Sexualität

Rückkehr zu Fakten bei der menschlichen Biologie

Auch die NZZ berichtet inzwischen darüber, dass eine Gruppe von Wissenschaftern und Ärzten sich in einem Aufruf gegen eine aus ihrer Sicht Ideologie-basierte Berichterstattung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wendet (vgl. hier). Susann Kreutzmann schreibt für die Zeitung:

Frei verfügbar war beispielsweise auch ein Beitrag von «Y-Kollektiv», einem YouTube-Kanal von «Funk», über sogenannten Chemsex. Weit über eine halbe Million Aufrufe gab es für diese Reportage, in der ein jugendlicher Reporter schwule Männer dabei filmt, wie sie Gruppensex mit anderen Homosexuellen haben und sich dabei die Droge Crystal Meth anal einführen, wie die Initiatoren des Aufrufs schreiben.

Die Initiatoren wenden sich dagegen, dass in Beiträgen für Kinder und Jugendliche geschlechtsangleichende Operationen als «kinderleichter Schritt» geschildert werden. Die psychischen und körperlich irreversiblen Folgen beim Einsatz von Pubertätsblockern, bei der Gabe gegengeschlechtlicher Hormone und der chirurgischen Entfernung von Penis, Brust und Gebärmutter würden bestenfalls nebenbei erwähnt, schreiben sie.

Das 50-seitige Dossier „Ideologie statt Biologie im ÖRR“, in dem etliche Beispiele dokumentiert werden, kann übrigens hier heruntergeladen werden. Ich weise freilich darauf hin, dass der Leser bei einer Lektüre starke Nerven braucht. Nicht jeder muss die Dokumentation studieren.

Hier geht es zum Artikel der NZZ: www.nzz.ch.

Alles an mir ist von dir, Gott

VM Holcomb AamivdG Webseite Mockup01 1080xSexueller Missbrauch ist in unserer gefallenen Welt ein großes Thema. Leider auch in den Kirchen. Viele Institutionen und Gemeinden haben im Laufe der letzten Jahre Schutzkonzepte eingeführt. Das ist eine gute Sache. Doch wenn man sich auf die Suche nach Materialien begibt, die dabei helfen sollen, sexueller Gewalt vorzubeugen, merkt man schnell, dass nicht alles für den Einsatz in christlichen Einrichtungen geeignet ist. Oft sind in den Arbeitshilfen Vorstellungen und Handlungsanweisungen zu finden, die sich mit einer christlichen Sexualerziehung nicht vereinbaren lassen.

Es gibt Ausnahmen. So hat die Christliche Jugendpflege in Zusammenarbeit mit dem ChristusForum eine hilfreiche Broschüre für die kirchliche Jugendarbeit herausgegeben.

Und der Verlag Verbum Medien hat kürzlich Alles an mir ist von dir, Gott veröffentlicht. Das Kinderbuch von Justin und Lindsey Holcomb hilft vor allem Eltern, mit ihren 3- bis 7-jährigen Kindern darüber zu sprechen, wie sie sich vor Übergriffen schützen können. Durch eine behutsame Sprache und ansprechende Illustrationen werden die Eltern dabei unterstützt, mit den eigenen Kindern über die sensiblen Körperzonen zu sprechen, ohne dabei ungesunde Scham und Unsicherheit zu provozieren. Ausgehend von der Wahrheit, dass Gott auch den Leib geschaffen hat, lernen die Kinder ihren Körper wertzuschätzen und dabei angemessene von unangemessenen Berührungen zu unterscheiden.

Der Anhang enthält Hinweise, die sich direkt an die Eltern wenden. Die Tipps ermutigen dazu, auch über sensible Themen zu sprechen. Sie führen zugleich auch vor Augen, wie wichtig es manchmal ist, Grenzen zu setzen. Das Buch wird so zu einer wertvollen Handreichung und hilft, Kinder vor sexueller Gewalt zu schützen.

Alles an mir ist von dir, Gott kann hier bestellt werden: verbum-medien.de.

