos schön auf Kalenderblätter passen. ‚Man muss dem Rad auch mal in die Speichen greifen‘ auf Kalenderblätter drucken, ohne den konkreten Kontext, was er damit gemeint hat, dann, wenn der Staat versagt, wenn er in jeder Funktion nicht mehr den Menschen Schutz bietet, wofür ein Staat da ist. So genau hat das Bonhoeffer formuliert. Wenn wir diesen Kontext nicht mehr im Bewusstsein haben, dürfen wir uns auch nicht wundern, wenn andere ihn aus dem Kontext reißen und für sich benutzen.“

Nun kann ich die im Beitrag vorgetragenen Argumente sowie die Kritik an der Bonhoeffer-Biografie von Eric Metaxas teilweise nachvollziehen (obwohl der Verriss von Metaxas insgesamt überzogen ist). Was allerdings völlig unter den Tisch fällt, ist die Tatsache, dass Bonhoeffer über Jahrzehnte hinweg gern für den linken Narrativ beansprucht wurde, obwohl das dem „wirklichen Bonhoeffer“ ebensowenig gerecht wird. So hat beispielsweise das linke Establishment, egal ob in Politik oder Kirche, in den letzten Jahren Bonhoeffers Einsatz für das Lebensrecht mehr oder weniger komplett ausgeblendet. Man stelle sich mal vor, ein Heinrich Bedford-Strohm oder eine Margot Käßmann oder Katrin Göring-Eckardt erklärten mit Bonhoeffer öffentlich (Ethik, Werke, Bd. 6, S. 130):

Die Kirche bekennt, an dem Zusammenbruch der elterlichen Autorität schuldig zu sein. Der Verachtung des Alters und der Vergötterung der Jugend ist die Kirche nicht entgegengetreten aus Furcht, die Jugend und damit die Zukunft zu verlieren, als wäre ihre Zukunft die Jugend! Sie hat die göttliche Würde der Eltern gegen eine revolutionierende Jugend nicht zu verkündigen gewagt und hat den sehr irdischen Versuch gemacht „mit der Jugend zu gehen“. So ist sie schuldig an der Zerstörung unzähliger Familien, an dem Verrat der Kinder an ihren Vätern, an der Selbstvergötterung der Jugend und damit an ihrer Preisgabe an den Abfall von Christus.

Die Kirche bekennt, kein wegweisendes und helfendes Wort gewußt zu haben zu der Auflösung aller Ordnung im Verhältnis der Geschlechter zueinander. Sie hat der Verhöhnung der Keuschheit und der Proklamation der geschlechtlichen Zügellosigkeit nichts Gültiges und Starkes entgegenzusetzen gewußt. Sie ist über eine gelegentliche moralische Entrüstung nicht hinausgekommen. Sie ist damit schuldig geworden an der Reinheit und Gesundheit der Jugend. Sie hat die Zugehörigkeit unseres Leibes zum Leib Christi nicht stark zu verkündigen gewußt.

Die Kirche bekennt sich schuldig aller 10 Gebote, sie bekennt darin ihren Abfall von Christus. Sie hat die Wahrheit Gottes nicht so bezeugt, daß alles Wahrheitsforschen, alle Wissenschaft ihren Ursprung in dieser Wahrheit erkannte; sie hat die Gerechtigkeit Gottes nicht so verkündigt, daß alles menschliche Recht in ihr die Quelle des eigenen Wesens sehen mußte; sie hat die Fürsorge Gottes nicht so glaubhaft zu machen vermocht, daß alles menschliche Wirtschaften von ihr aus seine Aufgabe in Empfang genommen hätte. Durch ihr eigenes Verstummen ist die Kirche schuldig geworden an dem Verlust an verantwortlichem Handeln, an Tapferkeit des Einstehens und Bereitschaft für das als recht Erkannte zu leiden. Sie ist schuldig geworden an dem Abfall der Obrigkeit von Christus.

Um es klar zu sagen: Bonhoeffer gehört weder der Rechten, Linken oder dem Mainstream. Gern verweise ich dazu auf einen Beitrag aus dem Jahr 2011: „Der andere Bonhoeffer“ (vgl. auch „Metaxas Bonhoeffer“). Das von mir mehrfach empfohlene Buch Der andere Bonhoeffer – Die Herausforderung des Modernismus von Georg Huntemann ist übrigens derzeit antiquarische günstig zu haben.

Hier der DLF-Beitrag:

 

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