Kontextualisierung

Blindes Klammern an Kontextualisierung

David Helm beschreibt sehr schön, was passiert, wenn wir die Kontextualisierung zu weit treiben:

Ein blindes Klammern an Kontextualisierung verändert unser Predigen in mindestens drei Bereichen – und niemals zum Besseren. Erstens: Es beeinträchtigt unsere Perspektive beim Studium, sodass der Prediger sich in der Vorbereitung auf sei­ne Predigt mehr mit der Welt als mit Gottes Wort beschäftigt. So etwas bezeichne ich als impressio­nistisches Predigen. Zweitens: Blindes Klammern an Kontextualisierung verändert unseren Gebrauch der Kanzel: Das Wort Gottes soll dabei eher unsere enthusiastischen Pläne und Vorhaben unterstützen als die Pläne Gottes. Das nenne ich berauschtes Predigen. Und drittens: Es verschiebt unsere Sicht von Autorität. Die so „erfri­schende“ und „durch den Geist geführte“ supergeistliche Lesart des Predigers wird maßgeblich für die Wahrheit. Das nenne ich inspiriertes Predigen. So man­che Predigt, die wir als auslegend bezeichnen wür­den, wird dadurch in Wirklichkeit das Ziel verfehlen.

Mehr: www.evangelium21.net.

T. Tennant: Schluss mit der Kontextualisierung

Der Missionswissenschaftler Tim Tennant hält den Begriff „Kontextualisierung“ inzwischen für so untauglich, dass er es für angemessen hält, den Begriff durch das Wort „Übersetzung“ (engl. „Translation“) auszutauschen. Schon 2010 hat er in seinem Buch Invitation to World Missions: A Trinitarian Missiology for the Twenty-First Century  geschrieben:

Heutzutage verwenden einige Kontextualisierung, um die Idee zu verbreiten, dass ebenso wie Latinos die  Befreiungstheologie haben, die Koreaner eine ming jung-Theologie entwickeln sollten, Frauen eine feministische Theologie, die Farbigen eine farbige Theologie, Inder eine Dalit-Theologie, und so weiter. Doch jede authentische Theologie muss nicht nur die Erkenntnisse der eigenen Besonderheit hochhalten, sondern auch das Allgemeine, das von allen Christen überall geteilt wird, spiegeln. Wie Andrew Walls gesagt hat: „Der Herr der Heerscharen ist kein territorialer Baal.“ Wenn Jesus wirklich Gott ist, dann ist er Herr von uns allen; wir sind alle Glieder des gleichen Leibes.

Mehr bei Nicholas McDonald: scribblepreach.com.

 

Über den Irrglauben an die göttliche „Kraft“

Der evangelische Theologe Stephan Schaede kritisiert, dass in seiner Kirche die zentrale Botschaft verdunkelt wird: Gott muss als Person mit einer Biografie gedacht werden, nicht als eine segnende Kraft, meint der Leiter der evangelischen Akademie in Loccum.

Was Schaede sagt, überzeugt mich nicht in allem, geht aber in die richtige Richtung. Besonders gefällt mir – wie kann es anders sein – seine Zurückhaltung gegenüber einer überzogenen Kontextualisierung (nur sagen, was bei anderen gut ankommt) sowie der Tadel an den vielen Geistlichen, die mit ihren inszenierten Segensgesten die Evangeliumsleere zu kompensieren versuchen.

Hier zwei Zitate:

Die Welt: Warum aber erzählen Protestanten so wenig von diesem personalen Gott?

Schaede: Ein Grund dafür ist die weit verbreitete Meinung, dass für die Verkündigung entscheidend sei, was angeblich bei den sogenannten normalen Leuten ankommt. In der Meinung, die Leute würden mit dem personalen Gott nichts mehr anfangen können, erzählt man lieber gleich gar nichts mehr von ihm. Das Fatale daran ist: Auch das führt zu einer unguten Klerikalisierung des evangelischen Pfarramts.

Die Welt: Aber viele Geistliche folgen doch selbst der Kraft-Vorstellung, etwa wenn sie in Gottesdiensten immerzu alle segnen, die nur den Weg in die Kirche gefunden haben. Dieses inflationäre Segnen findet sich in der Bibel nicht beim personalen Gott, der ja keineswegs so ungehemmt alle segnet.

Schaede: Ihre Beschreibung ist zutreffend, widerspricht aber nicht der These von der Klerikalisierung. Denn mit jenen allzu vielen Segensgesten inszenieren sich Pfarrerinnen und Pfarrer als Mystagogen und kompensieren damit ihren pastoraltheologischen Relevanzverlust in den Gemeinden, so nach dem Motto: Wenn schon der liebe Gott nur eine Kraft ist, dann muss ich als geistliche Person so richtig Persönlichkeit zeigen.

Ich finde es eine wichtige Testfrage für Geistliche: Wenn das Segnen und Handauflegen zur Hauptsache wird, mache ich es dann nicht zu einer mein Pfarramt mystifizierenden Ersatzhandlung, weil ich meinem Verkündigungsauftrag nicht mehr recht traue oder nicht so richtig weiß, was ich verkündigen soll, oder denke, die Leute glauben sowieso nicht so ganz, was ich verkündige?

Hier mehr: www.welt.de.