Wie ARD und ZDF unsere Kinder sexualisieren und umerziehen

Was ist mit den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten los? Wir erleben derzeit, wie die Gesellschaft in sexualethischen Fragen neu formatiert wird und die Medien quasi einen Erziehungsauftrag wahrnehmen. Fünf Gastautoren, Biologen und Mediziner haben für die DIE WELT Beiträge des öffentlich-rechtlichen Rundfunks analysiert. Ihr Vorwurf: ARD, ZDF & Co. verfolgten eine bedrohliche Agenda. 

Eine besondere Verantwortung hat der ÖRR hierbei gegenüber Kindern und Heranwachsenden. Wenn diese das Jugendprogramm des ÖRR in Sendungen, im Internet oder auf sozialen Medien konsumieren, kann nichts schiefgehen, mögen Eltern vertrauensvoll denken. Tatsächlich aber sind wir auf Kanälen wie „Funk“, „Reporter“, „Die da oben“, und „Y-Kollektiv“ auf Beiträge gestoßen, die Kannibalismus (über 2,5 Millionen Aufrufe), Vampir-Fetische (über eine Million Aufrufe) oder „Wie ist es, vergewaltigt zu werden?“ (über 3 Millionen Aufrufe) unreflektiert an Kinder herantragen.

In TV-Sendungen, Rundfunkbeiträgen und auf den Social-Media-Kanälen des ÖRR ist zudem – immer ausgehend von der Falschaussage der Vielgeschlechtlichkeit – „trans“ ein Dauerthema. Der „Weg in den richtigen Körper“ wird als kinderleichter Schritt geschildert. Es geht um den Einsatz von Pubertätsblockern, die Gabe gegengeschlechtlicher Hormone und die chirurgische Entfernung von Penis, Brust und Gebärmutter. Die psychischen und körperlich schweren und irreversiblen Folgen solcher Maßnahmen werden allerdings entweder überhaupt nicht geschildert oder bestenfalls nebenbei erwähnt.

Stattdessen zielt die Berichterstattung darauf ab, den Forderungen von Trans-Lobbygruppen Gehör zu verschaffen, denen zufolge man das biologische Geschlecht wechseln könne, indem man sich sozial schlicht als dieses Geschlecht „identifiziere“. Bis hin zur „Sendung mit der Maus“ wird das sogenannte „Selbstbestimmungsgesetz“ vollkommen unkritisch beworben.

Mehr (hinter einer Bezahlschranke): www.welt.de.

Objektophilie

Der semantische Gehalt von „Ehe für alle“ wird wohl irgendwann erweitert werden müssen. Funk, das Jugendformat des Öffentlich rechtlichen Rundfunks, eröffnet uns Einblicke in das Seelenleben von Sarah, die sich in eine Boeing 737 verliebt hat. Jetzt, nach ihrem Coming-Out, kann sie endlich der Mensch sein, der sie wirklich ist. Sie hat, so würde Carl Trueman, Autor von The Rise and Triumph of the modern Self, wohl sagen, ihr wahres Ich gefunden. Das ist in einer Zeit, in dem das therapeutischen Selbst Hochkonjunktur feiert, eben einfach so. Gut und wahr ist das, was sich für mich gut anfühlt. Das ist eine der Pathologien unserer Zeit. Eine Gesellschaft, die nicht mehr zwischen Subjekt und Objekt unterscheidet, steuert auf Abgründe zu.

Das Chaos der Sexualität

Die bekennende Lesbe Camilla Paglia forscht und schreibt zur Sexualität in der Tradition von de Sade, Freud und Nietzsche. Für sie ist Sexualität eine brutale und pagane Macht, die sich durch Verhaltensregeln nicht bändigen lässt. Die Natur ist für sie nicht gut, wie etwa für Jean-Jacques Rousseau, der die Ursünde leugnete und im Zurück zur Natur die Freiheit des Menschen sah. In ihrem Hauptwerk Die Masken der Sexualität, schreibt Paglia interessanterweise (Berlin: Byblos Verlag, 1992, S. 41):

