Die Katholische Akademie in Bayern (München) veranstaltet am 15. September 2011 eine »Nacht der Philosophie« zum Thema: Wer sind die wahren Fundis? Prof. Gerhard Schurz von der Heinrich Heine Universität in Düsseldorf wird als humanistischer Aufklärer und Vertreter einer verallgemeinerten Evolutionstheorie die religionskritische Position vertreten. Prof. Daniel von Wachter, im Jahr 2010 Referent während der Apologetik-Studienwoche in Berlin, verteidigt ein vernünftiges Christentum. Von Wachter:
Es gibt starke Indizien für die Existenz Gottes. Deshalb ist der Theismus vernünftiger als der Atheismus. Nicht die sich als ›Aufklärung‹ bezeichnende Bewegung, sondern das Christentum hat die Vernunft gefördert. Die Behauptung vieler Säkularsten, das Christentum sei an den meisten Kriegen schuld und fördere die Unvernunft, ist falsch. Die größten Feinde der Religions- und Meinungsfreiheit in Europa sind heute Säkularsten. Der einzige Weg zur Religions- und Meinungsfreiheit ist die Achtung des Wertes und der Rechte der Andersdenkenden.
Hier die Einladung zur Veranstaltung: JA_Philosophie.pdf.
Gibt es „starke Indizien für die Existenz Gottes“, die den „Theismus vernünftiger“ machen als den Atheismus? Oder gibt es keine Indizien für die Nichtexistenz Gottes, was den Atheismus die einzig mögliche Erklärung aller Dinge macht?
Wenn ein akademischer Vertreter des Christentums davon spricht, dass es für die Existenz Gottes ’starke Indizien‘ gebe, muss man misstrauisch werden. Daraus spricht ein starker Zweifel. Wie will jemand, dessen Zweifel ihm vorauseilt, von Natur aus Ungläubige Menschen von seiner Botschaft überzeugen? Dem Atheisten scheint seine Position ohnehin die einzig denkbare zu sein. Wenn jetzt noch einer kommt, und ihm sagt, der Theismus sei ‚vernünftiger‘, ist der Eintopf fertig: Da bliebe ich mit größerer Überzeugung Atheist.
Dem Gedankengang kann ich jetzt nicht ganz folgen…
@Ron
Danke für den Hinweis 🙂 Falls bis dahin der Umzug über die Bühne ist, werde ich mir das anschauen.
@Jo Naja, ich hab’s so verstanden, als müsse man von einem „akademischen Vertreter des Christentums“ erwarten dürfen, dass er nicht nur von starken Indizien spricht, sondern für den Glauben kämpft? (Ist nur eine Vermutung). Mir kommt die Bemerkung auch irgendwie lose oder vage vor. Wenn wir ganz cartesianisch vom Ego ausgehen und von daher versuchen, Gott in unserem Koordinatensystem zu finden, dann mag es durchaus Indizien geben, aber als Person wird man ihn ja wohl kaum finden. Ganz anders z. B. bei Anselm: Der setzt die Existenz Gottes geradezu voraus, bevor er sich anschickt, ihn auch — fides quaerens intellectum — für das Denken zu finden. Einige heutige „akademische Vertreter des Christentums“ klingen so, als hätten sie großes Verständnis für den Atheismus und versuchten, ihn mit Samthandschuhen von der Unvernünftigkeit seiner Position zu überzeugen (was nachgerade kabarettistische Züge trägt, so lächerlich ist das). Aber unter Akademikern führt man ja schließlich einen gepflegteren, völlig unpolemischen Ton. Ich glaube, ich verstehe jetzt,… Weiterlesen »
@Schandor,
Genau genommen setzt er nicht dessen Existenz, sondern die Möglichkeit seiner Existenz voraus 😉 Das interessante an Anselms, Gödels und Plantingas Argument ist, dass derjenige, der die Existenz Gottes als Wesen mit allumfassender maximaler Exzellenz prinzipiell für möglich hält zu dem Schluss geführt wird, dass Gott notwendigerweise existiert. D.h. in diesem Fall wird es schwierig, Agnostiker zu bleiben… 😉
Wer natürlich das Konzept der „perfect being theology“ grundsätzlich für inkonsistent hält, für den hat Anselms Argument wenig Zugkraft.
