Wer hat Angst vorm Zündelmann?

Die Erregung über die geplante Koran-Verbrennung zeigt, wie schnell die global vernetzte Medienöffentlichkeit aus Angst vor islamistischem Terror zum Spielball von Extremisten wird (siehe dazu auch hier). Islamisten nutzen diese Vernetzung der Welt dafür aus, um Gesellschaften zu spalten. Dabei muss niemand vor dem obskuren Pastor Terry Jones Angst haben, denn es gibt unter den Fundamentalisten eine Asymmetrie der Gewalt.

Reinhard Mohr hat für den SPIEGEL die Frage gestellt, was wohl passieren würde, wenn ein obskurer Mullah irgendwo eine öffentliche Bibelverbrennung ankündigte:

Wie sähen die weltweiten Reaktionen wohl aus, wenn ein fanatischer Mullah irgendwo in der arabischen Welt ankündigen würde, er wolle einen Haufen Bibeln verbrennen?

Sicher, die Kirchen würden protestieren, der Papst, ein paar zweit- und drittrangige Politiker. Aber gewiss nicht der US-Präsident oder die Bundeskanzlerin. Eher riefe Margot Käßmann zur »interkulturellen Verständigung« und zum »religiösen Dialog« auf, Feuilletonisten würden an den österreichischen Provokationskünstler Hermann Nitsch erinnern, dessen Blutorgien- und Mysterientheater schon viel schlimmere Blasphemien im Angesicht des christlichen Kreuzes hervorgebracht hat, oder Historiker würden das Ganze als späte Reaktion auf die Kreuzzüge des elften und zwölften Jahrhunderts deuten. Motto: So was kommt von so was.

Man könnte sich jedenfalls darauf verlassen, dass keine christlichen Selbstmordkommandos losziehen würden. Es gäbe keine Massendemonstrationen wütender Gläubiger, keine Botschaften würden gestürmt und keine Flaggen verbrannt. Es gäbe auch keine Boykottaufrufe und keine Fatwa. Niemand müsste sich fürchten vor den Gewalttaten radikaler Christen.

Hier der vollständige Artikel: www.spiegel.de.

Ähnliche Beiträge:

Abonnieren
Benachrichtige mich bei

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

4 Kommentare
Inline Feedbacks
View all comments
Johannes Strehle
14 Jahre zuvor

Das muss der Höhepunkt im Leben und in der Karriere eines Sektenführers sein: Der US-Präsident und seine Außenministerin melden sich zu Wort, der Verteidigungsminister meldet sich, der Afghanistan-Generalissimus sieht die ganze Mission gefährdet – von der deutschen Bundeskanzlerin ganz zu schweigen, die gleichzeitig mit einer Sonntagsrede zur Meinungsfreiheit in puncto Blasphemie die Muslime in Wallung bringt. (In dem Lande, dessen Regierung ihr anvertraut wurde, handhabt sie die Meinungsfreiheit nach Gutsfrauen-Art.) Jedes Mitglied der Medien-Gesellschaft kennt diesen Sektenführer nun. Kann er nun den Rest seines Lebens davon zehren, oder ist er auf den Geschmack gekommen? Und das alles nur, weil die sensationslüsternen überregionalen Medien (und die Muslime?) die Story verbreiten mussten. Zweierlei Maßstäbe sind ein Grundübel des Menschen – in diesem Fall sind sie, wie der SPIEGEL es gut beschreibt, besonders krass. Aus einem FAZ-Kommentar (10. September): „An die Bilder brennender Puppen, die an Galgen baumeln, hat sich die Weltöffentlichkeit längst gewöhnt. Der (gesteuerte) Volkszorn, der sich darin äußert, gilt offenbar… Weiterlesen »

Johannes Strehle
14 Jahre zuvor

Schreien lassen Der neunte Jahrestag der Angriffe auf Amerika wird von Furcht und Hass geprägt. … Der Prediger bedauert jedenfalls nichts, er will sein Ziel erreicht haben. In der Tat, selbst der Präsident weiß jetzt, wer er ist. Obama wurde, wie die ganze Welt, zum Opfer eines Kommunikationstotalitarismus, für den Sensationsträchtigkeit alles ist. Geradezu rührend waren die Ratschläge, die auf „Poynter Online“, dem Internettreff amerikanischer Journalisten, die als Medienethikerin auftretende Kelly McBride gab. Sie warnte davor, die Kamera auf den Prediger zu richten, denn das sei nichts anderes, als einem Kleinkind bei einem Schreianfall Aufmerksamkeit zu schenken. Reporter sollten nicht im Minutentakt berichten, was sich abspielt, die Vorgänge vielmehr im großen Zusammenhang deuten und dabei klar Stellung beziehen. … Ganz gleich, wie zurückhaltend Journalisten vom nächsten überdrehten Prediger oder Imam erzählen, der Strom der Bilder sucht sich seinen Weg und zeigt die größte Wirkung bei denen, die nur darauf aus sind, dass er in die falschen Kanäle gerät.“ Frankfurter Allgemeine… Weiterlesen »

Roderich
14 Jahre zuvor

Anbei ein Link zu dem Bericht ueber eine Bibelverbrennung im Jahre 2006 in Pakistan:

http://www.kath.net/detail.php?id=13326

Danach wurden meines Wissens (Gott sei Dank) NICHT tausende Moslems im Westen umgebracht.

Andersherum haette man ja fuer nichts garantieren koennen.

Johannes Strehle
14 Jahre zuvor

Koran-Verbrennungen und zwei Tote

„Obwohl Pastor Terry Jones aus Gainesville in Florida nach einigem Zögern seine geplante Koranverbrennung am Samstag endgültig abgesagt hatte, kam es am Gedenktag für die Opfer der Terroranschläge vom 11. September 2001 an verschiedenen Orten zu Schändungen des Korans, ohne dass diese ein nennenswertes Echo in den Medien gefunden hätten.
Bei einem Protest gegen das geplante islamische Gemeindezentrum im Süden Manhattans wurden von Demonstranten Seiten aus einem Exemplar des Korans herausgerissen und angezündet. …
In der Nähe von Nashville im Bundesstaat Tennessee verbrannten zudem zwei fundamentalistische Prediger mindestens zwei Exemplare des Korans. …
In Afghanistan kam es am Wochenende abermals zu Protesten gegen die von Jones geplante Koranverbrennung. Nach Augenzeugenberichten vom Sonntag kamen in der südlich von Kabul gelegenen Provinz Logar zwei Personen um, als afghanische Soldaten gegen etwa 500 Demonstranten vorgingen, die antiamerikanische Sprechchöre skandiert und Sicherheitskräfte mit Steinen beworfen hatten.“

Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 13.09.2010

DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner