Gendergerechte Sprache

Gendersprache aus christlicher Sicht

Gendersprache ist auf dem Vormarsch: Immer mehr Behörden, Medien, Politiker schreiben oder sprechen in sogenannter „geschlechtergerechter Sprache“. Was steckt hinter dem Phänomen? Ist gendern gefährlich? Und wie gehen wir als Christen damit um? Thomas Jeising, Schriftleiter des Bibelbunds, beschäftigt sich intensiver mit solchen Fragen. Pastor Matthias Mockler hat mit ihm über das Gendern gesprochen.

Ein großer Irrtum der Gendersprachbewegung

Der Linguist Tim Hirschberg hat für die Zeitschrift DIE WELT einen fundamentalen Irrtum der Gendersprachbewegung herausgestellt. Typographische Sonderzeichen wie das Sternchen oder der Doppelpunkt sollen laut Vertretern einer geschlechtergerechten Sprache bildliche Vorstellungen in uns hervorrufen. Liest man das, was die Ratgeber für Gendersprache sagen, „könnte man glauben, wir projizierten uns gegenseitig eine Art Diashow ins Hirn, wenn wir uns unterhalten oder schriftlich miteinander kommunizieren. Doch das ist eine ausgesprochen naive Vorstellung. Die Fokussierung auf die mentalen Bilder, die Sprache angeblich heraufbeschwört, bedeutet eines der größten und vielleicht auch folgenreichsten Missverständnisse des Gender-Diskurses.“

Hirschberg schreibt weiter: 

Es gibt eine lange philosophische Tradition – an vorderster Stelle ist Gottlob Frege zu nennen – die überzeugend darlegt, warum (mentale) Bilder für die Sprache eher unwichtig sind. Schon der Volksmund weiß, wer Zugang zur Gedankenwelt anderer hat, ist ein Gedankenleser und kein -seher. In diesem Sinne stellt sich sprachliche Bedeutung nicht als etwas Bildliches, sondern als etwas Abstrakt-Logisches dar – im Fachjargon spricht man von Propositionen.

Freges Begründung hob auf die großen individuellen Unterschiede ab, die bei den an die Sprache gekoppelten Vorstellungen zu beobachten sind. Manche assoziieren mit dem Wort „Liebe“ das Bild händchenhaltender Zweisamkeit, andere wiederum das eines biochemischen Hormoncocktails. Hätten solche Vorstellungen eine maßgebliche Funktion in der Sprache, müsste Kommunikation jämmerlich scheitern, denn alle wären in ihrer privaten Semantik gefangen.

Der Versuch, durch Sprache gewisse bildliche Vorstellungen in den Köpfen zu wecken, erinnert Hirschberg an die Arbeitsweisen von Werbeagenturen: 

Der Versuch, Angemessenheit oder gar Gerechtigkeit in visuellen Darstellungen zu suchen, hat bisweilen etwas Verzweifeltes. Davon zeugen die grafischen Illustrationen in vielen Broschüren, die für das Ziel der politischen Korrektheit alle möglichen Hauttöne, Leibesformen und Lebensstile in eine Abbildung hineinquetschen. Trotz der Anstrengungen bleibt stets eine Gruppe außen vor, seien es die Alten, Hässlichen usw. Der offensichtliche Anspruch, Diversität abzubilden, macht diesen Mangel dabei erst so richtig deutlich.

Wenn sich jemand gar zu sehr für bildliche Assoziationen interessiert, sollte einen das stutzig machen. Dann befinden wir uns nämlich im Metier der Werbetreibenden, und die wollen nicht die Welt verbessern, sondern ein Image konstruieren und pflegen. Das Gendersternchen folgt der Werbelogik und seine Einführung sorgt für die Reklamisierung der Sprache. Kein Wunder also, dass Wirtschaftsunternehmen so schnell auf diesen Zug aufgesprungen sind.

Mehr hinter einer Bezahlschranke: www.welt.de.