Liebe Grüße
Jo
@Jo Naja, ich hab das halt daraus geschlossen, was ich unlängst gelesen hab: „Anselms Gottesbeweis setzt bekanntlich mit einem Gebet ein. Dieses Gebet enthält bereits den entscheidenden Schlüssel für das Verständnis seines Beweises und widerlegt im Grunde seine ‚Beweis‘-Intention. Es eröffnet das 2. Kapitel seines ‚Proslogion‘ und lautet in seinen wesentlichen Sätzen: ‚So gib mir nun, Herr, der du dem Glauben auch die Einsicht verleihst, gib mir … die Erkenntnis …, dass du bist, wie wir glauben, und dass du das bist, was wir glauben. Wir glauben aber von dir, dass über dich hinaus Größeres nicht gedacht werden kann.‘ (Thielicke, Glauben und Denken, J.C.B Mohr 1988, S. 77). Aber was Du da von der „perfect being theology“ schreibst, ist genau das, was ich an diesem Ansatz eines Gottesbeweises nie verstanden habe. Spaemann findet den Beweis überzeugend (in seinem Gottesbeweisbüchlein erwähnt er das), Schopenhauer hat die Lächerlichkeit dieses Ansatzes damit aufgewiesen, dass „Existenz“ (oder hier besser: Sein, viell. Aseität) kein Wesensmerkmal… Weiterlesen »
@Mario und Schandor D.von Wachter argumentiert aehnlich wie Richard Swinburne zunaechst mal rein logisch, dass die Indizien FUER die Existenz Gottes weit staerker sind als die Indizien, die GEGEN die Existenz Gottes zu sprechen scheinen. Wenn man wissenschaftlich argumentiert, muss man auf der Indizienebene bleiben und kann nicht sagen: „Ich bin mir aber 100% sicher. Basta.“. Nachdem rein rational auf der „Indizienebene“ geklaert ist, dass die Wahrscheinlichkeit fuer die Existenz Gottes groesser ist als die Wahrscheinlichkeit gegen die Existenz Gottes, kann man danach – falls sich der Gespraechspartner noch dafuer interessiert – sein persoenliches Zeugnis geben, warum fuer einen selbst (auf Basis der eigenen Erfahrungen) die Wahrscheinlichkeit der Existenz Gottes, der Wahrheit der Bibel etc. naeher an die 100% geht. Also: nur nicht nervoes werden. D.v. Wachter geht mit Sicherheit davon aus, dass der christl. Glaube 100% wahr ist. Aber man muss die Regeln der Diskussion beachten. Man kann nun mal nur mit Indizien argumentieren. Wer noch Zweifel hat: auf… Weiterlesen »
@Roderich Wenn „wissenschaftlich argumentieren“ tatsächlich hieße, auf der Indizienebene bleiben zu müssen, kann es kein Wissen geben, sondern nur Approximation. Hier versteht man Kierkegaards Ärger wirklich! Ich glaube, es war Schopernhauer, der einmal gesagt hat, die Wissenschaft habe sich um die Existenz Gottes keinen Kopf zu machen, da er nie ihr Thema sein kann. Wenn er recht hätte, müssten die Wissenschaftler (deiner Definition zufolge) Beifall klatschen und nicht so tun, als gehe sie die Existenz Gottes überhaupt was an. Es geht auch gar nicht darum, dass jemand sagt, was er glaubt, sondern eben um Indizien — oder eben um Beweise. Fideisten und Präsuppusitionalisten jedenfalls würden schon das Prinzip bestreiten, das Du aufstellst. Erstere würden sagen, die Existenz Gottes habe nicht mit Wissenschaft zu tun, zweitere würden sagen, axiomatisch sei allein die Heilige Schrift. Nur die (evidentialistischen) „Wissenschaftler“ (Apologeten) teilen Deine Prämissen, denn wenn wir uns dem Rationalismus zukehren, so ist es um die sogenannten „Indizien“ gar schlecht bestellt… Aber noch… Weiterlesen »
@Roderich
gut gesprochen, äh geschrieben 😉 Kommst du dieses Jahr auch wieder nach Marburg? Würde mich freuen, dich dort wieder zu treffen 🙂
Das reicht ja schon, um für die Nützlichkeit von Indizien zu argumentieren. In Römer 1, 19ff wird klar bestätigt, dass der Mensch durch Beobachtung / Indzien prinzipiell erkennen kann, dass ein Gott ist. Damit wird noch niemand Christ, aber Indizien können eben nachweislich förderlich für die christliche Gotteserkenntnis sein 🙂
Liebe Grüße
Jo
