Politik

Politische Führung in der »Postdemokratie«

PXK3PD.jpgWer sich mit dem Phänomen der »Postdemokratie« beschäftigen möchte, ohne gleich das Buch:

zu erwerben, findet mit dem Aufsatz »Politische Führung in der ›Postdemokratie‹« von Claudia Ritzi und Gary S. Schaal einen guten Einstieg.

Hier drei Kostproben:

Die postdemokratische Konstellation lässt sich nach Crouch durch vier Merkmale charakterisieren, die in zunehmendem Maße in westlichen Demokratien beobachtet werden können: Auf der formal-institutionellen Ebene bleiben demokratische Institutionen und Prozeduren erhalten, so dass der Blick von außen, ohne Kenntnis des internen Prozesses der Demokratie, sie für normativ intakt halten würde; das entspricht jedoch nicht der Realität, da sie massiv an Bedeutung für die demokratische Entscheidung verloren haben. Daraus resultiert das zweite Merkmal der Postdemokratie, wonach Parteipolitik und der Wettkampf der Parteien um Wählerstimmen zunehmend von Inhalten, die später Regierungspolitik programmieren sollen, befreit werden. An die Stelle klarer Programmatik und der Diskussion politischer Handlungsoptionen treten personalisierte Wahlkampfstrategien. Die Inhalte der Politik werden drittens zunehmend von der »Firma« bestimmt, also als Folge des Zusammenwirkens politischer und ökonomischer Akteure. Daraus folgt viertens, dass die Bürgerinnen und Bürger als Demos zwar nicht de jure, aber de facto entmachtet werden. Postdemokratie ist in diesem Verständnis eine Scheindemokratie im institutionellen Gehäuse einer vollwertigen Demokratie …

Politische Führer folgen dem Ideal des findigen politischen Entrepreneurs von Joseph Schumpeter. Sie bedienen nicht in erster Linie Präferenzen und politische Wünsche der Bevölkerung, sondern sind innovativ, setzen die politische Agenda und erzeugen bei den Bürgern erst jene politische Präferenzen und nachträgliche Zustimmung, mit deren politischer Umsetzung sie bereits begonnen haben. Versteht man den demokratischen Prozess in Analogie zum Markt, so verschiebt sich das Ideal der Demokratie von der Nachfrage- zur Angebotsorientierung und somit von einer Demokratie der Bürgerbeteiligung hin zu einer der Führungsorientierung. Während die Entwicklung des Konsumgütermarktes dem Bürger als Konsumenten zunehmenden Einfluss auf die Produktion verschafft hat, hat der Bürger als Wähler an Macht verloren. Der zunehmend freie Wettbewerb hat nicht nur eine bedeutsamere Rolle von Unternehmern und unternehmerisch agierenden Politikern zur Folge, sondern auch konträre Konsequenzen für die Entwicklung politischer und ökonomischer Einflussstrukturen …

Im Zuge der Entwicklung zur Postdemokratie wandelt sich also der Verlauf der politischen Legitimationsprozesse, und politische und ökonomische Eliten werden als die zentralen Akteure in politischen Systemen gestärkt. Ihnen stehen die Bürger (jenseits von Wahlen und Abstimmungen) als weitgehend inaktive und zumeist politisch desinteressierte Masse gegenüber. Während die ökonomischen Akteure in der Regel fast unsichtbar für die Öffentlichkeit im Hintergrund (bzw. in den Lobbys der Parlamente, Regierungssitze und Ministerien) agieren und somit als gesellschaftliche Führungselite kaum wahrgenommen werden, versuchen prominente Regierungsvertreter, als leader einen Vertrauensvorschuss und Sympathiebonus bei den Bürgern zu erlangen, der ihnen die (nachträgliche) Unterstützung für ihr Handeln und die Wiederwahl sichert.

Der Aufsatz ist Bestandteil der aktuellen APuZ-Ausgabe, die hier zum kostenlosen Download angeboten wird: 5E02XS.pdf (2.456 KB)

Der aufziehende Kulturkampf 2.0

Thomas Schirrmacher sieht am Horizont Anzeichen für einen aufziehenden Kulturkampf 2.0:

Die Europäische Union hat gewaltige Aufgaben vor sich. Doch statt Arbeitslosigkeit und Rassismus zu bekämpfen, grast sie die Gesetzgebung ab, wo Kirchen als Religionsgemeinschaft vermeintliche Sonderrechte haben. Religionsfreiheit, nein danke? Kirchliches Selbstbestimmungsrecht nach § 140 des deutschen Grundgesetzes, aber wieso denn? Jede Kirche soll gefälligst wie jede Firma dem unmittelbaren Zugriff des Staates unterliegen. Gewissensnöte Gläubiger? Die werden schon einknicken, wenn der Druck nur stark genug ist.

