EKD

Das Schweigen der Kirche

Während sich die Katholische Kirche in der Diskussion zur Kanditatur von Frauke Brosius-Gersdorf immerhin vereinzelt geäußert hat, fehlen Stellungnahmen aus den Reihen der Evangelischen Kirche (und m.W. auch aus den Reihen der DEA). Dass die EKD schweigt, hat laut David Wengenroth tiefere Gründe: „In ihrer Denkschrift ‚Schwangerschaftsabbruch‘ bediente sie sich dabei einer Argumentation, die sich nur vordergründig von Brosius-Gersdorfs Konzept unterscheidet. Mehr noch: Die EKD sprach nicht einmal mehr von abgestufter Menschenwürde, sondern nur noch von einem ‚Anspruch, zur Welt gebracht zu werden, der vom beginnenden Leben ausgeht‘, der hinter ‚anderen unabweisbar empfundenen Ansprüchen‘ der Schwangeren zurückstehen müsse.

Deshalb müssen wir leider zur Kenntnis nehmen: 

Letztlich geht es der gescheiterten Kandidatin ebenso wie der EKD darum, das Lebensrecht des ungeborenen Kindes zu einer Verfügungsmasse zu machen, die zu nichts mehr verpflichtet. Wer so argumentiert, macht eine verhängnisvolle Entwertung des menschlichen Lebens salonfähig. Die Aussicht auf eine Gesellschaft, in der Lebensrecht und Menschenwürde nur abgestuft gelten und regelmäßig hinter „anderen unabweisbar empfundenen Ansprüchen“ zurückstehen müssen, ist zum Fürchten. Im Fall der gescheiterten Richterkandidatin Brosius-Gersdorf hat die öffentliche Diskussion diese fatale Konsequenz bloßgelegt. Wenn die Öffentlichkeit bei der EKD-Position irgendwann einmal ebenso kritisch hinschaut, wird es ihr genauso gehen.

Mehr: www.idea.de.

Das Recht auf Leben aus der EKD-Perspektive

Seit einigen Jahren wird bekanntlich über eine mögliche Neufassung der Regelung zum Schwangerschaftsabbruch diskutiert. Im Fokus stehen die Fristen und Voraussetzungen, die strafrechtliche Regelung und die Pflicht zur Konfliktberatung. Die neue EKD-Schrift Stellungnahme des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) fasst evangelisch-ethische Überlegungen dazu zusammen, und will einen Kompromiss formulieren. Dass das nicht gelungen ist, zeit schon dieser Abschnitt:

Im Zentrum der theologisch-ethischen Argumentation steht die Überzeugung, dass der Schwangerschaftskonflikt aus der Kollision zweier unvereinbarer Ansprüche entsteht, in denen Christinnen und Christen jeweils ein göttliches Gebot sehen können: Dem Anspruch des ungeborenen Lebens, zur Welt gebracht zu werden, stehen die Ansprüche und Verpflichtungen gegenüber, die die Lebensführung an die betroffene Frau stellt: berufliche Verpflichtungen, soziale und psychische Notlagen, familiäre Pflichten oder die Sorge, den Ansprüchen eines zukünftigen Kindes nicht gerecht werden zu können. Aus dieser Kollision entsteht für die Schwangere ein unauflösbarer Konflikt, da sie sich nicht in der Lage sieht, beiden Ansprüchen und Verpflichtungen zugleich zu folgen. Die evangelische Kirche anerkennt diesen Konflikt als unauflösbar und lehnt eine einseitige Privilegierung einer der beiden Ansprüche ab. Ausgehend von der Schöpfungslehre hebt die evangelische Kirche die besondere Rolle der Schwangeren bei der Weitergabe des Lebens hervor: Gottes Ruf ins Leben kann nur mit der Hilfe einer Frau Realität werden. Diese Mitwirkung am Schöpfungsauftrag bringt es mit sich, dass die Frau die Entscheidung für oder gegen ein Kind letztlich nur alleine in verantworteter Freiheit treffen kann und treffen muss.