@Jo – ja, das waere super, sich in Marburg mal wieder zu sehen. Mal schauen. @Schandor – das stimmt, der strikte „presuppositionalism“ wuerde nicht mit Indizien arbeiten. (Van Til etc.). Auch wenn der Presuppositionalism in seinem eigenen Gebiet sehr stark ist (es ist naemlich ueberzeugend, bei den Grundannahmen anzusetzen, d.h. mit den Denkvoraussetzungen, z.B. warum kann man unterstellen, dass unsere Vernunft ueberhaupt vernuenftig ist?), so sollte man doch die Indizienargumente deshalb nicht weglassen. Thomas Schirrmacher schreibt ja auch in der Ethik, dass Van Til und andere „strikte“ Presuppositionalists uebertreiben. Etwa gibt es gute „Indizienargumente“, z.B. das Design in der Natur, Schoenheit in der Natur, die Existenz von Ordnung im Universum, die Existenz von Naturgesetzen oder moralischen Gesetzen, eine irreduzible Komplexitaet, die fuer die Existenz Gottes sprechen; oder man kann mit Indizien fuer die Auferstehung Christi argumentieren (z.B. warum waren die Juenger nach der Kreuzigung erst so desolat, und spaeter haben fast alle Juenger mit ihrem Leben bezahlt fuer die Ueberzeugung,… Weiterlesen »
@Roderich Mir fällt dazu der Film „Contact“ ein. Wenn Du ihn gesehen hast, erinnerst Du Dich bestimmt daran, dass es den Wissenschaftlern (seltsamerweise!) nicht gelingen will, die (dreidimensionale) Botschaft zu entschlüsseln. Sie versuchen unzählige Iterationen und Permutationen, aber die Teile wollen nicht zueinander passen. Erst als Haddon Arroway erklärt, dass man die Teile wie einen Würfel, also dreidimensional verstehen muss, löst sich das Rätsel. Genau so ist es mit den Gottesbeweisen — sie können Gott nicht beweisen, da Gott so nicht bewiesen werden kann. Jeder, der es dennoch tut, macht sich höchst lächerlich, ob nun mit oder ohne „Indizien“ (was für lächerliche Methoden; sie sollten wahrlich als Pudendum gelten — und tun das auch in den Augen der Atheisten). Nein, Gott muss man „dreidimensional“ beweisen: Durch die Tat nämlich. Wie die Jünger sich für ein (angebliches) Märchen (die Auferstehung) geradezu schlagen und töten ließen — *das* waren Beweise für Gott, denn die gebildeteren unter den Atheisten müssen hier zustimmen: Verrückt… Weiterlesen »
@Schandor,
in dem Masse, wie ein Atheist Gruende anfuehren kann, die (als Teil-Indizien) gegen die Existenz Gottes zu sprechen scheinen, in dem Masse wird es Sinn machen, als Christ Gegengruende anzufuehren, die fuer die Existenz Gottes sprechen. Einen 100% Beweis gibt es natuerlich nicht, das sagt auch D.V. Wachter in „Die Kausalitaet der Welt“ – ich empfehle Dir sehr, diese Habil Schrift mal herunterzuladen von von-wachter.de
Zu dem anderen: klar, Menschen wollen etwas „erfahren“. Daher ist wohl das beste, wenn man selber versucht, im Heiligen Geist zu leben, dann werden Menschen Christus an Dir erkennen. „Christus in euch“, heisst es ja im Kolosserbrief, und „Brief Christi“ (in einem der Korintherbriefe, glaube ich).
@Schandor, noch etwas: im Alltag geht jeder, auch der „Presuppositionalist“, davon aus, dass es Beruehrungspunkte zwischen Verstand des Christen und des Nichtchristen gibt. Angenommen, Du gehst in den Supermarkt, um an der Wursttheke etwas zu bestellen. Du sagst ohne weitere Umschweife: „Bitte 150 g Mettwurst“, und Du wirst nicht erst bestaetigen, dass es zwischen Deiner Vernunft und der Vernunft des Metzgers einen Beruehrungspunkt gibt. Du wirst also nicht erst fragen: „Entschuldigung, Herr Metzger, sind Sie Christ?“ – „Nein, wieso?“. „Hmm, dann muss ich erst fragen: Glauben Sie, dass es (intersubjektive) Objektivitaet und Wahrheit gibt? Glauben Sie, dass man als Mensch diese Wahrheit wenigstens zum Teil erkennen kann? Und glauben Sie, dass zwei Menschen diese Wahrheit wenigstens teilweise kommunizieren koennen?“ Der Metzger: „Huh?“ Du: „Hm, dann muss ich erst mal auf meine Bestellung verzichten“. Kommt der naechste Kunde und bestellt locker mal 200 gr Salami. Der Metzger tut so, als existiere Vernunft und Objektivitaet und als koenne er kommunizieren, und packt… Weiterlesen »
