Journalismus

Die Journalismuskrise

Das Vertrauen in herkömmliche Medien ist stark gesunken. Eine Folge davon ist, dass sich immer mehr Leute von alternativen Kanälen informieren lassen. Nicht immer ist das hilfreich. Allerdings bringt es auch nichts, über diese neuen Kanäle zu schimpfen. Beatrice Achterberg zeigt, dass sich die klassischen Medien selbstkritischer fragen sollten, ob sie ihren Auftrag noch ernst nehmen.

Ein Auszug:

Viele Berichte sind nicht aus böser Absicht im Sinne von «Fake News» verfälscht, sondern mit gut gemeintem, aber verschlossenem Blick verfasst. Das liegt auch daran, dass viele Journalisten sich in einem geschlossenen Milieu bewegen.

Umfragen zeigen, dass Volontäre der öffentlichrechtlichen Sender viel häufiger links-grün wählen würden, als es der Durchschnitt der Gesellschaft tut. Der Begriff «Hauptstadtjournalismus» ist zwar abfällig, aber treffend, um ein Milieu von Gleichgesinnten zu beschreiben, das an ähnlichen Lagen wohnt, ähnlich denkt und womöglich auch ähnlich wählt. Es ist von anderen Milieus entkoppelt.

Ein solches Biotop von Gleichgesinnten sorgt dafür, dass sich viele nicht mehr trauen, herrschende Narrative infrage zu stellen. Journalisten schreiben oft für die Anerkennung anderer Journalisten; sie sind es, die ihnen die Preise verleihen.

Doch schaffen sich etablierte Medien, deren Aufgabe es ist, die Wahrheit abzubilden, langfristig selbst ab, wenn sie auf Bevormunden, Framing und Effekthascherei bei Enthüllungsgeschichten setzen.

Mehr: www.nzz.ch.

Für die freie Presse wird es noch schwerer

In einem Kommentar habe ich mal gelesen, dass der Journalismus in Deutschland so schlecht aufgestellt ist, dass es sich lohnt, über die ausländische Presse Informationen darüber einzuholen, was in unserem Land passiert. Es könnte bald noch schlimmer kommen. Denn die Ampelregierung möchte einen „gemeinnützigen“ Journalismus fördern. Als „gemeinnützig“ gelten journalistische Einrichtungen, wenn sie „ohne Gewinnerzielungsabsicht“ arbeiten und die Bildung fördern, indem sie „der Allgemeinheit Informationen durch Wissensvermittlung, Aufklärung, Aufbereitung oder Beschaffung von Nachrichten zugänglich machen“. Solche Organisationen sollen dann finanziell unterstützt werden, so wie jetzt schon „Correctiv“ mit öffentlichen Geldern gesponsert wird.

Das wäre eine weitere Schwächung des freien Journalismus, den wir so sehr brauchen, gerade, wenn man sich die Entwicklungen im ÖRR anschaut. 

Michael Hanfeld kommentiert: 

Was „gemeinnütziger“ Journalismus ist, wissen wir damit allerdings immer noch nicht, es könnte sich auch Lobbyismus dahinter verbergen oder ein Gemischtwarenladen wie „Correctiv“, der sich durch viele kleine und ein paar große Spenden und durch direkte öffentliche Zuwendungen finanziert. Für das Projekt „noFake“ zum Beispiel nimmt „Correctiv“ gemeinsam mit der Ruhr-Universität Bochum und der Technischen Universität Dortmund 1,33 Millionen Euro vom Bundesbildungsministerium ein. Und das ist nur ein öffentlicher Geldposten in der Bilanz von „Correctiv“.

Apart ist auch Schravens Hinweis, der „Markt“ könne es nicht mehr richten. Wer macht dem pejorativ so bezeichneten „Marktjournalismus“, also der vom Staat unabhängigen Presse, denn das Leben schwer? Da sind die Öffentlich-Rechtlichen, denen es mit dem Rundfunkbeitrag finanziell glänzend geht und die im Netz immer größere Textmengen zusammenschreiben. Hinzu kommen Organisationen, die der Staat direkt oder wie jetzt per Steuererleichterung fördert.

Mehr (hinter einer Bezahlschranke): www.faz.net.

New Journalism

Der New Journalism, bei dem journalistische Recherche mit Techniken des fiktionalen Schreibens vermischt und der Autor selbst Teil der Story wird, nimmt auch in den Medienformaten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks immer mehr Raum ein. Ich habe hier schon mehrfach auf bedenkliche Beiträge beim öffentlich-rechtlichen Jugendangebot „funk“ hingewiesen (siehe z.B. hier und hier). Eine Studie der Otto-Brenner-Stiftung bestätigt „erstaunliche“ Schieflagen genau dort. Der Programmdirektor weist diese freilich zurück. Der DLF berichtet: 

In weniger als 15 Prozent der Fälle werde der Blick über Deutschland hinaus erweitert. Für kritikwürdig wird auch die regionale Gewichtung gehalten. Ostdeutsche Bundesländer kämen (ohne Berlin) nur in fünf Prozent der Beiträge vor, Lebensrealitäten außerhalb von Großstädten in weniger als zwölf Prozent.

Der Studie zufolge weisen Beiträge zudem eine subjektive Tendenz auf und folgten damit einer nischigen journalistischen Praxis – dem sogenannten New Journalism. Dabei dominiere eine gefühlsorientierte Aufbereitung der Themen. Studienleiter Brinkmann betonte im DLF, dies sei bei funk auf die Spitze getrieben worden. Es werde damit eine Grenze ausgelotet, aber nicht übertreten. Mit klassischem, auf jung gebürstetem Journalismus würde man junge Menschen vermutlich nicht erreichen, vermutet Brinkmann.

Philipp Schild, Programmgeschäftsführer bei funk,verteidigteim Deutschlandfunk das Konzept des Senders. Der Zugang über eine Reportage sei nun mal subjektiv. Schild unterstrich, das subjektive Erleben stehe nicht für die Gesamtheit. Man habe klare journalistische Standards. Meinung werde gekennzeichnet und von Fakten getrennt.

Schaut man sich in der Studie die Grafik auf Seite 53 an, auf der die herausgehobenen Themen des Kanals markiert werden, so ist klar: Es geht vor allem um Sex und sexuelle Vielfalt. Der Siegeszug des modernen Selbst kann hier besonders imposant beobachtet werden: Ich bin, was ich fühle. Vor allem bin ich ein sexuelles Wesen. Und genau darauf kommt es an. 

Die Studie von Janis Brinkmann endet mit den Worten:

Wenn subjektiver Journalismus also zum Selbstzweck wird, von einem Prinzip journalistischer Konstruktion von Wirklichkeit zu deren Inszenierung, bietet sich – angelehnt an Gaye Tuchman (1972) – dafür der Begriff eines „strategischen Rituals“ der Subjektivität an. Ein Phänomen, das sich im gegenwärtigen Journalismus an vielen Stellen beobachten lässt, wenn die teilnehmende Beobachtung von Reporter:innen nicht mehr der journalistischen Erkundung von Wirklichkeit dient, sondern lediglich der Generierung von – ökonomisch verwertbarer – Aufmerksamkeit durch einen subjektiv-journalistisch inszenierten Voyeurismus. 

Hier: www.deutschlandfunk.de.