Das Lebensrecht einen Ungeborenen wird hier auf die gleich Stufe gestellt wie z.B. berufliche Verpflichtungen. Solche Vergleiche sind unfassbar zynisch. David Wengenroth kommentiert für IDEA treffend: 

Die EKD-Stellungnahme scheitert schon daran, diesen Konflikt überhaupt auch nur angemessen zu beschreiben. So heißt es in dem Text, der Schwangerschaftskonflikt entstehe aus einer „Kollision zweier unvereinbarer Ansprüche, in denen Christinnen und Christen jeweils ein göttliches Gebot sehen können: Dem Anspruch des ungeborenen Lebens, zur Welt gebracht zu werden, stehen die Ansprüche und Verpflichtungen gegenüber, die die Lebensführung an die betroffene Frau stellt: berufliche Verpflichtungen, soziale und psychische Notlagen, familiäre Pflichten oder die Sorge, den Ansprüchen eines zukünftigen Kindes nicht gerecht werden zu können.“

Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Kann man also unter anderem in „beruflichen Verpflichtungen“ ein „göttliches Gebot sehen“, das die Tötung eines ungeborenen Menschen rechtfertigt? Das ist entweder erschreckend zynisch gedacht – oder erschreckend ungeschickt formuliert. In beiden Fällen verfestigt es das Bild einer Kirche, die in zentralen ethischen Fragen nicht mehr sprachfähig ist.

Hat der Protestantismus in Europa eine Zukunft?

Die katholische TAGESPOST schreibt

Noch im 19. Jahrhundert schienen in Deutschland Nationalromantik, Modernismus, Zukunftsvertrauen, Patriotismus, Hohenzollern und Protestantismus mehr oder weniger Hand in Hand zu gehen; „Rom“ galt mit allem, wofür es historisch und theologisch stand, als anachronistisch und „undeutsch“. Nun aber müssen die Protestanten nicht nur in Deutschland, sondern weiten Teilen Europas sich der Aussicht stellen, dass sie in absehbarer Zeit als Volks- und Traditionskirchen aussterben und den Menschen nur noch in Geschichtsbüchern oder hoch volatilen Freikirchen entgegentreten. In der Geschichte wäre das freilich nichts Neues: Auch der Buddhismus, einst zentrale reformatorische Kraft gegen den „Formalismus“ und Ritualismus des Hinduismus, ist letztlich auf dem Subkontinent ausgestorben und kann dort nur noch museal bestaunt werden. Lediglich in Ostasien hat er durch die Symbiose mit Animismus, Daoismus und Konfuzianismus überlebt. Ist es angesichts der analogen Implosion der Church of England und des skandinavischen Protestantismus unmöglich, sich ein Europa vorzustellen, in dem der Protestantismus nur noch eine historische Reminiszenz ist?

Wie groß die Verzweiflung und Orientierungslosigkeit in der Evangelischen Kirche ist, zeigt auch ein Pläydoyer der Pfarrerin Hanna Jacobs. Sie schlägt vor, die Sonntagsgottesdienste ganz abzuschaffen. Das sei würdevoller, als so lange zu warten, bis keiner mehr kommt. Die Vorstellung – so Jacobs, dass sich eine Gemeinschaft darüber konstituiere, dass alle, die dazugehören, zur selben Zeit am selben Ort sein müssen, entstamme dem vormodernen Denken.

Zitat: 

Am Sonntagmorgen wird für die kleine Schar der Anwesenden eine Volkskirche inszeniert, die es nicht mehr gibt. Für Protestanten mag das überwältigende Desinteresse an diesem flächendeckenden Erbauungsangebot bitter sein, für katholische Geistliche muss es ärgerlich bis absurd sein. Unter enormem Kraftaufwand ermöglichen die immer weniger (und älter!) werdenden Priester es den Gläubigen, ihrer Sonntagspflicht nachzukommen. Denn jeder Mensch katholischen Glaubens ist eigentlich dazu verpflichtet, am Sonntag an einer Messe teilzunehmen, wobei der Samstagabend großzügigerweise ebenfalls gilt. Doch mehr als 94 Prozent der Katholiken setzen sich über diese Pflicht hinweg, Tendenz steigend.

