Metaxas Bonhoeffer

Immer wieder gehen Anfragen zum Bonhoeffer-Buch von Metaxas bei mir ein. Das erneute Auftreten des Biografen auf dem Willow Creek Deutschland-Kongress in Stuttgart beflügelt das Interesse. Idea meldet:

Bei Bonhoeffer könnten Gemeindeleiter lernen, im Vertrauen auf Gottes Wegweisung ihrer Berufung bis zum bitteren Ende treu zu bleiben, sagte Hybels. Er führte ein Podiumsgespräch mit dem Autor der Biografie „Bonhoeffer: Pastor, Agent, Märtyrer und Prophet“, Eric Metaxas (New York). Dieser wandte sich dagegen, Bonhoeffer als liberalen Theologen darzustellen: „Je mehr ich nachforschte, desto mehr kam ich zu dem Ergebnis, dass diese Annahme Nonsens ist.“ Bonhoeffer habe die Bibel schon während seines Studiums anders verstanden als viele seiner Kommilitonen: „Für ihn war sie lebendig, sie spricht zu den Menschen. Er war einer der wenigen an der Fakultät, die ihre Stimme gegen die liberale Theologie erhoben haben.“ Hybels nannte Metaxas’ Bonhoeffer-Biografie eine unverzichtbare Ermutigung für Gemeindeleiter, die ihrer Berufung konsequent folgen wollen.

Ich möchte deshalb auf den älteren Beitrag „Der andere Bonhoeffer“ verweisen und kurz aus meiner Buchbesprechung zitieren, die im Magazin factum 8/2011 erschienen ist (S. 47):

Dass es gute Gründe dafür gibt, in Bonhoeffer einen unbequem orthodoxen Theologen zu sehen, haben z.B. Rainer Mayer oder Georg Huntemann mit ihren Veröffentlichungen zu Bonhoeffer gezeigt. Metaxas selbst erörtert Bonhoeffers Ringen um feste theologische Positionen angesichts der „mündig gewordenen Welt“ jedoch nur oberflächlich. Hier hätte ich mir eine gründlichere Auseinandersetzung mit dem Mann, „der doch noch das Erbe der liberalen Theologie in sich trägt“ (so B. am 3.8.1944 in einem Brief an Bethge), gewünscht. Auch evangelikale Autoren sollten die Gefahr eines „kreativen Missbrauchs“ Bonhoeffers nicht unterschätzen. Allerdings will Bonhoeffer: Pastor, Agent, Märtyrer und Prophet keine theologische Abhandlung, sondern spannend geschilderte Lebensgeschichte sein. Diese Aufgabe hat Metaxas gemeistert. Hoffentlich werden viele Leser durch das Buch angeregt, sich gründlich mit Bonhoeffer auseinanderzusetzen.

Der Name Rudolf Bultmann taucht übrigens im Personenregister von Bonhoeffer: Pastor, Agent, Märtyrer und Prophet nicht auf. Auch daran zeigt sich, dass die theologische Auseindersetzung mit Bonhoeffer vordergründig geblieben ist. Ferdinand Schlingensiepen schreibt in seiner Biografie kurz und präzise (Dietrich Bonhoeffer, 2010, S. 292–293):

Bonhoeffer hat sich, während er in Kieckow mit derart radikalen Gedanken beschäftigt war, die Zeit genommen, einen Vortrag zu lesen, den der Marburger Neutestamentier Rudolt Bultmann vor der neu gegründeten «Gesellschaft für Evangelische Theologie» gehalten hatte, und der seine Sprengkraft erst in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg entfaltet hat … Bultmanns Vortrag trug den Titel „Neues Testament und Mythologie“ und enthielt sein später von Theologen in der ganzen Welt diskutiertes Programm der „Entmythologisierung des Neuen Testaments“.

