Gottesfurcht

Gott fürchten? – Zwei brandaktuelle Bücher zum Thema

Matt Studer hat zwei aktuelle Bücher zum Thema Gottesfurcht gelesen, nämlich Überrascht von Furcht von Natha und Gottesfurcht von Michael Reeves. Matt schreibt:

Unsere Zeit ist durch eine unterschwellige und oftmals schwer benennbare Stimmung der Angst gekennzeichnet. Es gibt zwar schon auch reale Anzeichen für unsere Angst: den Klimawandel, politische oder wirtschaftliche Umwälzungen und neu auf dem Markt, Pandemien. Vielleicht ist Angst das falsche Wort für das, was ich meine. Im Englischen gibt es das Wort anxiety, das man mit Besorgnis, Beklemmung oder Beunruhigung übersetzen könnte. Ein unruhiges Grundgefühl, eine unbestimmte Angst, die sich nicht so recht zuordnen lässt (nicht wie bei „ich habe Angst vor der morgigen Prüfung“). Viele Menschen leiden irgendwie unter einer existenziellen Angst vor dem Leben in einem so unsicheren Universum. Kein Wunder also, dass wir unsere Angst gerne weg therapieren wollen. Der Soziologe Frank Furedi meint dazu:

[Früher] sah man Furcht als ein Mittel dazu, moralische Werte zu kultivieren … Heute, wo wir das Gefühl der Angst verabscheuen und meiden, tendieren wir dazu [dieses Gefühl] medizinisch als Krankheit zu behandeln. (How Fear Works: Culture of Fear in the 21st Century, Seite 35, meine freie Übersetzung)

Angst gab es jedenfalls immer schon. Selbst Jesus hat ja gesagt: „In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden“ (Joh 16,33.

In diesem Lichte besehen ist es interessant, dass gerade zwei aktuelle Bücher über das biblische Phänomen der Gottesfurcht auf meinem Schreibtisch gelandet sind. Das Buch von Natha Überrascht von Furcht (mittlerweile ein Bestseller) und Michael Reeves‘ Fear and Trembling: The Surprising Good News of the Fear of the Lord. Kann denn Furcht etwas Positives sein? Die Bibel spricht auf jeden Fall recht ausgelassen von Gottesfurcht (nur, dass uns dieses Thema nicht unbedingt so passt). „Die Furcht des Herrn ist der Anfang der Weisheit“ (Sprüche 9,10). Mehr noch, ihr Lohn ist „Reichtum, Ehre und Leben“ (Sprüche 22,4). Die erste Gemeinde der Christen, die uns oft als Vorbild dient, erlebte nicht nur Zeichen und Wunder. Sie „lebte in der Furcht des Herrn“ (Apg 9,31). Gottesfurcht wird am Ende gar als die „Summe von allem“ bezeichnet: „Fürchte Gott und halte seine Gebote; denn das gilt für alle Menschen“ (Prediger 12,13). Also vielleicht doch ein Thema, mit dem man sich näher beschäftigen sollte.

Hier mehr: www.mindmatt.com.

Michael Reeves: Gottesfurcht – Angst oder Freude?

Was ist Gottesfurcht? Jeder Christ hat sich das vermutlich schon irgendwann einmal gefragt. Michael Reeves geht im nachfolgenden Video darauf ein, dass es eine sündhafte und eine rechtschaffene Furcht vor Gott gibt. Es handelt sich um eine sehr komprimierte Zusammenfassung der Hauptthese des Buches Gottesfurcht: Eine überraschend gute Nachricht.

Gottesfurcht – Eine überraschend gute Nachricht

Sebastian Götz hat das Buch Gottesfurcht – Eine überraschend gute Nachricht von Michael Reeves gelesen und stellt es nachfolgend vor (vielen Dank!):

Eine Rezension von Sebastian Götz

VM SocialMedia Post41bGottesfurcht – ein Thema, das in evangelikalen Kreisen viele Jahre ein Schattendasein führte, wird in den letzten Monaten wieder stark diskutiert. Sollte man vor Gott Angst haben, auch dann noch, wenn ich ein Kind Gottes bin? Michael Reeves will in seinem Buch Gottesfurcht: Eine überraschend gute Nachricht darauf Antwort geben. Ich war gespannt, wie ihm das gelingt.