Glücklich die Zeiten, in denen Ehe und Religion festgegründete Institutionen sind. System und Ordnung bieten uns Schutz gegen Sexualität und Natur. Leider leben wir in einer Zeit, in der das Chaos der Sexualität offen ausgebrochen ist. G. Wilson Knight bemerkt: »Das Christentum trat ursprünglich als eine Bewegung auf, die im Namen einer geheiligten Menschheit Tabus niederriß; aber die Kirche, die daraus hervorging, hat es bis heute nicht vermocht, den heidnischen bösen Zauber der Sexualität zu christianisieren.« Wenn die Geschichtsschreibung behauptet, die jüdisch-christliche Tradition habe die heidnische Welt überwunden, dann ist dies ihr grellstes Fehlurteil. Denn die heidnische Welt hat in den tausend Formen der Sexualität, der Kunst und heute der modernen Medien überlebt. Das Christentum hat eine Anpassungsleistung nach der anderen vollzogen, um sich seinen Widerpart (wie in der italienischen Renaissance) auf ingeniöse Weise einzuverleiben und seine Lehre in Einklang mit den Zeitläuften immer weiter zu verwässern. Aber ein kritischer Punkt ist erreicht. Mit dem Wiedererstehen der Götter in den Idolatrien der Massenkultur, mit dem Aufbrechen von Sexualität und Gewalt an allen Ecken und Enden der allgegenwärtigen Massenmedien sieht sich diejüdisch-christliche Tradition der größten Herausforderung seit ihrer Auseinandersetzung mit dem Islam im Mittelalter gegenüber. Die latente heidnische Tradition in der Kultur des Westens bricht in ihrer ganzen dämonischen Lebendigkeit erneut hervor.

Florida: Keine queeren Themen mehr an den Grundschulen

Sigmund Freud hat mit seinen Abhandlungen zur Sexualtheorie zur Pansexualisierung der westlichen Welt beigetragen. Es gibt – so sagte er – keinen Abschnitt im Leben eines Menschen, in dem sexuelles Begehren und seine Befriedigung nicht grundlegend für das Menschsein überhaupt sei.

Konsequenterweise ist so der Sexualkundeunterricht mit seinen Aufklärungsansprüchen sogar in den Kindergärten und Grundschulen gelandet. Es ist allerdings interessant und meines Erachtens erfreulich, dass in der Gesellschaft auch Gegenbewegungen angekommen sind. Florida (USA) will von der Vorschule bis zur dritten Klasse das Unterrichten zu Themen wie Genderidentität und sexuelle Orientierung verbieten.  Möglicherweise hat zu diesem Schritt beigetragen, dass immer mehr Kinder und Jugendliche ihr Geschlecht wechseln wollen. Auch in England hat der Transkids-Trend einen Umdenkprozess angestoßen (siehe hier).

Die FAZ meldet zu Entscheidung in Floria:

An Grundschulen in Florida soll nicht länger über Genderidentität und sexuelle Orientierung diskutiert werden. Der Senat des Sunshine State verabschiedete am Dienstag eine umstrittene Gesetzesvorlage, die queere Themen für Kinder von Vorschule bis dritter Klasse verbietet. Sobald auch der republikanische Gouverneur Ron DeSantis den Entwurf zu „Parental Rights in Education“ wie erwartet unterzeichnet, werden Bücher über Kinder mit homosexuellen Eltern oder Textaufgaben in Mathematik, die nicht-traditionelle Familien zum Inhalt haben, aus dem Unterricht verbannt.

Mehr: www.faz.net.

Apologetik der christlichen Sexualethik

Die christliche Sexualethik weise zu verteidigen, ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Evangelium21 hat eine Erklärung in deutscher Sprache veröffentlicht, die genau dieses Anliegen verfolgt. Die 47. Generalsynode der Presbyterian Church in America (PCA) beauftragte im Jahr 2019 einen Studienausschuss (zu dem u.a. Bryan Chapell, Kevin DeYoung und Tim Keller gehörten), eine Stellungnahme zum Thema der menschlichen Sexualität zu erarbeiten. Diese Stellungnahme wurde im Mai 2020 veröffentlicht und im Juni 2021 von der verspätet stattfindenden 48. Generalsynode entgegengenommen. 