Bultmann vertrat die These, daß viele Berichte des Neuen Testaments, etwa die Himmelfahrt Christi, Mythen seien. Deren bis heute gültige Wahrheiten gelte es durch eine „existentiale Interpretation“ zu erschließen, nachdem man zuerst den unter der mythischen Einkleidung verborgenen überzeitlichen Wahrheitsgehalt aufgedeckt habe.

Während in Deutschland schon bald eine erste Welle heftiger Kritik einsetzte vor allem Hans Asmussen zeigte sich alarmiert –, urteilte Bonhoeffer zwar nicht unkritisch über Bultmanns faszinierendes Programm, aber er äußerte zuallererst Zustimmung. Öffentlich konnte er des Schreibverbotes wegen keine Stellung beziehen, indessen schrieb er an einen Schüler, der in Marburg im Lazarett lag:

„Ich gehöre zu denen, die [Bultmanns] Schrift begrüßt haben, … Grob gesagt: Bultmann hat die Katze aus dem Sack gelassen, nicht nur für sich, sondern für sehr viele (die liberale Katze aus dem Bekenntnissack), und darüber freue ich mich. Er hat gewagt zu sagen, was viele in sich verdrängen (ich schließe mich ein), ohne es überwunden zu haben. Er hat damit der intellektuellen Sauberkeit und Redlichkeit einen Dienst geleistet. Der Glaubenspharisäismus, der nun dagegen von vielen Brüdern aufgeboten wird, ist mir fatal. Nun muß Rede und Antwort gestanden werden. Ich spräche gern mit Bultmann darüber und möchte mich der Zugluft, die von ihm kommt, gern aussetzen. Aber das Fenster muß dann wieder geschlossen werden. Sonst erkälten sich die Anfälligen zu leicht.“

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20 Kommentare
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12 Jahre zuvor

[…] kurz Stellung zum viel gepriesenen Bonhoeffer-Biographen Metaxas. Er mahnt zur Vorsicht bei allen Versuchen, […]

Alexander Hirsch
12 Jahre zuvor

Danke für die weiterführenden Gedanken. Ich habe Metaxas in Stuttgart gehört und war hin- und hergerissen. Ohne das Buch bisher gelesen zu haben, lässt sich wahrscheinlich zusammenfassen: Der Vorteil ist, dass es von einem Journalisten geschrieben wurde – der Nachteil ist, dass es von einem Journalisten geschrieben wurde.

Paul
12 Jahre zuvor

Zitat:
Hoffentlich werden viele Leser durch das Buch angeregt, sich gründlich mit Bonhoeffer auseinanderzusetzen. Zitat Ende.

Das gilt für mich 🙂
Gibt es dazu evtl. eine besondere Lektüreempfehlung?

Roderich
12 Jahre zuvor

Mich würde die Reaktion von Herrn Metaxas auf diesen Brief interessieren.

Ich hörte letzte Woche einen Vortrag von H. Metaxas und war sehr begeistert. Manchen Vertretern der Evangelischen Kirche gefiel der starke Fokus auf Jesus Christus und die Heilige Schrift, und dass Bonhoeffer ein echter „Nachfolger Christi“ war, ganz und gar nicht.

Metaxas hatte übrigens insofern recht, als wenn man die Hauptwerke Bonhoeffers selber liest, man schon seine Liebe zu Christus und der Heiligen Schrift herauslesen kann. So EIN Brief sagt vielleicht nicht soooo viel aus. (Als denkender Christ darf man auch mal Zweifel haben; vielleicht gab es die bibelkritische Strömung auch noch nicht lange genug, als dass sich eindeutig zwei Lager herausgebildet hätten, zu denen man sich eindeutig zuordnen müsste. Aber ich mutmaße nur.)