Empörungskultur

Die Redakteurin Anno Dobler weiß, was es heißt, Ziel eines Shitstorms zu werden. Der Druck auf Redaktionen und Journalisten wächst, da Aktivisten, linke wie rechte, zur Treibjagd auf Autoren aufrufen. Mit einem gewissen Abstand zu den eigenen Erfahrungen hat sie über die Dynamiken eines Shitstorms reflektiert:

Sie bauen sich schnell auf und ergießen sich in einer Empörungslava mit gewaltiger Wucht. Fast kein Tag vergeht mehr, ohne dass in digitalen Plattformen, vorzugsweise auf Twitter, irgendwer Ziel eines Shitstorms wird. Oft verebben die Empörungsstürme nach kurzer Zeit ohne größeren Widerhall in der analogen Welt, weil das Ziel zu irrelevant, zu wenig greifbar oder generell zu unantastbar ist.

Komplexe Organisationen wie Fernsehsender oder Zeitungen sind in Summe schwerer zu treffen, weswegen sich die digitale Empörung vor allem gegen einzelne Mitarbeiter richtet, die als nicht sattelfest identifiziert worden sind: freie Mitarbeiter, Kolumnisten, externe Autoren etwa. Aber auch Vertreter politischer Parteien sind betroffen, wenn sie nicht an vorderster Front stehen.

Beispiele gibt es in jüngster Zeit ausreichend, so dass man längst nicht mehr von Einzelfällen sprechen kann. Jeder erfolgreiche Schachzug motiviert freilich jene, die ihn initiiert haben, zu immer neuen, immer heftigeren Reaktionen. Die Dynamik darf nicht verlorengehen.

Aus demokratiepolitischer Sicht ist das eine hochproblematische Entwicklung. Denn es muss in jedem Fall klar unterschieden werden: Handelt es sich hier um eine berechtigte Empörung, weil nicht nur die guten Sitten, sondern vor allem die Grenzen der Meinungsfreiheit grob verletzt worden sind, oder geht es hier lediglich um subjektiv verletzte Gefühle?

Ein guter Gradmesser sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen. Denn die Justiz kann zweifellos anhand objektiver Kriterien feststellen, ob eine Aussage noch innerhalb der gesetzlichen Grenzen liegt.

Mehr: www.corrigenda.online.

Bari Weiss geht

Bari Weiss war eine erfolgreiche Autorin bei der New York Times. Der Chefredaktion hat es aber nicht gefallen, dass sie eigenständig denkt. Nun hat sie ihre Kündigung eingereicht. Die Welt hat den  Wortlaut des Kündigungsschreibens veröffentlicht. Darin heißt es:

Ich würde gerne sagen können, meine Erlebnisse seien ein Einzelfall. Aber die Wahrheit ist, dass intellektuelle Neugier – ganz zu schweigen von Risikobereitschaft – bei der „Times“ heutzutage eine Belastung ist. Warum etwas bringen, das für unsere Leser unbequem ist, warum etwas Gewagtes schreiben, nur um es in einem geisttötenden Prozess ideologisch koscher zu machen, wenn wir unsere Arbeitsplätze (und Klicks) dadurch sichern können, dass wir das 4000. Meinungsstück zu „Warum Donald Trump eine Gefahr für unser Land und die ganze Welt ist“ bringen? Darum ist die Selbstzensur zur Norm geworden.

Der Text ist recht aufschlussreich und beschreibt Mechanismen des Glattbügelns im aktuellen Gesinnungsjournalismus. Der deutsche Text ist leider nur über eine Bezahl-Schranke erreichbar.

Das Original des Schreibens gibt es hier: www.bariweiss.com.

Die Schlagseite in der Medienberichterstattung

Auf dem kulturellen Schlachtfeld „Sexualität“ haben sich die deutschen Medien offensichtlich für nur eine Seite entschieden, meint der Stefan Meetschen in einem Beitrag für die TAGESPOST. Endlich kommentiert mal jemand die ungleiche Berichterstattung über eine LGBT-Parade auf der einen und eine Lebensrecht-Demo auf der anderen Seite:

Eine Erwähnung des „Marsches für das Leben und die Familie“, bei dem am Sonntag mehr als 200.000 Polen in 130 Städten des Landes auf die Straße gingen (darunter auch Bischöfe), um für das klassische Familienbild und gegen die Einführung neuer sexueller Erziehungsmethoden an Schulen zu demonstrieren, sucht man auf den öffentlich-rechtlichen Websites vergebens. Schade. Eine echte journalistische Sympathie für „Gleichheit“ und „Freiheit“ würde eine ausgewogene Berichterstattung sicher nicht ausschließen.