Hier ein Auszug:

Zweitens sollten wir uns darüber im Klaren sein, dass die moderne Bewegung der sexuellen Befreiung in vieler Hinsicht ein Rückschritt ist. Sie dreht die Uhr zurück auf die zugrundeliegende Logik Roms. Die moderne Kultur hat die Verbindung zwischen Sex und Gott aufgehoben und Sex wieder mit der sozialen Ordnung verknüpft. Damit ist Sex wiederum losgelöst von der Forderung einer lebenslangen Bindung durch die Ehe. Erneut geht es beim Sex um Selbsterfüllung, nicht um Selbsthingabe. Doch wie Harper bemerkt, behält die moderne sexuelle Revolution einige der christlichen Gaben an die Welt bei: das Konzept der Einvernehmlichkeit und dass Sex etwas Gutes ist. Daher ist die heutige sexuelle Kultur zwar weniger brutal als die damalige heidnische Kultur (dank der verbliebenen christlichen Elemente), sie entpersonalisiert aber dennoch und macht zum Objekt. Es gibt zahlreiche Studien und Erfahrungsberichte, die zeigen, dass die Menschen deutlich einsamer sind, da Sex nun nicht nur von der Ehe abgekoppelt wird, sondern durch das riesige, raffinierte Reich der Pornografie von persönlicher Beziehung überhaupt. Im alten Rom gab es gewöhnlich einen Beteiligten – den mit der Macht –, der den anderen Beteiligten als Objekt benutzte, um seine körperlichen Bedürfnisse zu befriedigen. Heute benutzen sich die Beteiligten oft gegenseitig, indem sie den anderen als Objekt zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse gebrauchen – mit dem man nur so lange in Beziehung steht, wie diese Bedürfnisse befriedigt werden.

Das Bemühen der modernen Kultur, einige Teile der christlichen Sexualethik beizubehalten, aber andere nicht, hat enorme Spannungen erzeugt.

Der Gedanke der Einvernehmlichkeit passt am besten zu einem Bund, nicht zu sexuellen Abenteuern. Insbesondere Frauen können sich als Objekt missbraucht fühlen. Die frühen Christen wurden mit dem gleichen Vorwurf wie wir konfrontiert – dass unsere Sexualethik erdrückend, eine Spaßbremse, negativ, repressiv und unrealistisch sei. Doch sie wussten auch: Selbst wenn sexuelle Selbstbeherrschung auf kurze Sicht schwer ist, ist doch die christliche Sexualethik auf lange Sicht erfüllender und weniger entmenschlichend. Wir müssen auch heute Wege finden, um zuversichtlich über die revolutionär gute Nachricht des Christentums bezüglich Sex zu sprechen.

Mehr: www.evangelium21.net.

Lehrer sollen mit ihren Schülern Pornos schauen

Im Jahre 2020 schrieb ich in dem Beitrag „Pornophobie“:

Also, wer nicht damit überrascht werden möchte, dass seine Kinder in den Schulen staatlich subventionierte Pornofilme konsumieren, um eine Erweiterung ihres Lustrepertoires zu stimulieren, der sollte jetzt nicht still abwarten, sondern sich einmischen. Die sexuelle Verwahrlosung hat Gründe!

Meine Befürchtungen könnten schneller bedient werden, als ich es erwartet habe. Zumindest in der Schweiz. Denn dort fordert ein ehemaliger Chefarzt, dass Lehrer gemeinsam mit den Schülern Pornos schauen, um Porno-Kompetenz zu erwerben. Noch geht es nicht um steuerfinanzierte Produktionen und noch steht nicht der Lustgewinn im Vordergrund. Aber ein Anfang wäre gemacht. Armes Europa!

Heute.at aus Wien schreibt:

Die Vorbeugung gegen schädliche Einflüsse von Pornos auf Kinder und Jugendliche sollte nach Ansicht von Bitzer nicht isoliert, sondern im Rahmen einer allgemeinen Sexualerziehung stattfinden, bei der es um Wissen über den Körper und die Biologie, aber auch um Hilfestellung bei der Entwicklung einer eigenen selbstbestimmten Sexualität geht. Ein fixes Alter lasse sich dafür nicht definieren. Bitzer betont: „Inzwischen gibt es genügend Studien, die zeigen, dass die Angst vor der frühen Sexualisierung durch das Sprechen über Sexualität unbegründet ist. Es ist nicht so, dass die Kinder dann plötzlich ‚aufeinander losgehen‘ oder das Gefühl haben, dass sie jetzt sexuell aktiv werden müssen.“

Mehr hier: www.heute.at.