Er steigt mit einer steilen These in das Thema ein: In dem Mangel an Gottesfurcht sieht er den Grund, warum unsere Gesellschaft zunehmend ängstlicher wird. Weil Gott keine Rolle mehr spielt, nehmen andere Dinge, wie Gesundheit, Weltrettung und vieles mehr seinen Platz ein und lehren uns das Fürchten.

Aber auch beim Lesen der Bibel entstehen Fragen: Vielfach werden wir zu einem „Fürchte dich nicht!“ aufgefordert (der häufigste Appell in der Schrift), während gleichzeitig Verse wie Spr 1,7 uns dazu ermahnen, Gott zu fürchten. Wie passt das zusammen?

Gottesfurcht ist nicht gleich Gottesfurcht

Um diese scheinbaren Gegensätze zu verstehen, ist es für Reeves zentral, zwischen sündiger Gottesfurcht und rechter Gottesfurcht zu unterscheiden. Sündige Gottesfurcht beschreibt er dabei als ein „sich vor Gott fürchten“. Sie entfernt den Sünder von Gott, weil er in seinem Herzen gegen Gott revoltiert und sich fürchtet, von ihm als Sünder entlarvt zu werden. Dabei entspricht es der Strategie Satans, Gott als schrecklich und gnadenlos darzustellen, um Menschen von ihm fernzuhalten. Die rechte Gottesfurcht zieht den Menschen umgekehrt zu Gott. Für den Gläubigen ist eine Furcht – wie oben beschrieben – nicht mehr angemessen. Auch rechte Furcht zittert dabei vor Gott, aber gerade wegen seiner großen Güte und Barmherzigkeit, welche der Gläubige erfahren hat.

In einem weiteren Block arbeitet Reeves heraus, wie zwei Perspektiven auf Gott uns überwältigen und so zur rechten Gottesfurcht führen. Er beginnt damit, Gott als Schöpfergott hervorzuheben. Grundsätzlich können alle Menschen Gott als Schöpfer erkennen. Aber auch hier verändert sich der Blick des Christen. So sieht er hinter der gewaltigen Macht des Schöpfers gleichzeitig den erlösenden, liebenden Gott. Dadurch wird die unvorstellbare Größe des Schöpfers anziehend und gibt Geborgenheit.

Nicht mehr hinter Jesus zurückgehen

Reeves fordert aber dazu heraus, hierbei nicht stehen zu bleiben. Wir dürfen in der Frage der Gottesoffenbarung nicht mehr hinter Jesus Christus zurück! Gott hat sich schließlich in seinem Sohn uneinholbar offenbart (vgl. Joh 14,8–9). Deshalb dürfen Christen erkennen, dass die größte Offenbarung von Gottes Herrlichkeit in seiner Identität als Erlöser begründet ist.

Wie kann ich als Christ nun in dieser Gottesfurcht wachsen? Hier stellt Reeves zunächst klar, dass es um keine äußeren Handlungen geht. Gottesfurcht zielt auf den inneren Menschen ab, auf das, was das Herz bewegt. Deshalb muss in aller erster Linie dieses Herz auf Gott ausgerichtet werden. Und dies geschieht nirgendwo so sehr wie am Kreuz, dort wo Gottes Vergebungshandeln den fulminanten Höhepunkt erreicht. Deshalb muss sich unser Blick nach Golgatha richten, um Gott als den gnädigen und barmherzigen Erlöser immer tiefer kennen zu lernen. Ein Mittel dazu ist laut Reeves die Predigt, weshalb Prediger herausgefordert sind, ihre Zuhörer zur rechten und nicht zur sündigen Gottesfurcht zu führen. Nur so kann eine Herzensveränderung erreicht werden, ohne in eine nur äußerliche Frömmigkeit zu kultivieren.