T. Kellers neues Buch: Center Church

61YKVVeOaEL._AA115_.jpgNächste Woche erscheint Tim Kellers neues Buch:

Ich konnte bereits reinschauen und glaube, dass wir eine instruktive und wichtige Ressource für den Gemeindebau in Großstädten in die Hand bekommen. Selbst Leute – die wie ich – Keller kritisch lesen, sollten sich seine Ausführungen genauer anschauen.

Hier schon mal das Inhaltsverzeichnis mit einer Einleitung und das Kapitel 10 zum Thema Kontextualisierung. Keller stellt in einem kurzen Video das Buch vor:

 

Die Grenzen der kontextuellen Theologie

Die kontextuelle Theologie akzeptiert sozio-politische, religiöse, ökonomische und kulturelle Bedingtheiten einer Gesellschaft als nicht hintergehbaren Bezugsrahmen ihrer Reflexion. Entsprechend will die radikale Kontextualisierung nicht nur die Anpassung der in jüdisch-hellenistischer Umwelt formulierten christlichen Botschaft an ein neues kulturelles Umfeld, sondern einen Dialog dieser Botschaft mit der Kultur. Der kontextuellen Theologie geht es also um mehr als um ein Verstehen des lebensweltlichen Kontextes, denn der Kontext wird zum Text.

Nach Wilfried Härle überschreitet die kontextuelle Theologie deshalb eine Grenze. Wenn die Kultur neue Inhalte des Glaubens einspeist, wird der Glaube verfremdet (vgl. Dogmatik, S. 182). Allerdings lässt sich dieser Verfremdung meist nicht so ohne weiteres aufdecken. Denn diese Theologien treten, „(sei es aus Überzeugung, sei es aus taktischen Überlegungen) in der Regel mit dem Anspruch auf, nichts anderes als sachgemäße und zeitgemäße Interpretation der christlichen Botschaft für die gegenwärtige Lebenswelt zu sein“ (S. 182).

Härle gibt drei Hinweise im Blick auf Fremdeinspeisung in die Theologie (S. 182):

• Das kann in subtiler Weise schon dort geschehen, wo nur solche Aussagen des christlichen Glaubens zugelassen werden, die sich als Antworten auf Fragen ausweisen lassen, die im jeweiligen lebensweltlichen Kontext tatsächlich gestellt werden.

• In deutlicherer Form geschieht das dort, wo die in der Lebenswelt anerkannten Überzeugungen und Standards den unhinterfragbaren Rahmen abgeben, innerhalb dessen sich die christlichen Glaubensaussagen zu bewegen haben.

• Unübersehbar ist das dort der Fall, wo nur einzelne Elemente des christlichen Glaubens ausgewählt und zugelassen werden, sofern sie sich als Versatzstücke mit einem anderswoher gewonnenen (z. B. faschistischen, marxistischen, humanistischen) Wirklichkeitsverständnis verbinden lassen und dieses komplettieren, verstärken oder illustrieren.

Es lohnt sich, theologische Werke der letzten Jahrzehnte entsprechend dieser Hinweise zu befragen.

Radikale Kontextualisierung (1): Kinderbibeln ohne Gott

In den letzten Jahren sind 150 neue Kinderbibeln erschienen. Die meisten zeichnen ein neues, modernes Bild der christlichen Religion. Aus einst furchterregenden Erziehungsfibeln sind multikulturelle Wohlfühlbücher geworden. Dieser Wandel lässt sich dank einer Schenkung an die Universität Zürich eindrücklich belegen.

Hier der SF-Bericht:

VD: JO

100-prozentige Kontextualisierung

Wie weit darf die Kontextualisierung des Evangeliums gehen? Hier haben wir einen Ausblick auf die kreative Verkündigung von morgen: Die Northpoint Church Adult Youth Group (USA) »performed« am Ostersonntag 2011 »Sympathy for the Devil« von den Rolling Stones. Im Refrain sowie letzter Strophe des Liedes heißt es:

Erfreut dich kennen zu lernen, ich hoffe, du errätst meinen Namen. Aber was dich verwirrt, ist die Art, wie ich mein Spiel treibe. So wie jeder Bulle kriminell und jeder Sünder heilig ist- Kopf oder Zahl! Nenn mich einfach Luzifer, denn ich könnte Zurückhaltung gebrauchen. Also, wenn du mich triffst, sei höflich, zeig Sympathie und Geschmack, benutz all deine erlernte Diplomatie und Höflichkeit – oder ich werfe deine Seele in den Müll!

Karl Barth und die Kontextualisierung

zeitgeist-kl.jpgDie Rezension Brauchen wir einen Kulturevangelikalismus? hat etwas Staub aufgewirbelt. Die Diskussionen über das Buch und die Rezension können im Blog von Tobias Faix und auf der Internetseite Zeit-Geist.info verfolgt werden. Tobias hat mir freundlicherweise erlaubt, ›substantielle Beiträge‹ meinerseits (hier muss ich schmunzeln) auch bei TheoBlog zu publizieren.

Ich spüre, dass solche Diskussionen in einem Blog nicht optimal kontextualisiert sind. Aber ein suboptimaler Austausch scheint mir immerhin besser zu sein, als überhaupt nicht miteinander zu reden.

Hier ein erster Beitrag, der sich mit der Frage beschäftigt, ob die Emerging Church den Schweizer Theologen Karl Barth für sich in Anspruch nehmen darf: karlbarthkontextualisierung.pdf. Repliken werden im Blog bei Zeit-Geist.info erscheinen.

Übrigens sind alle eingeladen, an der Debatte teilzunehmen.

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