Sexualethik im Umbruch

In dem Bulletin Nr. 26 des Instituts für Jugend und Gesellschaft sind mehrere empfehlenswerte Beiträge erschienen. Írisz Sipos erörtert in ihrem Aufsatz „Coming-out im Lockdown: ein Paradigmenwechsel“ Martin Grabes Buch: Homosexualität und christlicher Glaube ausführlich (S. 4–20) und nimmt dabei durchaus auch das „konservative Lager“ innerhalb der Evangelikalen Bewegung in die Pflicht. Sie überzeugt mich, wenn sie darauf hinweist, dass die neuen Diskurse im Grunde widerspiegeln, was uns Menschen schon immer beschäftigt hat. Anstatt uns von den inneren Trieben ungezähmt bestimmen zu lassen, sollten wir die revolutionäre uns im Evangelium zugesprochene Hoffnung ernst nehmen. Sie schreibt (S. 15):

Die sexualethischen Diskurse, die mit konstruktivistischen Gender- und Queerperspektiven angereichert die evangelikalen Gemüter erregen, sind weder neu noch originell. Sie ventilieren die alten Fragen, Ängste und Sehnsüchte des Menschen um Fruchtbarkeit, Liebe, Ehe, Sex, Moral und Macht. In deren Dickicht von kleinmütigen Kompromissen und enthemmtem Größenwahn schlägt das biblische Zeugnis mit den Geschichten der Väter und Mütter des Glaubens sowie den Lebensregeln des alten und des neuen Bundes eine Schneise der lebendigen Hoffnung und der Verheißung von Frieden und Fülle. Dieses Zeugnis dürfen wir neu hören und vernehmen lernen, wie schon Israel am Sinai und die Gemeinde in Rom. Nicht als Verwalter tradierter Gewissheiten und abgehangener Idealbilder unserer selbst, sondern als ernstlich Fragende und Suchende, die sich der erbarmungswürdigen Realität der eigenen Existenz bewusst sind.

Angesichts der realen Nöte und der seelischen wie spirituellen Verwahrlosung unserer Gattung erscheint es alles andere als trivial, dass die Menschheit aus „Männern“ und „Frauen“ besteht, und dass Männer Frauen und Frauen Männer begehren, oder dass ein Mann nur eine Frau zu begehren hat und sie sogar liebt – und umgekehrt. Es versteht sich nicht von selbst, dass überhaupt jemand jemanden liebt; es ist vielmehr ein Wunder, ein Mysterium, oder zumindest ein unverdientes Geschenk.

Trivial hingegen ist, dass der Homo sapiens, ausgestattet mit Sexualtrieb und einer schier grenzenlosen Phantasie, ihn zu realisieren, frustriert zur Kenntnis nehmen muss, dass seine Libido nicht allein durch seine verwundbare, beschämbare, letztlich dem Tod anheimgegebene Physis begrenzt wird, sondern auch von einem menschlichen Umfeld voller Ambivalenzen und Antagonismen.

Erhellend und analytisch wertvoll ist ebenfalls der Beitrag „Die Macht, das Subjekt und das Sexualdispositiv: Michel Foucaults Diskurs der Gegenaufklärung“ von Silke Edelmann (S. 21–31). Dort ist im „Fazit“ zu lesen:

Man könnte meinen, die Geschichte gäbe ihm Recht: Diejenigen, die sich auf ihn berufen, Foucaults Nachfolger, scheinen sich nicht nur im wissenschaftlichen Diskurs, sondern auch im politischen Alltag zunehmend durchzusetzen. Man könnte meinen, eine neue Episteme stehe vor der Tür. Foucaults Traum von einer Gesellschaft, in der der Einzelne sich seine Identität selber konstruieren kann und die Zweigeschlechtlichkeit keine Rolle mehr spielt, spiegelt sich in den Medien, der Politik und Zukunffstrends: „Innovation schlägt Tradition, das Geschlecht verliert das Schicksalhafte, die Zielgruppe an Verbindlichkeit. Noch nie hat die Tatsache, ob jemand als Mann oder Frau geboren wird und aufwächst, weniger darüber ausgesagt, wie Biografien verlaufen werden. Der Trend veränderter Rollenmuster und aufbrechender Geschlechterstereotype sorgt für einen radikalen Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft. Das starke Ich schlägt das alte Frau/Mann-Schema und schafft eine neue Kultur des Pluralismus.“