Dass die beiden Großkirchen stoisch am Gottesdienst als ihrem Aushängeschild schlechthin festhalten, ist Realitätsverweigerung. In den Generalvikariaten und Landeskirchenämtern weiß man um die Randständigkeit des Sonntagsgottesdienstes, mitunter wird er auch öffentlich als Auslaufmodell bezeichnet. Ironischerweise ist das auch ein Symptom des andauernden Schrumpfungsprozesses, denn anhand der Ratio ein „Gottesdienst pro Kirche“ können personelle Ressourcen relativ vergleichbar verteilt werden. Fusionieren zwei Gemeinden, wird penibel darauf geachtet, dass die sogenannte „gottesdienstliche Versorgung“ in allen bestehenden Kirchengebäuden aufrechterhalten wird, und zwar gerecht verteilt. Für Gottesdienste im wöchentlichen Wechsel oder nacheinander fällt dann halt etwas anderes weg, der Kindernachmittag oder das Seniorenfrühstück. Der Ritus hat Vorrang. 

Ich sehe das anders. Eine Kirchengemeinde, die sich als Trägerin des göttlichen Wortes erweist und das Evangelium auf den Leuchter stellt, hat etwas zu sagen, was sich die Welt selbst nicht geben kann. Dort, wo die Gute Nachricht laut zu hören ist, werden auch in Zukunft Menschen zusammenkommen, um „den Namen unsres Herrn Jesus Christus“ an zurufen (1Kor 1,2).

Die Kirche nimmt Abschied vom Sonntag

Seit rund 2000 Jahren gilt Christen der erste Tag der Woche als der Gottesdienst-Tag. Das ändert sich nun. Die rheinischen Protestanten, zweitgrößte evangelische Landeskirche der Bundesrepublik, wagen die Abkehr – getrieben von einbrechenden Zahlen bei Gottesdienstbesuchern und Pfarrern. Andere Kirchen dürften dem Beispiel folgen.

DIE WELT schreibt: 

Die zweitgrößte evangelische Landeskirche Deutschlands treibt alternative Gottesdienstformate und Kirchenriten derzeit voran wie niemand sonst in der Republik. Und wagt den Bruch mit jahrtausendealter Tradition. Gottesdienst, Taufe, Abendmahl oder Trauung können fortan fast überall und jederzeit gefeiert werden. Das beschlossen die rheinischen Protestanten auf ihrer Landessynode vergangene Woche. Die Kirche als Ort und der Sonntag als Zeit für diese Feiern sind damit dem Belieben der einzelnen Gläubigen anheimgestellt. Nun liegt es bei den 2,2 Millionen Mitgliedern der EKiR, wo, wann und wie sie trauen, taufen oder Gottesdienste veranstalten. Bei der Gelegenheit lockerte die rheinische Kirche gleich auch die Voraussetzungen für die Teilnahme am Abendmahl und den Empfang der Taufe. Alles ist möglich.

Als Kritiker des Trends wird Ulrich Parzany zitiert. Ich schließe mich seinem Urteil an: 

Kritiker Parzany, selbst ordinierter Pfarrer der rheinischen Kirche, wittert hier erneut „Schönfärberei und Verschleierung der traurigen Tatsache, dass aus Mangel an Besuchern und Pfarrern nicht mehr an jedem Sonntag in jeder Kirche Gottesdienste stattfinden“. Natürlich sei Gottesdienst mehr als die Feier am Sonntagvormittag. Aber: „Die Versammlung am Sonntag oder früher am Sabbat war seit der Urchristenheit grundlegend für das Leben der Gläubigen. Erst die Versammlung der Gläubigen stärkt den Einzelnen so, dass er anschließend im Alltag mit Gott zu leben vermag.“

Mehr: www.welt.de.

Gott ist für die Deutschen ziemlich tot

Susanne Gaschke beschreibt die Lage unverblühmt: 

Während sich auf deutschen Strassen ein fanatisch-islamistischer Hass auf Israel und die Juden entlädt, kommt den Deutschen ihr christlicher Gott immer mehr abhanden. Die Bedeutung der Kirchen bricht in sich zusammen.

So lässt sich das Ergebnis der neuen «Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung» zusammenfassen, die die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) seit 1972 alle zehn Jahre durchführen lässt. Die Untersuchung steht auf einer breiten empirischen Grundlage und ist repräsentativ für die deutsche Bevölkerung.

Nur noch 13 Prozent der Befragten vertreten traditionelle «kirchlich-religiöse Einstellungen». Mehr als die Hälfte, nämlich 56 Prozent, sind «säkular», also gar nicht religiös. Viele «Säkulare» denken sogar aktiv religionsfeindlich, weil sie «Wissenschaft» in direktem Widerspruch zum Glauben begreifen.