markus
12 Jahre zuvor

Es scheint, als sei die Arbeitshypothese von Metaxas nicht schlüssig und schlicht unlogisch: „Wenn ich beweisen kann, dass er nicht liberal ist, dann ist er evangelikal.“ So einfach ist eben auch schon die damalige theologische Landschaft nicht gewesen. Die dialektische Strömung, die als dritte Alternative hinzukommt, ist ja eben auch nur eine Sammelbewegung für „weder liberale, noch evangelikale“ gewesen. Die Bandbreite reichte eben von Barth bis Bultmann.
Einen Gefallen tut Metaxas niemanden. Das „Evangelikale“ akademisch unsauber arbeiten werden die einen bestätigt sehen; dass Begriffe weiter zu Worthülsen umgewidmet werden, die anderen. Das Begriffe rückwirkend angewandt werden (Evangelikale gab es eben 1927 noch nicht), ist an sich schon schwierig.
@roederich: Die Briefe Bonhoeffers (siehe Widerstand und Ergebung) haben wohl fast mehr seinen Ruf geprägt, als seine Bücher.

Alexander Hirsch
12 Jahre zuvor

Bin gerade noch auf diese Reaktion von Richard Weikart (California State Univ. und Discovery Institute) gestoßen: http://www.csustan.edu/history/faculty/weikart/metaxas.htm
Über die Aussage von Metaxas „Bonhoeffer was as orthodox theologically as the apostle Paul“ bin ich schon in Christianity Today gestolpert …
Trotzdem freue ich mich, wenn das Buch viele (auch in den USA!) dazu bringt, sich mit Bonhoeffer zu beschäftigen …

Paul
12 Jahre zuvor

: Danke für den Tipp, ich meld mich dann wieder, wenn ich fertig bin 😀

Roderich
12 Jahre zuvor

, ok, sorry, das wusste ich nicht – kenne mich nicht gut aus bei Bonhoeffer.

Erv
12 Jahre zuvor

Kommentiere hier zum ersten mal. Oder besser: Frage hier zum ersten Mal.
Wer war Bonhoeffer dann? Ich kenne mich nicht so profund mit der Vita Bonhoeffers und seiner Theologie aus, deshalb frage ich. Habe unzwar auch die Bonhoefferbiographie von Metaxas zu Hause liegen, aber außer zu einem reinschauen ist es bisher nicht weiter gekommen. So weit ich weiss, ist das Bild über ihn in der evangelikalen Welt sehr positiv. Er wird bewundert und als Vorbild genommen. Mein Bild über B. ist eigentlich auch kein anderes.
War B. nun liberal oder nicht? Kann ihn die evangelikale Welt auf ihrer Seite rechnen oder gehört B. eher zu historisch-kritischen. Oder doch Barth? Es geht mir vor allem um seine Theologie.
Als Mensch war und ist Bonhoeffer zweifellos eine vorbildliche und ehrenhafte Person. Man kann viel von ihm lernen.

Achso: dein Blog, Ron, gefällt mir. Lese regelmäßig mit und finde ihn interessant. Vor allem die biblisch-augustinisch-reformatorische Ausrichtung gefällt mir und schätze ich sehr:-)

Martin
12 Jahre zuvor

Immerhin muss man dem Buch doch auf jeden Fall zu Gute halten, dass es auch eine andere Seite an Bonhoeffer beleuchtet oder betont, die bisher vielleicht durch eine einseitige Vereinnahmung zu kurz gekommen ist.
Auch wenn es dabei vielleicht auf der anderen Seite vom Pferd fällt, ist es dann wenigstens ein Baustein um das Bild insgesamt etwas schärfer zu stellen.
Abgesehen davon hat das Buch bei mir tatsächlich dazu geführt mich nicht nur neu mit Bonhoeffer zu beschäftigen, sondern auch neu heraus gefordert zu überlegen, was es heißt Stellung gegen den Trend zu beziehen. Insofern fand ich es sehr spannend und bereichernd es zu lesen.
Ganz gleich wo Bonhoeffer theologisch stand, kann jeder an diesem Punkt von ihm viel lernen…

12 Jahre zuvor

Hier wurde mehrmals die Hoffnung ausgesprochen, daß sich wieder mehr Leute (wieder) mit Bonhoeffer beschäftigen. Mich – als einer, der nicht mit Bonhoeffer bekannt ist – würde interessieren, warum es sich lohnt sich mit ihm zu beschäftigen. Was zeichnet ihn aus, was können wir von ihm lernen?

