Die Öffentlichkeitsarbeit der Hochschulen nähert sich dem Marketing an. Innovatoren und Experten sind gefragt, Intellektuelle stören nur – meint Markus Steinmayer in seinem Beitrag für die FAZ:
Ein Blick in den Pressespiegel einer beliebigen Universität zeigt allerdings das Gegenteil. Die Forschung an der Universität verspricht jederzeit, das Leben leichter und die Lage erträglicher zu machen. Wir haben, frivol formuliert, unsere „Erklärbären“ an den Instituten. So bietet die Leibniz-Gemeinschaft eine Art Speeddating für das interessierte Publikum an: „Bei ‚Book a Scientist‘ haben alle Neugierigen und Wissensdurstigen die Chance, sich 25 Minuten lang mit einer Expertin oder einem Experten der Leibniz-Gemeinschaft auszutauschen und alles zu fragen, was sie schon immer zu ihrem Lieblingsthema wissen wollten.“
Man kann in dieser Anpassung an die Marketingkommunikation eine Form des akademischen Kapitalismus sehen. Julika Griem schreibt: „Aber es kann nicht nur darum gehen, Personen, Drittmittelrekorde oder ganze Hochschulen zu verkaufen wie Schokoriegel oder Kleinwagen.“
Die Anpassung an ökonomische Formate bleibt nicht folgenlos. Es verschwindet der streitbare Intellektuelle aus der Universitätskommunikation. Er wird durch den Experten ersetzt. Der Experte fungiert als das personifizierte Spezialgebiet, als inkarnierte gesellschaftliche Herausforderung. Der Intellektuelle als Antagonist des Experten wie des Aktivisten stellt zwar möglicherweise die richtigen, aber eben auch schwierige oder heikle Fragen. Er wird als Störfaktor wirkungsorientierter Kommunikation inkriminiert. Wo es ihn wider Erwarten neben all den Experten für Stauforschung, Künstliche Intelligenz, Viren und Politikmanagement immer noch gibt, wird er als „regressiver Gegner des sozialen Wandels“ betrachtet. Für populäre Wissenschaftskommunikation im beschriebenen Sinne ist er nicht geeignet. Er ist ein Relikt, bisweilen noch anzutreffen, aber funktionslos geworden.
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Oh my. Ich habe beim letzten „Book a Scientist“ mitgemacht, und ich war total begeistert. Ein super innovatives Programm, um Wissenschaft den Leuten näherzubringen. In Zeiten, in denen die Menschen sich zunehmend den Luxus der „gefühlten Wahrheit“ leisten und einfach pfeifen auf das, was Wissenschaftler sagen und sich ihre eigene Kenntnis über Viren und Klima in Telegram-Gruppen und auf Facebook zusammenstückeln, ist die Wissenschaft mehr denn je gefragt, sich für wissenschaftsferne Leute attraktiver zu machen.
Was, bitte, hat „Book a Scientist“ mit „akademischem Kapitalismus“ zu tun? So weit ich weiß, verdienen die Unis dadurch nicht mehr Geld als sonst. Und ich vermute mal, die Wissenschaftler, die sich da zur Verfügung stellen, werden nicht extra dafür bezahlt. Ich denke mal, im Gegenteil, sie haben eigentlich besseres zu tun, als sich einem fachfremden Publikum zur Verfügung zu stellen. Journalisten, die innovative Ideen und Expertenwissen verachten, haben es einfach nicht verstanden, sind aber normal geworden.