Mehr: www.die-tagespost.de.

Der „SPIEGEL“ und Claas Relotius

Nach den Enthüllungen gefälschter Geschichten beim SPIEGEL bleiben etliche Fragen offen. Einer Frage ist Claudius Seidl, Verantwortlicher Redakteur für das Feuilleton der FAS in Berlin, nachgegangen: War Claas Relotius ein Einzeltäter? Oder lag, was er tat, in der Logik des Systems?

Eine bestechende Analyse, die zeigt, wohin uns das „Storytelling“ geführt hat (siehe a. hier). Kurz: Relotius hat geliefert, was sich gut verkaufen lässt. Es geht einer mächtigen journalistischen Kaste mehr ums Erzählen als um das Schildern und Durchdringen des Wirklichen. Anders formuliert: Es fehlt an der Liebe zur Wahrheit; und an der Lust daran, Unbekanntes zu entdecken.

Es gibt auf der Website des sogenannten Reporterforums den Audiomitschnitt einer Vorlesung, die Ullrich Fichtner für junge, lernbegierige Journalisten hält; es ist ein bisschen langatmig und langweilig, dem zuzuhören; aber wenn man es, „Spiegel“-gerecht, verdichten und zuspitzen müsste: Dann liefe es auf den Lehrsatz hinaus, dass man sich beim Reportageschreiben an der Erzählstruktur und der Montagetechnik von Spielfilmen orientieren solle; Fichtner verweist da allen Ernstes auf „Mission Impossible 5“. Und genau so bringen das auch andere hochdekorierte Reportagepreisträger in Seminaren und Workshops den jungen Kollegen bei: Dass es bei der Reportage um Casting und Dramaturgie gehe; dass, wer in diesen schnellen Zeiten noch gelesen werden wolle, sich an der Erzähltechnik von Spielfilmen orientieren solle. Keiner hat diese Forderungen besser erfüllt als der Superstreber Claas Relotius, dessen Texte jetzt, so stand es gerade noch auf der Website des Reporterforums, von krimineller Energie in Schwung gebracht worden seien.

Und genau diese Baupläne sind falsch, lange bevor ein Reporter mit der sogenannten Wirklichkeit in Berührung gekommen ist. All diese Baupläne sind dazu da, dem Unverstandenen, den unauflöslichen Widersprüchen, den nicht begründbaren und nicht ganz auf den Begriff zu bringenden Gefühlen, den Phänomenen, die sich Argumenten und Erklärungen verschließen, trotzdem, im Akt des Erzählens eine Form zu geben. Was dabei herauskommt, ist immer Fiktion, und im Glücksfall, wenn die Form sich selbst reflektieren kann, ist es Kunst.

Unbedingte Empfehlung: www.faz.net.

Warum schrumpft die journalistische Attraktivität?

Johannes S. hat mich freundlicherweise auf einen beachtenswerten Vortrag hingewiesen, den Gabor Steingart, heute zur Geschäftsführung der Verlagsgruppe Handelsblatt gehörend, im November 2013 in München gehalten hat. Steingart sprach über die Krise des Journalismus. Seine Analyse unterscheidet sich von dem, was dazu sonst in den Feuilletons zu lesen ist. Die journalistische Attraktivität schrumpft seiner Meinungen nach nicht wegen der „Googlelisierung“ oder Globalisierung, sondern ist hausgemacht.