Die EU, genauer bestimmte politische Kräfte in der EU, wollen die christlichen Kirchen in die Knie zwingen. Nicht etwa den in einigen Teilen mit klarem politischen Machtanspruch auftretenden Islam, nicht die islamistische Minderheit, die unverhohlen Gewalt einsetzt, denen man vielmehr erstaunlich sanftmütig entgegentritt und deren Kritiker man mit millionenschweren Aktionen gegen Islamophobie das Leben schwer macht. Nein, den christlichen Kirchen, die in den Ländern der EU ganz wesentlich den Staat mittragen, die Demokratie stützen, die Zivilgesellschaften bereichern. Den Kirchen, die den Gedanken eines friedlichen Europas und seine Begründer mit hervorgebracht haben – man denke nur an europäischen Urvater Robert Schumann.

Die Stellungnahmen für das »Institut für Ethik und Werte« kann hier als PDF-Datei herunter geladen werden: schirrmacher_zu_Manhattan_Kulturkampf_2009_0_.pdf.

Die »Manhattan-Erklärung« auf Deutsch

Freundlicherweise hat das Institut für Ethik & Werte die »Manhattan-Erklärung« übersetzt. In der Präambel heißt es:

Heutige Christen sind Erben einer zweitausendjährigen Tradition. Zum Inhalt dieser Tradition gehören die Verkündigung von Gottes Wort, das Streben nach sozialer Gerechtigkeit, Widerstand gegen Tyrannei sowie der karitative Einsatz zugunsten der Armen, Unterdrückten und Leidenden.

Im vollem Bewusstsein, dass christliche Gemeinschaften und Institutionen über die Jahrhunderte oft versagt haben und unvollkommen geblieben sind, machen wir uns das Erbe der Christen zu eigen, die sich für unschuldiges Leben einsetzten, indem sie ausgesetzte Säuglinge von den städtischen Müllhalden des Römischen Reiches retteten und dessen Duldung des Kindermords öffentlich anprangerten. Wir gedenken mit Ehrfurcht der Gläubigen, die während der Pest in den Städten blieben, um sich um Kranke und Sterbende zu kümmern, oder lieber mutig in den Arenen starben als ihren Herrn zu verleugnen.

Im Mittelalter waren es die christlichen Klöster, die nicht nur die Heilige Schrift, sondern auch die abendländische Literatur und Kunst bewahrten. Christen waren es, die das Übel der Sklaverei bekämpften. Päpstliche Erlasse im 16. und 17. Jahrhundert verurteilten den Sklavenhandel und exkommunizierten die Händler. Evangelikale Christen wie William Wilberforce bewirkten das Verbot des Sklavenhandels in Großbritannien und gründeten karitative Vereine zur Unterstützung der Armen, der Häftlinge und der Opfer der Kinderarbeit, die oft an Maschinen gekettet wurden.

Es waren Christen, die in Europa das Königtum von Gottes Gnaden angefochten haben und sich erfolgreich Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung erkämpften, um moderne Demokratie überhaupt zu ermöglichen. In den Vereinigten Staaten waren Christen unter den ersten Frauenrechtlerinnen. Die große Bürgerrechtsbewegung der 1950 und 1960er Jahre wurde von Christen angeführt, die sich auf die Heilige Schrift beriefen und den Adel aller Menschen als Gottes Geschöpfe ungeachtet Rasse, Religion oder Rang bekräftigten.

Die gleiche Sorge um die Würde des Menschen hat im vergangenen Jahrzehnt Christen dazu geführt, gegen entmenschlichende sexuelle Ausbeutung und Menschenhandel anzugehen, sich um Aids-Opfer in Afrika zu kümmern sowie sich vielfältig für Menschenrechte einzusetzen, ob für sauberes Trinkwasser in den Entwicklungsländern oder für Heime für Abertausende von Kindern, die Krieg, Seuchen oder Geschlechterdiskriminierung zu Waisen gemacht hatten.
Wie unsere Vorgänger im Glauben sind Christen heute dazu berufen, das Evangelium der kostbaren Gnade zu verkündigen, die wahre Menschenwürde zu schützen und für das Gemeinwohl einzustehen. Bleibt die Gemeinde ihrer Berufung in die Nachfolge Jesus Christi und den Dienst ihrer Mitmenschen treu, vermag sie einen weitreichenden Beitrag zum Gemeinwohl zu leisten.

Die autorisierte deutsche Ausgabe kann hier herunter geladen werden: Manhattan_Declaration_German.pdf.