Öffentlich-rechtliche Umerziehung

Rundfunk und Fernsehen maßen sich eine sprachliche Erziehung an, die ihnen nicht zusteht. Sie verhalten sich dabei nicht nur zutiefst undemokratisch, es widerspricht auch dem Auftrag der öffentlich-rechtlichen Medien, meint Heike Schmoll in ihrem Kommentar für die FAZ. Optimistisch prognostiziert sie, dass die Sprachgemeinschaft dem Ökonomieprinzip folgen wird und sich die unkomplizierten Schreib- und Sprechweisen durchsetzen werden:

Davon, dass es Frauen und andere Identitäten ausschließe oder nur mitmeine, kann nicht die Rede sein. Wer so argumentiert, interpretiert grammatische Strukturen wissentlich oder unwissentlich fehl. Aber die soll es nach Auffassung einer Minderheit auch lieber nicht geben. Laut einer internen Anweisung für den Sprachgebrauch in Ministerien soll das generische Maskulinum möglichst gemieden werden. Warum eigentlich? Weil es angeblich nicht gendergerecht ist, was auch immer das eigentlich sein mag? Durch ihr Gendern stärken die Sender die Aversion der Mehrheit, sich minderheitskonformen Sprachideologien anzuschließen.

Vermutlich wird sich das Gendern in einigen Segmenten einbürgern – an Universitäten und Hochschulen, obwohl auch die eigentlich verpflichtet sind, die amtliche sprachliche Norm zu befolgen. Aber bisher hat die Sprachgeschichte gelehrt, dass die Sprachgemeinschaft dem Ökonomieprinzip folgt. Das bedeutet, dass die meisten Sprecher sich umständlicheren Formulierungen nicht anschließen werden, sondern die bequemste und verständlichste sprachliche Ausdrucksweise wählen. So wird es auch beim Gendern sein.

Und was ist mit den öffentlich-rechtlichen Medien? „Deren Aufgabe ist laut Medienstaatsvertrag, die ‚Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, der Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit ihrer Angebote zu berücksichtigen‘. Doch das scheint die Sender wenig zu kümmern. Sprachliche Marotten einiger Redakteure wurden so zur allgemeingültigen Sprachnorm.“

Lassen wir uns diese unsägliche Umerziehung nicht gefallen! Ein Leser kommentierte das die geschlechtergerechte Sprache verharmlosende FAZ-Interview mit der Sprachwissenschaftlerin Damaris Nübling zutreffend mit folgenden Worten:

Die Tatsache, dass seit Jahren ‚top down‘ versucht wird, die skurrilen Genderformen in der Sprache durchzusetzen, ist doch offenkundig: in der Politik, Teilen der Verwaltung, in Kirchen, Gewerkschaften, nicht zuletzt in großen Medien, insbesondere im ÖRR, neuerdings auch Großunternehmen usw. Die Prämissen der Gendervorstellungen wurden weitgehend kritiklos akzeptiert, eine Debatte drüber wollte man lange nicht führen. Jetzt aber, nachdem der Protest immer größer und zahlreicher wird, fordern Vertreter wie die Frau Professorin Toleranz ein. Und behauptet sogleich, dass Gendersprache ein ‚inklusiveres Sprechen‘ ermögliche – eine glatte Verdrehung der Tatsachen: Gendersprache ist die exklusive Sprache einer privilegierten akademischen Blase, die ihre grotesken Vorstellungen der Mehrhheit der Menschen aufzwingen will. Kein normaler Mensch spricht so!

Mehr (hinter einer Bezahlschranke): www.faz.net.

Wissenschaftler kritisieren Genderpraxis des ÖRR

Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk breiten sich „geschlechtergerechte Sprachformen“ in allerlei Formaten aus, bis hin zu den Nachrichtensendungen. 70 Linguisten und Philologen ist es nun zu viel. Diese Praxis sei ideologisch, missachte gültige Regeln und produziere „sozialen Unfrieden“. In ihrem Aufruf heißt es:

Seit 2020 hat die Verwendung der sogenannten gendergerechten Sprache im öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) in erheblichem Maße zugenommen. Ausgangspunkt dieser Sprachpraxis ist die Bewertung des generischen Maskulinums als diskriminierende Sprachform, die wir als Sprachwissenschaftler und Philologen zurückweisen. Wir fordern eine kritische Neubewertung des Sprachgebrauchs im ÖRR auf sprachwissenschaftlicher Grundlage.

Die Sprachverwendung des ÖRR ist Vorbild und Maßstab für Millionen von Zuschauern, Zuhörern und Lesern. Daraus erwächst für die Sender die Verpflichtung, sich in Texten und Formulierungen an geltenden Sprachnormen zu orientieren und mit dem Kulturgut Sprache regelkonform, verantwortungsbewusst und ideologiefrei umzugehen. Mehr als drei Viertel der Medienkonsumenten bevorzugen Umfragen zufolge den etablierten Sprachgebrauch – der ÖRR sollte den Wunsch der Mehrheit respektieren.