Er nennt folgende sieben Gründe:

1. Der Journalismus ist eintönig geworden. „Die Methoden der publizistischen Telepathie – einer erfühlt, was der andere nicht denkt – erzeugen jenes Einheitsmaß der Inhalte, das selbst dem flüchtigen Leser wie eine innere Gleichschaltung erscheinen muss. Die Frontseite einer beliebigen Zeitung erscheint als das Derivat einer anderen, notdürftig getarnt durch unterschiedliche Schrifttypen und Bildgrößen. Wenn wir die deutsche Pressekultur unserer Tage in den Kategorien der Landwirtschaft zu erfassen hätten, müssten wir von Monokultur sprechen“ (S. 2).

2. Der Journalismus betreibt zuweilen Desinformation durch Information. „Aber was wir uns vorwerfen müssen, ist die Tatsache, dass alle immer den gleichen Fehler sehen und offenbar nur im Kollektiv Recht haben können. Das Meutehafte des Auftretens und die Wiederholung des bereits Wiederholten wirkt wirklichkeitsverändernd. Nicht selten werden die Überbringer der Botschaft zu ihrem Erzeuger. Plötzlich sieht das Feriendomizil des Carsten Maschmeyer aus wie das Watergate-Hotel in Washington. Und weil gerade kein Bösewicht vom Schlage eines Richard Nixon zur Stelle ist, muss Präsidentendarsteller Christian Wulff zurücktreten. Die Mücke hat als Elefant ihren Auftritt“ (S. 3).

3. Die Journalisten haben sich mit der Politik eins gemacht. „Nicht wenige politische Redakteure pilgern zu den Flachbauten der Parteipolitik als handele es sich um Kathedralen. Man sieht sich in einer Bedeutungskoalition mit den Parteigrößen. Deren Niedergang wird als der eigene erlebt – und deshalb weich gezeichnet. Es kam zu einer Synchronisierung der Interessen“ (S. 3).

4. Der Journalismus ist nicht ausreichend transparent. „Der Herstellungsprozess von Fischstäbchen und Gummibärchen ist – dank strenger Lebensmittelgesetze – mittlerweile deutlich durchsichtiger als die Entstehung journalistischer Produkte. Von jeder Garnele kennen wir Eiweißgehalt, Aufzuchtbedingungen und Haltbarkeit. Von der Ware Information oft nicht mal den Herkunftsort“ (S. 5).

5. Der Journalismus scheut den Austausch mit den Meinungen der Leser. „Der oft ideenreiche und nicht selten sprachgewitzte Leser fristet – wie im ersten Jahr des Zeitungsdrucks – sein Dasein im Gefängnis der Leserbriefspal-ten. Die Regierung kann man abwählen, in den Betrieben regieren die Betriebsräte mit, in den Familien wurde der patriarchalische Status des ‚Familienoberhaupts‘ hinweggefegt, nur in den Presseorganen herrscht der reinste Feudalismus. ‚Hier endet die Demokratie‘ – diesen Satz hatte Karl Marx in seiner Zeit als Chefredakteur der Rheinischen Zeitung an seine Tür geheftet. Dort hängt er noch immer“ (S. 5–6).

6. Die Wirtschafts-Berichterstattung ist oft nicht auf der Höhe der Probleme. „Die Staatsschuldenkrise – die die gesamte westliche Welt erfasst hat – wird hierzulande auf eine Euro-Krise oder gar auf eine Griechenlandkrise verkürzt. Damit werden die Vorgänge ihrer eigentlichen Urheber entledigt. Die Staaten waren es, zwar jeder in seiner Währung, Dollar, Yen, Pfund und Euro, die Zahlungsverpflichtungen eingegangen sind, die sie heute nur mit Mühe bedienen können. Wohlstand wurde in hohen Dosen an den Finanzmärkten dazugekauft“ (S. 6).

7. Der Journalismus hat sich unterwerfen lassen. „Ein entkräfteter Journalismus hat vielerorts zugelassen, dass die Kaste der Kaufleute das Kommando übernahm. Es kam zu einer Verschiebung in der inneren Machtarchitektur der Verlage. Seither begegnet uns der Bock in der Schürze des Gärtners“ (S. 6–7).