Der Ansehensverlust der Kirchen geht mit dem Schwinden der individuellen Frömmigkeit Hand in Hand. Glaubten im Jahr 1949 noch 90 Prozent der Deutschen an Gott, so sind es heute lediglich 50 Prozent; nur 20 Prozent verstehen ihn dabei im Sinne der Bibel. 30 Prozent glauben an irgendeine höhere Macht, die man genauso gut «Schicksal» nennen könnte.

Mehr: www.nzz.ch.

KMU 6: Historische Transformation

Alle zehn Jahre untersucht die evangelische Kirche, was ihre Mitglieder über Religion und Kirche denken. Erstmals wurden dabei auch Katholiken befragt. Der aktuelle Befund der KMU 6 dokument die voranschreitende Säkularisierung innerhalb der beiden Großkirchen.

Reinhard Bingener schreibt für die FAZ:

Wenn Soziologen über Seismographen verfügten, kämen sie wohl aus ihren Büros gelaufen und würden „Achtung, Erdbeben!“ rufen. Denn die Ergebnisse der neuen Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung legen nahe, dass sich gegenwärtig eine historische Transformation vollzieht. Religion erodiert in rapider Geschwindigkeit und beide große Kirchen, so schreiben die Autoren, scheinen an einem „Kipppunkt“ angelangt zu sein, der schon in den nächsten Jahren zu „disruptiven Abbrüchen“ führen könne.

Die methodische Basis dieses Befunds könnte kaum breiter sein. Seit fünfzig Jahren beauftragt die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) einmal im Jahrzehnt eine große Untersuchung über die Kirchenmitgliedschaft. Für die nunmehr sechste Folge wurden insgesamt 592 Fragen für 5282 Teilnehmer entwickelt.

Mehr (hinter einer Bezahlschranke): www.faz.net.

EKD will Schwangerschaftsabbruch entkriminalisieren

Die Evangelische Kirche in Deutschland will den Schwangerschaftsabbruch entkriminalisieren, lehnt ihn ethisch aber weiter ab. Das ist widersprüchlich, meint der Theologe Ulrich Körtner aus Wien. Er geht mir in senier Kritik nicht weit genug, bringt aber doch einige katastrophale Positionen gut auf den Punkt.

Zum Beispiel hier:

Während das für die EKD unter anderem bedeutet, ihr Augenmerk auf eine strikte Beratungspflicht zu legen, bedeutet es für die Diakonie das Gegenteil. Ihr Argument: Frauen würden durch die Beratungspflicht im Grunde bevormundet. Genauso argumentiert auch die Evangelische Frauenarbeit Deutschland. Mit derart widersprüchlichen Wortmeldungen nimmt man sich politisch aus dem Spiel.

Am meisten hat aber die verblüffende Theologieabstinenz beider Papiere für Kritik und Irritationen gesorgt. Man kann den Stellungnahmen zu Gute halten, dass es sich nicht um kircheninterne Schreiben, sondern um Voten im rechtspolitischen Raum handelt. Aber auch zwischen den Zeilen ist selbst für Eingeweihte von theologischer Reflexion kaum etwas zu erkennen. Mehr noch: Die Diakonie kritisiert in ihrer Stellungnahme ausdrücklich, der jetzige § 218 entspreche „einer unausgesprochen religiösen Setzung“, die in einer pluralistischen Gesellschaft nicht verbindlich gemacht werden könne. Auch so kann eine Kirche dazu beitragen, ihren ohnehin schwindenden öffentlichen Einfluss weiter zu minimieren.

Mehr (hinter einer Bezahlschranke): www.faz.net.

Kein Gott, nirgends

Die Stellungnahmen von EKD und Diakonie für eine Legalisierung der Abtreibung bis zur 22. Woche sind frei vom Anspruch einer an theologisch-ethische Diskurse anknüpfenden Pragmatik. Nicht einmal das Wort Gott braucht es noch, meint Daniel Deckers:

Dass sich die Repräsentanten der verfassten katholischen Kirche über dem Umgang mit sexueller Gewalt als Anwälte des Lebensschutzes selbst diskreditiert haben, ist wohl nicht mehr zu ändern. Die Stellungnahmen von EKD und Diakonie zugunsten einer Legalisierung der Abtreibung bis zur 22. Woche sind dagegen vollkommen frei vom Anspruch einer originären, an religiöse Überzeugungen und theologisch-ethische Diskurse anknüpfenden Pragmatik. Nicht einmal das Wort Gott braucht es noch.