Der Germanist und Buchautor Fabian Payr (Autor des Buches Von Menschen und Mensch*innen, vgl. hier) ist Initiator des Aufrufs. Er teilte der Zeitschrift WELT mit: „Die Sender des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind sprachprägend. Sie sind, was einst Luthers Bibel war: ein Modell für ein einheitliches Deutsch. Es könne daher nicht angehen, dass in den Anstalten beim Sprachgebrauch Laissez-faire herrsche.“

Hier der Aufruf „Wissenschaftler kritisieren Genderpraxis des ÖRR“: www.linguistik-vs-gendern.de.

Warum die Gendersprache scheitern wird

Gendern mit Gendersternchen oder Alternativen wird immer beliebter und auf den Kanälen des Öffentlich-rechtlichen Rundfunks oft beworben. Und doch spaltet dieses Sprachpraxis spalten das Land. Aber wo kommt diese Idee sprachwissenschaftlich eigentlich her? Und wie sinnvoll ist sie? Wer den satirischen Kommentar von Alicia Jo noch nicht kennt, sollte sich ihn mal anschauen:

Das Goethe-Institut gendert

Das Goethe-Institut ist ein weltweit tätiges Kulturinstitut der Bundesrepublik Deutschland mit dem Auftrag, die Kenntnis der deutschen Sprache im Ausland zu pflegen und die internationale kulturelle Zusammenarbeit zu fördern. Das Institut repräsentiert also die deutsche Kultur und besonders die deutsche Sprache in der gesamten Welt.

Interessanterweise  verwendet das Institut sowohl bei der Selbstdarstellung als auch in den Unterrichtsangeboten und -materialien eine durchgegenderte Sprache. So ist etwa auf der eigenen Internetseite von Sponsor*innen oder Förder*innen die Rede. Das Institut, welches dafür da ist, Menschen aus aller Welt die deutsche Sprache zu lehren, macht Sprachvarianten verpflichtend, die nach den aktuellen deutschen Schreibregeln falsch sind. Begründet wird das unter anderem mit Karl Marx:

Das Sein bestimmt laut Karl Marx das Bewusstsein. Ähnlich verhält es sich mit Sprache. Sie beeinflusst unser Denken.

Martins Braindumps hat sich über dieses Vorgehen geärgert und vom Goethe-Institut eine Erklärung erbeten:

Kürzlich musste ich feststellen, dass auf der Web- und Facebookseite des Goethe-Instituts systematisch sprachliche Konstrukte verwendet werden, die aktuellen Orthographie- und Grammatikregeln der deutschen Sprache widersprechen („Gendersternchen“) und zudem konsequent auf die Verwendung des generischen Maskulinums verzichtet wird. Während die Entscheidung für eine solche „geschlechtergerechte Sprache“ für den individuellen Gebrauch vollkommen legitim ist, halte ich das im offiziellen Auftritt des Goethe-Instituts für problematisch.

Die ernüchternde Antwort des Instituts ist so ausgefallen:

Geschlechtergerechte Sprache ist ein in der Öffentlichkeit viel und kontrovers diskutiertes Thema. Das Bundesverfassungsgericht (November 2017) hat geurteilt, dass im Behördenregister neben „männlich“ und „weiblich“ eine „dritte Option“ eingeführt werden muss. Um auch andere Geschlechter neben Frau und Mann sichtbar werden zu lassen, wurden die Formen des gender gap, des Binnen-Is und Gendersternchens entwickelt. Dadurch werden Intersexuelle, Transgender oder Transsexuelle berücksichtigt. Die entsprechende Umsetzung am Goethe-Institut versucht, dem rechtlichen Gebot ebenso Rechnung zu tragen, wie dem Wunsch nach Gebrauch von Varianten, die sich im Sprachgebrauch etabliert haben. Die Anwendung des Gendersternchens ist nicht nur am Goethe-Institut am weitesten verbreitet, es wird auch vom Rechtschreibrat zur Aufnahme in den Duden weiterhin diskutiert, auch wenn es bislang zu keiner abschließenden Empfehlung gekommen ist.