Ein äußerst lesenswerter Vortrag, der hoffentlich zur Qualitätssteigerung im Journalismus beiträgt.

Hier: Gabor%20Steingart_Die%20Leser-Revolution.pdf.

Warum sind so viele Journalisten links?

Viele der im Meinungsgeschäft Tätigen sympathisieren mit Rot-Grün. Die Gründe liegen in einer frühen Traumatisierung auf dem Schulhof, meint der US-Autor Tom Wolfe. Die These ist – wie ich finde – etwas weit hergeholt. Trotzdem liest sich „der Fleischhauer„ zum politischen Spektrum des Journalismus in Deutschland wieder packend:

Es gibt im Journalismus ein paar Wahrheiten, die meist ungesagt bleiben, auch wenn sie axiomatisch sind. Schlechte Nachrichten verkaufen sich besser als gute, weshalb Chefredakteure Kriege, Unfälle und andere Katastrophen lieben. In Redaktionskonferenzen reden vor allem diejenigen, die nachher am wenigsten zum Gelingen beitragen. Und die meisten Journalisten sind im Herzen links.

Was die politische Überzeugung angeht, sind die Zahlen eindeutig. Nach einer der größten Studien zum Thema, 2005 durchgeführt vom Hamburger Institut für Journalistik unter 1500 Journalisten aller Gattungen, verteilt sich die politische Sympathie der im Meinungsgeschäft Tätigen wie folgt:

  • Grüne: 35,5 Prozent,
  • SPD: 26 Prozent,
  • CDU: 8,7 Prozent,
  • FDP: 6,3 Prozent
  • Sonstige: 4
  • keine Partei: 19,6 Prozent.

Dem bürgerlichen Lager neigen also gerade mal 15 Prozent der in Deutschland arbeitenden Journalisten zu.

In einer Zeit, in der die Welt vornehmlich durch kleine digitale Fenster mit bewegten Bildern wahrgenommen wird, lässt sich erahnen, was das bedeutet.

Mehr: www.spiegel.de.

Mangelnder Respekt vor der Authentizität von Texten

Es muss bei der Diskussionsrunde über Diskriminierung, Ästhetik und Sprache wirklich deftig zugegangen sein, wenn sich ein Redakteur der taz über inquisitorische Sprachpolizistinnen aufregt. Dabei wollte doch der Moderator nur eine Passage aus einem alten Buch vorlesen.

Deniz Yücel schreibt über den Tumult:

Es gibt Geschichten, die man einfach erzählen muss, selbst wenn man selber darin vorkommt. Zum Beispiel diese: Samstagnachmittag auf dem taz.lab. Unter dem Titel „Meine Damen und Herren, liebe N-Wörter und Innen“ diskutieren die Kolumnistin und Publizistin Mely Kiyak, der Titanic-Chefredakteur Leo Fischer und die Autorin und Aktivistin Sharon Otoo über Diskriminierung, Ästhetik und Sprache. Alle auf dem Podium wissen um den Zusammenhang von Sprache und Herrschaft, niemand bestreitet das Fortleben von Rassismus. Dennoch kommt es kurz vor Schluss zum Eklat.

Gut zwanzig Leute versuchen zu verhindern, dass der Moderator (ich) eine Passage aus einem historischen Dokument vorträgt. Die Gruppe beginnt einen Tumult, brüllt und wird von einem die Contenance nicht mehr ganz wahrenden Moderator (auch ich) niedergebrüllt („Geht bügeln!“). Schließlich verlässt die Gruppe den Raum. Sharon Otoo, mit der zuvor abgesprochen war, dass das inkriminierte Wort in Zitaten verwendet werden würde, geht ebenfalls.

Mehr: www.taz.de.

VD: ET

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