Dies alles führt zur „Herrlichkeit der Gemeinde“, wie Reeves es nennt. Wenn unser Leben als Kinder Gottes geprägt ist von rechter Gottesfurcht, wird diese unsere natürlichen Ängste verdrängen. Dies befreit, um der Welt, gewirkt durch Gottes Geist, etwas von dieser unbeschreiblichen Herrlichkeit Gottes zu zeigen, die sich in seinen Kindern widerspiegelt.

Abgerundet wird das Buch durch einen Blick auf die Herrlichkeit, die bei Gott ist. Wenn wir über diesen Gott staunen und zittern, verlieren andere Ängste ihre Macht. Dann, wenn wir überwältigt und anbetend für alle Ewigkeit diesen wunderbaren, liebenden, gnädigen und barmherzigen Schöpfergott begegnen, macht uns das frei.

Fazit

Michael Reeves gelingt es, den Leser ins Staunen zu führen über diesen gnädigen und barmherzigen Gott. Besonders hilfreich ist seine Unterscheidung zwischen sündiger und rechter Gottesfurcht. Sie bewahrt davor, eine von Angst geprägte Gottesfurcht zu entwickeln, welche meist nicht das Herz verändert, sondern oft nur fromme äußere Werke hervorbringt. Sein Kapitel „Überwältigt vom Vater“ hilft dabei, über Gott neu zu staunen. Gerade Christen, die im Vater nur den Schöpfer und Richter sehen, dürfen sich hier herausgefordert wissen, weiterzugehen und in Gott auch den liebenden, gnädigen und barmherzigen Vater zu erkennen, der in Christus die Welt mit sich selbst versöhnt hat.

Ich wünsche dem Buch eine weite Verbreitung und dass es viele Kinder Gottes wachsen lässt in rechter Gottesfurcht, damit sie immer mehr staunen und zittern über diesen unbeschreiblich herrlichen Gott.

Gottesfurcht: Eine überraschend gute Nachricht

VM Reeves Gottesfurcht Webseite Mockup CoverMichael Reeves hat 2021 auf der E21-Hauptkonferenz einen hervorragenden Vortrag zum Thema „Gottesfurcht“ gehalten. So manches, was er dort gesagt hat, stammt aus dem Buch Rejoice and Tremble: The Surprising Good News of the Fear of the Lord.

Ich mache es kurz: Dieses beste Buch über die Gottesfurcht, das ich jemals gelesen habe, liegt nun in einer deutschsprachigen Übersetzung vor.

Nachfolgend daher zwei Zitate aus dem Buch Gottesfurcht: Eine überraschend gute Nachricht von Michael Reeves (Gottesfurcht, 2022, Bad Oeynhausen: Verbum Medien, 2022, S. 13–14 u. 18–19):

Einerseits wird uns gesagt, dass Christus uns von der Furcht befreit; andererseits heißt es, dass wir uns fürchten sollen – auch vor Gott. Das kann uns entmutigen und den Wunsch aufkommen lassen, »Gottesfurcht « möge in der Heiligen Schrift keine so zentrale Bedeutung haben. Wir haben schon genug Ängste. Wir brauchen wirklich nicht noch mehr. Sich vor Gott zu fürchten, fühlt sich so negativ an, dass es mit dem Gott der Liebe und Gnade, dem wir im Evangelium begegnen, anscheinend nicht in Einklang zu bringen ist. Warum sollte ein Gott, der es wert ist, geliebt zu werden, gefürchtet werden wollen? Es wird jedoch alles noch schlimmer durch den Eindruck, dass Furcht und Liebe zwei unterschiedliche Sprachen sind, die von zwei verschiedenen christlichen Lagern bevorzugt werden – vielleicht sogar von zwei verschiedenen Theologien. Das eine Lager spricht von Liebe und Gnade und niemals von Gottesfurcht. Das andere Lager scheint darüber empört zu sein und betont, wie sehr wir uns vor Gott fürchten sollten. Die Furcht vor Gott ist dabei wie kaltes Wasser, das die Liebe, die ein Christ für Gott empfindet, ertränkt. Das kann den Eindruck vermitteln, die Furcht Gottes sei so etwas wie das trostlose theologische Pendant zum Essen von langweiligem Gemüse. Damit stopfen sich die theologischen Gesundheitsapostel voll, während alle anderen eine viel köstlichere Mahlzeit genießen.

