Machte ein Übersetzungsfehler Maria zur Jungfrau?

180px-Stefan_Lochner_007.jpgGernot Facius hat unter Berufung auf einige Theologen, die jüngst die Herausgabe einer Deutschen Septuaginta besorgten, die alte These wiederbelebt, nach der die Jungfrauengeburt des Gottessohnes bei der griechischen und ägyptischen Mythologie erschlichen und durch einen Übersetzungsfehlers kultiviert wurde.

Er schreibt er am 28. Februar 2008 in seinem Beitrag »Übersetzungsfehler machte Maria zur Jungfrau« für DIE WELT:

Ohne die Septuaginta ist das Motiv Jungfrauengeburt nicht zu verstehen. Im (älteren) hebräischen Bibeltext heißt es noch beim Propheten Jesaja im 7. Kapitel: »Darum wird der Herr selbst euch ein Zeichen geben: siehe, die junge Frau wird schwanger werden und einen Sohn gebären. Und sie wird ihn Immanuel nennen.“

In der Septuaginta ist unter Jesaja 7 zu lesen: »Darum wird der Herr selbst euch ein Zeichen geben: sie, die Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären. Und du wirst ihm den Namen Emmanuel geben.«

Der Unterschied sticht ins Auge. In der hebräischen Textfassung spricht der Prophet von einer »jungen Frau«, die einen Sohn gebären wird. In der Septuaginta wird die »junge Frau« mit dem griechischen Wort »parthenos« übersetzt – es steht für »Jungfrau«.

Im ägyptischen und hellenistischen Mythos war die Vorstellung einer wunderbaren göttlichen Zeugung nichts Ungewöhnliches. So war göttliches Eingreifen in die Geschicke der Menschen zu verdeutlichen, noch mehr die göttliche Legitimität von Herrschern zu beweisen.

»Bei hellenistischen Königen«, schreibt der Bamberger Theologe Volker Eid, ein Kenner Israels und der christlichen Archäologie, „»war es nicht unüblich, sich auf göttliche Zeugung zu berufen und so eine despotische Herrschaft zu begründen.?

Als unter heidenchristlichem Einfluss die Gottessohnschaft Jesu immer stärker betont wurde, lag die hellenistisch geprägte Vorstellung nahe, Jesus sei durch göttliches Einwirken empfangen und ungeschlechtlich-jungfräulich geboren worden.« Es ist der Evangelist Matthäus, der die Vorstellung von der Jungfrauengeburt, die aus dem griechischen Judentum Syriens stammen dürfte, aufgreift und damit der christlichen Theologie eine Richtung weist.

Klaus Berger ist mit dieser Behauptung gar nicht einverstanden. Unter dem Titel »Bei Jungfrau Maria zählt die geistliche Wahrheit« veröffentlichte heute DIE WELT seine Entgegnung.

Bergers Argumentation erinnert an Überlegungen, die ich vor vielen Jahren in einer Vorlesung bei Carsten Peter Thiede vernommen habe. Das hebräische ›alma‹ ist kein Fachausdruck für virgo intacta, kann aber durchaus ›Jungfrau‹ bedeuten. (Übrigens kann das hebräische ›betula‹ auch so viel wie ›junge Frau‹ heißen (vgl. Dtn 32,25), obwohl es meist für ›Jungfrau‹ steht, vgl. z.B. Gen 24,16 oder Lev 21,3).

Berger schreibt:

Nun aber zu dem Zitat beim Propheten Jesaja selbst (in Kap 7, Vers 14). Im hebräischen Text ist da die alma genannt, zu deutsch eine junge Frau. Das kann alles heißen, auch Jungfrau. Doch man bedenke: Nach Jesaja soll das ein besonderes Zeichen Gottes sein, dass eine alma empfängt und ein Kind bekommt.

Nun ist bekannt, dass zu über 99% aller Kinder von jungen Frauen empfangen und geboren werden. Worin soll das Besondere, das Zeichen, liegen, wenn lediglich eine junge Frau ein Kind bekommt? Das wäre kein Zeichen, sondern normal. Der Sinn dieser Schriftstelle bei Jesaia [sic] wäre damit schon nach dem hebräischen Wortlaut verpufft.

Klaus Berger bleibt insgesamt – wie so oft – zweideutig und mich kann seine Argumentation im Ganzen nicht überzeugen (wen wundert es, vgl. hier). Doch leuchtet mir diese Begründung ebenso gut ein, wie die folgende Erklärung:

Matthäus und Lukas lassen keinen Zweifel an der biologischen Gottessohnschaft Jesu. Darin waren sich Orthodoxe, Katholiken, reformatorische Christen und sogar Moslems stets einig – bis man eben seit dem 19. Jahrhundert grundsätzlich Gottes Wirken aus der Welt verbannen wollte und die biblischen Geschichten als Märchen erklärte.