Roderich
12 Jahre zuvor

Noch ein anderer Gedanke, zum Thema „Misßbrauch von Bonhoeffer“: die Evangelische Kirche rühmt sich heute mit Bonhoeffer und feiert ihn (zurecht) als jemand, der dem Zeitgeist widerstanden hat, also damals dem Nationalsozialismus. Die Gefahr ist aber, dass viele dies nur tun, weil dies in den Zeitgeist hineinpasst. (Jeder Christ würde heute Hitler ablehnen, aber wie Joachim Fest in seiner Biographie schrieb, hat sich die Welt, also der Zeitgeist, darauf geeinigt, dass Hitler der „große Böse“ des 20. Jahrhunderts war, quasi der einzige Böse. Antikommunismus war out, Antinationalsozialismus war in. Widerstandskämpfer gegen Kommunismus, bzw. Märtyrer unter dem Kommunismus, passen ebensowenig in den heutigen Zeitgeist wie die Opfer des radikalen Islam bzw. verfolgte Christen in Islamischen Staaten. Ich finde, die evangelische Kirche hat erst DANN das Recht, sich auf jemanden zu berufen, der dem Zeitgeist widerstrebt hat wie Bonhoeffer, wenn sie auch der Widerstandskämpfer gegen den Kommunismus oder der Opfer Islamischer Verfolgung in gleichem Umfang gedenken – oder allgemein, wenn sie auch… Weiterlesen »

12 Jahre zuvor

@Roderich: Amen! Helden werden nur allzu oft gefeiert, um von der eigenen Feigheit und Oberflächlichkeit abzulenken. Man sagt: „Er ist einer von uns“, und man will sagen: „Ich wäre gerne wie er!“ – und gibt damit unweigerlich zu, dass man ganz anders ist. Bonhoeffer war kein Mann der Masse, sondern jemand, der außergewöhnlich eigenständig dachte und ebenso außergewöhnlich konsequent seinen Weg in der Nachfolge Christi ging. Solche Leute sind immer selten. Wir reden über sie, aber wir folgen ihnen nicht.

12 Jahre zuvor

[…] (typeof(addthis_share) == "undefined"){ addthis_share = [];}Die Diskussion um Metaxas Bonhoeffer sind inzwischen auch beim NDR angekommen. Daniel Kaiser schreibt: Der fromme Bonhoeffer – das […]

ein Christ
8 Jahre zuvor

also das Buch von Metaxas kenne ich nicht, ich denke aber, dass Bonhöffer als derjenige, der den Begriff billige Gnade erfand, eine faszinierende Persönlichkeit war, ohne so ein Buch über ihn gelesen zu haben. Sein Buch Nachfolge gilt als schwer, und auch ich finde das und kaufte es mir daher nicht, obgleich ich denke, dass es gut durchdacht sein mag, ich finde es beeindruckend, dass er über den Wert der Gnade nachdachte und sich nicht anpaßte an das Denken seiner Zeit, seine Einstellung zur Gnade war: Gnade ist nicht nur umsonst, sondern sie hat einen Preis und daher sind wir teuer erkauft und müssen auch demenstprechend die Gnade Gottes zu schätzen wissen, ich denke, dass diese Einstellung vielen Christen oder besser gesagt Namenschristen fehlt und dass Bonhöffer das brisanteste und wichtigste Thema der Bibel ansprach, wer Bonhöffer und sein Werk über billige Gnade interessiert, der interessiert sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auch für mein Buch, das eben den Irrglauben an eine… Weiterlesen »

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