Es ist Gott, der die Logik und die Matrix der Moral liefert: Wenn er nicht mehr gefürchtet wird, folgt daraus moralische Verwirrung. Diese ist aber nicht die Wurzel unserer Angst. Vielmehr sind beide – unsere heutige moralische Verwirrung und unser allgemeiner Zustand erhöhter Angst – die Folge eines kulturellen Verlustes von Gott als dem eigentlichen Objekt menschlicher Furcht.5 Diese Furcht vor Gott war (wie ich zu zeigen hoffe) eine glückliche und gesunde Furcht, die unsere anderen Ängste formte und kontrollierte und so unsere Angst im Zaum hielt. Da die Gesellschaft Gott als das eigentliche Objekt gesunder Furcht verloren hat, wird unsere Kultur zwangsläufig immer neurotischer, immer ängstlicher vor dem Unbekannten – ja, immer ängstlicher vor allem und jedem. Ohne die Fürsorge eines gütigen und väterlichen Gottes bewegen wir uns angesichts der veränderten Moral und Realität wie auf unsicherem Treibsand. Weil wir Gott aus unserer Kultur verdrängt haben, nahmen andere Sorgen – von der eigenen Gesundheit bis zur Gesundheit des Planeten – in unseren Köpfen eine göttliche Vorrangstellung ein. Gute Dinge sind zu grausamen und erbarmungslosen Götzen geworden – und so fühlen wir uns hilfsbedürftig und zerbrechlich. Die Gesellschaft hat ihren sicheren Anker verloren und wird dafür mit freischwebenden Ängsten überflutet.

Das Buch kann hier bestellt werden: verbum-medien.de.

»Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken«

Von Gott wissen wir, was er von sich preisgibt. In 5Mose 29,28 steht: »Was noch verborgen ist, steht beim HERRN, unserem Gott, was aber offenbar ist, gilt uns und unseren Kindern auf ewig, so dass wir nach allen Worten dieser Weisung handeln können« (vgl. auch Jesaja 55,8). Francis Chan spricht in diesem Video über unsere angemessene Haltung Gott gegenüber, wenn wir über »große Fragen« diskutieren:

Christlicher Hedonismus

Pascal schreibt im 280. Fragment seiner Gedanken: »Wie weit ist es von der Erkenntnis Gottes bis dahin, dass man ihn liebe.« Ich würde mit Blick auf 1Joh 4,18 hinzufügen: »Wie weit ist es von der Furcht Gottes bis dahin, dass man ihn liebe.« Augustinus unterrichtet dazu wunderschön (Vom ersten katechetischen Unterricht, 1985, S. 58):

Wer aber wegen der ewigen Glückseligkeit und der immerwährenden Ruhe, die den Heiligen für die Zeit nach diesem Leben in Aussicht gestellt ist, Christ werden will, damit er nicht mit dem Teufel ins ewige Feuer, sondern mit Christus ins ewige Reich eintritt, der ist wahrhaft ein Christ. In jeder Versuchung ist er auf der Hut, daß das Glück ihn nicht verderbe, das Unglück ihn nicht breche; im Überfluß der irdischen Güter bleibt er bescheiden und maßvoll, in der Bedrängnis tapfer und geduldig. Wenn er sich noch weiter vervollkommnet, kann er zu solcher Glaubensstärke kommen, daß seine Liebe zu Gott größer wird als die Furcht vor der Hölle; sogar wenn Gott zu ihm sagen würde: »Gib dich für immer den fleischlichen Genüssen hin und sündige, soviel du vermagst, und du wirst trotzdem nicht sterben und nicht in die Hölle geworfen, allein bei mir wirst du nicht sein«, würde er entsetzt sein darüber und auch jetzt keine einzige Sünde begehen, aber nicht so sehr aus Angst, dorthin zu stürzen, wovor er sich fürchtete, sondern um dem keinen Anstoß zu geben, den er so sehr liebt. In ihm allein ist die Ruhe, »die kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat, und die in keines Menschen Herz eingedrungen ist, die Gott denen bereitet hat, welche ihn lieben«.

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