Mehr: www.faz.net.

Verschont mich mit politischen Predigten!

Sünde, Tod, Erlösung: Die evangelische Kirche muss sich wieder auf ihren Kern besinnen, statt von links zu missionieren. Liane Bednarz hat in der ZEIT ein weihnachtliches Klagelied veröffentlicht. Darin schreibt sie: 

Der Eindruck, den die EKD, die ja so gern Volkskirche bleiben möchte, mit ihren Parteinahmen vermittelt, ist am Ende fatal. Deutlich schwingt die Aussage mit, nur wer für grüne Umweltpolitik stehe oder Fridays For Future unterstütze, bewahre die Schöpfung und sei „ein guter Christ“. Damit schleicht sich ein antipluralistischer, ja politreligiöser Impuls ein, der Christen ausgrenzt, die wie ich der CDU/CSU oder der FDP nahestehen und deshalb beim Klima- und Umweltschutz eher auf marktwirtschaftliche Ansätze setzen. Ähnlich sieht es bei der durch Bedford-Strohm gegen den Willen vieler Konservativer durchgesetzten Entscheidung aus, das Bündnis United4Rescue und damit die ethisch wie rechtlich umstrittene private Seenotrettung im Mittelmeer mit Schiffen zu unterstützen.

Diese politische Schlagseite steht einer Volkskirche nicht gut an und ist für mich seit Jahren ein stetiges Ärgernis. Auch weil sie aus meiner Sicht ein Zerrbild der evangelischen Kirche vermittelt, die in ihrer Gesamtheit weitaus vielfältiger ist – sie verfügt auch über starke pietistische und evangelikale Strömungen, die sich glasklar von rechtsradikalen und fundamentalistischen Tendenzen abgrenzen, aber Frömmigkeit statt Parteipolitik in den Fokus rücken. Letzteres jedoch muss man, muss ich stets aufs Neue anderen erklären, weil die Kirchenspitze, obwohl sie glänzende Vertreter dieser Richtung im Rat hat, viel zu oft lautstark säkulare Politik betreibt. Auf Dauer ist das sehr ermüdend. Es führt sogar dazu, dass einige Protestanten den in Glaubensfragen als strenger empfundenen Katholizismus als attraktive Alternative wahrnehmen. Ich spreche hier auch aus eigener Erfahrung. Andere ringen und ärgern sich weiter. Erbaulich ist das nicht gerade.

Mehr: www.zeit.de.

Sola scriptura à la EKD

Die EKD hat den Grundlagentext Bedeutung der Bibel für kirchenleitende Entscheidungen herausgeben und schreibt dazu:

Der Begriff des Überlegungsgleichgewichts zielt darauf ab, dass Erfahrungswissen und Einsichten aus den Wissenschaften ebenso wie biblische Einsichten berücksichtigt, gewichtet und „so ins Verhältnis gesetzt“ werden, „dass die orientierende und bindende Kraft der Bibel zum Tragen kommt“. Dem Evangelium solle dabei, so wird betont, „der Vorrang im Sinne der begründenden, orientierenden, prägenden Bedeutung für den Zusammenhang aller Aspekte“ zukommen. Außerdem solle die Schriftauslegung vor allem darauf abzielen, neue Impulse in die Fragestellung einzubringen und ein tieferes Verständnis der Problemlage zu fördern. Das alles geschehe „in einem komplexen, nicht eindeutig methodisierbaren Abwägungsprozess. Um zu veranschaulichen, wie das in der Praxis aussehen kann, wird der Prozess im Text anhand von vier Beispielen nachgezeichnet. Dabei wird auch deutlich, dass unterschiedliche Gewichtungen zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können.

Ich habe einen ersten Blick auf den Grundlagentext geworfen und bisher nichts Überraschendes gefunden. Vom Evangelium her gesehen werden Texte für eine rein kontextgebundene (historische, kulturgeschichtliche) Auslegung freigegeben. An den Anwendungsbeispielen kann gut erkannt werden, wie so der semantische Inhalt biblischer Texte geradezu auf den Kopf gestellt werden kann.

Hier das Buch: bedeutung_bibel_EVA_2021.pdf.

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