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Dr. Benedikt Rothöhler
8 Jahre zuvor

Was an Bergers Argument zweideutig ist, schreiben Sie nicht, und auch nicht, warum seine Argumentation Sie im Ganzen nicht überzeugt. Natürlich müssen Sie nicht mit Allem einverstanden sein, was er in seinem Artikel schreibt, aber hier geht es um eine konkrete Frage:
„bedeutet das hebräische Wort ‚Alma‘ bei Jesaja ‚junge Frau‘ (nicht alt) oder ‚Jungfrau‘ (hatte noch keinen Geschlechtsverkehr)?“
Und zu dieser Frage ist Bergers Hinweis ein sehr starkes Argument für die Bedeutung „Jungfrau“. Das griechische „Parthenos“ für „Alma“ wäre also kein Übersetzungsfehler. Wenn Sie Berger hierin nicht folgen wollen, sollten Sie dies genauer begründen. Es wäre sicher für alle interessant.
Die Schreibung Jesaia ist übrigens ebenso richtig wie Jesaja – das hebräische Zeichen Iod kann im lateinischen Alphabet ebenso mit I wie mit J wiedergegeben werden.

8 Jahre zuvor

Gefällt mir und habe die Seite abonniert.
Bei mir sind auch seht tiefgründige religiöse Ansichten zu lesen.

LG Rudi

Stephen Reynoldi
6 Jahre zuvor

Warum liest man nicht einfach nach was Maria selbst zu ihrer Situation sagt? Lest bitte Lukas 1:34

Markus Jesgarz
6 Jahre zuvor

Meine Meinung ist:
Es gibt Indizien für die Jungfräulichkeit von Maria. 
In dem Beitrag:
Norman Geisler-The Virgin Birth
https://www.youtube.com/watch?v=jq1q9KUKEYs&list=RDjq1q9KUKEYs&t=31
steht auf den Folien:
1.
Zum Zeitpunkt (12:36 / 41:47): 
1) Jesu came „from the loins of David“ (2. Sam. 7:12 f.)
through his actual mother Mary (Lk. 3);
2) But He still inherited the throne
through his legal father Joseph (Mt. 1);
3) Yet he avoided the curse through Jeconiah because he
was not an actual descendent of Jeconiah through Joseph. 
2. 
Ab (21:51 / 41:47) bis (22:23 / 41:47):  
1) Every one born the natural way (with two parents)
is born a sinner (Psa. 51:5; Eph. 2:3; Rom. 5:12). 
2) Jesus was sinless 
(2 Cor. 5:21; Heb. 4:15; 1 Peter 1:19; 1 John 3:3). 
3) Hence, Jesus was not born the natural way (with
two parents). He was born of one parent (a virgin). 

PeterG
6 Jahre zuvor

Ich mag es ja nicht, aber bei Wikipedia wird Befund zu Jungfrauengeburten außerhalb der Bibel besprochen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Jungfrauengeburt#Religionsgeschichtliche_Forschung

Wenn ich es richtig verstanden habe, gibt es zumindest vor der Septuaginta keinen Beleg für ein angenommenes heidnisches Motiv der Jungfrauengeburt. Wenn das stimmt, gibt die LXX sehr wahrscheinlich das Textverständnis des Jahres 200 v. Chr. wieder.

Wilhelm Kratochwil
4 Jahre zuvor

Hallo, im obigen Artikel wird einmal „harah“ nicht korrekt übersetzt, und die christliche Argumentation enthält gleich 3 Fehler: 1) Almah und betulah sind zwar nicht Synonyme, werden aber im Tanach austausch- bar verwendet. Daher ist es ausschlaggebend, wie Jesaja die beiden Wörter ge- braucht. Bei ihm findet sich betulah 5 x, aber nur 1 x almah, und zwar nur in 7, 14. Die Vermutung spricht daher stark für die Bedeutung Mädchen/junge Frau. 2) Jes. 7, 14 wird mit „siehe eine Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären“ übersetzt. Das ist falsch. a) Das Wort harah ist eine Vergangenheitsform und muß mit „hat empfangen“ übersetzt werden. In Genesis heißt es barah, was nicht sagen will, dass Gott die Welt erschaffen wird, sondern erschaffen hat. b) Jesaja sagt nicht „eine“ almah, sondern „die“ almah, verwendet also den be- stimmten Artikel, womit er aktuell eine bestimmte Frau meint, und nicht auf irgendeine Zukunft verweist. Die Aussage kann sich somit wohl nur auf die… Weiterlesen »