Die foucaultsche Denke manifestiert sich etwa in einer Bildungspolitik, die Kinder so früh wie möglich mit diversen sexuellen Empfindungen und Identitäten in Berührung bringt, damit sie als Erwachsene in der Lage sind, „die eigenen Lüste und die Lüste der anderen zur Erfindung einer neuen Sozialität zu benutzen“55. Das „Regenbogenportal“ des Bundesfamilienministeriums, bei dem sich junge Menschen darüber informieren können, dass „Geschlecht, Sexualität und Begehren auf vielfältige Weise gelebt werden, wird gesellschaftlich und politisch immer mehr anerkannt.“56 Und dass sich die Zweigeschlechtlichkeit nur durchsetzen konnte, weil zwar die Natur, nicht aber die Gesellschaft die Vielfalt mochte.

Auch Foucaults Feststellung, dass neue Episteme, wenn sie sich durchsetzen, alte zum Schweigen bringen, scheint sich zu bewahrheiten: gesellschaftspolitische Positionen, die vor wenigen Jahren noch selbstverständlich schienen, werden mit großer Vehemenz aus dem Diskurs gedrängt. Es gilt die Räume
der Auseinandersetzung, auch angesichts sich ideologisch verhärtender Fronten, im Glauben an Vernunft, Dialog und Werte, die konstruierte Episteme überdauern, offenzuhalten.

Das Bulletin kann hier – übrigens kostenlos – bestellt werden: www.dijg.de.

Zusammenleben in einer post-männlichen Zivilisation

Die Biologin Meike Stoverock ist davon überzeugt, dass die Evolution früher oder später ein Matriarchat herbeiführen wird. Ihrer Meinung nach steuern wir mit Volldampf auf eine post-männliche Weltordnung zu. Die stellt sie sich folgendermaßen vor:

Nun macht Meike Stoverock Vorschläge, wie das Zusammenleben von Männern und Frauen in einer post-männlichen Zivilisation aussehen könnte, einer Weltordnung, in der Frauen im Lauf ihres Lebens tendenziell mehrere Alphamänner auswählen, in der aber nicht jeder Topf einen Deckel findet. Sie rechnet ab mit der Institution der Ehe, in der sie ein Instrument der Unterdrückung von Frauen sieht, fordert eine Abkehr von der romantischen Vorstellung, dass Männer und Frauen in lebenslanger Monogamie glücklich werden können.

Männer, die in dieser neuen Weltordnung keine Frauen mehr finden, sollen auf andere Weise versorgt werden – Stoverock denkt über Sexualassistentinnen nach und über die Rolle von Prostitution, sie bezeichnet Pornografie als mögliche „gesellschaftsverträgliche Stütze“ für Männer.

„Männer, die nie oder nur sehr selten Sexpartnerinnen finden, müssen ethische und gesellschaftlich akzeptierte Möglichkeiten bekommen, ihre sexuellen Bedürfnisse zu erfüllen.“

Meike Stoverock hat ein aufwühlendes Buch geschrieben. Es ist radikal und provoziert manchen Widerstand. Damit geht sie klug und vorausschauend um und entkräftet Gegenargumente, die beim Lesen aufsteigen können. Man muss das nicht alles mögen, was sie schreibt, man kann sich empören über ihr Bild von Männern und Frauen, ihre Ablehnung der Ehe, die Art ihrer Religionskritik. Aber gerade deshalb ist ihr Buch so lesenswert – weil es dazu auffordert, völlig neu über das Verhältnis von Männern und Frauen nachzudenken und auch: zu streiten.

Ich finde die Thesen weder überzeugend noch originell, wie wohl die meisten Leute. Trotzdem sehe ich vor meinem inneren Auge Frau Dr. Meike Stoverock schon von einer Talkshow zur anderen tingeln. Die Moderatorinnen werden so begeistert sein wie Monika Dittrich, die das Buch für das DLF-Format „Ausdruck“ besprochen hat:

VD: WH

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