Politische Korrektheit

312U+rANWmL._SL160_Über das Buch:

  • Jörg Schönbohm: Politische Korrektheit: Das Schlachtfeld der Tugendwächter, Manuscriptum Verlagsbuchhandlung Thomas Hoof KG; Auflage: 1., Aufl. (13. April 2009), 64 S., 7,80 Euro

schreibt der Verlag:

Politische Korrektheit: Denken in den streng vorgezeichneten Bahnen derer, die in einzelnen gesellschaftlichen Bereichen und zu mehr oder weniger grundlegenden Fragen die Deutungshoheit für sich beanspruchen – und jede Verlautbarung in eine oft abstruse, von schauderhaften Worthülsen strotzende Sprache gießen. Man könnte das mit Erheiterung registrieren, wenn sich dahinter nicht etwas sehr Ernstes verbergen würde. Jörg Schönbohm, eigenwilliger und unbeugsamer Konservativer, zeigt in beklemmender Weise, daß das, was einst sinnvoll als Kampf gegen Minderheitendiskriminierung begonnen hatte, heute immer mehr in eine Dämonisierung und Stigmatisierung von Andersdenkenden mündet. Was die Folgen angeht, die Gefahren für Demokratie und Meinungsfreiheit nämlich, kann er sich zu Recht auf Montesquieu berufen: Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit.

Das Buch kann hier bestellt werden:

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Christianity Today-Gespräch mit Hermann Gröhe

Groehe.jpgSarah Pulliam Bailey hat in Berlin für Christianity Today mit Hermann Gröhe (MdB) über die CDU gesprochen. Der Staatsminister geht nicht nur auf die Religionsvergessenheit in einigen Teilen der Bundesrepublik ein (»Leute sprechen davon, dass sie vergessen haben, dass sie Gott vergessen haben«), sondern meint auch, dass der Frontal21-Beitrag »Sterben für Jesus« über die Evangelikalen die Wirklichkeit verzerrt:

CT: Last month, a television station aired a report that compared Christian missionaries who were killed in Yemen with Jihadists. Are Christians generally portrayed poorly in Germany?

Gröhe: No, that was an unfair report. We have evangelical broadcasts on Sunday morning and evangelical activities funded by the state by large companies and publishing companies. It was very clear that the Protestant Church in Germany, which has a very evangelical and a liberal wing, said it was an unfair report.
It’s an unacceptable comparison for a journalist to think that Christian women who are prepared to die for their belief are the same as Muslims. They forget the difference: Those Christians are not prepared to kill for their belief. Osama bin Laden is prepared to die for his belief, Mother Teresa is prepared to die for her belief. But Mother Teresa was never prepared to kill for her belief. They also argued that it was the girls‘ responsibility because they looked for martyrdom. A Bible school teacher should not be proud of young men or women talking in such a way. We are told that the persecuted church is part of church life and that Christians are prepared to take that burden, but we are not to teach that young, enthusiastic Christians should seek persecution.

Hier das vollständige Interview: www.christianitytoday.com.

Christentum und Demokratie

ChristentumundDemokratie.jpgFür christliche Kirchen wurzelt eine Grundvoraussetzung der Demokratie, die unantastbare Würde des Menschen, in seiner Gottebenbildlichkeit. Daraus erwächst die Verpflichtung, die Demokratie in kritischer Solidarität mitzugestalten.

Die aktuelle Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament widmet sich dem Thema »Christen in der Demokratie«. Der Beitrag »Demokratie und christliche Ethik«, verfasst von meinem Chef, befasst sich auch mit der Frage, wie die Evangelikalen zur demokratischen Ordnung stehen. Das Ergebnis mag den ein oder anderen überraschen.

Die gedruckte Ausgabe der Wochenzeitung Das Parlament erscheint am 30. März. Die digitale Beilage Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ 14/2009) kann bereits hier frei herunter geladen werden: SMK6HX.pdf.

Die Schleichwerbung der EU

EU_Logo.jpgDie Europäische Union verteilt Steuergelder an Journalisten, damit diese zugeneigt berichten. Diese strategische »Imageverbesserung« der EU ist keine Aufklärung, sondern Schleichwerbung. Denn, so kann man in der FAZ  (bzw. im Focus) lesen:

Bei der Bewerbung um die Zuschüsse müssen die Sender … »Anzahl, Namen, Aufgaben und Sprachkenntnisse des eingesetzten Personals, insbesondere Journalisten, angeben« und die Leitlinien ihrer redaktionellen Philosophie beschreiben, berichtet das Magazin »Focus«. Die geförderten Sender verpflichten sich, »europäische Programme … regelmäßig und zu Hauptsendezeiten auszustrahlen«.

Hier die Beiträge dazu aus dem Focus und der FAZ.

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