Markus Jesgarz
4 Jahre zuvor

Meine Meinung ist: 1. Die Berichte über Jesu Leben sind mit einer Lücke von 50 Jahren oder weniger zwischen den Ereignissen und den ersten Briefen des Neuen Testaments viel zu kurz, als dass durch die Entwicklung eines Mythos der fest-historische Kern des Evangeliums könnte überschattet werden. Im Beitrag: Fünf Gründe, warum das Christentum die Mysterienreligionen nicht kopiert hat https://ses.edu/five-reasons-christianity-did-not-copy-mystery-religions/ am 11.12.2019 von Dr. Doug Potter steht unter „3. The Virgin Birth and deity of Jesus Christ are unique.“ („3. Die Jungfrauengeburt und die Gottheit Jesu Christi sind einzigartig.“): Dass das Christentum die Geschichte der Jungfrauengeburt kopiert hat, wurde aufgrund des Dionysoskultes (griechisch) vorgeschlagen. Hier soll Dionysos der Nachkomme des griechischen Gottes Zeus und einer menschlichen Mutter sein. Der Mithraismus sagt, dass Mithra aus einem Felsen geboren wurde. Die Gottheit Jesu wird auch mit der Vergöttlichung Alexanders des Großen verglichen, der angeblich von den Göttern als Jungfrau geboren wurde und wundersame Taten vollbrachte. Ähnliche Behauptungen werden für Apollonius, einen Neopythagoräer des… Weiterlesen »

Markus Jesgarz
4 Jahre zuvor

Meine Meinung ist: 1. Die Übersetzer der Septuaginta, die vor der Ankunft des Messias wirkten, glaubten, dass Jesaja 7,14 eine Vorhersage der jungfräulichen Geburt des Messias war. Im Buch: Baker Encyclopedia of Christian Apologetics https://www.difa3iat.com/wp-content/uploads/2014/05/Baker-Encyclopedia-Of-Christian-Apologetics.pdf von Norman L. Geisler steht unter „Virgin Birth in Isaiah 7:14“ („Jungfrauengeburt in Jesaja 7,14“) auf der Seite 1376 von 1503 in der Anzeige ab dem 3. Absatz: Ein einziger Hinweis auf eine übernatürliche Geburt. Einige Gelehrte verteidigen die Position, dass sich Jes. 7,14 nur auf die übernatürliche jungfräuliche Geburt Christi bezieht. Im Gegensatz zur ersten Option wird ‚alma im Alten Testament nur mit „Jungfrau“ übersetzt und hat keine anderen Optionen. Die Prophetin ist daher nicht qualifiziert. Das griechische Alte Testament (Septuaginta) übersetzte ‚alma mit dem eindeutigen Wort parthenos, das nur „Jungfrau“ bedeuten kann. Diese Übersetzer, die vor der Ankunft des Messias wirkten, glaubten offensichtlich, dass dies eine Vorhersage der jungfräulichen Geburt des Messias war. Das inspirierte Neue Testament billigte dieses Werk mit einem Zitat… Weiterlesen »

Wilhelm Kratochwil
2 Jahre zuvor

Die Ausführungen von Herrn Jesgarz sind leider nicht richtig. 1) Die Überlieferung von Matthäus und Lukas ist mit vielen histori-schen Fakten nicht zu vereinbaren; die Darlegung würde ein Büch- lein füllen. Schon die Anordnung der „Volkszählung“ durch Augustus ist falsch, weil sie nur für römische Bürger galt. Lukas verwechselt sie mit einem Gebietszensus anläßlich der Übernahme Judäas usw. im Jahr 6 n. Chr. in römische Verwaltung. Aber eine „1. Aufschrei- bung“ kann damals nicht stattgefunden haben, weil Jesus wahr- scheinlich im Jahr 7 vor Chr. geboren wurde, und sich Maria und Josef aus diesem Grund nach Bethlehem begeben hätten, warum sonst einer hochschwangeren Frau diese Reise zumuten? Nur weil laut Digesten des Ulpian 50 die Frau den Mann begleiten mußte. Ich kann hier wegen der Fülle des Stoffes nicht alles ausbreiten. 2) Dass hier kein griechischer Mythos gewirkt haben könnte, stimmt so nicht: die Menschwerdung eines Gottes (επιφαινεια) ist ein Topos; so nannte sich Antiochos IV. Epiphanes. Jesus fuhr wie… Weiterlesen »

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