Kurz: Das Goethe-Institut will einfach schon mal Fakten schaffen. In der Hoffnung, dass es irgendwann kein Zurück mehr gibt.

Weshalb das Goethe-Institut „juristisch“ falsch und inhaltlich manipulativ argumentiert, kann bei Martins Braindumps nachgelesen werden: www.martins-braindumps.de.

Das Patriarchat der Sprache

Die FAZ hat ein Interview mit der Soziologin Doris Mathilde Lucke zur gendergerechten Sprache geführt, das nicht einmal ansatzweise Diskursniveau erreicht. Frau Lucke kann ihre feministischen Parolen vortragen und wiederholen, ohne dass die beiden Redakteurinnen von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung dagegenhalten. Es gehe bei der Sprache um Macht. Wir sprächen mit einer total männlichen Grammatik. Frauen, Menschen mit anderen Geschlechtern (was auch immer damit gemeint ist) und solche mit eingeschränkten Sprachkenntnissen würden durch die traditionelle Sprechweise ausgeschlossen usf.

Das klingt etwa so:

Ich verstehe nicht, wieso ausgerechnet eine Sprache moniert wird, die den Anspruch hat, allen Geschlechtern und allen Menschen gerecht zu werden – genau das tut unsere jetzige Sprache nämlich nicht. Frauen sind genauso ausgeschlossen wie alle anderen nicht-männlichen Menschen. Und im Übrigen auch alle Menschen, die nicht so gut Deutsch sprechen. Sprache ist der Integrationsfaktor schlechthin. Warum das jetzt ausgerechnet an einem Sternchen, einem großen Binnen-I oder an der gesprochenen Kunstpause des Gender-Gap liegen soll? Dass das ein Ausschlusskriterium sein soll, kann mir niemand weismachen.

Da diese Verwechslung zwischen Sexus und generischem Maskulinum immer wieder angeführt wird, um die angebliche Unsichtbarkeit der Frau in der deutschen Sprache zu belegen, zitiere ich nachfolgend einmal aus dem schon vorgestellten Buch Von Menschen und Mensch*innen:

Wenn Sie einen zweiten Blick auf die [auf obenstehende Tabelle] werfen, merken Sie, dass von der angeblichen Unsichtbarkeit der Frau in unserer Sprache nicht die Rede sein kann. Im Gegenteil, es ist im Deutschen viel leichter, eine Frau sichtbar zu machen als einen Mann. Die maskuline Form der Lehrer oszilliert semantisch zwischen der spezifischen Bezeichnung eines Mannes (Sexus) und einer geschlechtsneutralen Personenbezeichnung (generisches Maskulinum), während sich die feminine Form immer auf eine Frau bezieht. Sobald das Suffix -in an den Wortstamm gehängt wird und aus Lehrer > Lehrer-in wird, ist das weibliche Geschlecht der bezeichneten Person eindeutig markiert. Um indessen einen Mann eindeutig seinem Geschlecht zuzuordnen, muss häufig ein wesentlich größerer sprachlicher Aufwand betrieben und ein Attribut hinzugefügt werden: die männlichen Lehrer an der Schule.

An dieser Stelle könnten also Männer nicht ohne Berechtigung Vorbringen, dass sie es sind, die durch die Sprache diskriminiert werden. Denn sie können beim Maskulinum nie sicher sein, ob Männer oder alle Menschen gemeint sind. Während der Frau eine eigene Form zur Verfügung steht, muss der Mann das Maskulinum mit allen Menschen teilen. Die sprachlichen Gegebenheiten ließen sich, wie wir sehen, auch anders interpretieren und werten. Außerdem muss der Mann sich damit abfinden, dass er sein Maskulinum im Plural „abgeben“ muss: der Mann, die Männer. Alle Genera (Maskulinum, Femininum, Neutrum) verwenden im Plural den eindeutig weiblich konnotierten Artikel die und das Pronomen sie. Ist das Deutsche tatsächlich cine „Männersprache“? Und: Frauen haben unsere Sprache in allen Jahrhunderten mitgestaltet, schließlich stellen sie 50 % der Sprachgemeinschaft. Diesen Beitrag von Frauen an der Ausprägung der Sprache unter den Teppich zu kehren – ist das nicht ebenso absurd wie frauenfeindlich? Wieso sollte Sprache ein reines Männerprodukt sein? Sind Frauen seit Anbeginn des Deutschen stumm?