@Roderich Ich kann verstehen, dass Dich das etwas aufbringt (deine zweite Bemerkung klingt mir jedenfalls ein wenig danach). Was Du da in Deiner zweiten Bemerkung sagst, ist aber trivial (im philosophischen Sinn), und kaum jemand wird es bestreiten. Es zeigt mir aber, dass Du mich nicht verstanden haben kannst, denn gerade darum ist es mir nicht gegangen. Ich bin kein „Van-Tillian“. War er wirklich Präsuppositionalist? Soweit ich weiß, hat er an die göttliche Widersprüchlichkeit geglaubt… Nun, ich sehe: Das führt zu nichts. Ich kann Dir nur eines sagen: Wer die Apologetik als intellektuellen Teilaspekt und verkappten Versuch, den anderen auf die Wahrheit hinzuweisen missbraucht, hat im Grunde nicht verstanden, dass das Problem kein epistemologisches Problem ist, sondern ein zutiefst ethisches. Auf dieser Basis kann es zwar intellektuellen Austausch geben; Funken springt keiner über, weil auf der Gegenseite — sit venia verbo — nichts Brennbares da ist. Ich hab es unzählige Male erlebt (obgleich: Was ich erlebt oder nicht erlebt habe,… Weiterlesen »
@Schandor, OK, sorry, wenn ich Dich missverstanden habe. Ich meinte nur, dass es einen Bezugspunkt zwischen Vernunft des Christen und des Nichtchristen geben muss. Das hattest Du oben nur den „Evidentialisten“ zugeschrieben. Aber es ist schon klar, das muss man auch philosophisch belegen, nicht mit Verweis auf Wursttheken im Supermarkt. Das mit dem ethischen Problem ist sicher ein Punkt. Aber es ist eben nicht NUR ein ethisches Problem. William Lane Craig schreibt, dass er durchaus Leute auch ins Koenigreich Gottes hinein-argumentiert hat. Wenn Leute ueberzeugend dargelegt bekommen, dass die Argumente fuer Gottes Existenz stark sind, dann entscheiden sie sich viel eher fuer Gott. Es kann sein, dass man sich als Atheist aus ethischen Gruenden (banales Beispiel: man will nicht auf Sex vor der Ehe verzichten) Gruende sucht, die gegen Gottes Existenz sprechen. Das laeuft aber z.T. unbewusst ab. Man baut sich dann z.T. eine Mauer, und verbaut sich (und wenn man seine Denkerzeugnisse publiziert) evtl. auch anderen den Weg zu… Weiterlesen »
@Roderich Danke für die Aufklärung! Nun verstehe auch ich Deine Position besser — und meine, dass wir einander wirklich einfach ein wenig missverstanden haben. Nun gut, ist schließlich kein Problem für uns 🙂 Ich sehe es so. Grundsätzlich gilt für mich, sobald ich selbst denken kann, das, was die Bibel konstatiert. Und sie sagt, der Mensch sei von Grund auf böse (also gegen Gott eingestellt) und hält die Wahrheit (und damit auch die rechte Erkenntnis Gottes) durch seine Ungerechtigkeit (ethisch!) nieder. Da gibt es freilich Stufen. Davon aber ist auszugehen, da die Bibel für mich die Letztbegründung ist (diese Sichtweise, die etwa Gordon H. Clark vertritt, leuchtet mir einfach am besten ein oder mit D. v. Wachter gesprochen: überzeugt mich). Wenn Gott einen Menschen zum Heil erwählt hat, kommt in dessen Leben der Zeitpunkt, an dem er sich der Wahrheit annähert. Er wird — wie man manchmal sagt — „offen“. Offen heißt dabei für mich: Er sperrt sich nicht grundsätzlich,… Weiterlesen »
@Schandor,
Die obige Aussage im Buch von D. v. Wachter ist eine moegliche, korrekte Beschreibung des Glaubens, sie beschreibt mehr den „rationalen“ Aspekt des Glaubens.
Natuerlich ist der Glaube mehr. Sonst wuerde man, wenn man nur noch 49% ueberzeugt ist, wieder sagen: ich lehne den Glauben an Gott komplett ab etc.
Das Zitat verfolgt eine gewisse Linie der Argumentation, auf die man sich mal einlassen kann. (Ich bin sicher, das Buch wird noch manche positiven Ueberraschungen bereithalten. Habe es ja selber noch nicht ganz gelesen – aber die gedankliche Klarheit ist einfach super positiv fuer den Leser. Endlich mal ein Autor, der Philosophie nicht kuenstlich kompliziert machen muss :-)).
Die Schrift von Krabbendam werde ich mir bei Gelegenheit mal anschauen.
OK, vielen Dank erst mal!