Wenn von der vermeintlichen Unsichtbarkeit von Frauen in der deutschen Sprache die Rede ist, begegnen wir immer wieder folgender Argumentation:

Beim generischen Maskulinum wird nur der Mann genannt, die Frau ist lediglich mitgemeint.

Es wird behauptet, es sei im Deutschen immer nur von Männern die Rede und die Frauen sollen sich mitgemeint fühlen. Nur der Mann sei expliziter Erwähnung wert, die Frau sei mitzudenken? Diese Darstellung ist eine Fehlinterpretation sprachlicher Strukturen, denn auch der Mann ist beim generischen Maskulinum immer nur mitgemeint. Wird das generisch-inklusive Maskulinum benutzt, ist nicht von Männern die Rede, sondern von Menschen. Es ist ja der praktische Vorzug eines generischen Ausdruckes, auf kein konkretes Geschlecht zu verweisen. Da Männer also nicht gemeint sind, können Frauen auch nicht „nur mitgemeint“ sein. Gemeint sind alle. Dennoch behaupten feministische Sprachkritiker: „Das generische Maskulinum versteckt (…) Frauen systematisch und legt ihnen die zusätzliche Bürde auf, ständig darüber nachzudenken, ob sie in einem konkreten Fall mitgemeint sind oder nicht“ (Stefanowitsch 2018, S. 36). Diese „Bürde“ legt das Deutsche auch den Männern auf. Das generische Maskulinum unterscheidet nicht, wie behauptet wird, zwischen ,primär gemeinten‘ Männern und ,sekundär gemeinten/mitgemeinten‘ Frauen. Das generische Maskulinum inkludiert alle. Es macht Frauen nicht „unsichtbar“, sondern lenkt den Blick auf den Menschen – unabhängig von seinem Geschlecht. Wenn das generische Maskulinum überhaupt etwas „unsichtbar“ macht, dann die fürs Menschsein unerheblichen Attribute wie etwa das Geschlecht.

Von Menschen und Mensch*innen

41jgBNzGHEL SX350 BO1 204 203 200Die Debatte um eine geschlechtergerechte Sprache hat das Potential, die Gesellschaft noch weiter zu spalten. Einerseits wird das Gendern von öffentlichen Behörden, Universitäten und bei manchen Medien „verordnet“, andererseits empfinden immer mehr Menschen diese verordneten Eingriffe in die Sprache als Bevormundung. Die Progressiven machen freilich einfach weiter und gehen davon aus, dass sich die Mehrheit an die neue Sprache gewöhnen wird. Nur dann, wenn die Sprache verändert werde, könnten patriarchische Strukturen durchbrochen und Frauen endlich sichtbar gemacht werden, meinen sie.

Die Debatte wird oft sehr emotional geführt. Ich bin Fabian Payr dankbar, dass er ein Buch geschrieben hat, das sich sachlich und zugleich kritisch mit den Denkvoraussetzungen des feministischen Sprachumbaus auseinandersetzt. Seine linguistischen Argumente sind überzeugend. Ich hoffe, sie finden Gehör.

Er schreibt in Von Menschen und Mensch*innen: 20 gute Gründe, mit dem Gendern aufzuhören:

Deutlicher als noch vor 40 Jahren sehen wir heute, dass es keine belastbare wissenschaftliche Grundlage für die geschlechtergerechte Sprache gibt. Das Fundament der gendergerechten Sprache ist vorrangig ideologischer nicht wissenschaftlicher Art. Das betrifft die angebliche Unsichtbarkeit der Frau im Deutschen, die sich weder sprachwissenschaftlich noch mit „psycholinguistischen“ Studien belegen lässt, aber auch die bei Sprachaktivisten verbreitete Überzeugung, dass sich gesellschaftliche Verhältnisse durch Spracheingriffe ändern lassen. Kaum eine der zentralen Prämissen des Genderns hält einer wissenschaftlichen Überprüfung stand.

Vielleicht endet die Geschichte des geschlechtergerechten Sprachumbaus mit all seinen grotesken Auswüchsen eines Tages wie Andersens Märchen vom Kaiser und seinen neuen Kleidern. Dort ist es bekanntlich ein Kind, das am Ende ausruft: „Aber der Kaiser hat ja gar nichts an!“ und dem Spuk damit ein Ende macht. Zuvor wollte in dem Märchen niemand eingestehen, dass er überhaupt keine Kleider sieht, weil er Angst hatte, in diesem Fall für dumm zu gelten. Beim Gendern ist es unsere Angst, von den anderen für „frauenfeindlich“ gehalten zu werden oder nicht auf der Höhe der Zeit zu sein, die viele mitlaufen lässt. Dabei ist die geschlechtergerechte Sprache noch nicht einmal ein „neues Kleid“, sondern ein über 40 Jahre altes Konzept, bei dem die Frage erlaubt sein soll, was es heute noch für ein gleichberechtigtes Miteinander der Geschlechter zu leisten vermag.

Gendern als Staatspflicht

Die Stadt Hannover hat vor drei Jahren in Deutschland die geschlechtergerechte Sprache zur verbindlichen Norm in der Verwaltung gemacht. Die Vorgaben der Stadt sind oft kritisiert worden. Die niedersächsische Landeshauptstadt hat deshalb ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben. Die Verfasserin ist Professorin für Öffentliches Recht und Geschlechterstudien an der Humboldt-Universität zu Berlin. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören Geschlechterstudien, insbesondere Intersektionalität und Postkategorialität, Gewalt im Geschlechterverhältnis, Antidiskriminierungsrecht und Rechtssoziologie. 2020 nominierte sie die Linksfraktion für die Wahl zur Richterin am Verfassungsgericht von Berlin. So kann das Ergebnis ihres Gutachtens kaum überraschen. Die FAZ schreibt:

Der 123 Seiten lange Text könnte die Debatte über die gendergerechte Sprache in Deutschland neu befeuern, denn die Professorin aus Berlin geht darüber hinaus, die neuen Sprachregeln in Hannover lediglich zu einer zulässigen Möglichkeit zu erklären. Lembke leitet aus dem Grundgesetz vielmehr eine Pflicht für staatliche Stellen ab, künftig gendergerechte Sprache zu verwenden und auch auf binäre Anreden wie „Sehr geehrte Damen und Herren“ zu verzichten. „Die Pflicht zur sprachlichen Nichtdiskriminierung besteht von Verfassung wegen und kann durch gesetzliche Regelungen oder durch Verwaltungsvorschriften, Erlasse und Weisungen konkretisiert werden“, schreibt Lembke

Die Berliner Professorin sieht auch nicht nur Verwaltungen im engeren Sinne in der Pflicht. Auch Gerichte und sonstige staatliche oder staatsnahe Einrichtungen sollen gendergerechte Sprache gebrauchen müssen. Zur Lage an den Schulen nimmt das Gutachten keine Stellung, dort stellt sich das Problem, dass die Sprachvorgaben mit geltenden Rechtschreibregeln kollidieren, besonders vehement.

Gendern darf benotet werden

Niemand wird gezwungen, in gendergerechter Sprache zu schreiben. Doch der Gebrauch von geschlechtergerechter Sprache darf laut einem Rechtsgutachten unter bestimmten Umständen in die Benotung einer Prüfung einfließen. Die Uni Kassel hat ein Rechtsgutachten dazu in Auftrag gegeben. Die Welt berichtet: 

Erstellt wurde das Gutachten von Rechtswissenschaftler Michael Sachs, ehemaliger Co-Direktor des Instituts für Deutsches und Europäisches Wissenschaftsrecht der Universität Köln. Er kommt zu dem Schluss, dass Gendern zwar nicht als formales Kriterium für eine Prüfungsleistung (wie etwa Rechtschreibung und Grammatik) festgelegt werden soll.

Dozenten dürften geschlechtergerechte Sprache jedoch „zu einem gewissen Anteil“ berücksichtigen, solange es dafür einen fachlichen oder berufsqualifizierenden Bezug gebe, heißt es in der Zusammenfassung des Gutachtens, welche die Uni Kassel am Mittwoch veröffentlichte. Die Bewertung müsse jedoch verhältnismäßig sein und dürfe nicht willkürlich erfolgen, betont Gutachter Sachs darin. Im Zweifel müsse der „Antwortspielraum des Prüflings“ respektiert werden.

Die Universität sieht mit den Ausführungen des Rechtsexperten ihre früheren Einschätzungen zur Bewertung geschlechtergerechter Sprache bestätigt. 

Ich hoffe auf weitere Gutachten, die zu einem anderen Ergebnis führen. 

Mehr hier: www.welt.de.

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